Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BVerwG - Entscheidung vom 28.11.2019

7 C 9.18

Normen:
KrWG § 17 Abs. 3 S. 3 Nr. 3

BVerwG, Urteil vom 28.11.2019 - Aktenzeichen 7 C 9.18

DRsp Nr. 2020/6238

Streit um die Untersagung einer gewerblichen Sammlung von Altpapier zur Durchführung eines Vergabeverfahrens; Voraussetzungen einer wesentlichen Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers nach § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG ; Voraussetzungen einer diskriminierungsfreien und transparenten Vergabe von Entsorgungsleistungen im Wettbewerb; Bloße Fortsetzung einer Bestandssammlung; Erfordernis der Ermittlung von Sammelmengen mit Rücksicht auf eine konkurrierende Bestandssammlung

Eine diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von Entsorgungsleistungen im Wettbewerb setzt nicht voraus, dass die in einem Entsorgungsgebiet anfallende Gesamtmenge einer Abfallfraktion zur Grundlage der Ausschreibung gemacht wird. Vielmehr kommt auch eine Ausschreibung von Teilmengen einer Abfallfraktion in Betracht. Zur Vorbereitung einer Vergabeentscheidung über Teilmengen einer Abfallfraktion ist es dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zuzumuten, im Wege der Marktanalyse vor der Durchführung des Vergabeverfahrens zu ermitteln, mit welchen Sammelmengen mit Rücksicht auf eine konkurrierende Bestandssammlung gerechnet werden kann.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Oktober 2017 aufgehoben. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte und der Beigeladene tragen die Gerichtskosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens sowie die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in diesen Rechtszügen jeweils zur Hälfte. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen der Beklagte und der Beigeladene jeweils selbst.

Normenkette:

KrWG § 17 Abs. 3 S. 3 Nr. 3 ;

Gründe

I

Die Klägerin, ein Entsorgungsunternehmen, wendet sich gegen die Untersagung der gewerblichen Sammlung von Altpapier.

Mit Bescheid vom 14. Januar 2013 untersagte der Beklagte der Klägerin die weitere Durchführung der seit 2008 betriebenen gewerblichen Sammlung von Altpapier im Holsystem ab dem 1. September 2013. Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger beabsichtige, sämtlichen Abfallerzeugern im Landkreis flächendeckend ein Holsystem mit blauen Tonnen zur Verfügung zu stellen. Das diesbezügliche Vergabeverfahren habe aufgrund der durch die gewerbliche Sammlung verursachten Planungsunsicherheit zwischenzeitlich ruhend gestellt werden müssen. Insoweit sei die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des Beigeladenen beeinträchtigt.

Die gegen die Untersagungsverfügung gerichtete Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Urteil geändert und die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt: Es liege eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes ( KrWG ) vor, weil durch die Fortsetzung der gewerblichen Sammlung die Vergabe der Entsorgungsleistung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers an ein drittes Unternehmen erheblich erschwert würde. Bei Fortsetzung der klägerischen Sammlung stünden sich zwei flächendeckende Sammlungen im Holsystem im gesamten Entsorgungsgebiet gegenüber. Eine Sammlung von Altpapier im Holsystem mittels Papiertonne bedinge bei lebensnaher Betrachtungsweise, dass dem Verbraucher pro Haushalt lediglich eine Tonne zur Verfügung gestellt werde. Hieraus folge, dass ohne die Untersagung der gewerblichen Sammlung der Klägerin die Ausschreibung und Vergabe der Sammlung nicht möglich sei und damit wesentlich erschwert werde. Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger könne die von einem privaten Sammler gesammelte Altpapiermenge grundsätzlich an sich ziehen und über die öffentliche Ausschreibung und Vergabe den privaten Wettbewerbern am Markt zugänglich machen.

Mit der vom Verwaltungsgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt die Klägerin, die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG lägen nicht vor. Die Annahme des Berufungsgerichts, ein Holsystem bedinge, nur eine Tonne pro Haushalt zur Verfügung zu stellen, sei falsch. Die Sammlungen der Klägerin fänden unter Beachtung der geltenden marktwirtschaftlichen Regeln statt. Die Untersagungsverfügung finde auch in § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG keine Grundlage. Die Bestandssammlung der Klägerin könne keinen negativen Einfluss auf die Funktionsfähigkeit der Sammlung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers haben, weil sie nicht neu hinzutrete und sich dessen System hierauf bereits eingestellt habe. Dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger könne nicht mittels Untersagungsverfügung der zuständigen Abfallbehörde ein Monopol geschaffen werden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Oktober 2017 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Oktober 2014 zurückzuweisen.

Der Beklagte und der Beigeladene beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Die Sammlung der Klägerin könne auch nach § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 bzw. 2 KrWG untersagt werden. Der Beigeladene halte durch 21 Wertstoffhöfe ein hochwertiges Bringsystem vor. Die Sammlung der Klägerin gefährde auch die Stabilität der Abfallgebühren. Dem Beigeladenen würden Verwertungserlöse in Höhe von mehreren 100 000 € entzogen.

II

Die zulässige Revision ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ). Die Untersagung der gewerblichen Sammlung der Klägerin kann sich nicht auf eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers nach § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG stützen.

1. a) Nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG hat die zuständige Behörde eine gewerbliche Sammlung zu untersagen, wenn die Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG genannten Voraussetzungen anders nicht zu gewährleisten ist. Nach dieser Vorschrift besteht, entgegen der Grundregel des § 17 Abs. 1 KrWG , die Überlassungspflicht nicht für Abfälle, die durch gewerbliche Sammlung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden, soweit überwiegende öffentliche Interessen dieser Sammlung nicht entgegenstehen. Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG stehen einer gewerblichen Sammlung überwiegende öffentliche Interessen entgegen, wenn die Sammlung in ihrer konkreten Ausgestaltung die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, des von diesem beauftragten Dritten oder des aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 25 KrWG eingerichteten Rücknahmesystems gefährdet. Eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers oder des von diesem beauftragten Dritten ist nach § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG anzunehmen, wenn durch die gewerbliche Sammlung die diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von Entsorgungsleistungen im Wettbewerb erheblich erschwert oder unterlaufen wird.

Nach der Formulierung in der Begründung des Gesetzentwurfes zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts soll § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG verhindern, dass durch die gewerbliche Sammlung eine "diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von Entsorgungsleistungen im Wettbewerb im konkreten Fall von vornherein erheblich erschwert oder nach Erteilung des Entsorgungsauftrages an einen Wettbewerber gar unterlaufen wird" (BT-Drs. 17/7505 S. 44). Damit wird vom Gesetzgeber zum einen klargestellt, dass sich das Tatbestandsmerkmal der erheblichen Erschwerung auf Sachverhalte vor einer Vergabeentscheidung und das Tatbestandsmerkmal des Unterlaufens auf Sachverhalte nach erfolgter Vergabe bezieht. Zum anderen wird deutlich, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG nur aufgrund einer einzelfallbezogenen Prüfung bejaht werden können. Hieraus folgt zugleich, dass die bloße Existenz einer gewerblichen Bestandssammlung als solche nicht genügt, um deren Untersagung mit Rücksicht auf ein Vergabeverfahren nach § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG zu rechtfertigen. Aus dem systematischen Zusammenhang des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 mit § 17 Abs. 3 Satz 1 und 2 KrWG ergibt sich vielmehr, dass eine Untersagung nur in Betracht kommt, um die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers in Gestalt der die Funktionsfähigkeit prägenden Merkmale Planungssicherheit und Organisationsverantwortung sicherzustellen (in diesem Sinne auch OVG Münster, Urteil vom 26. Januar 2016 - 20 A 319/14 - juris Rn. 231).

Anders als bei neu hinzutretenden gewerblichen Sammlungen hat sich der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger auf Bestandssammlungen eingestellt, so dass dessen Planungssicherheit und Organisationsverantwortung durch die Fortsetzung einer Bestandssammlung im bisherigen Umfang nicht wesentlich beeinträchtigt werden kann. Die Vergabe von Entsorgungsleistungen wird durch die bloße Fortsetzung einer Bestandssammlung mithin weder im Vorfeld der Vergabeentscheidung erheblich erschwert noch nach der Erteilung des Entsorgungsauftrages an einen Dritten im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG unterlaufen. Im Kontext von § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 und 2 KrWG hat der Senat bereits entschieden, dass für die Frage nach einer wesentlichen Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung maßgeblich auf die Veränderung des Sammelsystems des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers durch den Marktzutritt weiterer privater Sammler abzustellen ist. Dabei kommt es nicht darauf an, welche Mengen zustande gekommen wären, wenn die bislang durchgeführten gewerblichen Sammlungen nicht stattgefunden hätten. Da die tatsächlich erzielte Sammelmenge des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers die Grundlage für seine Organisationsstruktur bildet, kann eine Bestandssammlung keinen negativen Einfluss auf die Funktionsfähigkeit der Sammlung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2018 - 7 C 9.16 - Buchholz 451.224 § 17 KrWG Nr. 2 Rn. 36 m.w.N.). Diese Überlegungen gelten auch im Rahmen des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG .

Eine diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von Entsorgungsleistungen im Wettbewerb im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG setzt nicht voraus, dass die in einem Entsorgungsgebiet anfallende Gesamtmenge einer Abfallfraktion zur Grundlage der Ausschreibung gemacht wird. Vielmehr kommt auch eine Ausschreibung von Teilmengen einer Abfallfraktion in Betracht (in diesem Sinne auch - bezogen auf Alttextilien - VGH Mannheim, Urteil vom 19. Juni 2018 - 10 S 1449/17 - juris Rn. 52 unter Bezugnahme auf VG Stuttgart, Urteil vom 27. April 2017 - 14 K 361/15 - juris Rn. 89). Zur Vorbereitung einer Vergabeentscheidung über Teilmengen einer Abfallfraktion ist es dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zuzumuten, im Wege der Marktanalyse (z.B. durch Haushaltsbefragungen) vor der Durchführung des Vergabeverfahrens zu ermitteln, mit welchen Sammelmengen mit Rücksicht auf eine konkurrierende Bestandssammlung gerechnet werden kann (vgl. OVG Saarlouis, Urteil vom 12. Januar 2017 - 2 A 147/15 - juris Rn. 67). In diesem Sinne hat der Senat bereits entschieden, dass eine Vergabe nicht wesentlich erschwert wird, wenn sie unter der vergaberechtlich zulässigen Vereinbarung eines Korridors an Sammelmengen und von Anpassungsmechanismen erfolgreich abgeschlossen werden kann. § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG vermittelt keinen Konkurrenzschutz dahingehend, dass der vom Entsorgungsträger im Zuge der Vergabeentscheidung beauftragte Dritte eine monopolartige Stellung erlangt (BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2018 - 7 C 9.16 - Buchholz 451.224 § 17 KrWG Nr. 2 Rn. 39 m.w.N.).

Ebenfalls kein Regelungszweck des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG ist es, den originären Wettbewerb im Abfallentsorgungsmarkt durch einen Wettbewerb um einen Markt für Drittbeauftragte eines monopolistisch tätigen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers im Sinne eines "Systemwechsels" zu ersetzen. Auch ein natürliches Monopol darf nach § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG nicht durch ein anderes Monopol ersetzt werden. Eine gewerbliche Abfallsammlung darf deshalb nicht zu dem Zweck untersagt werden, dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger den Zugriff auf diese Abfallmengen allein mit Blick auf eine beabsichtigte Vergabe zu erlauben.

Unionsrecht bestätigt diese Auslegung. Die Hausmüllentsorgung stellt, auch bezogen auf sortenreine Abfallfraktionen, eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2016 - 7 C 4.15 - BVerwGE 155, 336 Rn. 38 ff. m.w.N.). Nach dem für derartige Dienstleistungen geltenden Art. 106 Abs. 2 AEUV setzen sowohl Einschränkungen der Warenverkehrsfreiheit als auch andere wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen eine besondere Rechtfertigung voraus und sind auf dasjenige Maß zu beschränken, das erforderlich ist, um eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung zu verhindern (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 48 m.w.N.). Eine solche Gefährdung besteht - anders, als dies bei neu hinzutretenden gewerblichen Sammlungen der Fall sein kann - bei Bestandssammlungen, auf die sich der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger eingestellt hat, nicht.

b) Diesen Maßstäben wird das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs nicht gerecht.

Mit Bundesrecht nicht vereinbar ist bereits die fehlende Würdigung des konkreten Einzelfalles bei der Anwendung des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG durch das Berufungsgericht, das maßgeblich darauf abstellt, dass schon allein die bisherige Durchführung einer Altpapiersammlung durch einen gewerblichen Unternehmer im Holsystem zu einer erheblichen Erschwerung der Vergabe im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG führt.

Als nicht mit § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG vereinbar stellt sich auch die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs dar, dass die Konkurrenz mehrerer Sammler um das haushaltsnah zu erfassende Altpapieraufkommen in einem Entsorgungsgebiet schon im Ansatz nicht in Betracht komme. Das Berufungsgericht hat diese Ansicht weder auf konkrete tatsächliche Feststellungen gestützt noch hinreichend begründet. Zudem steht die nicht empirisch fundierte Annahme des Verwaltungsgerichtshofs im Widerspruch zu tatsächlichen Feststellungen anderer Gerichte zu von öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern durchgeführten Vergabeverfahren, die eine bereits bestehende gewerbliche Sammeltätigkeit im jeweiligen Entsorgungsgebiet vorgefunden und sich hierauf bei der Ausschreibung eingestellt haben (vgl. hinsichtlich Sperrmüll OVG Münster, Urteil vom 26. Januar 2016 - 20 A 319/14 - juris Rn. 232; hinsichtlich Alttextilien vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 27. April 2017 - 14 K 361/15 - juris Rn. 89).

Auch die in diesem Zusammenhang vom Verwaltungsgerichtshof geäußerten Zweifel an der Praktikabilität eines etwaigen Nebeneinanders mehrerer Tonnen unterschiedlicher Entsorger für einen Haushalt greifen nicht durch. Hinsichtlich der sich hieraus ergebenden Unsicherheit, für welche von mehreren angebotenen Sammelgefäßen sich die Haushalte im Entsorgungsgebiet jeweils entscheiden, ist darauf zu verweisen, dass es - wie dargelegt - Sache des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers ist, gegebenenfalls vor der Durchführung eines Vergabeverfahrens im Wege der Marktanalyse (z.B. durch Haushaltsbefragungen) zu ermitteln, mit welchen Sammelmengen mit Rücksicht auf eine konkurrierende Bestandssammlung gerechnet werden kann. Einem konkurrierenden Angebot unterschiedlicher Altpapier-Sammelgefäße innerhalb eines Entsorgungsgebietes steht auch der vom Verwaltungsgerichtshof herangezogene Gesichtspunkt der gemeinwohlorientierten Servicegerechtigkeit der angebotenen Entsorgungsleistung nicht entgegen (vgl. § 17 Abs. 3 Satz 5 KrWG sowie Protokoll Nr. 26, Art. 1 , 1. Spiegelstrich zu Art. 14 AEUV über Dienste von allgemeinem Interesse in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Juni 2016, ABl. C 202 S. 307). Schon im Hinblick auf die bestehende Wahlfreiheit der privaten Haushalte zwischen rechtmäßigen gewerblichen und gemeinnützigen Angeboten der Altpapiersammlung einerseits und dem Sammelangebot des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers andererseits sind Defizite hinsichtlich der Servicegerechtigkeit nicht ersichtlich. Dessen ungeachtet erscheint aus der Sicht der privaten Haushalte auch die parallele Inanspruchnahme von Altpapier-Sammelgefäßen mehrerer Sammler - beispielsweise bei hohem Altpapieranfall - nicht von vornherein als unpraktikabel.

2. Das Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO ). Der Untersagungsbescheid des Beklagten findet weder in § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 und 2 noch in § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG eine rechtliche Grundlage.

a) Nach § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG ist eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers anzunehmen, wenn durch die gewerbliche Sammlung Abfälle erfasst werden, für die der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger oder der von diesem beauftragte Dritte eine haushaltsnahe oder sonstige hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung der Abfälle durchführt.

Diese widerlegliche Vermutung (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2016 - 7 C 4.15 - BVerwGE 155, 336 Rn. 50) greift zulasten gewerblicher Sammlungen, die - wie vorliegend - die bestehenden Entsorgungsstrukturen (mit-)geprägt haben und auf deren Sammeltätigkeit sich der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger deshalb eingestellt hat, nicht ein (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2018 - 7 C 9.16 - Buchholz 451.224 § 17 KrWG Nr. 2 Rn. 36 m.w.N.).

Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich aus den Senatsurteilen vom 11. Juli 2017 - 7 C 35.15 - (Buchholz 451.224 § 3 KrWG Nr. 2) und - 7 C 36.15 - (LKV 2018, 69 ) nichts anderes. Diese Entscheidungen beziehen sich auf gewerbliche Sammlungen von Alttextilien, die nach erfolgter Anzeige in ganz erheblichem Umfang erweitert werden sollten. Letzteres ist der maßgebliche Anknüpfungspunkt für die Anwendung von § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG . Abweichendes folgt auch nicht aus § 17 Abs. 3 Satz 4 KrWG . Aus dieser Regelung ergibt sich zwar, dass im Rahmen des Leistungsvergleichs zwischen gewerblichem Anbieter und öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger auch etwaige konkret geplante Leistungsverbesserungen mit in den Blick zu nehmen sind. Dies ändert aber nichts daran, dass eine den status quo (mit-)prägende Bestandssammlung die Regelvermutung nach § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG schon tatbestandlich nicht begründet. Eine Bestandssammlung kann auch grundsätzlich nicht zu einer Gefährdung der Gebührenstabilität führen, so dass die Untersagung der Sammlung der Klägerin nicht auf § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 KrWG gestützt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2018 - 7 C 9.16 - Buchholz 451.224 § 17 KrWG Nr. 2 Rn. 36 m.w.N.).

b) Die Untersagung der Sammlung der Klägerin kann sich auch nicht auf § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG stützen. Die Sammlung verhindert nicht die Erfüllung der Entsorgungsaufgabe des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen.

Was wirtschaftlich ausgewogene Bedingungen im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG sind, regelt das Gesetz selbst nicht. Ausweislich der Gesetzesbegründung folgt die Regelung der vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in ständiger Rechtsprechung konkretisierten Grenzziehung des Art. 106 Abs. 2 AEUV (BT-Drs. 17/6052 S. 87 f.). Die insoweit vom Gesetzgeber ausdrücklich in Bezug genommene Rechtsprechung des EuGH (Urteile vom 17. Mai 2001 - C-340/99 [ECLI:EU:C:2001:281], TNT Traco - Rn. 54 und vom 15. November 2007 - C-162/06 [ECLI:EU:C:2007:681], International Mail Spain - Rn. 34), ist jedoch zur weiteren Begriffsklärung ebenfalls nicht ergiebig.

Bei der Auslegung des § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG ist von maßgeblicher Bedeutung, dass öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger berechtigt sind, für die von ihnen erbrachten Entsorgungsleistungen kostendeckende Gebühren zu erheben. Zum Erhalt der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers sind demnach Erlöse aus der Verwertung einzelner Abfallfraktionen nicht erforderlich, um eine Aufgabenwahrnehmung zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen zu ermöglichen (vgl. Beckmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juni 2019, KrWG § 17 Rn. 121 ff. m.w.N.). Die mittels der Altpapiersammlung durch den Beigeladenen erstrebte Gewinnerzielung gehört daher nicht zu den wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG (vgl. Klement, in: Schmehl/Klement, GK - KrWG , 2. Aufl. 2019, § 17 KrWG Rn. 156).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 sowie § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO .

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG für das Revisionsverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Verkündet am 28. November 2019

Vorinstanz: VGH Bayern, vom 12.10.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 20 B 17.283