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BGH - Entscheidung vom 02.05.2019

IX ZB 67/18

Normen:
InsO § 210
ZPO § 104 Abs. 2
InsO § 210
ZPO § 104 Abs. 2
InsO § 209 Abs. 1 Nr. 2-3
InsO § 210

Fundstellen:
DStR 2019, 1416
DZWIR 2020, 30
MDR 2019, 829
NZI 2019, 505
WM 2019, 1029
ZIP 2019, 1075
ZInsO 2019, 1160

BGH, Beschluss vom 02.05.2019 - Aktenzeichen IX ZB 67/18

DRsp Nr. 2019/7571

Anzeige der Masseunzulänglichkeit nach Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses

Ist ein Kostenfestsetzungsbeschluss erwirkt worden und erfolgt danach die Anzeige der Masseunzulänglichkeit, ist jedenfalls ein Beschluss, auf dem im Wege der Zwangsvollstreckung noch kein Sicherungsrecht erwirkt wurde, auf eine sofortige Beschwerde aufzuheben.

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden der Beschluss des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 26. Juni 2018 und der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 15. März 2018 aufgehoben.

Der Antrag des Beklagten vom 28. Februar 2018 wird abgelehnt.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert wird auf 7.797,48 € festgesetzt.

Normenkette:

InsO § 209 Abs. 1 Nr. 2 -3; InsO § 210 ;

Gründe:

Der Kläger, Verwalter im Insolvenzverfahren über den Nachlass der K. , hat den Beklagten mit Klageschrift vom 21. Dezember 2017 vor dem Landgericht Frankfurt auf Zustimmung zur Berichtigung von Grundbüchern sowie auf Abtretung damit zusammenhängender Rechte in Anspruch genommen. Nach Zustellung der Klage hat der Beklagte die geltend gemachten Ansprüche unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkannt. Das Landgericht hat am 22. Februar 2018 ein Anerkenntnisurteil erlassen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Auf den Antrag des Beklagten vom 28. Februar 2018 hat das Landgericht durch Beschluss vom 15. März 2018 die von dem Kläger dem Beklagten zu erstattenden Kosten auf 7.797,48 € festgesetzt. Der Kläger hat am 20. März 2018 gegenüber dem Insolvenzgericht Masseunzulänglichkeit angezeigt und am selben Tag gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss sofortige Beschwerde eingelegt. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit ihr verfolgt der Kläger sein Begehren, den Kostenfestsetzungsbeschluss aufzuheben, weiter.

II.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 , Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Der Beklagte habe ein Rechtsschutzinteresse für den Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses, das nicht rückwirkend entfallen sei. Nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit habe ein Altmassegläubiger kein Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses, weil er diesen Titel nicht mehr durchsetzen könne. Daraus folge jedoch nicht, dass die Anzeige der Masseunzulänglichkeit nach Erlass des noch nicht rechtskräftigen Kostenfestsetzungsbeschlusses das Rechtsschutzbedürfnis rückwirkend entfallen lasse. Eine solche Wirkung der nachträglich entstandenen Tatsache ergebe sich nicht aus § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO . Die Vorschrift regele nur die Zulässigkeit neuen Vorbringens. Sie sei jedoch von seiner Erheblichkeit zu unterscheiden, die sich auch im Beschwerdeverfahren nach dem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden materiellen Recht richte.

Nach dem Wortlaut des § 210 InsO entfalte die Anzeige der Masseunzulänglichkeit Wirkung nur für die Zukunft. Die Vorschrift sehe dagegen nicht vor, dass unmittelbar zuvor erfolgte Zwangsvollstreckungsmaßnahmen unwirksam würden. Eine entsprechende Geltung der Rückschlagsperre (§ 88 InsO ) sei zwar im Gesetzgebungsverfahren erwogen, die Klärung ihrer Anwendbarkeit aber der Rechtsprechung überlassen worden. Hänge die Möglichkeit einer rückwirkenden Unwirksamkeit von einer analogen Anwendung des § 88 InsO ab, könne jedenfalls im Kostenfestsetzungsverfahren nicht davon ausgegangen werden, dass bereits das Rechtsschutzinteresse für den Kostenfestsetzungsbeschluss rückwirkend entfallen sei. Falls der Kostenfestsetzungsbeschluss im Beschwerdeverfahren aufgehoben werde, entfiele damit die Grundlage sowohl für eine bis zur Unzulänglichkeitsanzeige erlangte Sicherung als auch für eine erlangte Befriedigung. Um das Erlangte nicht erstatten zu müssen, habe der Kostengläubiger weiterhin ein Rechtsschutzinteresse am Fortbestand des Kostenfestsetzungsbeschlusses.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Dem Beklagten ist ein Rechtsschutzinteresse für den Erlass des beantragten Kostenfestsetzungsbeschlusses abzusprechen.

a) Der Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses entbehrt eines Rechtsschutzinteresses, wenn er nicht vollstreckt werden kann.

aa) Der Kostenerstattungsanspruch eines gegen den Insolvenzverwalter obsiegenden Beklagten bildet eine Altmasseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 , § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO , die nach Erklärung der Masseunzulänglichkeit nicht mehr vollstreckt werden kann. Eine Masseverbindlichkeit ist gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 2 und 3 InsO in dem Zeitpunkt "begründet" worden, in dem der Insolvenzverwalter den Rechtsgrund hierfür gelegt hat. Der Anspruch auf Erstattung der Prozesskosten ist mit der Zustellung der Klage und damit vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit aufschiebend bedingt entstanden. Auf den jeweiligen Entstehungszeitpunkt der angefallenen Gebühren kommt es nicht an. Die Vollstreckung wegen des Kostenerstattungsanspruchs ist somit gemäß § 210 InsO unzulässig. Für den Altmassegläubiger besteht daher kein Rechtsschutzinteresse, in Form eines Kostenfestsetzungsbeschlusses einen Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ) zu erlangen, den er von Gesetzes wegen nicht durchsetzen kann (BGH, Beschluss vom 17. März 2005 - IX ZB 247/03, WM 2005, 1036 f).

bb) Auch im Kostenfestsetzungsverfahren muss das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers gegeben sein. Insoweit verhält es sich nicht anders als im Klageverfahren. Dort ist anerkannt, dass Forderungen im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit nicht mehr mit der Leistungsklage verfolgt werden können. Das Kostenfestsetzungsverfahren ist lediglich ein im Vergleich zu einem klageweisen Vorgehen regelmäßig weniger aufwendiges Verfahren. Das Ziel, in beiden Fällen einen zur Vollstreckung geeigneten Titel zu schaffen, ist jedoch dasselbe. Deswegen müssen die Verfahren auch in dem hier gegebenen Zusammenhang gleich behandelt werden (BGH, Beschluss vom 17. März 2005, aaO; vom 22. September 2005 - IX ZB 91/05, WM 2005, 2239 , 2240; vom 27. September 2007 - IX ZB 172/05, WM 2007, 2128 Rn. 5 ff; vom 9. Oktober 2008 - IX ZB 129/07, WM 2008, 2177 Rn. 6).

cc) Diese Grundsätze gelten auch für die Geltendmachung von Neumasseverbindlichkeiten. Wird eine Klage erst nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit rechtshängig, handelt es sich bei dem Kostenerstattungsanspruch der gegen den Insolvenzverwalter obsiegenden Partei um eine Neumasseverbindlichkeit (§ 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO ), weil der Anspruch erst nach der Anzeige entstanden ist (BGH, Beschluss vom 27. September 2007, aaO Rn. 6; vom 9. Oktober 2008, aaO). Macht der Insolvenzverwalter mit den im Kostenfestsetzungsverfahren zulässigen Beweismitteln glaubhaft, dass gegenüber den Neumassegläubigern Masseunzulänglichkeit eingetreten ist, fehlt ebenfalls das Rechtsschutzinteresse für den Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses (BGH, Beschluss vom 22. September 2005, aaO; vom 27. September 2007, aaO Rn. 6 f; vom 9. Oktober 2008, aaO).

b) Ein Kostenfestsetzungsbeschluss entbehrt nach diesen Maßstäben auch dann eines Rechtsschutzinteresses, wenn - wie im Streitfall - die Anzeige der Masseunzulänglichkeit nach seinem Erlass verlautbart wird, ohne dass bis dahin eine Vollstreckung erfolgte. Wegen des durch § 210 InsO angeordneten Vollstreckungsverbots besteht kein Rechtsschutzinteresse für den Fortbestand eines Kostenfestsetzungsbeschlusses, aus dem nicht vollstreckt wurde und aus dem künftig nicht mehr vollstreckt werden darf (OLG Naumburg, ZInsO 2014, 303 ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 19. November 2018 - 18 W 196/18, Rn. 10 ff).

aa) Das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO entfaltet allerdings keine Rückwirkung auf vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit erwirkte Pfändungspfandrechte (LG Berlin, NZI 2008, 108 , 109; FG Hannover, ZIP 2014, 2144 , 2147; MünchKomm-InsO/Hefermehl, 3. Aufl., § 210 Rn. 10; Pape in Kübler/Prütting/Bork, InsO , 2019 , § 210 Rn. 3; HK-InsO/Landfermann, 9. Aufl., § 210 Rn. 4; Schmidt/Jungmann, InsO , 19. Aufl., § 210 Rn. 11; Uhlenbruck/Ries, InsO , 15. Aufl., § 210 Rn. 6; FK-InsO/Kießner, 9. Aufl., § 210 Rn. 4; Henning in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO , 3. Aufl., § 210 Rn. 7). Diese bleiben vielmehr bestehen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Februar 2018 - IV AR(VZ) 2/17, WM 2018, 523 Rn. 22; OLG Frankfurt NZI 2017, 733 , 735). Allenfalls kommt in Betracht, dass innerhalb des letzten Monats vor der Anzeige erwirkte Pfändungen - wie von dem Gesetzgeber erwogen (BT-Drucks. 12/2443, S. 219), aber der Klärung durch die Praxis überlassen (BT-Drucks. 12/7302, S. 180) - entsprechend dem Rechtsgedanken des § 88 InsO als unwirksam zu erachten sind (in diesem Sinne HK-InsO/Landfermann, 9. Aufl., § 210 Rn. 4; ablehnend Uhlenbruck/Ries, InsO , 15. Aufl., § 210 Rn. 6 mwN). Diese Rechtsfrage ist im Streitfall mangels einer tatsächlich durchgeführten Vollstreckung nicht entscheidungserheblich und kann darum entgegen der Würdigung des Beschwerdegerichts ein Rechtsschutzinteresse nicht begründen.

bb) Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit beeinflusst auch einen schwebenden auf die Erwirkung eines Leistungsurteils gerichteten Rechtsstreit. Da der Kläger ein gegen den Verwalter ergehendes Leistungsurteil nicht mehr vollstrecken kann, hat er seine Klage auf Feststellung der Forderung umzustellen. Dies gilt auch dann, wenn er vorinstanzlich obsiegt hat und erst im Laufe des Revisionsverfahrens vor Erwirkung eines Pfändungspfandrechts die Masseunzulänglichkeit angezeigt wird (BAG, Urteil vom 5. Februar 2009 - 6 AZR 110/08, BAGE 129, 257 Rn. 10 ff). In vergleichbarer Weise verhält es sich im Streitfall. Die gebotene Antragsänderung hat der Beklagte nicht vorgenommen.

Der Beklagte hat aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss bis zur Anzeige der Masseunzulänglichkeit nicht vollstreckt. Damit steht fest, dass § 210 InsO jede künftige Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss verbietet. Ist ein Kostenfestsetzungsbeschluss erwirkt worden und erfolgt danach die Anzeige der Masseunzulänglichkeit, ist jedenfalls ein Beschluss, aus dem im Wege der Zwangsvollstreckung noch kein Sicherungsrecht erwirkt worden ist, auf die sofortige Beschwerde aufzuheben, weil für seinen Fortbestand mangels weiterer Vollstreckbarkeit kein Rechtsschutzbedürfnis besteht. In Ermangelung erfolgreicher Vollstreckungsmaßnahmen ist nicht die von dem Beschwerdegericht angeführte Gefahr zu besorgen, dass der Gläubiger nach Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses das im Vollstreckungsweg Erlangte zurückerstatten muss. Es wäre unter Gesichtspunkten der Prozessökonomie nicht einzusehen, in einer solchen Gestaltung den Beschluss aufrechtzuerhalten und den Verwalter im Falle einer Vollstreckung auf ein Rechtsmittel zu verweisen. Die Notwendigkeit der Erhebung von Rechtsbehelfen zur Abwehr nach Erklärung der Masseunzulänglichkeit ausgebrachter Pfändungen, die eine Verstrickung auslösen (BGH, Urteil vom 21. September 2017 - IX ZR 40/17, WM 2017, 2037 Rn. 12 ff), könnte zu Kostennachteilen für die bereits völlig unzureichende Masse führen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. September 2006 - IX ZB 11/04, WM 2006, 2090 Rn.15). Um entsprechend dem Verbot des § 210 InsO von vornherein eine Vollstreckung zu verhindern, ist der Kostenfestsetzungsbeschluss mangels eines Rechtsschutzinteresses aufzuheben.

Vorinstanz: LG Frankfurt/Main, vom 15.03.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 18 O 414/17
Vorinstanz: OLG Frankfurt/Main, vom 26.06.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 18 W 79/18
Fundstellen
DStR 2019, 1416
DZWIR 2020, 30
MDR 2019, 829
NZI 2019, 505
WM 2019, 1029
ZIP 2019, 1075
ZInsO 2019, 1160