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BVerwG - Entscheidung vom 11.12.2019

1 B 79.19

Normen:
VwGO § 130a

BVerwG, Beschluss vom 11.12.2019 - Aktenzeichen 1 B 79.19

DRsp Nr. 2020/2552

Ermessensfehler bei der Durchführung des vereinfachten Berufungsverfahrens nach § 130a VwGO ; Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision

Es ist geklärt, wann die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr begründet ist. Danach kann einerseits auch ein Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 % eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit begründen und kommt es andererseits bei der "realen Möglichkeit" einer Verfolgung im Allgemeinen auf die Zumutbarkeit der Rückkehr im Einzelfall an, sodass sich darüber hinaus ein Teil der tatsächlich verfolgten Gruppe nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise quantifizieren lässt.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 15. August 2019 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Normenkette:

VwGO § 130a;

Gründe

Die auf die Zulassungsgründe eines Verfahrensmangels (I.) und der grundsätzlichen Bedeutung (II.) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

I. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) zuzulassen.

Die Beschwerde rügt, dass das Berufungsgericht ermessensfehlerhaft nach § 130a VwGO ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden (1) und zudem schriftsätzliches Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren unter Verletzung des rechtlichen Gehörs teilweise nicht berücksichtigt habe (2), ohne die behaupteten Verfahrensfehler den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend ordnungsgemäß darzulegen. Ein Verfahrensmangel ist nur dann ordnungsgemäß dargelegt, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird.

1. Weder Art. 103 Abs. 1 GG noch § 108 Abs. 2 VwGO begründen einen Anspruch darauf, dass das rechtliche Gehör gerade in der mündlichen Verhandlung gewährt werden muss. Auch wenn das Oberverwaltungsgericht über eine Berufung grundsätzlich durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung entscheidet (§ 125 i.V.m. § 101 VwGO ), kann es nach § 130a Satz 1 VwGO durch Beschluss entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Ist das sich auf die Begründetheit oder Unbegründetheit der Berufung beziehende Einstimmigkeitserfordernis erfüllt, steht die Entscheidung, ob ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss befunden wird, im Ermessen des Gerichts.

a. Die Grenzen des dem Berufungsgericht eingeräumten Ermessens sind weit gezogen. Das Revisionsgericht kann die Entscheidung für die Durchführung des vereinfachten Berufungsverfahrens nur darauf überprüfen, ob das Oberverwaltungsgericht von seinem Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat, insbesondere wenn das Absehen von einer mündlichen Verhandlung auf sachfremden Erwägungen oder einer groben Fehleinschätzung des Berufungsgerichts beruht oder wenn im konkreten Fall Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ( EMRK ) bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gebietet. Bei der Ermessensentscheidung gemäß § 130a Satz 1 VwGO dürfen die Funktionen der mündlichen Verhandlung als Kernstück (auch) des Berufungsverfahrens (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 1 VwGO ) und ihre daraus erwachsende Bedeutung für den Rechtsschutz nicht aus dem Blick geraten. Die Grenzen von § 130a Satz 1 VwGO sind erreicht, wenn im vereinfachten Berufungsverfahren ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, obwohl die Sache in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht außergewöhnlich große Schwierigkeiten aufweist (vgl. insgesamt zu den Voraussetzungen und Anforderungen an eine Entscheidung nach § 130a VwGO im asylgerichtlichen Verfahren: BVerwG, Beschluss vom 28. März 2019 - 1 B 7.19 - juris Rn. 18 ff. m.w.N.).

b. Daran gemessen, ist schon nicht hinreichend dargelegt (§ 133 Abs. 3 VwGO ), dass die Durchführung des vereinfachten Berufungsverfahrens nach § 130a VwGO hier ermessensfehlerhaft war. Das Berufungsgericht hat die Beteiligten zu seiner Absicht, durch Beschluss nach § 130a VwGO zu entscheiden, mit Verfügung vom 15. April 2019 vorab gehört. Es hat dabei auf seine Rechtsprechung (Urteile vom 23. Oktober 2018 - A 3 S 791/18 - und vom 27. März 2019 - A 4 S 334/19 -) verwiesen, nach der männlichen Syrern im wehrdienstpflichtigen Alter, die sich dem Wehrdienst durch Flucht ins Ausland entzogen haben, bei einer Rückkehr in ihr Heimatland eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen Wehrdienstentziehung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. In dieser Rechtsprechung hat es die auch in diesem Verfahren maßgeblichen zentralen Tatsachen- und Rechtsfragen zum Generalverdacht der Regimefeindlichkeit von Personen, die das Land verlassen und einen Asylantrag gestellt haben, unter Auseinandersetzung mit gegenläufiger obergerichtlicher Rechtsprechung eingehend behandelt und entschieden. Der Kläger ist daraufhin der beabsichtigten Verfahrensweise nicht entgegengetreten. Im Übrigen lässt die Beschwerde nicht erkennen, dass und welche weiteren flüchtlingsrelevanten Aspekte der Kläger in einer mündlichen Verhandlung vorgetragen hätte, die infolge der Entscheidung im Beschlusswege ungehört geblieben sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. September 2010 - 3 B 46.10 - NVwZ-RR 2011, 3 Rn. 7). Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ( EGMR ) muss keine mündliche Verhandlung durchgeführt werden, wenn die Rechtssache keine Tatsachen- oder Rechtsfragen aufwirft, die sich nicht unter Heranziehung der Akten und der schriftlichen Erklärungen der Parteien angemessen lösen lassen (EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-348/16 [ECLI:EU:C:2017:591], Moussa Sacko - Rn. 47 m.w.N.). Für die Berufungsinstanz gelten jedenfalls keine strengeren Maßstäbe (vgl. dazu EGMR , Urteil vom 29. Oktober 1991 - Nr. 11826/85, Helmers -).

Sonstige Gründe, aus denen sich schließen ließe, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, auf sachfremden Erwägungen oder einer groben Fehleinschätzung beruht, hat die Beschwerde nicht dargelegt. Insbesondere gebot Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK vorliegend nicht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Das nach nationalem Recht in konventionskonformer Auslegung eröffnete Ermessen, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, war hier auch nicht mit Blick auf Unionsrecht eingeschränkt oder ausgeschlossen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. März 2019 - 1 B 7.19 - juris Rn. 18 ff. m.w.N.).

2. Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG ) verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei ihrer Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Als Prozessgrundrecht soll es sicherstellen, dass die gerichtliche Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme oder Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Oktober 2012 - 1 C 13.11 - BVerwGE 144, 230 Rn. 10). Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Gerichte das Vorbringen der Beteiligten, wie es Art. 103 Abs. 1 GG vorschreibt, zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist daher nur dann anzunehmen, wenn besondere Umstände deutlich ergeben, dass das Gericht bestimmtes Vorbringen nicht berücksichtigt hat (stRspr, vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <145 f.>). Solche besonderen Umstände legt die Beschwerde nicht dar.

Dass das Berufungsgericht insbesondere die Auskunft des Auswärtigen Amtes an den Verwaltungsgerichtshof Kassel vom 12. Februar 2019 zur Kenntnis genommen hat, ergibt sich aus der Liste der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen, die die genannte Auskunft enthält. Es ist deshalb nach obigen Grundsätzen davon auszugehen, dass das Berufungsgericht auch den sich aus der genannten Auskunft nach Auffassung der Beschwerde ergebenden Umstand, dass die Unterstellung einer oppositionellen Haltung durch das syrische Regime willkürlich erfolge, bei seiner Einschätzung zugrunde gelegt hat, wonach ein Generalverdacht unterschiedslos gegenüber allen Personen, die das Land verlassen und einen Asylantrag gestellt haben, nicht angenommen werden kann (BA S. 8).

Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs erfordert im Übrigen zwar im Hinblick auf § 138 Nr. 3 VwGO keine Darlegungen darüber, dass die angefochtene Entscheidung auf dem gerügten Mangel beruht oder beruhen kann. Zur schlüssigen Erhebung der Rüge gehört jedoch, dass innerhalb der Beschwerdefrist substantiiert vorgetragen wird, welche - zur Klärung des geltend gemachten prozessualen Anspruchs geeigneten - Ausführungen der Beschwerdeführer bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch gemacht hätte. Denn § 138 Nr. 3 VwGO enthält ein norminternes Kausalitätserfordernis, das durch die allgemeine Kausalitätsvermutung ("ist stets als ... beruhend anzusehen") nicht überbrückt wird (vgl. Neumann/Korbmacher, in: Sodan/Ziekow, VwGO , 5. Aufl. 2018, § 138 Rn. 121 ff., 127; Kraft, in: Eyermann, VwGO , 15. Aufl. 2019, § 138 Rn. 37; BVerwG, Urteil vom 10. August 1978 - 2 C 36.77 - Buchholz 310 § 108 Nr. 105; Beschluss vom 29. September 1976 - 7 CB 46.76 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 Nr. 23).

Die Beschwerde beschränkt sich insoweit auf die Wiedergabe des Inhalts der bereits in das Verfahren eingeführten Auskunft des Auswärtigen Amtes ohne darzulegen, dass der Kläger an einem entsprechenden Vortrag - etwa in dem nach Anhörung zur Entscheidung nach § 130a VwGO durch das Berufungsgericht eingereichten Schriftsatzes vom 25. April 2019 - gehindert gewesen wäre.

II. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) wird mit der Beschwerde schon nicht hinreichend dargetan.

1. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung entscheidungserhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt und im Einzelnen aufzeigt, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der Frage zugrunde liegt, zu folgen ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. Juni 2006 - 6 B 22.06 - NVwZ 2006, 1073 Rn. 4 f. und vom 10. August 2015 - 5 B 48.15 - juris Rn. 3 m.w.N.). Die Darlegung muss sich auch auf die Entscheidungserheblichkeit des jeweils geltend gemachten Zulassungsgrunds erstrecken. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht.

2. Die von ihr als rechtsgrundsätzlicher Klärung bedürftig erachteten Fragen,

"1. ob die Flüchtlingseigenschaft nur dann zuzuerkennen ist, wenn ausnahmslos alle Personen, die die gleichen relevanten Umstände teilen (hier Ausreise und stellen eines Asylantrages) bei einer Rückkehr tatsächlich verfolgt werden oder ob eine Furcht vor Verfolgung auch dann begründet sein kann, wenn nur ein Teil dieser Gruppe willkürlich ausgewählt und verfolgt wird und

2. soweit die erste Frage bejaht wird, wie groß der Teil der tatsächlich verfolgten Gruppe prozentual sein muss, dass die Furcht vor Verfolgung von jedem einzelnen dieser Gruppe begründet ist",

rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision, weil sie - soweit verallgemeinerungsfähig - in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt sind.

Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer - bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr - die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ( EGMR ), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ("real risk") abstellt; das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 1. Juni 2011 - 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22 Rn. 22 m.w.N. und vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 32; Beschluss vom 15. August 2017 - 1 B 120.17 - juris Rn. 8). Hierfür ist erforderlich, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine individuelle Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Diese Würdigung ist auf der Grundlage einer "qualifizierenden" Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung vorzunehmen. Hierbei sind gemäß Art. 4 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU neben den Angaben des Antragstellers und seiner individuellen Lage auch alle mit dem Herkunftsland verbundenen flüchtlingsrelevanten Tatsachen zu berücksichtigen. Entscheidend ist, ob in Anbetracht der Gesamtumstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 32 m.w.N.). Eine in diesem Sinne wohlbegründete Furcht vor einem Ereignis kann auch dann vorliegen, wenn bei einer "quantitativen" oder mathematischen Betrachtungsweise ein Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 % für dessen Eintritt besteht. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus; ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falles die "reale Möglichkeit" einer Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Bei der Abwägung aller Umstände ist die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in die Betrachtung einzubeziehen. Besteht bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine geringe mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung, macht es auch aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen erheblichen Unterschied, ob er z.B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber die Todesstrafe riskiert. Maßgebend ist damit letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit; sie bildet das vorrangige qualitative Kriterium, das bei der Beurteilung anzulegen ist, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr "beachtlich" ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 2008 - 10 C 33.07 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- und Asylrecht Nr. 19 Rn. 37; vgl. insgesamt: BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 - 1 C 31.18 - juris Rn. 16).

Kann danach einerseits auch ein Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 % eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit begründen und kommt es andererseits bei der "realen Möglichkeit" einer Verfolgung im Allgemeinen auf die Zumutbarkeit der Rückkehr im Einzelfall an, lässt sich darüber hinaus ein Teil der tatsächlich verfolgten Gruppe nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise quantifizieren.

III. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ).

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO . Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG ; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Vorinstanz: VGH Baden-Württemberg, vom 15.08.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 3 S 168/19