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BVerwG - Entscheidung vom 21.02.2019

8 B 6.19

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1

BVerwG, Beschluss vom 21.02.2019 - Aktenzeichen 8 B 6.19

DRsp Nr. 2019/4914

Antrag auf berufliche Rehabilitierung nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz ( BerRehaG )

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 10. November 2017 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

Der Kläger begehrt seine berufliche Rehabilitierung nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz ( BerRehaG ). Seinen darauf gerichteten Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 27. Mai 2015 ab. Das Verwaltungsgericht hat diesen Bescheid aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, dem Kläger berufliche Rehabilitierung für die Zeit von 1967 bis zum 13. Oktober 1980 zu gewähren und ihn so zu stellen, als sei er nach der Lohngruppe 5 bezahlt worden. Die Revision gegen sein Urteil hat es nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.), noch liegt ein Verfahrensmangel nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor (2).

1. Der Rechtssache kommt die ihr vom Beklagten beigemessene grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Er macht geltend, der im Tenor des verwaltungsgerichtlichen Urteils ausgesprochene Zeitraum der beruflichen Rehabilitierung umfasse auch Zeiten, in denen sich der Kläger in Haft befunden habe und für die keine strafrechtliche Rehabilitierung erfolgt sei. Darin liege ein Widerspruch zu den Entscheidungsgründen des Urteils, in denen ausgeführt werde, es sei ausgeschlossen, die verbüßte Haftzeit zu rehabilitieren, weil die strafrechtlichen Verurteilungen nicht aufgehoben worden seien (UA S. 8). Zudem umfasse der vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Zeitraum der beruflichen Rehabilitierung auch Zeiten des Klägers bei der NVA, die bisher bei Entscheidungen des Beklagten aus den Rehabilitierungszeiträumen herausgenommen worden seien. Dieses Vorbringen genügt den Anforderungen an die Darlegung einer Grundsatzrüge nicht (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ). Es kritisiert lediglich das Urteil der Vorinstanz im konkreten Einzelfall, ohne eine darüber hinausgehende entscheidungserhebliche und klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen. Abgesehen davon ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass Urteilsformeln zwar nach Möglichkeit so gefasst sein sollten, dass ihnen unmittelbar Inhalt und Tragweite der Entscheidung entnommen werden können. Ist die Urteilsformel hingegen nicht eindeutig, sind bei deren Auslegung die Entscheidungsgründe heranzuziehen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1963 - 2 C 20.63 - BVerwGE 17, 293 <299>; Beschluss vom 29. Mai 1967 - 2 B 5.67 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 25; Urteil vom 28. Oktober 1981 - 8 C 4.81 - insoweit in BVerwGE 64, 186 nicht abgedruckt, juris Rn. 17). Bei der danach gebotenen Auslegung der Urteilsformel unter Heranziehung der Entscheidungsgründe kann dem Urteil die Auffassung der Vorinstanz entnommen werden, dass die Haftzeiten des Klägers, für die keine strafrechtliche Rehabilitierung erfolgt ist, auch nicht der beruflichen Rehabilitierung unterliegen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist auf § 1 Abs. 1 Nr. 4 BerRehaG gestützt (UA S. 6) und bejaht die Verfolgteneigenschaft des Klägers allein wegen der von ihm erlittenen Nachteile im Berufsleben. Der abschließende Hinweis, dass es ausgeschlossen sei, die verbüßte Haftzeit zu rehabilitieren (UA S. 8), bezieht sich daher auch auf die berufliche Rehabilitierung dieses Zeitraums, für den im Übrigen nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts keine Entscheidungen im Sinne des § 1 Abs. 2 BerRehaG zugunsten des Klägers getroffen wurden.

Weiterhin hält der Beklagte für klärungsbedürftig, "inwieweit eine (unbewiesene) ungenügende Laufbahngruppenzuordnung die Verfolgteneigenschaft begründet, ohne dass die Merkmale Minderverdienst oder/und fehlendes soziales Ansehen als Ausfluss fehlender sozialer Gleichwertigkeit hinzutreten". Auch diese Frage verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Sie würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen, denn sie geht von Annahmen aus, die dem Urteil der Vorinstanz nicht zugrunde liegen. Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichts ist die Auffassung, dass nicht jeder Eingriff in die berufliche Position bereits die Verfolgteneigenschaft begründet, sondern hierfür neben der Minderung der beruflichen Stellung erhebliche Verdiensteinbußen erforderlich sind (UA S. 6). Im Fall des Klägers hat die Vorinstanz darauf abgestellt, dass dieser der politischen Verfolgung durch die Behörden der DDR unterlegen habe, die ihm den Arbeitsplatz vorgeschrieben und dadurch die Ursache dafür gesetzt hätten, dass er zu keinem Zeitpunkt ein seiner Ausbildung als Facharbeiter entsprechendes Gehalt erhalten, sondern stets weniger als die ihm eigentlich zustehende Lohngruppe 5 verdient habe (UA S. 7). Daraus wird deutlich, dass das angegriffene Urteil für die Annahme der Verfolgteneigenschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 BerRehaG gerade nicht allein die politische Verfolgung durch Behörden der DDR genügen lässt.

2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen. Der Beklagte macht geltend, das Verwaltungsgericht sei von einem falschen Sachverhalt ausgegangen, indem es den Kläger allein deshalb als politisch Verfolgten angesehen habe, weil er operativ überwacht worden sei. Abgesehen davon, dass diese Annahme nicht zutrifft (vgl. 1.), wendet sich der Beklagte mit seinem Vorbringen lediglich gegen die materiell-rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch die Vorinstanz. Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kann damit nicht dargelegt werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 , § 52 Abs. 2 GKG .

Vorinstanz: VG Halle, vom 10.11.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 1 A 163/15