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BSG - Entscheidung vom 15.04.2019

B 9 SB 11/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 106 Abs. 1

BSG, Beschluss vom 15.04.2019 - Aktenzeichen B 9 SB 11/19 B

DRsp Nr. 2019/8284

Feststellung eines Grades der Behinderung von 100 Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Keine gerichtliche Hinweispflicht an einen Prozessbevollmächtigten

1. Der Bitte eines Prozessbevollmächtigten um einen Hinweis, sofern das Gericht weiteren Rechtsvortrag für erforderlich erachte, muss nicht entsprochen werden, ohne dass darin ein Verfahrensfehler liegt.2. Nach dem Verfahrensrecht muss ein Rechtsanwalt in der Lage sein, Formerfordernisse einzuhalten; dies ist ein Grund für den Vertretungszwang vor dem BSG , § 106 Abs. 1 SGG gilt insoweit nicht.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. Dezember 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 106 Abs. 1 ;

Gründe:

I

Der Klägerin beansprucht in der Hauptsache die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 100 und die Zuerkennung des Merkzeichens "aG". Diesen Anspruch hat das LSG mit Urteil vom 18.12.2018 verneint. Die bei der Klägerin vorliegenden Behinderungen rechtfertigten keinen höheren Gesamt-GdB als 90. Eine erhebliche mobilitätsbedingte Teilhabebeeinträchtigung als eine Voraussetzung für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" liege bei ihr trotz der Parese des linken Beins nicht vor.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie macht als Zulassungsgrund die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

II

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung vom 7.3.2019 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) nicht in der hierfür erforderlichen Weise dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ).

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG , wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss daher, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl Senatsbeschluss vom 10.9.2018 - B 9 SB 40/18 B - Juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B - Juris RdNr 6).

Der Vortrag der Klägerin genügt diesen Anforderungen nicht. Soweit sie eine grundlegende Bedeutung der Rechtssache daraus ableiten will, dass sich das LSG auf ein "schlicht unzutreffendes Sachverständigengutachten" gestützt habe und dass das bei ihr vorliegende Krankheitsbild die Feststellung eines GdB von 100 und die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" rechtfertige, benennt sie bereits keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, Anwendbarkeit oder zur Vereinbarkeit einer revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG ) mit höherrangigem Recht. Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das BSG als Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen einer Grundsatzrüge prüfen kann (stRspr, zB BSG Beschluss vom 21.2.2018 - B 13 R 28/17 R - Juris RdNr 10 mwN). Im Kern handelt es sich bei dem Vorbringen der Klägerin vielmehr um eine Rüge der Beweiswürdigung (vgl § 128 Abs 1 S 1 SGG ). Auf einen solchen Angriff kann jedoch nach der ausdrücklichen Regelung des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG eine Nichtzulassungsbeschwerde - auch im Rahmen einer Grundsatzrüge - nicht gestützt werden.

Der Bitte der Prozessbevollmächtigten der Klägerin um einen Hinweis, sofern das Gericht weiteren Rechtsvortrag für erforderlich erachte, musste der Senat nicht entsprechen. Das Gesetz unterstellt, dass ein Rechtsanwalt in der Lage ist, die Formerfordernisse einzuhalten; gerade dies ist ein Grund für den Vertretungszwang vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG . § 106 Abs 1 SGG gilt insoweit nicht (stRspr; zB Senatsbeschluss vom 25.10.2018 - B 9 V 27/18 B - Juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 7 AL 60/10 B - Juris RdNr 7).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Hessen, vom 18.12.2018 - Vorinstanzaktenzeichen L 3 SB 107/17
Vorinstanz: SG Wiesbaden, vom 07.09.2017 - Vorinstanzaktenzeichen S 7 SB 296/15