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BSG - Entscheidung vom 02.10.2019

B 5 RS 8/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 02.10.2019 - Aktenzeichen B 5 RS 8/19 B

DRsp Nr. 2019/16060

Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 21. Mai 2019 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Mit Urteil vom 21.5.2019 hat das Sächsische LSG einen Anspruch des Klägers auf Feststellung auch der Zeit vom 1.9.1974 bis 30.4.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates (AVSt - Nr 19 der Anl 1 zum AAÜG ) und der in diesen Zeiten erzielten Arbeitsentgelte verneint. Dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch nicht zu, weil er in dem streitigen Zeitraum keine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt habe, derentwegen ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung im Zusatzversorgungssystem nach Nr 19 der Anl 1 zum AAÜG vorgesehen sei. In der Anl 2 des "Beschlusses [des Ministerrates der DDR] zur Ordnung über die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates" vom 29.1.1971 (= Beschluss des Ministerrates 01 - 65a / 2 / 71, vertrauliche Ministerratssache Nr 95 / 71, nicht veröffentlicht) sei unter Ziffer 2 bestimmt worden, dass zu den Organen des örtlichen Staatsapparates auch die "Räte der Bezirke, Kreise, Städte und Gemeinden, ausgenommen unterstellte Institute und Einrichtungen" gehörten. In der Anl 5 des vorgenannten Beschlusses sei ausgeführt worden, dass die freiwillige zusätzliche Altersversorgung (nur) in den Organen eingeführt werde, die ausschließlich staatliche Tätigkeiten ausübten, und nicht die diesen Organen unterstehenden Institute und Einrichtungen erfasse. Zu den "unterstellten Einrichtungen" hätten auch die den "Stadtbezirken ... nachgeordneten Einrichtungen" gezählt (so ausdrücklich S 6 der Hinweise [des Sekretariats des Ministerrates] zum Geltungsbereich der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates vom 29.12.1975). Mitarbeiter dieser Einrichtungen hätten "auch dann nicht zum Geltungsbereich (gehört), wenn sie einen Arbeitsvertrag ... mit dem Rat der Gemeinde oder Stadt abgeschlossen" hätten (so ausdrücklich S 7 der genannten Hinweise). Eine den Stadtbezirken unterstellte, also nachgeordnete Einrichtung seien auch die Bezirks- und Kreiskabinette für Kulturarbeit gewesen (so ausdrücklich Verwaltungsrecht - Lehrbuch, Staatsverlag der DDR, 2. Aufl 1988, S 333). In einer solchen unterstellten Einrichtung, nämlich dem Stadtbezirkskabinett für Kulturarbeit des Rates des Stadtbezirkes D.-Ost, sei der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum als Fachmethodiker bzw Sachbearbeiter tatsächlich beschäftigt worden. Dies ergebe sich aus dem Arbeitsvertrag vom 4.9.1974 sowie den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem SG Dresden am 28.9.2017. Hieran ändere sich auch nichts dadurch, dass Arbeitgeber, mit dem der Arbeitsvertrag geschlossen worden sei und der dementsprechend das Arbeitsverhältnis im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung abgestempelt habe, der Rat des Stadtbezirks D.-Ost gewesen sei.

Wegen der Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG .

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

Die Beschwerdebegründung hat den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache in § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

Der Kläger misst folgender Frage grundsätzliche Bedeutung bei:

"Ist bei der Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist, auch auf unveröffentlichte Richtlinien und Anwendungshinweise der DDR im Bereich des Zusatzversorgungssystems der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates nach Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG abzustellen?"

Es kann dahinstehen, ob der Kläger mit dieser Formulierung eine aus sich heraus verständliche, hinreichend bestimmte abstrakt-generelle Rechtsfrage zum Auslegungs- oder Anwendungsbereich einer revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG ) aufgezeigt hat (vgl allgemein BSG Beschluss vom 24.10.2018 - B 13 R 239/17 B - juris RdNr 8 mwN). Unter Berücksichtigung der übrigen Ausführungen der Beschwerdebegründung geht der Senat davon aus, dass der Kläger die Klärung der Frage anstrebt, ob für die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem gemäß § 5 Abs 1 Satz 1 AAÜG - hier Zusatzversorgungssystem Nr 19 der Anl 1 zum AAÜG - auf den unveröffentlichten Beschluss des Ministerrats der DDR zur Ordnung über die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates vom 29.1.1971 und die Hinweise des Sekretariats des Ministerrats zum Geltungsbereich der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates vom 29.12.1975 abgestellt werden darf.

1. Die Klärungsbedürftigkeit bzw Klärungsfähigkeit dieser Frage hat der Kläger nicht ausreichend dargetan.

a) Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG und ggf des BVerfG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu diesem Fragenbereich noch keine höchstrichterliche Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet ist (Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 183 mwN). Hieran fehlt es, soweit sich die vom Kläger aufgeworfene Frage auf den genannten Beschluss des Ministerrats der DDR vom 29.1.1971 bezieht.

Der Kläger geht insbesondere nicht ausreichend auf das Urteil des 4. Senats des BSG vom 4.8.1999 (B 4 RA 1/99 R - SozR 3-8570 § 5 Nr 5) ein. Der 4. Senat des BSG hat in dieser Entscheidung (aaO, S 28) im Rahmen der Prüfung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nach § 5 Abs 1 Satz 1 AAÜG ausgeführt, dass das LSG zutreffend unter Bezugnahme auf die "Argumentation zur Einführung der AVSt" (zu deren Verwertbarkeit vgl auch BSG Urteil vom 19.7.2011 - B 5 RS 7/09 R - juris RdNr 19) festgestellt habe, dass nur die Beschäftigten solcher Organe berechtigt sein sollten, die originäre hoheitliche, dh staatliche Aufgaben erfüllten. Die in der "Argumentation" vertretene Auffassung entspreche den tatsächlichen Verhältnissen in der DDR, wie sie zB in deren Begriffsverständnis zum "Staatsapparat" zum Ausdruck gekommen seien. Nach diesem Verständnis seien als Organe des Staatsapparates ua der Staatsrat der DDR und sein Apparat, die Ministerien, andere zentrale staatliche Organe, die Räte der Bezirke, Kreise, Städte, Stadtbezirke und Gemeinden, die Gerichte und Staatsanwaltschaften angesehen worden. Des Weiteren hat der 4. Senat des BSG (aaO, S 28 f) ausgeführt, das LSG habe auch insoweit auf die genannte "Argumentation" zurückgreifen können, als dort dargelegt worden sei, dass nicht die diesen Organen unterstehenden Institute und Einrichtungen erfasst werden sollten. Auch dies habe dem allgemeinen Begriffsverständnis in der DDR entsprochen. Da sich die "Argumentation zur Einführung der AVSt" nach den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils in der Anlage 5 des Beschlusses des Ministerrats der DDR vom 29.1.1971 (aaO) findet, hätte die Beschwerdebegründung darauf eingehen müssen, warum gleichwohl unter dem Aspekt der mangelnden Veröffentlichung des genannten Beschlusses des Ministerrats der DDR die Frage nach dessen Anwendbarkeit klärungsbedürftig sein soll. Um darzulegen, dass einer bereits entschiedenen Rechtsfrage gleichwohl noch grundsätzliche Bedeutung zukomme, hat ein Beschwerdeführer aufzuzeigen, in welchem Umfang, von welcher Seite und mit welcher Begründung der Rechtsprechung widersprochen werde bzw die Beantwortung der Frage umstritten sei ( BSG SozR 1500 § 160 Nr 51 S 52). Dasselbe gilt für die Behauptung, dass neue erhebliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen seien (vgl hierzu BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 mwN). Hierzu enthält die Beschwerdebegründung keine Ausführungen.

Da sich der 4. Senat des BSG im Urteil vom 4.8.1999 (aaO, S 28) im Übrigen maßgeblich auf Angaben in Lehrbüchern zum Staats- und Verwaltungsrecht gestützt hat, hätte es zudem näherer Darlegungen zur Klärungsfähigkeit bedurft.

b) Soweit sich die Frage des Klägers auf die Anwendbarkeit der Hinweise des Sekretariats des Ministerrats zum Geltungsbereich der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates vom 29.12.1975 bezieht, fehlt es ebenfalls an der Darlegung der Klärungsfähigkeit, dh Entscheidungserheblichkeit.

Es ergibt sich bereits aus dem Urteil des 4. Senats des BSG vom 4.8.1999 (aaO, S 28), dass zwar die Stadtbezirke zu den Organen des Staatsapparates zählten, nicht aber die ihnen nachgeordneten Einrichtungen. Dass die Bezirks- und Kreiskabinette für Kulturarbeit eine den Stadtbezirken nachgeordnete Einrichtung waren, belegt das Lehrbuch Verwaltungsrecht, Staatsverlag der DDR, 2. Aufl 1988, S 333, auf das sich das LSG ausdrücklich berufen hat. Angesichts dessen hätte der Kläger näher darlegen müssen, warum die Entscheidung des LSG gerade von der Berücksichtigungsfähigkeit der genannten Hinweise abhängt, also hierauf beruht.

2. Soweit der Kläger ferner vorträgt, die Entscheidung des 4. Senats des BSG vom 4.8.1999 (aaO) enthalte keine Erklärungen dazu, ob es für die rechtliche Beurteilung auf das bestehende Arbeitsverhältnis zum Staatsorgan oder die tatsächliche Arbeitsstelle losgelöst von den rechtlichen Bedingungen des Arbeitsvertrages ankomme, ist schon kein Bezug zu der aufgeworfenen Frage erkennbar. Überdies hat das LSG gerade dem Arbeitsvertag vom 4.9.1974 entnommen, dass der Kläger bei dem Stadtbezirkskabinett für Kulturarbeit des Rates des Stadtbezirks D.-Ost beschäftigt gewesen ist. Hiermit setzt sich die Beschwerdebegründung nicht auseinander.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 und 4 SGG .

Vorinstanz: LSG Sachsen, vom 21.05.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 5 R 223/19
Vorinstanz: SG Dresden, vom 28.09.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 4 RS 1282/14