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BGH - Entscheidung vom 26.06.2019

XII ZB 73/19

Normen:
BGB § 1836 Abs. 1 S. 2
BGB § 1908i Abs. 1 S. 1
SGB XII § 60a

BGH, Beschluss vom 26.06.2019 - Aktenzeichen XII ZB 73/19

DRsp Nr. 2019/11513

Berücksichtigung des Schonvermögens beim Regress der Betreuervergütung

Schuldner des Vergütungsanspruchs eines Berufsbetreuers ist grundsätzlich der Betreute. Ob und inwieweit er in Anspruch genommen werden kann, hängt davon ab, ob der Betreute leistungsfähig oder mittellos ist. Der Betreute gilt als mittellos, wenn er die Vergütung aus seinem einzusetzenden Einkommen oder Vermögen nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 2 wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 10. Januar 2019 aufgehoben.

Die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Warendorf vom 3. September 2018 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsmittelverfahren sind gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Wert: 1.958 €

Normenkette:

BGB § 1836 Abs. 1 S. 2; BGB § 1908i Abs. 1 S. 1; SGB XII § 60a;

Gründe

I.

Für die Betroffene ist eine Betreuung eingerichtet, die durch die Beteiligte zu 1 berufsmäßig geführt wird. Die Betreuerin erhielt für ihre in der Zeit vom 29. Juli 2015 bis 27. April 2018 entfaltete Tätigkeit eine Vergütung in Höhe von 3.168 € aus der Staatskasse ausgezahlt. Die Betroffene, die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (§§ 53 ff. SGB XII ) bezieht, verfügt über ein Bankguthaben von 7.288,39 €.

Das Amtsgericht hat die ausgezahlte Betreuervergütung unter Berücksichtigung eines Schonbetrags von 5.000 € sowie einer bestehenden Verbindlichkeit von 330 € in Höhe eines Teilbetrags von 1.958,39 € von der Betroffenen zurückgefordert und angeordnet, dass die Betroffene den Betrag an die Landeskasse zu erstatten habe. Auf die Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Landeskasse.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückweisung der Beschwerde der Betroffenen.

1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die Staatskasse könne die Betroffene nicht in Regress nehmen, da diese trotz ihres Bankguthabens von 7.288,39 € noch mittellos im Sinne des Betreuungsrechts sei. Für die Rückforderung von Betreuervergütungen hätten schon nach früherem Recht die erhöhten Schonvermögen für die Hilfe in besonderen Lebenslagen gegolten. Infolge des neu eingeführten § 60 a SGB XII gelte seit dem 1. Januar 2017 ein erhöhtes Schonvermögen von 25.000 € für den Bezug von Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen. Durch diese Regelung habe die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen verbessert werden sollen. Sie werde unterlaufen, wenn sie beim Regress der Betreuervergütung nicht ebenfalls anzuwenden sei.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Die Beteiligte zu 1 hat als Berufsbetreuerin einen Anspruch auf Vergütung ihrer Amtsführung gemäß §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1 VBVG . Schuldner des Vergütungsanspruchs ist grundsätzlich der Betreute. Die zu bewilligende Vergütung ist aber nach § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG aus der Staatskasse zu zahlen, wenn der Betreute mittellos ist. Mit der Leistungserbringung durch die Staatskasse gehen die Vergütungsansprüche gemäß § 1836 e Abs. 1 Satz 1 BGB auf diese über und können im Wege des Regresses gegen den Betreuten geltend gemacht werden. Der Betreute ist damit grundsätzlich zur Rückzahlung der Betreuervergütung verpflichtet. Ob und inwieweit die Staatskasse ihn dann aus der übergegangenen Forderung in Anspruch nehmen kann, hängt davon ab, ob der Betreute leistungsfähig oder mittellos ist. Ein zur Zeit der Betreuertätigkeit mittelloser Betreuter muss also - vorbehaltlich eingetretener Verjährung - auch etwaige später verfügbare Mittel für die Kosten der Betreuung einsetzen (Senatsbeschluss vom 9. Januar 2013 - XII ZB 478/11 - FamRZ 2013, 440 Rn. 10 ff.).

Der Betreute gilt nach §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 d Nr. 1 BGB als mittellos, wenn er die Vergütung aus seinem einzusetzenden Einkommen oder Vermögen nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Die Inanspruchnahme des Betreuten ist dabei auf die gemäß § 1836 c BGB einzusetzenden Mittel begrenzt. Sein Vermögen hat der Betreute gemäß § 1836 c Nr. 2 BGB nach Maßgabe des § 90 SGB XII für die Betreuervergütung aufzubringen.

b) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Beschwerdegericht erkannt, dass der Betroffenen nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII (BGBl. 2017 I S. 519 ) ein Schonbetrag in Höhe von derzeit 5.000 € zusteht, so dass sich ihr für die Betreuervergütung einzusetzendes Vermögen - unter Berücksichtigung einer weiteren Verbindlichkeit von 330 € - auf 1.958,39 € beläuft.

Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Ansicht des Beschwerdegerichts, der Betroffenen sei angesichts der Einführung des § 60 a SGB XII ein zusätzlicher Freibetrag von weiteren 25.000 € zuzubilligen. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, hat § 60 a SGB XII auf die Ermittlung des für die Betreuervergütung einzusetzenden Vermögens keinen Einfluss (Senatsbeschluss vom 20. März 2019 - XII ZB 290/18 - FamRZ 2019, 1006 Rn. 17 ff. mwN).

3. Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist daher aufzuheben und die amtsgerichtliche Entscheidung wiederherzustellen. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden, da keine weiteren Feststellungen mehr zu treffen sind und die Sache zur Endentscheidung reif ist, § 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG .

Soweit das Vermögen der Betroffenen den Freibetrag nach § 1836 c BGB i.V.m. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII von derzeit 5.000 € übersteigt, hat sie die für den Zeitraum vom 29. Juli 2015 bis 27. April 2018 von der Staatskasse angewiesenen Betreuervergütungen in Höhe von 1.958,39 € zu erstatten. Gründe dafür, dass der Einsatz des Vermögens der Betroffenen für diese eine besondere Härte im Sinne von § 90 Abs. 3 SGB XII darstellen würde, sind nicht geltend gemacht worden und auch sonst nicht ersichtlich.

Vorinstanz: AG Warendorf, vom 03.09.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 13 XVII 377/15
Vorinstanz: LG Münster, vom 10.01.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 5 T 683/18