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BVerwG - Entscheidung vom 17.12.2019

8 B 37.19

Normen:
VwGO § 86 Abs. 1

BVerwG, Beschluss vom 17.12.2019 - Aktenzeichen 8 B 37.19

DRsp Nr. 2020/3881

Beschwerde nach abgewiesener Klage auf Restitution eines Grundstücks nach Ausübung des Vorkaufsrechts durch eine LPG ; Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision; Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht

Die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter durch Beschluss ist nicht personengebunden, sondern richtet sich nach dem maßgeblichen Geschäftsverteilungsplan.

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 12. Dezember 2018 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Änderung der erstinstanzlichen Festsetzung für beide Instanzen auf jeweils 5 000 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 86 Abs. 1 ;

Gründe

Mit Vertrag vom 10. April 1986 verschenkte der Kläger sein Grundstück O...straße 6, N. (Flurstücke ..., ... und ...) an seine Tochter. Auf Antrag der LPG (T) N. übte der Rat des Kreises Z. mit Beschluss vom 4. Juni 1986 sein Vorkaufsrecht zugunsten der LPG aus. Im September 1990 beantragte der Kläger die Restitution des Grundstücks. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 26. August 1994 ab. Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Im Juni 2015 beantragte der Kläger, das Verfahren wiederaufzugreifen und das Grundstück an ihn zu restituieren. Mit Bescheid vom 12. November 2015 lehnte der Beklagte auch diesen Antrag ab. Das Verwaltungsgericht hat die dagegen gerichtete Klage mit Urteil vom 12. Dezember 2018 abgewiesen und die Revision nicht zugelassen.

Die auf das Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Sie ist unzulässig, soweit sie keine konkreten Prozessrechtsverstöße bezeichnet, sondern im Stile einer Berufungsbegründung die eigene Sachverhalts- und Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen der Vorinstanz setzt und neue Tatsachenfeststellungen fordert (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO ). Auch die begehrte Beiladung ist im Beschwerdeverfahren nicht möglich (vgl. § 142 Abs. 1 VwGO sowie BVerwG, Beschluss vom 20. Oktober 2000 - 7 B 58.00 - Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 136 S. 6 f.). Soweit der Vortrag des Klägers auf Verfahrensrügen führt, greifen sie nicht durch.

1. Der Kläger substantiiert die erhobene Besetzungsrüge nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechend. Er macht geltend, das erkennende Gericht sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen (Beschwerdebegründung S. 18 f. und 23). Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 23. Juni 2017 sei Richterin am Verwaltungsgericht Dr. D. als Einzelrichterin anstelle der Kammer für die Entscheidung des Falles zuständig geworden. Die mündliche Verhandlung sei jedoch von Richterin am Verwaltungsgericht B. durchgeführt worden, die auch das angegriffene Urteil gesprochen habe. Dieser Vortrag führt noch nicht auf eine fehlerhafte Besetzung des erkennenden Gerichts. Die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter durch Beschluss (§ 6 VwGO ) ist nicht personengebunden. Sie begründet vielmehr die Zuständigkeit desjenigen Richters, den der maßgebliche Geschäftsverteilungsplan für den Fall der Übertragung als zuständigen Einzelrichter bestimmt (vgl. BFH Beschluss vom 14. Mai 2013 - IX B 6/13 - BFH N/V 2013, 1418 Rn. 4 zu § 6 FGO ). Wird der Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen, führen geschäftsverteilungsplanmäßige Wechsel des Berichterstatters - etwa wegen Ausscheidens eines Kammermitglieds - zu einem entsprechenden Wechsel des zuständigen Einzelrichters. Dass das Verwaltungsgericht hier von der geschäftsverteilungsplanmäßigen Besetzung abgewichen wäre, legt der Kläger nicht dar.

2. Der Kläger legt keinen Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO ) dar.

a) Sein Vortrag, die Vorinstanz habe nicht alle Aufklärungsmöglichkeiten ausgeschöpft, weil sie den Nutzungsvertrag vom 19. November 1976, Az. 44/76, nicht beigezogen habe (Beschwerdebegründung S. 3), genügt dazu nicht. Eine Aufklärungsrüge kann nur Erfolg haben, wenn substantiiert dargetan wird, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer dem Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26). All das lässt die Beschwerde vermissen. Der Kläger beschränkt sich darauf, die Existenz des Nutzungsvertrages pauschal zu bestreiten. Darüber hinaus zeigt er weder auf, auf welche Weise das Verwaltungsgericht sich über die Existenz des Nutzungsvertrages hätte Klarheit verschaffen können, noch welche rechtlichen Folgen dies für das Wiederaufgreifensverfahren seiner Meinung nach gehabt hätte.

b) Zu Unrecht rügt der Kläger ferner, das Verwaltungsgericht habe den von ihm mit Schriftsatz vom 6. November 2017 angekündigten und in der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 2018 hilfsweise gestellten Antrag auf Vernehmung der Zeugin L. unter Verstoß gegen § 86 Abs. 2 VwGO abgelehnt (Beschwerdebegründung S. 20). Insoweit hat er einen Verstoß gegen § 86 Abs. 2 VwGO nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargetan. Die Grundsätze, die die Ablehnung eines Beweisantrages in der mündlichen Verhandlung zulassen können, sind nicht heranzuziehen, weil der Kläger ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 2018 nur einen Hilfsbeweisantrag gestellt hat. Ein Hilfsbeweisantrag ist aber lediglich eine Beweisanregung, die das Verwaltungsgericht zur Kenntnis zu nehmen und erst bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen hatte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 2013 - 9 BN 1.13 - Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 56 Rn. 14). Es hat den Hilfsbeweisantrag des Klägers ohne Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz bzw. die Aufklärungspflicht abgelehnt. Denn es hat darauf abgestellt, dass es sich bei der Frage, ob das Vorerwerbsrecht durch die LPG unlauter im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG ausgeübt worden sei, um eine Rechtsfrage handele, die folglich einer Beweisaufnahme unzugänglich sei. Darüber hinaus hat es das angebotene Beweismittel für ungeeignet gehalten, weil die in das Wissen der Zeugin gestellten Tatsachen nach seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung nicht entscheidungserheblich waren.

c) Soweit der Kläger auf weitere konkrete Tatsachenbehauptungen verweist, die die von ihm benannte Zeugin L. hätte bekunden können (Beschwerdebegründung S. 17, 20 und 24 f.), liegt ebenfalls kein Verstoß gegen § 86 Abs. 2 VwGO vor. Insoweit fehlt es schon an einem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag. Außerdem legt der Kläger nicht dar, dass die Feststellung der von ihm behaupteten Tatsachen zu einer für ihn günstigeren Entscheidung hätte führen können.

3. Der Kläger rügt schließlich, das Verwaltungsgericht habe einen von ihm gestellten Antrag, seine Tochter gemäß § 67 Abs. 2 VwGO (gemeint § 67 Abs. 7 VwGO ) als Beistand zu bestellen, verfahrensfehlerhaft abgelehnt und seine Tochter auf die Zuschauerstühle verwiesen (Beschwerdebegründung S. 23 f.). Hätte das Gericht ihr Ausführungen gestattet, hätte es den Schluss ziehen müssen, dass das Vorerwerbsrecht von der LPG unlauter ausgeübt wurde. Damit ist ein Verstoß gegen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG , § 108 Abs. 2 VwGO ) nicht in einer § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dargetan.

Schon die prozessualen Vorgänge, aus denen sich der behauptete Gehörsverstoß ergeben soll, sind nur bruchstückhaft dargelegt. Dem Vortrag des Klägers ist lediglich zu entnehmen, dass seine Tochter nicht neben ihm, sondern im Zuschauerbereich sitzen sollte. Der Kläger legt auch nicht dar, was seine Tochter ausgeführt hätte, wäre sie als Beistand für ihn aufgetreten. Die bloße Behauptung, ihr Vortrag hätte das Vorliegen einer unlauteren Machenschaft belegt, genügt insoweit nicht.

Schließlich legt der bereits in der Vorinstanz anwaltlich vertretene Kläger nicht dar, dass er in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht die ihm zumutbaren verwaltungsprozessualen Möglichkeiten, sich rechtliches Gehör zu verschaffen, ausgeschöpft hätte. Weder aus der Sitzungsniederschrift noch aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich, dass er die - angebliche - Zurückweisung seiner Tochter beanstandet und einen Vertagungsantrag gestellt hätte, um das eigene Vorbringen in Absprache mit seiner Tochter ergänzen zu können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO . Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 2 , § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG .

Vorinstanz: VG Gera, vom 12.12.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 2 K 774/16