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BGH - Entscheidung vom 04.07.2019

V ZB 173/18

Normen:
FamFG § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 3-5
AufenthG § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 4

BGH, Beschluss vom 04.07.2019 - Aktenzeichen V ZB 173/18

DRsp Nr. 2019/11750

Begründung des Haftantrags der Behörde i.R.d. Anordung der Sicherungshaft zur Abschiebung eines Betroffenen bei Ausreisepflicht

In einem Haftantrag zur Sicherung der Abschiebung muss die Durchführbarkeit der Abschiebung mit konkretem Bezug auf das Land, in das der Betroffene abgeschoben werden soll, dargelegt werden. Anzugeben ist dazu, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind, von welchen Voraussetzungen dies abhängt und ob diese im konkreten Fall vorliegen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 20. September 2018 und der Beschluss des Landgerichts Hamburg - 29. Zivilkammer - vom 22. Oktober 2018 den Betroffenen in dem Zeitraum vom 20. September bis zum 21. Oktober 2018 in seinen Rechten verletzt haben.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Stadt Hamburg auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Normenkette:

FamFG § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 -5; AufenthG § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 ;

Gründe

I.

Der Betroffene, ein liberianischer Staatsangehöriger, reiste im Jahr 2003 in das Bundesgebiet ein. Sein Asylantrag wurde mit Bescheid vom 19. April 2004 abgelehnt, die dagegen erhobene Klage abgewiesen. Zugleich wurde ihm eine Ausreisefrist von einem Monat gesetzt und die Abschiebung nach Liberia angedroht. Der Betroffene reiste nicht aus. Im November 2012 lehnte die Behörde einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bestandskräftig ab, setzte ihm eine Frist von einem Monat zur Ausreise und drohte ihm die Abschiebung an. Der Betroffene wirkte auch weiterhin nicht an der Beschaffung eines Passes oder Passersatzpapieres mit. Erst im April 2018 wurde er der Botschaft in Berlin vorgeführt und die Ausstellung von Passersatzpapieren in Aussicht gestellt. Der Behörde gegenüber gab er an, nicht ausreisewillig zu sein, was er später bekräftigte. Am 19. September 2018 holte die Behörde den Betroffenen in seiner Wohnung ab, um die Abschiebung durchzuführen. Der Betroffene kooperierte und flog zunächst nach Brüssel, wo er den Weiterflug nach Monrovia antreten sollte. Das tat der Betroffene nicht; er wurde nach Deutschland zurückgebracht.

Mit Beschluss vom 20. September 2018 hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen Abschiebungshaft bis zum 20. November 2018 angeordnet. Die Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht mit Beschluss vom 22. Oktober 2018 unter Verkürzung der Haft bis zum 15. November 2018 zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde möchte der zwischenzeitlich aus der Haft entlassene Betroffene die Rechtswidrigkeit der Haft bis zum 21. Oktober 2018 festgestellt wissen.

II.

Das Beschwerdegericht meint, die Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherungshaft lägen vor. Der Betroffene sei vollziehbar ausreisepflichtig. Ob der Betroffene aufgrund der Geburt eines Kindes zum Aufenthalt berechtigt sei, müsse im Verwaltungsrechtsweg geklärt werden. Der Haftgrund des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 AufenthG sei gegeben. Der Betroffene habe sich in sonstiger Weise der Abschiebung entzogen. Hierfür genüge es, dass er durch sein Verhalten eine konkrete Maßnahme bewusst unmöglich mache. So liege es hier. Da die Abschiebung für den 13. November 2018 vorgesehen sei, sei unter Berücksichtigung eines kleinen Puffers eine Haft bis zum 15. November 2018 erforderlich.

III.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist im eingelegten Umfang begründet, weil es an einem zulässigen Haftantrag der beteiligten Behörde fehlte und dieser Mangel erst durch die Entscheidung des Beschwerdegerichts am 22. Oktober 2018 geheilt worden ist.

1. Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG ). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte ansprechen. Leerformeln und Textbausteine genügen nicht. Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., vgl. Senat, Beschlüsse vom 30. März 2017 - V ZB 128/16, FGPrax 2017, 185 Rn. 6 mwN, vom 25. Januar 2018 - V ZB 107/17, Asylmagazin 2018, 224 Rn. 3 und vom 7. März 2019 - V ZB 176/18, juris Rn. 3).

2. Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen zur erforderlichen Dauer der Haft in dem Antrag nicht.

a) Die Durchführbarkeit der Abschiebung muss mit konkretem Bezug auf das Land, in das der Betroffene abgeschoben werden soll, dargelegt werden. Anzugeben ist dazu, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind, von welchen Voraussetzungen dies abhängt und ob diese im konkreten Fall vorliegen (st. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 25. Januar 2018 - V ZB 107/17, Asylmagazin 2018, 224 Rn. 3).

b) Die beteiligte Behörde hat im Haftantrag vom 20. September 2018 zur Haftdauer ausgeführt, die begleitete Rückführung des Betroffenen befinde sich in der Vorbereitung. Nach am Tage der Antragstellung erfolgter telefonischer Rücksprache mit dem namentlich benannten Mitarbeiter der für die Rückführungskoordination zuständigen Dienststelle der Bundespolizei würden derzeit für eine begleitete Rückführung neun Wochen benötigt. Diese Begründung ist unzureichend. In einem Antrag auf Anordnung von Sicherungshaft ist zwar eine nähere Erläuterung des für die Buchung eines Fluges mit Sicherheitsbegleitung erforderlichen Zeitaufwandes in aller Regel dann nicht geboten, wenn sich die Behörde auf eine Auskunft der zuständigen Stelle beruft, wonach dieser Zeitraum bis zu sechs Wochen beträgt. Ist ein längerer Zeitraum für die Organisation der Rückführung des Betroffenen erforderlich, bedarf es aber einer auf den konkreten Fall bezogenen Begründung, die dies nachvollziehbar erklärt und Ausführungen etwa zu Art des Fluges, Buchungslage der in Betracht kommenden Fluggesellschaften, Anzahl der Begleitpersonen, Personalsituation enthält (vgl. Senat, Beschluss vom 22. September 2018 - V ZB 4/17, InfAuslR 2019, 23 Rn. 11). Daran fehlt es hier.

3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen.

Vorinstanz: AG Hamburg, vom 20.09.2018 - Vorinstanzaktenzeichen XIV 41493/10
Vorinstanz: LG Hamburg, vom 22.10.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 329 T 78/18