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BSG - Entscheidung vom 19.06.2019

B 14 AS 104/18 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3

BSG, Beschluss vom 19.06.2019 - Aktenzeichen B 14 AS 104/18 B

DRsp Nr. 2019/14163

Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Behauptete Prozessunfähigkeit bei Abschluss eines Vergleiches

Rügt ein Beschwerdeführer im Rahmen seiner Nichtzulassungsbeschwerde, die Vorinstanzen seien zu Unrecht davon ausgegangen, er sei bei Abschluss eines Vergleichs prozessfähig gewesen, muss in der Beschwerdeschrift substantiiert und schlüssig aufgezeigt werden, aufgrund welcher Umstände und Anzeichen die Gerichte ernsthafte Zweifel an der Prozessfähigkeit hätten haben und sich zu entsprechenden Ermittlungen hätten veranlasst sehen müssen.

Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. Februar 2018 werden als unzulässig verworfen.

Die Anträge der Kläger, ihnen für die Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das bezeichneten Urteil Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt K, K, beizuordnen, werden abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe:

Die Nichtzulassungsbeschwerden sind unzulässig, denn die Kläger haben keinen der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichung (Divergenz), Verfahrensmangel - in der gebotenen Weise schlüssig dargelegt oder bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ). Der Senat konnte deshalb über die Beschwerden ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG entscheiden.

Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen der Revisionszulassung prüfen zu können (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 181). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird.

Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Es fehlt bereits an der Formulierung einer abstrakten Rechtsfrage. Die Begründung erschöpft sich in den Darlegungen, warum der Kläger zu 1. wegen der Einnahme von Psychopharmaka und Überlastung durch mehrere gerichtliche Verfahren prozessunfähig gewesen sei, als er in erster Instanz einen Vergleich abgeschlossen habe. Damit ist keine Rechtsfrage benannt, sondern sind lediglich Einschätzungen, bezogen auf den vorliegenden Einzelfall, vorgetragen worden.

Soweit die Kläger das Vorliegen eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) rügen, haben sie einen solchen nicht schlüssig bezeichnet. Zwar stellt eine fehlende Prozessfähigkeit einen absoluten Revisionsgrund dar (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 547 Nr 4 ZPO ) und wäre bei einer zugelassenen Revision von Amts wegen zu prüfen. Wird jedoch in einer Nichtzulassungsbeschwerde gerügt, die Vorinstanzen seien zu Unrecht davon ausgegangen, ein Beteiligter sei bei Abschluss eines Vergleichs prozessfähig gewesen, so muss in der Beschwerdeschrift substantiiert und schlüssig dargetan werden, aufgrund welcher Umstände und Anzeichen die Gerichte ernsthafte Zweifel an der Prozessfähigkeit hätten haben und sich zu entsprechenden Ermittlungen hätten veranlasst sehen müssen ( BSG vom 15.11.2000 - B 13 RJ 53/00 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 32).

An einer solchen Darlegung fehlt es hier. Ausgehend davon, dass gemäß § 104 BGB geschäftsunfähig ist, wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat (Nr 1) oder wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist (Nr 2), erfüllt der allgemeine Hinweis auf die Einnahme von Psychopharmaka ebenso wenig die Darlegungsvoraussetzungen wie der Verweis auf Atteste, die inhaltlich nicht wiedergegeben werden und von denen lediglich erklärt wird, sie seien "aussagekräftig".

PKH gemäß § 73a SGG iVm § 114 ZPO konnte nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nach den obigen Ausführungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Damit entfällt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 73a SGG iVm § 121 ZPO ).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183 , 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 28.02.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 16 AS 331/16
Vorinstanz: SG Augsburg, vom 14.04.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 3 AS 1203/15