Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 27.09.2019

V ZR 4/18

Normen:
BGB § 154 Abs. 2
BGB § 742
BGB § 745 Abs. 2
BGB § 748

BGH, Urteil vom 27.09.2019 - Aktenzeichen V ZR 4/18

DRsp Nr. 2019/15913

Streit um die Beteiligung eines Grundstückseigentümers an den Kosten für die Unterhaltung und Verwaltung einer Privatstraße; Nichtunterzeichnung einer Vertragsurkunde über die anteilige Tragung von Unterhaltungskosten; Wahrnehmung von Unterhaltungspflichten für Anlagen durch die Dienstbarkeitsberechtigten und mitnutzungsberechtigten Grundstückseigentümer entsprechend § 745 Abs. 2 BGB nach billigem Ermessen

Sind die Berechtigten einer Grunddienstbarkeit und der Eigentümer des dienenden Grundstücks zur gleichberechtigten Mitbenutzung des Grundstücks befugt, können sie voneinander eine Regelung verlangen, dass die Unterhaltungspflicht für die der Ausübung der Dienstbarkeit dienenden Anlagen einheitlich wahrgenommen wird, wenn anders eine geordnete und sachgerechte Erfüllung dieser Pflicht nicht gewährleistet ist. Die Kosten für die einheitliche Wahrnehmung der Unterhaltungspflicht tragen in einem solchen Fall anteilig die Dienstbarkeitsberechtigten und der mitnutzungsberechtigte Grundstückseigentümer.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der Zivilkammer 55 des Landgerichts Berlin vom 1. Dezember 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

BGB § 154 Abs. 2 ; BGB § 742 ; BGB § 745 Abs. 2 ; BGB § 748 ;

Tatbestand

Der klagende eingetragene Verein ist Eigentümer einer Straße, die 2008 zu Erschließungszwecken ausgebaut wurde und an der weit über 100 Grundstücke einer Wohnsiedlung anliegen. Eigentümer eines dieser Grundstücke sind die Beklagten, die bis Ende 2011 Mitglieder des Klägers waren. Das Straßengrundstück wurde mit einer Vielzahl von Grunddienstbarkeiten (Geh-, Fahr- und Leitungsrechte) zugunsten der jeweiligen Eigentümer der Anliegergrundstücke, darunter auch das Grundstück der Beklagten, belastet. Der Kläger vereinbarte mit einzelnen Anliegern die Bestellung einer Reallast zur Sicherung der Unterhaltungs- und Instandsetzungskosten, mit anderen schloss er schriftliche Vereinbarungen über die Kostenbeteiligung ab. Auch mit den Beklagten strebte er eine entsprechende Vereinbarung an. Die Beklagten, die sich bis einschließlich 2010 an den Unterhaltungskosten beteiligten, bewilligten mit notarieller Urkunde eine entsprechende Reallast. Zu deren Eintragung in das Grundbuch kam es nicht.

Ende 2011 schloss der Kläger mit einer Immobilienverwaltungsgesellschaft einen Vertrag über die Verwaltung des Vereinsgeländes nebst der Privatstraße. Die Vereinbarung wurde rückwirkend zum 1. Januar 2015 durch einen Vertrag über die Verwaltung der Privatstraße und der Mitgliederbeiträge ersetzt.

Der Kläger hat von den Beklagten die Zahlung anteiliger Kosten des Winterdienstes für 2011 und einer Rechnung aus dem Jahre 2011 sowie des Mitgliedsbeitrages für 2011 verlangt. Auf der Grundlage von Abrechnungen für die Jahre 2012 und 2013 hat er ferner die Zahlung der auf die Beklagten entfallenden Kostenanteile verlangt. Zudem hat er die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten erreichen wollen, sich auch künftig an den notwendigen Kosten für die Unterhaltung und Verwaltung der Straße zu beteiligen. Das Amtsgericht hat der Klage in der Hauptsache stattgegeben. Im Berufungsverfahren haben die Parteien einen Teilvergleich geschlossen; streitig bleiben danach die Kosten der Haftpflichtversicherung, der vom Kläger beauftragten Verwaltung und der Kontoführung. Der Kläger hat zuletzt auch Zahlung der anteiligen Kostenpositionen für die Jahre 2014 bis 2016 verlangt. Das Landgericht hat bezüglich dieser Positionen das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, will der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der anteiligen noch streitigen Kosten für die Jahre 2012 bis 2016 in Höhe von 608,15 € sowie die Wiederherstellung des Feststellungsausspruchs des Amtsgerichts hinsichtlich der noch streitgegenständlichen Positionen erreichen.

Entscheidungsgründe

I.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien über die anteilige Kostentragung nicht zustande gekommen. Selbst wenn es den Entwurf einer entsprechenden Abrede gegeben haben sollte, sei dieser jedenfalls nicht unterzeichnet worden. Gegen die Annahme eines Vertragsschlusses spreche bereits die in § 154 Abs. 2 BGB enthaltene Auslegungsregel. Allein der Umstand, dass die Beklagten Teilzahlungen an den Kläger geleistet hätten, rechtfertige nicht die Annahme eines Vertragsschlusses, zumal die Beklagten den ihnen übersandten Abrechnungen widersprochen hätten.

Ein Zahlungsanspruch des Klägers ergebe sich auch nicht nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag. Zwar sei den Beklagten ein Geh-, Fahr- und Leitungsrecht bestellt worden, so dass sie nach § 1020 Satz 2 BGB die Verpflichtung treffe, die auf dem Grundstück gehaltene Anlage in ordnungsgemäßem Zustand zu unterhalten. Die abgeschlossene Haftpflichtversicherung diene aber nicht der Unterhaltung der Anlage oder der Erfüllung von Verkehrssicherungspflichten, sondern allein dem Interesse des Klägers als Eigentümer der Straße im Fall einer möglichen Haftung gegenüber Dritten und damit seiner finanziellen Absicherung im Schadensfall. Auch seien weder die Verwaltungskosten noch die Kontoführungsgebühren Kosten, die der Unterhaltung der Anlage dienten. Dies ergebe sich, soweit es die Zeit bis einschließlich 2014 betreffe, aus dem Leistungskatalog in § 3 Abs. 1 des zunächst abgeschlossenen Verwaltungsvertrages. Dessen Gegenstand betreffe in weiten Teilen vereinsinterne Angelegenheiten und Aufgaben. Er diene daher allein der Wahrnehmung von Interessen des Klägers. Selbst wenn die Übertragung von Verwaltungsaufgaben als Wahrnehmung der Pflichten nach § 1020 Satz 2 BGB verstanden würde, entspreche die Einschaltung eines Verwalters nicht dem Willen der Beklagten. Sie hätten mit ihren Widersprüchen gegen die Abrechnungen zum Ausdruck gebracht, dass sie mit dem Abschluss des Verwaltungsvertrages nicht einverstanden seien. Zwar sei ein entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn in den Fällen des § 679 BGB unbeachtlich. Die Voraussetzungen dieser Ausnahmeregelung lägen hier aber nicht vor.

II.

Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Mit der gegebenen Begründung kann ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagten auf anteilige Tragung der noch zwischen den Parteien streitigen Kosten nicht verneint werden.

1. Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass zwischen den Parteien keine Vereinbarung über die anteilige Tragung dieser Kosten zustande gekommen ist.

a) Aus der Tatsache, dass die Beklagten eine notarielle Urkunde über die Bestellung der von dem Kläger verlangten Reallast errichten ließen, kann noch nicht auf eine Vereinbarung über die Kostentragungslast geschlossen werden. Die notarielle Urkunde enthält lediglich die einseitigen Bestellungserklärungen der Beklagten. Zu deren Vollzug ist es hingegen nicht gekommen. Allein auf dieser Grundlage kann nicht festgestellt werden, dass sich die Beklagten mit dem Kläger über die Kostentragung und die Bestellung einer dieser Abrede sichernden Reallast einig waren. Eine Annahmeerklärung, die gegenüber dem Kläger erklärt worden wäre, ergibt sich aus diesem Sachverhalt nicht. Auch die Zahlung des in der Bestellungsurkunde vorgesehenen Vorschusses im Jahr 2010 erlaubt diesbezüglich noch keine zwingende Schlussfolgerung.

b) Soweit das Berufungsgericht davon ausgeht, dass der Kläger darüber hinaus den Beklagten eine schriftliche Vertragsurkunde über die Kostenbeteiligung hat zukommen lassen, geht es rechtsfehlerfrei davon aus, dass die Annahme eines Vertragsschlusses daran scheitert, dass sie nicht von den Beklagten unterzeichnet wurde.

aa) Die Nichtunterzeichnung der Vertragsurkunde führt nach der Auslegungsregel des § 154 Abs. 2 BGB , die auch auf die Errichtung einer privatschriftlichen Urkunde Anwendung findet (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 2008 - XII ZR 66/06, NJW 2009, 433 Rn. 27; Urteil vom 15. September 2009 - X ZR 115/05, GRUR 2010, 322 , 326), im Zweifel zum Scheitern des Vertragsschlusses. Die Auslegungsregel greift allerdings nicht ein, wenn die Vertragsurkunde für die Parteien keine konstitutive Bedeutung hat, der Vertragsschluss also nicht mit der vorgesehenen Form steht und fällt. An einer konstitutiven Bedeutung fehlt es etwa dann, wenn die Vertragsurkunde nur Beweiszwecken dienen soll. Voraussetzung ist insoweit die Feststellung ausreichender Anhaltspunkte. Auch wenn die Parteien den noch nicht unterzeichneten Vertrag einvernehmlich in Vollzug setzen, können sie damit zu erkennen geben, dass der Vertrag wirksam werden soll (vgl. Senat, Urteil vom 8. März 2019 - V ZR 343/17, NJW 2019, 2615 Rn. 8 mwN).

bb) Nach diesen Maßstäben ist die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden. Feststellungen, die die Schlussfolgerung zulassen, dass der Vertragsurkunde keine konstitutive Bedeutung zukommen sollte, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Die Revision zeigt auch keinen Vortrag auf, der in dieser Hinsicht Anhaltspunkte liefert. Ohne Erfolg verweist sie ferner darauf, dass der Vertrag von den Parteien in Vollzug gesetzt worden sei. Zwar ist zugunsten des Grundstücks der Beklagten eine Grunddienstbarkeit in das Grundbuch eingetragen worden. Dies führt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich die Beklagten bis einschließlich 2010 entsprechend der nicht unterzeichneten Vereinbarung an den Kosten beteiligt haben, aber nicht zur Annahme eines gleichwohl erfolgten Vertragsschlusses.

2. Die Kostentragungspflicht der Beklagten ergibt sich jedoch aus einer entsprechenden Anwendung von § 745 Abs. 2 , §§ 748 , 742 BGB .

a) Sind die Berechtigten einer Grunddienstbarkeit und der Eigentümer des dienenden Grundstücks zur gleichberechtigten Mitbenutzung des Grundstücks befugt, können sie voneinander in entsprechender Anwendung von § 745 Abs. 2 BGB eine Regelung verlangen, dass die Unterhaltungspflicht für die der Ausübung der Dienstbarkeit dienenden Anlagen einheitlich wahrgenommen wird, wenn anders eine geordnete und sachgerechte Erfüllung dieser Pflicht nicht gewährleistet ist. Die Kosten für die einheitliche Wahrnehmung der Unterhaltungspflicht tragen in einem solchen Fall entsprechend §§ 748 , 742 BGB anteilig die Dienstbarkeitsberechtigten und der mitnutzungsberechtigte Grundstückseigentümer (vgl. dazu näher Senat, Urteil vom 8. März 2019 - V ZR 343/17, NJW 2019, 2615 Rn. 10 f., 14 f.).

b) Nach diesen Grundsätzen sind die Beklagten gegenüber dem Kläger entsprechend §§ 748 , 742 BGB zur anteiligen Tragung der Kosten verpflichtet, weil die Wahrnehmung der Unterhaltungspflichten für die Anlagen durch ihn entsprechend § 745 Abs. 2 BGB billigem Ermessen entspricht.

aa) Zutreffend geht das Berufungsgericht von einer Unterhaltungspflicht der Beklagten nach § 1020 Satz 2 BGB aus. Rechtsfehlerfrei nimmt es an, dass es sich bei der Straße und den in ihr befindlichen Leitungen um Anlagen im Sinne von § 1020 Satz 2 BGB handelt. Auch steht die Mitbenutzung durch den Eigentümer oder Dritte einem „Halten“ der Anlage durch die Beklagten als Dienstbarkeitsberechtigten nicht entgegen (vgl. Senat, Urteil vom 8. März 2019 - V ZR 343/17, NJW 2019, 2615 Rn. 17 mwN).

bb) Die einheitliche Wahrnehmung der Unterhaltungspflicht durch eine Person entspricht im vorliegenden Fall billigem Ermessen. Die Straße und die in ihr verlegten Leitungen dienen der Erschließung einer Wohnsiedlung und weisen eine erhebliche räumliche Ausdehnung aus. Ihnen kommt zudem eine wesentliche funktionale Bedeutung für die Erschließung der Wohnsiedlung zu. Angesichts der weit über 100 Dienstbarkeitsberechtigten bedarf daher die Erfüllung der Unterhaltungspflicht einer einheitlichen Regelung. Nur durch sie kann sichergestellt werden, dass die Unterhaltungspflichten durch ein koordiniertes Vorgehen ordnungsgemäß und effektiv erfüllt werden.

cc) Auch kann der klagende Verein auf der Grundlage seines revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrages verlangen, dass die Unterhaltungspflichten allein durch ihn erbracht werden. Danach hat der Kläger die Unterhaltungspflichten für die Anlagen, zu deren Nutzung die Dienstbarkeitsberechtigten befugt sind, seit ihrer Erstellung wahrgenommen. Nach der Bestellung der Grunddienstbarkeiten ist diese Praxis fortgesetzt worden. Das Zustandekommen einer Vereinbarung scheiterte nicht daran, dass der Kläger die Unterhaltungspflichten wahrnimmt, sondern an Meinungsverschiedenheiten bezüglich des Umfangs und der Höhe der umgelegten Kosten. Die Beklagten haben nicht geltend gemacht, dass die Erfüllung der Unterhaltungspflichten durch den Kläger nicht sachgerecht ist oder nicht ordnungsgemäß erfolgt. Daher ist davon auszugehen, dass es auch unter Berücksichtigung der Interessen der Dienstbarkeitsberechtigten jedenfalls bislang billigem Ermessen entspricht, dass der klagende Verein deren Unterhaltungspflichten wahrnimmt.

dd) Der Kläger kann von den Beklagten dem Grunde nach die anteilige Tragung der Vergütung der beauftragten Immobilienverwaltungsgesellschaft, der Kosten des Girokontos und der Haftpflichtversicherung verlangen (vgl. Senat, Urteil vom 8. März 2019 - V ZR 343/17, NJW 2019, 2615 Rn. 21 f.).

III.

Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO ). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil noch Feststellungen zur Höhe der Kostentragungspflicht zu treffen sind. Mangels Entscheidungsreife ist die Sache daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Der Senat weist für die weitere Sachbehandlung auf Folgendes hin:

1. In Bezug auf die Kosten der von dem Kläger beauftragten Immobilienverwaltungsgesellschaft können nur Kosten für Tätigkeiten umgelegt werden, die im Zusammenhang mit den Unterhaltungspflichten erforderlich sind. Die Verwaltung von Grundstücken, die nicht mit Grunddienstbarkeiten belastet sind, oder von Vermögenswerten, die nicht im Zusammenhang mit der Unterhaltungspflicht stehen, fällt nicht hierunter. Dies gilt auch für Mitgliedsbeiträge, es sei denn, diese werden für die Unterhaltungspflicht der Straße verwandt.

2. Die Kosten für die Führung des Girokontos sind nur anteilig erstattungsfähig, wenn dieses ausschließlich für die Abwicklung von Zahlungen genutzt wird, die mit den Unterhaltungspflichten in Zusammenhang stehen.

3. Die Kosten der Haftpflichtversicherung sind nur dann anteilig von den Beklagten zu tragen, wenn sie das Risiko der Verletzung von Unterhaltungs- und Verkehrssicherungspflichten durch den klagenden Verein abdeckt und damit im Ergebnis auch die Dienstbarkeitsberechtigten schützt. Hingegen besteht eine anteilige Kostentragungspflicht nicht, soweit die Haftpflichtversicherung Risiken erfasst, die mit den Pflichten der Dienstbarkeitsberechtigten nicht in Zusammenhang stehen.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 27. September 2019

Vorinstanz: AG Berlin-Pankow-Weißensee, vom 04.08.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 9 C 225/14
Vorinstanz: LG Berlin, vom 01.12.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 55 S 219/15