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BGH - Entscheidung vom 22.07.2020

AK 16/20

Normen:
StPO § 112 Abs. 1 S. 1
StPO § 112 Abs. 2 Nr. 2-3
StPO § 121 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 22.07.2020 - Aktenzeichen AK 16/20

DRsp Nr. 2020/12098

Anordnung der Fortdauer einer Untersuchungshaft; Mitgliedschaftliche Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung durch Zugehörigkeit zum IS; Dringender Tatverdacht hinsichtlich mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung; Haftgründe der Fluchtgefahr und der Schwerkriminalität

Tenor

Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Düsseldorf übertragen.

Normenkette:

StPO § 112 Abs. 1 S. 1; StPO § 112 Abs. 2 Nr. 2 -3; StPO § 121 Abs. 1 ;

Gründe

I.

Der Angeschuldigte wurde am 15. März 2019 festgenommen und befand sich zunächst aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Neuss vom 16. März 2019 wegen des Vorwurfs eines Waffendelikts in Untersuchungshaft. Diesen Haftbefehl hob das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 26. September 2019 ( III-1 Ws 223/19) auf. Der Angeschuldigte wurde allerdings nicht aus der Untersuchungshaft entlassen. Vielmehr erließ der Ermittlungsrichter des Oberlandesgerichts Düsseldorf am selben Tag einen neuen Haftbefehl (ErmRi Gs 76/19). Gegenstand dieses Haftbefehls war der Vorwurf, der Angeschuldigte habe am 30. Januar 2019 einen von ihm gespendeten Geldbetrag in Höhe von 190 € sowie am 5. Februar 2019 eine weitere, von ihm bei mehreren Spendern eingesammelte Geldsumme in Höhe von 546 € nach Syrien transferieren lassen, um damit die Organisation "Islamischer Staat" (IS) zu unterstützen. Zudem habe er auf seinem Mobiltelefon Dateien gespeichert, die Rezepturen zur Herstellung von Sprengstoffen enthielten. Dadurch habe er in zwei tatmehrheitlichen Fällen eine ausländische Vereinigung unterstützt, deren Zwecke oder Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB ), Totschlag (§ 212 StGB ) oder Kriegsverbrechen (§§ 8 , 9 , 10 , 11 oder 12 VStGB ) zu begehen, und jeweils in Tateinheit dazu Vermögenswerte mit dem Wissen oder in der Absicht zur Verfügung gestellt, dass diese von einer anderen Person zur Begehung einer der in § 89c Abs. 1 Nr. 1 StGB genannten Straftaten verwendet werden sollen, wobei die Tat dazu bestimmt gewesen sei, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates zu beseitigen oder zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat erheblich habe schädigen können, sowie - ebenfalls tateinheitlich - einem Bereitstellungsverbot eines im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union veröffentlichten unmittelbar geltenden Rechtsakts der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union zuwidergehandelt (strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 5, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 89c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 , Satz 2, §§ 52 , 53 StGB , § 18 Abs. 1 Nr. 1a) Variante 8 AWG; Taten 1. und 2. des Haftbefehls). Ferner habe er sich eine Schrift verschafft, die nach ihrem Inhalt geeignet gewesen sei, als Anleitung zu einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a Abs. 1 StGB ) zu dienen, um eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen (strafbar gemäß § 91 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB ; Tat 3. des Haftbefehls).

In der Folge befand sich der Angeschuldigte aufgrund dieses Haftbefehls bis zum 15. April 2020 in Untersuchungshaft. An diesem Tag hob der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den vorgenannten Haftbefehl auf und setzte einen Haftbefehl vom 9. April 2020 ( 2 BGs 192/20) in Vollzug ( 2 BGs 230/20). Gegenstand des neuen Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeschuldigte habe sich mitgliedschaftlich an der ausländischen terroristischen Vereinigung IS beteiligt, indem er zusammen mit sechs anderen Beschuldigten ebenfalls tadschikischer Herkunft in Deutschland eine Zelle gegründet habe, um im Namen des IS im Inland und/oder Ausland den bewaffneten Kampf gegen "Ungläubige" aufzunehmen und in Deutschland oder Tadschikistan Anschläge, auch unter Einsatz von Schusswaffen und Sprengstoff, zu begehen.

Noch vor Erlass des neuen Haftbefehls hatte der Ermittlungsrichter des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf über diese die Akten mit Verfügung vom 9. März 2020 dem Bundesgerichtshof zur besonderen Haftprüfung gemäß §§ 121 , 122 StPO vorgelegt. Der Senat hat mit Beschluss vom 14. Mai 2020 ( AK 8/20) entschieden, dass eine Haftprüfung durch den Senat derzeit nicht veranlasst sei, weil im Hinblick auf die dem Angeschuldigten mit dem Haftbefehl vom 9. April 2020 vorgeworfenen Taten eine neue Sechsmonatsfrist im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO in Gang gesetzt worden sei, deren Lauf am 21. Dezember 2019 begonnen habe und deren Ablauf somit noch bevorstehe.

Der Generalbundesanwalt hat am 19. Juni 2020 die Akten dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung im besonderen Haftprüfungsverfahren nach § 121 StPO mit dem Antrag vorgelegt, die Fortdauer der Untersuchungshaft anzuordnen. Unter dem Datum des 2. Juli 2020 hat er Anklage gegen den Angeschuldigten zum Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben.

II.

Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.

1. Der Angeschuldigte ist der ihm im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 9. April 2020 vorgeworfenen Straftat dringend verdächtig.

a) Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen ist insoweit im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:

aa) Der IS ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region "ash-Sham" - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" unter Geltung der Sharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak sowie das Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.

Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des "Kalifats" am 29. Juni 2014 aus "Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien" (ISIG) in "Islamischer Staat" (IS) umbenannte - wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm -, hatte seit 2010 bis zu seiner Tötung im Oktober 2019 Abu Bakr al-Baghdadi inne. Inzwischen wurde ein Nachfolger ernannt. Bei der Ausrufung des Kalifats war al-Baghdadi von seinem Sprecher zum "Kalifen" erklärt worden, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Dem "Kalifen" unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "Kriegsminister" und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene gehören außerdem beratende "Shura-Räte". Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung "Al-Furqan" produziert und über die Medienstelle "al-l'tisam" verbreitet, die dazu einen eigenen Twitter-Kanal und ein Internetforum nutzt. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung besteht aus dem "Prophetensiegel", einem weißen Oval mit der Inschrift "Allah - Rasul - Muhammad" auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem islamischen Glaubensbekenntnis. Die - zeitweilig mehreren tausend - Kämpfer sind dem "Kriegsminister" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.

Die Vereinigung teilte von ihr besetzte Gebiete in Gouvernements ein und richtete einen Geheimdienstapparat ein; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der irakischen und syrischen Armee, aber auch in Gegnerschaft zum IS stehender Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des IS in Frage stellten, sahen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom IS zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht der IS immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So übernahm er auch für Anschläge in Europa, etwa in Paris, Brüssel, Nizza und Berlin, die Verantwortung.

bb) Der aus Tadschikistan stammende, zur Tatzeit in Deutschland lebende Angeschuldigte, der sich Anfang 2019 mit ebenfalls den Ideen des IS nahestehenden Landsleuten zusammengeschlossen hatte, stand jedenfalls seit dem 14. Januar 2019 mit Anhängern bzw. Mitgliedern des IS im syrischen Kampfgebiet in Verbindung. In der Folge erörterte er über den Messenger-Dienst "Telegram" insbesondere mit einem inzwischen identifizierten, sich in Syrien aufhaltenden IS-Mitglied, ob die mit den gesondert Verfolgten gebildete Gruppe den Kampf des IS eher mit dem Transfer finanzieller Mittel oder mit Anschlägen in Deutschland oder Tadschikistan unterstützen solle. Während zu Beginn die finanzielle Unterstützung der Kämpfer in Syrien im Vordergrund stand und deren Organisation in Chats mit weiteren IS-Mitgliedern konkret besprochen wurde, gewannen die Überlegungen, der Angeschuldigte und die gesondert Verfolgten könnten zur Umsetzung der Ziele des IS selbst in Deutschland "Jihad machen", zunehmend an Raum. Der dem IS angehörende Gesprächspartner des Angeschuldigten gab diesem entsprechende Instruktionen zum Aufbau einer Zelle, die unter anderem den Rat enthielten, die Gruppe solle sich einen Anführer suchen, sich dessen Befehlsgewalt unterwerfen und somit in die Befehlsstrukturen des IS einordnen. Diese Ideen und Instruktionen gab der Angeschuldigte unter anderem über "Telegram" an weitere gesondert Verfolgte weiter. Darüber hinaus wurden sie in dem Gruppenchat beim Messenger-Dienst "Zello" erörtert, den einer der gesondert Verfolgten am 1. Februar 2019 für die konspirative und abgeschottete Kommunikation eingerichtet hatte und an der der Angeschuldigte regelmäßig teilnahm. An der Chatkommunikation in diesem Messenger-Dienst beteiligte sich auch ein inzwischen identifiziertes IS-Mitglied, das in Afghanistan eine Führungsposition innehatte und das den Angeschuldigten und die gesondert Verfolgten in ihrer radikal-islamistischen Überzeugung und jihadistischen Motivation bestärkte sowie zur Einhaltung der Befehlsketten des IS anhielt. In der Folge kristallisierte sich in den Chat-Kommunikationen das Vorhaben heraus, in Deutschland Anschläge zu begehen, um die Ziele des IS zu unterstützen und seine Struktur zu stärken. In Umsetzung dieser Planungen observierten Mitglieder der Gruppe einen in der Öffentlichkeit bekannten Islamkritiker mit dem Ziel, diesen zu töten. Auch die vom Angeschuldigten beabsichtigte Übergabe einer Schusswaffe an den gesondert verfolgten K. , die Gegenstand des am 16. März 2019 erlassenen Haftbefehls des Amtsgerichts Neuss gewesen ist, sollte der Vorbereitung dieser Straftat dienen. Mit der beabsichtigten Tötung sollte der Betroffene wegen islamkritischer Äußerungen bestraft, gleichzeitig aber auch durch Verbreitung entsprechender Videos über das Internet Propaganda für den IS und seine Ziele betrieben werden.

Noch während dieser Überlegungen lud der Angeschuldigte zur Vorbereitung noch nicht näher konkretisierter Anschläge über einen sog. "Telegram"-Bot Rezepturen zur Herstellung von Sprengstoffen aus handelsüblichen und frei zugänglichen Materialien auf sein Handy. Darüber hinaus transferierte er im Februar 2019 auf Aufforderung des in Syrien aufhältigen IS-Mitglieds Geldbeträge in Höhe von 500 bzw. 400 € über den Finanzdienstleister "RIA Euronet Payments Ltd." (RIA).

b) Der dringende Tatverdacht (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO ) hinsichtlich der Tatvorwürfe beruht auf Folgendem:

aa) Betreffend die ausländische terroristische Vereinigung IS folgt er aus mehreren Gutachten des Sachverständigen Dr. S. sowie Auswerteberichten des Bundeskriminalamts.

bb) Der Angeschuldigte hat in seiner polizeilichen Vernehmung vom 18. und 20. Dezember 2019 eingeräumt, mit den gesondert Verfolgten eine von der Ideologie des IS getragene Gruppe gebildet zu haben, die sich später in einer Chatgruppe des Messenger-Dienstes "Zello" über finanzielle Hilfen für den bewaffneten Kampf und die eigene Teilnahme am Jihad austauschte sowie durch einen sich in Afghanistan aufhaltenden Chatteilnehmer unterrichten ließ. Dass die Gruppe des Angeschuldigten und der gesondert Verfolgten als eine Zelle agierte, die sich in die Strukturen des IS eingliederte, um in Deutschland finanzielle Mittel zu generieren und Anschläge zu verüben, ergibt sich aus einer Gesamtschau des auf dem Handy des Angeschuldigten gesichteten Chatverkehrs bei den Messenger-Diensten "Telegram" und "Zello" sowie der übrigen polizeilichen Ermittlungen, die die Identifizierung einiger Chatpartner in Syrien und Afghanistan zum Gegenstand haben und die Einbindung der Gruppe in die Strukturen und Planungen des IS zu belegen geeignet sind. Hinsichtlich der Beweismittel und Indizien sowie ihrer vorläufigen Bewertung wird auf den Beschluss des Senats vom 14. Mai 2020 ( AK 8/20) und die Ausführungen im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der Anklage des Generalbundesanwalts vom 2. Juli 2020 Bezug genommen.

c) Danach hat sich der Angeschuldigte im Hinblick auf die im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 9. April 2020 beschriebenen Tathandlungen mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1 , § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB strafbar gemacht.

aa) Die mitgliedschaftliche Beteiligung setzt eine gewisse formale Eingliederung des Täters in die Organisation voraus. Sie kommt nur in Betracht, wenn der Täter die Vereinigung von innen und nicht lediglich von außen her fördert. Insoweit bedarf es zwar keiner förmlichen Beitrittserklärung oder einer förmlichen Mitgliedschaft. Notwendig ist aber, dass der Täter eine Stellung innerhalb der Vereinigung einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Dafür reicht allein die Tätigkeit für die Vereinigung, mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied. Auch wenn die Mitgliedschaft in einer Vereinigung auf der Grundlage der Legaldefinition des § 129 Abs. 2 StGB nicht erfordert, dass sich der Täter in das "Verbandsleben" der Organisation integriert und sich deren Willen unterordnet, so setzt die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer Vereinigung dennoch eine gewisse, einvernehmliche Eingliederung des Täters in die Organisation voraus. Erforderlich ist, dass er eine organisationsbezogene Tätigkeit zur Förderung der kriminellen Ziele der Vereinigung von innen und nicht nur von außen her entfaltet (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2018 - StB 32/17, NStZ-RR 2018, 206 , 207).

Das Erfordernis einer gewissen formalen Eingliederung des Täters in die Organisation führt auch dazu, dass die Frage, ob ein Täter, der in der Bundesrepublik Deutschland lebt, sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt, regelmäßig bereits deshalb besonderer Prüfung bedarf, weil er sich nicht im unmittelbaren Betätigungsgebiet der (Kern-)Organisation aufhält; dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Täter nie an einem Ort befunden hat, an dem Vereinigungsstrukturen bestehen. Dafür reicht allein die Tätigkeit für die Vereinigung, mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 128).

bb) Gemessen daran ist der dringende Tatverdacht einer mitgliedschaftlichen Beteiligung des Angeschuldigten am IS gegeben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, dass er - zusammen mit den anderen Mitgliedern der Gruppe - den IS mit den in der bei den Messenger-Diensten "Zello" und "Telegram" eingerichteten Chatgruppen erörterten und teilweise auch schon durchgeführten Aktivitäten nicht nur von außen unterstützen wollte, sondern sich in die Organisation einordnete und sich sowohl in Einzelchats vor allem mit seinem inzwischen als IS-Mitglied identifizierten Ansprechpartner in Syrien als auch im Gruppenchat mit dem in Afghanistan aufhältlichen IS-Mitglied der Anleitung und Befehlsgewalt des IS unterwarf. Unter den gegebenen Umständen steht der Mitgliedschaft des Angeschuldigten nicht entgegen, dass die Ermittlungen bisher seinen förmlichen Beitritt zu der Organisation nicht ergeben haben. Denn insbesondere in den Gruppenchats bekannte er sich ausdrücklich zu seiner Zugehörigkeit zum IS und seiner Gefolgschaft hinsichtlich des damaligen Anführers des IS, Abu Bakr al-Baghdadi.

Ebenso wenig spricht gegen eine mitgliedschaftliche Beteiligung an der ausländischen terroristischen Organisation IS, dass der Angeschuldigte selbst sich nie im Kampfgebiet des IS aufhielt. Denn er stand in unmittelbarem Kontakt mit wesentlichen Führungspersönlichkeiten des IS, mit denen er sich beriet und von denen er sich anleiten ließ. Die nach ausführlichen Erörterungen mit diesen Personen getroffene Entscheidung der Gruppe, Anschläge in Deutschland zu begehen, ist dabei auch vor dem Hintergrund der dem Bundeskriminalamt durch ausländische Sicherheitsbehörden übermittelten Erkenntnisse zu bewerten, der Anführer des IS habe Anfang 2019 angeordnet, dass als Vergeltung für die zu diesem Zeitpunkt in Syrien und dem Irak erlittenen Gebietsverluste Anschläge in den Ländern Europas durch sich dort befindende Zellen begangen werden sollen.

Da die Eingliederung des Angeschuldigten in die Strukturen des IS bereits im Januar 2019 begann, sind die beiden im Februar 2019 vorgenommenen Geldüberweisungen, die Planungen der Tötung des Islamkritikers, das Herunterladen von Anleitungen zur Herstellung von Sprengstoff aus einem "Telegram"-Bot sowie die Erörterung möglicher Anschläge als Beteiligungshandlungen an der terroristischen Vereinigung IS zu werten. Ob diese Aktivitäten ihrerseits einen eigenen Straftatbestand erfüllen und damit eigenständige Fälle der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung darstellen, kann im Rahmen der vorliegenden Haftprüfung offenbleiben.

d) Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts folgt unbeschadet der Vorschrift des § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 1 und 4 StGB (zum Strafanwendungsrecht im Einzelnen s. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 33 ff.) schon daraus, dass der Angeschuldigte die Tat in Deutschland beging.

e) Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von bereits begangenen und künftigen Taten im Zusammenhang mit der sich als "Islamischer Staat" (IS) bezeichnenden ausländischen terroristischen Vereinigung liegt - als Neufassung der bisherigen Verfolgungsermächtigung - seit dem 13. Oktober 2015 vor.

2. Es bestehen die Haftgründe der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO ) und darüber hinaus der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 3 StPO ). Der Angeschuldigte hat im Falle seiner Verurteilung mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände entgegen. Er ist tadschikischer Staatsangehöriger und verfügt über zahlreiche Beziehungen ins Ausland. Seine (polnische) Ehefrau und die gemeinsamen Kinder leben nach der Trennung der Eheleute in Polen. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass der Angeschuldigte sich, sollte er in Freiheit gelangen, dem weiteren Strafverfahren durch Flucht entziehen wird. Danach liegen - erst recht - Umstände vor, die die Gefahr begründen, dass ohne Inhaftierung des Angeschuldigten zumindest die alsbaldige Ahndung der Tat gefährdet sein könnte (zur gebotenen restriktiven Handhabung des § 112 Abs. 3 StPO vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO , 63. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN). Eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§ 116 Abs. 1 StPO ) ist unter den gegebenen Umständen nicht erfolgversprechend.

3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO ) liegen vor.

a) Der Angeschuldigte befindet sich zwar seit dem 15. März 2019 in Haft. Indes ist die Sechsmonatsfrist im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO erst am 21. Juni 2020 abgelaufen. Im Einzelnen:

aa) Gemäß § 121 Abs. 1 StPO darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat vor dem Erlass eines Urteils nur unter besonderen Voraussetzungen länger als sechs Monate aufrechterhalten werden. Dadurch soll dem Anspruch des in Untersuchungshaft befindlichen Beschuldigten auf beschleunigte Durchführung des Verfahrens (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 EMRK ) sowie dem aus Art. 2 Abs. 2 GG herzuleitenden verfassungsmäßigen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 1966 - 1 BvR 58/66, NJW 1966, 1259 ) Rechnung getragen werden. Mit Rücksicht auf diesen Schutzzweck der Norm ist der Begriff "derselben Tat" im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO weit auszulegen. Er erfasst deshalb alle Taten des Beschuldigten von dem Zeitpunkt an, in dem sie - im Sinne eines dringenden Tatverdachts - bekannt geworden sind und in den bestehenden Haftbefehl hätten aufgenommen werden können, und zwar unabhängig davon, ob sie Gegenstand desselben Verfahrens oder getrennter Verfahren sind (BGH, Beschluss vom 6. April 2017 - AK 14/17, juris Rn. 6 m. ausf. Nachw.). Dadurch wird vermieden, dass von Anfang an bekannte oder im Laufe der Ermittlungen bekannt werdende Taten des Beschuldigten zunächst zurückgehalten und erst kurz vor Ablauf der Sechsmonatsfrist zum Gegenstand eines neuen oder erweiterten Haftbefehls gemacht werden mit dem Ziel, eine neue Sechsmonatsfrist zu eröffnen (sog. Reservehaltung von Tatvorwürfen). Wird ein neuer Haftbefehl lediglich auf Tatvorwürfe gestützt bzw. durch sie erweitert, die schon bei Erlass des ersten Haftbefehls - im Sinne eines dringenden Tatverdachts - bekannt waren, beginnt keine neue Sechsmonatsfrist zu laufen. Gleiches hat zu gelten, falls der Haftbefehl um Tatvorwürfe erweitert wird, die erst während der Ermittlungen im vorgenannten Sinne zu Tage getreten sind, für sich allein den Erlass eines Haftbefehls jedoch nicht rechtfertigen (BGH, Beschluss vom 6. April 2017 - AK 14/17, juris Rn. 6 f. mwN). Tragen dagegen die erst im Laufe der Ermittlungen bekannt gewordenen Tatvorwürfe für sich genommen den Erlass eines Haftbefehls und ergeht deswegen ein neuer oder erweiterter Haftbefehl, so wird dadurch ohne Anrechnung der bisherigen Haftdauer eine neue Sechsmonatsfrist in Gang gesetzt; für den Fristbeginn ist indes der Zeitpunkt maßgeblich, in dem sich der Verdacht hinsichtlich der neuen Tatvorwürfe zu einem dringenden verdichtet hat. Entscheidend ist insoweit mithin, wann der neue bzw. erweiterte Haftbefehl hätte erlassen werden können, nicht hingegen, wann die Staatsanwaltschaft ihn erwirkt hat. Regelmäßig ist davon auszugehen, dass der Haftbefehl spätestens an dem auf die Beweisgewinnung folgenden Tag der veränderten Sachlage anzupassen ist (vgl. etwa KG, Beschluss vom 15. August 2013 - 4 Ws 108/13, juris Rn. 13 mwN).

bb) Nach diesen Maßstäben hat hier der Haftbefehl vom 9. April 2020 eine neue Sechsmonatsfrist eröffnet.

(1) Der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 9. April 2020 ist wegen eines - weiteren - selbständigen Tatvorwurfs ergangen, der nicht Gegenstand des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. September 2019 war. Über die Vorwürfe dieses Haftbefehls sowie des Haftbefehls des Amtsgerichts Neuss vom 16. März 2019 hinaus ist der Angeschuldigte - wie gezeigt - der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der außereuropäischen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" (IS) dringend verdächtig. Die dem Angeschuldigten im Haftbefehl vom 26. September 2019 vorgeworfenen Taten, wonach er am 30. Januar 2019 einen Geldbetrag von 190 € und am 5. Februar 2019 eine weitere Summe von 546 € an ein Mitglied des IS zur Unterstützung dieser Vereinigung überwiesen haben soll, bilden mit den dem Angeschuldigten mit Haftbefehl vom 9. April 2020 im Einzelnen angelasteten mitgliedschaftlichen Betätigungsakten keine materiell-rechtlich einheitliche Tat. Dies gilt selbst dann, wenn die im ursprünglichen Haftbefehl als Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung nach § 129a Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 5 , § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB gewerteten Transaktionen nach dem jetzigen Ermittlungsstand ebenfalls als Beteiligungsakte an der terroristischen Vereinigung IS zu werten wären. Denn auch dann stellen sie im Verhältnis zu der dem Angeschuldigten nunmehr vorgeworfenen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung eigenständige Taten dar, da sie in zwei tatmehrheitlichen Fällen neben der ursprünglich angenommenen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung jeweils tateinheitlich den weiteren Straftatbestand des § 18 Abs. 1 Nr. 1a) Variante 8 AWG erfüllten. Denn der Angeschuldigte verstieß mit den ihm im ursprünglichen Haftbefehl vorgeworfenen Überweisungen an den IS als einer durch Durchführungsverordnung (EU) Nr. 632/2013 der Kommission vom 28. Juni 2013 (ABl. L 179 vom 29. Juni 2013, S. 85) gelisteten Organisation gegen ein Bereitstellungsverbot aus Art. 2 Abs. 2 der im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlichten (ABl. L 139 vom 29. Mai 2002, S. 9) Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002. Die Strafbarkeit nach dieser Vorschrift tritt nicht konkurrenzrechtlich hinter die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung zurück. Das Bereitstellungsverbot des Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002 bezieht sich auf den tatsächlichen Vorgang des Zur-Verfügung-Stellens, der dazu führt, dass der gelisteten Person oder Einrichtung ein wirtschaftlicher Vorteil zu Gute kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2010 - AK 2/10, BGHSt 55, 94 Rn. 19). Ziel des Bereitstellungsverbots ist es, den gelisteten Personen oder Einrichtungen in tatsächlicher Hinsicht die materiellen Grundlagen ihrer Tätigkeit vorzuenthalten (BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2014 - 3 StR 62/14, juris Rn. 27). Damit kommt dem Verstoß gegen das Bereitstellungsverbot auch dann ein eigener Unrechtsgehalt zu, wenn die Überweisung durch ein Mitglied der Vereinigung selbst erfolgt.

Da hinsichtlich der im ursprünglichen Haftbefehl aufgeführten Überweisungen die mitgliedschaftliche Betätigung in der jeweiligen Verwirklichung des Straftatbestandes des § 18 Abs. 1 Nr. 1a) Variante 8 AWG besteht, unterfallen diese Tätigkeiten nicht der tatbestandlichen Handlungseinheit sämtlicher für sich genommen nicht strafbarer Betätigungsakte für die Vereinigung, sondern treten - idealkonkurrierend mit der eigenständigen, isolierten Erfüllung des § 129a Abs. 1 StGB - in Tatmehrheit zu dieser (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308 Rn. 23, 39 ). Es handelt sich insoweit auch nach natürlicher Auffassung nicht um einheitliche Lebensvorgänge, so dass der Grundsatz Gültigkeit beansprucht, wonach sachlich-rechtlich selbständige Taten auch prozessual selbständig sind (BGH, aaO, juris Rn. 47, in BGHSt 60, 308 ff. nicht abgedruckt).

Nach alledem ist die mitgliedschaftliche Beteiligung des Angeschuldigten am IS sowohl nach sachlich-rechtlichen (§ 52 StGB ) als auch verfahrensrechtlichen (§ 264 StPO ) Maßstäben nicht identisch mit den Taten, die bereits Gegenstand des Haftbefehls vom 26. September 2019 waren.

(2) Die den dringenden Tatverdacht wegen der mitgliedschaftlichen Beteiligung des Angeschuldigten an einer ausländischen terroristischen Vereinigung begründenden Umstände sind auch erst im Laufe der dem Haftbefehl vom 26. September 2019 nachfolgenden Ermittlungen bekannt geworden. Der dringende Tatverdacht hinsichtlich des mit Haftbefehl vom 9. April 2020 neu hinzugetretenen Vorwurfs der mitgliedschaftlichen Beteiligung am IS hat sich mithin erst nach Erlass des ursprünglichen Haftbefehls ergeben.

Die vorläufige Sichtung des anlässlich der wegen eines Waffendelikts erfolgten Festnahme des Angeschuldigten am 15. März 2019 durchgeführten Durchsuchung sichergestellten Mobiltelefons, auf dem sich große gespeicherte Datenmengen befanden, hat zunächst den dringenden Verdacht der im Haftbefehl vom 26. September 2019 aufgeführten Überweisungen an den IS ergeben (vgl. polizeilicher Auswertungsvermerk vom 25. Juni 2019). Daneben bestehende erste Hinweise auf eine Kommunikation des Angeschuldigten mit Personen aus dem Umfeld des IS in Syrien waren dagegen so vage, dass sie den Vorwurf einer mitgliedschaftlichen Beteiligung am IS nicht zu begründen vermochten. Der Generalbundesanwalt, dem die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf am 10. Juli 2019 die Akten zur Verfahrensübernahme vorgelegt hatte, hatte deshalb zutreffend in seiner Verfügung vom 27. Juli 2019 einen dahingehenden Verdacht verneint und das Verfahren lediglich wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung durch die genannten Transaktionen und des Sich-Verschaffens einer Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat übernommen und sodann wegen minderer Bedeutung an die Generalstaatsanwaltschaft zurückgegeben. Entsprechend ist der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. September 2019 wegen des dargelegten Verdachts insbesondere der Überweisung von Geldern an den IS ergangen. Erst die Zusammenschau der weiteren Auswertungen des technisch teilweise schwer zugänglichen "Telegram"-Chatverkehrs (vgl. polizeilicher Auswertungsvermerk vom 20. Januar 2020 [offensichtlich falsch: "2019"]), der Auswertung der Gruppenchat-Verläufe des Messenger-Dienstes "Zello", der Einlassung des Angeschuldigten am 18. und 20. Dezember 2019, der Identifizierung der gesondert Verfolgten sowie der erst in jüngster Zeit erfolgten (möglichen) Identifizierung zweier Chatpartner des Angeschuldigten in Syrien und Afghanistan hat den dringenden Verdacht ergeben, dass dieser den IS nicht nur unterstützte, sondern sich - zusammen mit den gesondert Verfolgten - auch als Mitglied an der Vereinigung beteiligte (vgl. die Sachstandsberichte vom 18., 25. Februar und 26. März 2020). Der Generalbundesanwalt hat mit Vermerk vom 31. März 2020 das Verfahren wieder übernommen und auf die gesondert Verfolgten sowie im Tatvorwurf erweitert.

(3) Die durch den neuen Tatvorwurf in Gang gesetzte Frist nach § 121 Abs. 1 StPO hat allerdings nicht erst mit der Inhaftnahme aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 9. April 2020 zu laufen begonnen. Dieser hätte nämlich früher erlassen werden können. Der dem Haftbefehl zugrundeliegende dringende Tatverdacht hatte sich bereits am 21. Dezember 2019 verdichtet. Nach dem oben Dargelegten ist für den Fristbeginn der Zeitpunkt maßgebend, zu dem die einen neuen Haftbefehl rechtfertigenden Ermittlungsergebnisse einen dringenden Tatverdacht ergeben. Dieser Zeitpunkt ist in Fällen wie dem hiesigen, in dem erst eine Zusammenführung einzelner Erkenntnisse den dringenden Tatverdacht begründet, häufig schwer zu fixieren. Vorliegend ist er mit den in den oben genannten Ermittlungsberichten aus Januar und Februar 2020 niedergelegten Erkenntnissen aktenkundig geworden. Danach war von einer Verdichtung eines dringenden Tatverdachts jedenfalls im Januar 2020 auszugehen. Da sich aus den Vorhalten, die dem Angeschuldigten bei seiner Vernehmung am 18. und 20. Dezember 2019 gemacht worden sind, ergibt, dass den Ermittlungsbehörden bereits noch nicht schriftlich in den Akten niedergelegte Erkenntnisse - insbesondere hinsichtlich der Identifizierung der Mitbeschuldigten und der bis dahin noch nicht gänzlich ausgewerteten Chat-Kommunikation im Messenger-Dienst "Zello" - zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt gewesen sind und durch die Angaben des Angeschuldigten in der Vernehmung teilweise Bestätigung gefunden haben, hatte der dringende Verdacht seiner mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung jedoch mit dem Abschluss seiner Vernehmung vorgelegen. Damit hätte der auf den neuen Vorwurf erweiterte Haftbefehl am 21. Dezember 2019 erlassen und verkündet werden können.

b) Die besondere Schwierigkeit und der Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen die Haftfortdauer. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass dem in Haftsachen allgemein geltenden Beschleunigungsgebot besondere Bedeutung zukommt, falls sich - wie hier - die Haftdauer insgesamt verlängert, weil während des Vollzugs der Untersuchungshaft eine neue Sechsmonatsfrist in Gang gesetzt worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. April 2017 - AK 14/17, juris Rn. 37; vom 7. September 2017 - AK 42/17, NStZ-RR 2018, 10 , 11), ist das Verfahren insgesamt mit der notwendigen Beschleunigung durchgeführt worden.

Nach der den Lauf der neuen Sechsmonatsfrist begründenden Vernehmung des Angeschuldigten am 18. und 20. Dezember 2019 sind die Auswertungen der sowohl auf seinem Smartphone als auch auf dem des gesondert Verfolgten K. sichergestellten elektronischen Daten, insbesondere des umfangreichen und bis dahin nur teilweise ausgewerteten Chat-Verkehrs über den Messengerdienst "Zello", weiter gesichtet und am 20. Januar, 2. und 12. März sowie 18. Juni 2020 weitere Auswertungsvermerke verfasst worden. Außerdem haben die Chat-Teilnehmer des Angeschuldigten in Syrien und Afghanistan identifiziert werden können (vgl. polizeiliche Vermerke vom 18. Februar und 7. Juni 2020). Der Generalbundesanwalt, dem die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf die Sache - erneut - vorgelegt hat, hat das Verfahren mit Vermerk vom 31. März 2020 übernommen und den Erlass des Haftbefehls vom 9. April 2020 veranlasst. Außerdem hat er das Bundeskriminalamt zur Unterstützung der Auswertungsarbeiten des bislang damit befassten Polizeipräsidiums Mönchengladbach hinzugezogen. Zeitgleich sind die Akten aus den unterschiedlichen gegen den Angeschuldigten geführten Ermittlungsverfahren, präventivpolizeiliche Erkenntnisse über den Angeschuldigten und andere Mitglieder der Gruppe sowie die Akten der Verfahren gegen die gesondert Verfolgten, die mit Verfügungen vom 24. April und 15. Mai 2020 ebenfalls übernommen worden sind, zusammengeführt worden. Mittlerweile umfassen die Akten 258 Stehordner. Gleichwohl hat der Generalbundesanwalt die Ermittlungen gegen den Angeschuldigten inzwischen abgeschlossen und unter dem Datum vom 2. Juli 2020 Anklage zum Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben.

4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht derzeit nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO ).

Vorinstanz: AG Neuss, vom 16.03.2019
Vorinstanz: OLG Düsseldorf, vom 26.09.2019 - Vorinstanzaktenzeichen III-1 Ws 223/19