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BGH - Entscheidung vom 07.04.2020

XIII ZB 57/19

Normen:
AufenthG § 15 Abs. 5 S. 1
AufenthG § 106 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 07.04.2020 - Aktenzeichen XIII ZB 57/19

DRsp Nr. 2020/6080

Anforderungen an die Begründung des Haftantrags der beteiligten Behörde i.R.d. Anordnung der Zurückweisungshaft eines Betroffenen

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Landshut vom 19. November 2018 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Erding vom 4. Oktober 2018 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Normenkette:

AufenthG § 15 Abs. 5 S. 1; AufenthG § 106 Abs. 2 ;

Gründe

I. Der Betroffene, ein ägyptischer - nach eigenen Angaben syrischer - Staatsangehöriger beabsichtigte am 24. Juli 2018 aus Casablanca kommend über den Münchener Flughafen ohne gültige Ausweispapiere in das Bundesgebiet einzureisen. Die beteiligte Behörde verweigerte ihm mit Bescheid vom 25. Juli 2018 gemäß Art. 14 Schengener Grenzkodex in Verbindung mit § 15 AufenthG die Einreise. Einen am selben Tag gestellten Antrag der beteiligten Behörde auf vorläufige Anordnung von Zurückweisungshaft lehnte das Amtsgericht Erding ab, nachdem der Betroffene im Verlauf seiner persönlichen Anhörung erklärt hatte, Asyl beantragen zu wollen. Nach erneuter Befragung zu den Beweggründen seiner Einreise gelangte die beteiligte Behörde zu der Einschätzung, dass kein Asylgesuch des Betroffenen vorliege. Auf ihren Antrag vom 26. Juli 2018 ordnete das Amtsgericht mit Beschluss vom selben Tag im Wege einer einstweiligen Anordnung Haft zur Sicherung der Zurückweisung bis zum 27. Juli 2018 an. Eine für den 26. Juli 2018 geplante Zurückweisung scheiterte, da der Betroffene auf dem Weg zum Flugzeug seinen Kopf gegen einen Türrahmen stieß und sich anschließend zu Boden fallen ließ. In der Folge ordnete das Amtsgericht auf Antrag der beteiligten Behörde mit Beschluss vom 27. Juli 2018 Haft zur Sicherung der Zurückweisung des Betroffenen bis zum 23. August 2018 an. Auf Antrag der beteiligten Behörde vom 14. August 2018 verlängerte das Amtsgericht die Zurückweisungshaft bis zum 4. Oktober 2018. Am 24. August 2018 stellte der Betroffene aus der Haft und unter Verwendung eines Aliasnamens einen Asylantrag, der am 26. September 2018, nachdem er auf Hinweis der beteiligten Behörde dem Betroffenen hatte zugeordnet werden können, als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen wurde. Die beteiligte Behörde verweigerte dem Betroffenen daraufhin mit Bescheid vom 2. Oktober 2018 erneut die Einreise.

Mit Beschluss vom 4. Oktober 2018 hat das Amtsgericht auf den weiteren Antrag der beteiligten Behörde die Verlängerung der Zurückweisungshaft bis zum 15. November 2018 angeordnet. Auf Antrag des Betroffenen verpflichtete das Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 15. Oktober 2018 die Bundesrepublik Deutschland im Wege der einstweiligen Anordnung, dem Betroffenen die Einreise zu gestatten. Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht mit Beschluss vom 16. Oktober 2018 auf die Beschwerde des Betroffenen die Anordnung der Haftverlängerung im Beschluss vom 4. Oktober 2018 aufgehoben und die unverzügliche Freilassung des Betroffenen verfügt. Den Antrag des Betroffenen festzustellen, dass ihn der Beschluss des Amtsgerichts vom 4. Oktober 2018 in seinen Rechten verletzt hat, hat das Landgericht mit Beschluss vom 19. November 2019 zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die beteiligte Behörde beantragt, verfolgt der Betroffene seinen Feststellungsantrag weiter.

II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Die Haftanordnung des Amtsgerichts hat den Betroffenen - entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts - in seinen Rechten verletzt.

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen- und soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Belang - ausgeführt: Der Haftantrag der beteiligten Behörde vom 2. Oktober 2018 sei zulässig gewesen, weil er umfassende und ausreichende Angaben zur Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung und ihrer erforderlichen Dauer enthalten habe. Die Anordnung der Haft sei auch in der Sache zu Recht ergangen. Die Voraussetzungen für die Verlängerung der Zurückweisungshaft hätten vorgelegen. Insbesondere habe der Asylantrag des Betroffenen vom 24. August 2018 der Anordnung von Zurückweisungshaft nicht entgegengestanden. Von den Haftgerichten sei nur das Vorliegen einer Zurückweisungsentscheidung und nicht deren Rechtmäßigkeit zu prüfen. Überdies sei die Zurückweisungsentscheidung der beteiligten Behörde auch nicht evident rechtswidrig gewesen. Ein Zurückweisungshindernis sei erstmals mit Übermittlung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 15. Oktober 2018 dargelegt worden. Eine vorherige Erkundigungs- und Prüfungspflicht hinsichtlich des Ausgangs dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens habe nicht bestanden.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Haftantrag war unzulässig.

a) Die Anordnung von Zurückweisungshaft ist nach § 15 Abs. 5 Satz 1, § 106 Abs. 2 AufenthG nur zulässig, wenn der Haftantrag der beteiligten Behörde den in § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG bestimmten gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht (BGH, Beschlüsse vom 20. September 2017 - V ZB 118/17, NVwZ 2018, 349 Rn. 6, und vom 12. April 2018 - V ZB 162/17, InfAuslR 2018, 335 Rn. 6). Wird von der beteiligten Behörde für die Organisation der Rückführung des Betroffenen mit Sicherheitsbegleitung ein längerer Zeitraum als sechs Wochen für erforderlich gehalten, bedarf es einer auf den konkreten Fall bezogenen Begründung, die den benötigten Zeitraum und die daraus folgende notwendige Haftdauer erklärt, etwa durch Angaben zu Terminen und zur Frequenz nutzbarer Flugverbindungen und zur Buchungslage sowie zur Anzahl erforderlicher Begleitpersonen und zur insoweit bestehenden Personalsituation (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. September 2018 - V ZB 4/17, InfAuslR 2019, 23 Rn. 11, vom 4. Juli 2019 - V ZB 173/18, juris Rn. 8, und vom 12. Februar 2020 - XIII ZB 16/19, juris Rn. 10).

b) Diesen Maßstäben genügt der Haftantrag der beteiligten Behörde nicht. Soweit diese zur Begründung der erforderlichen Haftdauer lediglich pauschal darauf verweist, dass die Rückführung des Betroffenen bis zum bereits verlängerten Haftende am 4. Oktober 2018 nicht möglich sei, aufgrund bundesweit erhöhter Rückführungsmaßnahmen "teilweise" Personenbegleiter und Flugkapazitäten nur in begrenzter Anzahl zur Verfügung stünden, die "einzelnen Luftverkehrsgesellschaften" Beförderungsobergrenzen von drei bis fünf rückzuführenden Ausländern festgelegt hätten und deshalb die Organisation der Rückführung nach der innerhalb von etwa drei Wochen zu erwartenden Bestandskraft des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge weitere drei Wochen erfordern werde, handelt es sich um allgemeine Ausführungen, die den erforderlichen Bezug zum konkreten Fall nicht erkennen lassen. Zudem bleibt unklar, welche Schritte zur Rückführung die Behörde während der bereits mehr als zweimonatigen Haftdauer unternommen hat, um die Rückführung unter Beachtung des Beschleunigungsgebots schnellstmöglich durchzuführen.

c) Dieser Fehler ist nicht geheilt worden (vgl. zur Heilungsmöglichkeit BGH, Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, juris Rn. 21 ff.). Die beteiligte Behörde hat ihre Ausführungen zu der erforderlichen Dauer der Freiheitsentziehung nicht ergänzt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 , § 83 Abs. 2 FamFG . Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG .

Vorinstanz: AG Erding, vom 04.10.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 1 XIV 193/18
Vorinstanz: LG Landshut, vom 19.11.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 65 T 2894/18