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BFH - Entscheidung vom 22.05.2019

II R 22/17

Normen:
BewG § 22 Abs. 1, Abs. 3, § 78, § 79
AO § 162 Abs. 1
BewG § 22 Abs. 1
AO § 162 Abs. 1
BewG § 22 Abs. 3
BewG § 78
BewG § 79

Fundstellen:
BFH/NV 2019, 1064

BFH, Urteil vom 22.05.2019 - Aktenzeichen II R 22/17

DRsp Nr. 2019/12720

Zulässigkeit einer Wertfortschreibung aufgrund baulicher Veränderungen

1. NV: Ein Bewertungsfehler liegt vor, wenn die Finanzbehörde bei der Schätzung der Jahresrohmiete über die tatsächliche Ausstattung und Gestaltung des zu bewertenden Grundstücks und damit über Schätzungsgrundlagen im Irrtum war und die Jahresrohmiete unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse der Höhe nach offensichtlich unzutreffend geschätzt hat. 2. NV: Eine wesentliche Veränderung von Räumen kann vorliegen, wenn durch Renovierungs- und Sanierungsmaßnahmen ihre Beschaffenheit derart verbessert wurde, dass keine Vergleichbarkeit mehr mit dem Zustand des ursprünglichen Baujahrs besteht, sondern sie einem späteren Baujahr zuzuordnen sind. Die übliche Miete richtet sich dann nach dem Entgelt für Räume des späteren Baujahrs.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 09.11.2016 – 4 K 1098/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Normenkette:

BewG § 22 Abs. 1 , Abs. 3 , § 78 , § 79 ; AO § 162 Abs. 1 ;

Gründe

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist seit 2010 Eigentümer einer Wohnung auf dem Grundstück ... (Grundstück).

Das Grundstück wurde 1870 mit einem dreistöckigen Vorder- und einem zweistöckigen Rückgebäude bebaut. Vorder- und Rückgebäude stehen unter Denkmalschutz. Im Erdgeschoss (EG) des teilunterkellerten Rückgebäudes befand sich eine Werkstatt mit Lager. Im ersten Obergeschoss (1. OG) und im Dachgeschoss (DG) lagen je zwei Mietwohnungen. Die Mietwohnungen bestanden jeweils aus zwei Zimmern und hatten weder Bad noch Toilette. Eine Außentoilette war im Treppenhaus auf jedem Stockwerk vorhanden. Die Wohnungen wurden über Einzelöfen beheizt.

Mit notariell beurkundeten Verträgen jeweils vom 28. September 2007 erwarb die GbR das Grundstück; zudem wurde das Anwesen nach § 8 des Wohnungseigentumsgesetzes ( WEG ) in einen Miteigentumsanteil von 700/1 000 an dem Grundstück verbunden mit dem Sondereigentum an den Räumen im Vordergebäude (Einheit 1) und einen Miteigentumsanteil von 300/1 000 an dem Grundstück verbunden mit dem Sondereigentum an den Räumen im Rückgebäude (Einheit 2) aufgeteilt.

2008 bis 2010 wurden Vorder- und Rückgebäude saniert und renoviert. Das Anwesen wurde mit einer zentralen Gasheizungsanlage und neuen Versorgungsleitungen, die nunmehr unter Putz verlegt wurden, ausgestattet. Die DG von Vorder- und Rückgebäude wurden umgebaut und zu Wohnraum ausgebaut. Zu diesem Zweck wurden die Dachstühle in wesentlichen Teilen statisch verstärkt sowie erneuert und gedämmt. Im Rückgebäude entstanden aus den bisher im EG, 1. OG sowie DG befindlichen vier Wohnungen und der Werkstatt nunmehr zwei Wohnungen, darunter die Wohnung Nr. 10 mit 91,23 qm —Wohneinheit 10—. Sie umfasst den gesamten Keller des Rückgebäudes, das vormals allgemeine Treppenhaus sowie EG, OG und DG der rechten Haushälfte. Durch Abriss von Zwischenwänden wurden in allen Geschossen der Wohneinheit 10 Räume vergrößert. Die Außentoiletten wurden abgebaut. Im EG der Wohneinheit 10, in dem nunmehr neben einer Diele zwei Zimmer vorhanden sind, wurde ein Bad neu errichtet. Im 1. OG mit drei Zimmern wurde ein weiteres Bad eingerichtet sowie eine Terrasse geschaffen. Im umgebauten DG wurden drei weitere Zimmer und eine kleine Dachterrasse eingerichtet. In das neue Dach des Rückgebäudes wurden Dachfenster sowie Gauben eingebaut und das Dach begrünt. Das Rückgebäude erhielt ferner u.a. neue Isolierglasfenster und Türen.

Mit notariell beurkundeter Teilungserklärung vom 29. Januar 2010 wurde das Gebäude nach dem WEG in zehn Wohnungs- bzw. Teileigentumseinheiten geteilt. Der Kläger erwarb einen Miteigentumsanteil von 185,92/1 000 am Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohneinheit 10 (Wohnungseigentum 10).

Mit Bescheid vom 19. Oktober 2010 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) im Wege der Nachfeststellung auf den 1. Januar 2011 für das Grundstück/Wohnungseigentum 10 einen Einheitswert in Höhe von 5.675 € fest. Der Berechnung der Jahresrohmiete legte er eine übliche monatliche Miete in Höhe von 1,95 DM/qm zugrunde. Diese entnahm er dem finanzamtseigenen Mietspiegel (Spalte für Altbauten mit Sammelheizung und Bad mit einem Baujahr vor dem 21. Juni 1948 der Gemarkung X).

Nachdem das FA im September 2012 von den an Vorder- und Rückgebäude vorgenommenen Baumaßnahmen Kenntnis erlangt hatte, stellte es im Wege der fehlerbeseitigenden Fortschreibung gemäß § 22 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes ( BewG ) mit Wert- und Artfortschreibungsbescheid (Wertfortschreibungsbescheid) vom 2. Oktober 2012 den Einheitswert für das Grundstück/Wohnungseigentum 10 auf den 1. Januar 2012 auf 8.334 € fest. Die der Berechnung des Einheitswerts zugrunde gelegte übliche monatliche Miete in Höhe von 3 DM/qm schätzte das FA nunmehr aufgrund einer anderen Spalte des finanzamtseigenen Mietspiegels für die Gemarkung X (Spalte für Mietwohnungen, Baujahr 1960 und später, mittlere Ausstattung). Die Feststellung des Einheitswerts erging gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Abgabenordnung ( AO ) vorläufig hinsichtlich der Frage, ob die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens verfassungsgemäß sind.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2017, 1238 veröffentlicht.

Mit seiner Revision macht der Kläger eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ( GG ), § 22 Abs. 3 Satz 1 und § 79 Abs. 2 BewG geltend.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Wertfortschreibungsbescheid vom 2. Oktober 2012 und die Einspruchsentscheidung vom 15. März 2013 dahingehend abzuändern, dass der Einheitswert für das Grundstück/Wohnungseigentum 10 auf den 1. Januar 2012 auf 5.420 € festgestellt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das Finanzgericht (FG) hat zu Recht entschieden, dass der Wertfortschreibungsbescheid auf den 1. Januar 2012 vom 2. Oktober 2012 rechtmäßig ist. Das FA konnte für die Schätzung der üblichen Jahresrohmiete den für seinen örtlichen Zuständigkeitsbereich erarbeiteten Mietspiegelwert für Mietwohnungen Baujahr 1960 und später heranziehen. Die Voraussetzungen einer fehlerbeseitigenden Wertfortschreibung lagen überdies vor.

1. Die Bewertung von Wohnungseigentum und Teileigentum erfolgt gemäß § 93 Abs. 1 Satz 3 BewG nach den allgemein geltenden Vorschriften der §§ 76 bis 91 BewG . Für die Bestimmung der Grundstücksart (§ 75 BewG ) ist die Nutzung des auf das Wohnungseigentum und Teileigentum entfallenden Gebäudeteils maßgebend (§ 93 Abs. 1 Satz 2 BewG ). Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 BewG ist das zu mehr als achtzig Prozent Wohnzwecken dienende Wohnungseigentum im Wege des Ertragswertverfahrens (§§ 78 ff. BewG ) nach den Vorschriften zu bewerten, die für Mietwohngrundstücke maßgebend sind. Das gilt auch, wenn das Wohnungseigentum der Grundstücksart nach als Zweifamilienhaus anzusehen ist (Gürsching/Stenger, BewG und VStG , § 93 BewG Rz 13).

a) Die Höhe des Einheitswerts basiert gemäß § 78 Satz 1 BewG im Ertragswertverfahren auf dem Grundstückswert. Der Grundstückswert ergibt sich nach § 78 Satz 2 BewG durch Anwendung eines im Anhang zum BewG enthaltenen Vervielfältigers (§ 80 BewG ) auf die Jahresrohmiete (§ 79 BewG ) unter Berücksichtigung gewisser pauschaler Ermäßigungen und Erhöhungen (§§ 81 und 82 BewG ). Durch diese Bewertungsmethode soll in einem vereinfachten, typisierten Verfahren der Bodenwert wie auch der Gebäudewert in einem Rechenschritt ermittelt und so der gemeine Wert, also der Verkehrswert des jeweiligen Grundstücks annähernd abgebildet werden (Urteil des Bundesverfassungsgerichts —BVerfG—vom 10. April 2018 – 1 BvL 11/14, BGBl I 2018, 531 , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 2018, 403 , Rz 11; Urteil des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 19. September 2018 – II R 20/15, BFH/NV 2019, 193 , Rz 19).

b) Die maßgebliche Jahresrohmiete richtet sich bei Fortschreibungen gemäß § 79 Abs. 1 und 5 BewG nach der für das Grundstück aufgrund vertraglicher Vereinbarungen im Hauptfeststellungszeitpunkt gezahlten tatsächlichen Miete. War das Grundstück im Hauptfeststellungszeitpunkt am 1. Januar 1964 nicht vermietet, bestimmt sich die Jahresrohmiete gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 BewG nach der üblichen Miete (vgl. BVerfG-Urteil in BGBl I 2018, 531 , HFR 2018, 403 , Rz 112). Die übliche Miete ist in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird (§ 79 Abs. 2 Satz 2 BewG ).

c) Zur Schätzung (§ 162 Abs. 1 Satz 1 AO ) der üblichen Miete ziehen die Finanzbehörden überwiegend Mietspiegel heran, die regelmäßig nach Baujahren, mietpreisrechtlichen Gegebenheiten, Ausstattungsgruppen und Gemeindegrößen gegliederte Quadratmeter-Mieten zum Stand vom 1. Januar 1964 ausweisen. Im Hinblick auf die Ausstattungsgruppen unterteilen die Mietspiegel meist in einfache, mittlere, gute und sehr gute Ausstattung und legen hierfür Rahmensätze für die anzuwendenden Mietwerte fest (vgl. BVerfG-Urteil in BGBl I 2018, 531 , HFR 2018, 403 , Rz 12, 113 ). Die Heranziehung dieser auf den Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 aufgestellten Mietspiegel für die Schätzung der üblichen Miete gemäß § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG auf diesen Zeitpunkt ist zulässig, wenn eine Schätzung der üblichen Miete im unmittelbaren Vergleich daran scheitert, dass nach Art, Lage und Ausstattung vergleichbare vermietete Objekte am 1. Januar 1964 nicht oder nicht in hinreichender Zahl vorhanden waren und die Mietspiegel in ihren Aufgliederungen nach Mietpreisregelungen und den anderen gemäß § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG maßgebenden Kriterien (insbesondere Baujahr und Ausstattung) den vom Gesetz gestellten Anforderungen für die Schätzung der üblichen Miete entsprechen (BFH-Urteile vom 16. Mai 2018 – II R 37/14, BFHE 261, 364 , BStBl II 2018, 692 , Rz 17, m.w.N., und in BFH/NV 2019, 193 , Rz 22). Bei Wohnungseigentum, das zu mehr als achtzig Prozent Wohnzwecken dient, sind die Vorgaben des finanzamtsinternen Mietspiegels für Mietwohnungen ebenfalls maßgebend.

d) Die übliche Miete i.S. des § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG wird auch bei Wertfortschreibungen (§ 22 Abs. 1 BewG ) immer nach den Wertverhältnissen im Hauptfeststellungszeitpunkt geschätzt (§§ 27 , 79 Abs. 5 BewG ; vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2019, 193 , Rz 20). Sie richtet sich nach der Jahresrohmiete, die zum 1. Januar 1964 regelmäßig für ein Jahr für die Räume in dem Zustand gezahlt würde, in dem sie sich zum jeweiligen Feststellungszeitpunkt befinden (§ 79 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BewG ). Hat sich durch bauliche Maßnahmen am Gebäude der Zustand der Räume so wesentlich verändert, dass sie nicht mehr mit Räumen des ursprünglichen Baujahrs des Gebäudes vergleichbar, sondern einem späteren Baujahr zuzuordnen sind, richtet sich die übliche Miete nach dem Entgelt für Räume des späteren Baujahrs (vgl. BFH-Urteil vom 5. Mai 1999 – II R 54/97, BFH/NV 2000, 169 , unter II.2.). Eine wesentliche Veränderung kann vorliegen, wenn durch Renovierungs- und Sanierungsmaßnahmen die Beschaffenheit der Räume derart verbessert wurde, dass keine Vergleichbarkeit mehr mit dem Zustand des ursprünglichen Baujahrs besteht.

e) Bei der Schätzung der üblichen Miete i.S. des § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind (§ 162 Abs. 1 Satz 2 AO ). Den Zustand von Grundstück und Gebäude zum jeweiligen Feststellungszeitpunkt hat die Finanzbehörde im Rahmen der Ermittlung der Schätzungsgrundlagen zu klären.

Ist ein Mietspiegel hinsichtlich der Belegenheit der Grundstücke und der Ausstattungsvarianten der Gebäude hinreichend differenziert, gewährleistet er einen geeigneten Schätzungsrahmen. Die Schätzung der üblichen Miete erweist sich erst dann als rechtswidrig, wenn sie den durch die Umstände des Falles gezogenen Schätzungsrahmen verlässt. Allein eine Abweichung von den tatsächlichen Gegebenheiten reicht nicht aus (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2019, 193 , Rz 27).

Die durch die Finanzbehörde vorgenommene Schätzung ist durch das FG voll überprüfbar, da sie keine Ermessensentscheidung darstellt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2019, 193 , Rz 23 f.).

2. Nach § 22 Abs. 3 Satz 1 BewG in der für den streitigen Stichtag geltenden Fassung findet eine Wertfortschreibung (§ 22 Abs. 1 BewG ) auch zur Beseitigung eines Fehlers der letzten Feststellung statt.

a) Unter einem Fehler i.S. des § 22 Abs. 3 Satz 1 BewG ist jede objektive Unrichtigkeit zu verstehen (BFH-Urteil vom 31. Juli 1981 – III R 127/79, BFHE 134, 164 , BStBl II 1982, 6 , unter 1.). Eine Wertfortschreibung kann auch erfolgen, wenn sich seit der letzten Einheitswertfeststellung die tatsächlichen Verhältnisse nicht geändert haben, die damalige Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse jedoch zu einem klarliegenden, einwandfrei feststellbaren Bewertungsfehler geführt hat (vgl. BFH-Urteil vom 7. Oktober 1955 – III 77/54 U, BFHE 61, 453 , BStBl III 1955, 375 , unter II.2.).

b) Eine geänderte Schätzung der üblichen Miete, die zu einem anderen Einheitswert führt, stellt für sich regelmäßig keinen ausreichenden Grund dar, die anlässlich einer früheren Einheitswertfeststellung erfolgte schätzweise Ermittlung der üblichen Miete als fehlerhaft zu behandeln. Für einen klaren und eindeutig feststellbaren Bewertungsfehler reicht es aber aus, wenn die Finanzbehörde bei der Schätzung der Jahresrohmiete über die tatsächliche Ausstattung und Gestaltung des zu bewertenden Grundstücks und damit über Schätzungsgrundlagen im Irrtum war und die Jahresrohmiete unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse der Höhe nach offensichtlich unzutreffend geschätzt hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 134, 164 , BStBl II 1982, 6 , unter 2.b).

3. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zutreffend entschieden, dass der Wertfortschreibungsbescheid vom 2. Oktober 2012 rechtmäßig ist.

a) Eine Rechtswidrigkeit des Wertfortschreibungsbescheids wegen eines Verfassungsverstoßes scheidet aus. Die im Streitfall anwendbaren Vorschriften über die Einheitsbewertung waren zwar jedenfalls seit dem 1. Januar 2002 nicht mehr verfassungsgemäß. Sie dürfen aber nach dem BVerfG-Urteil in BGBl I 2018, 531 , HFR 2018, 403 im dargestellten Umfang auch im Streitfall weiter angewandt werden (BFH-Urteil in BFH/NV 2019, 193 , Rz 16).

b) Das FA konnte nach den maßgeblichen Vorschriften den Einheitswert für das Wohnungseigentum 10 auf den 1. Januar 2012 durch Bescheid vom 2. Oktober 2012 im Rahmen einer fehlerbeseitigenden Wertfortschreibung auf 8.334 € feststellen.

aa) Die Schätzung der üblichen Miete nach § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG für das Wohnungseigentum 10 war zulässig, weil bezogen auf den Stichtag 1. Januar 1964 für das —erst durch Baumaßnahmen in den Jahren 2008 bis 2010 entstandene— Wohnungseigentum 10 tatsächlich gezahlte Mieten fehlen.

bb) Für die Ermittlung der für das Wohnungseigentum 10 üblichen Miete i.S. des § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG konnte das FA den für seinen örtlichen Zuständigkeitsbereich erarbeiteten Mietspiegel heranziehen. Nach den Feststellungen des FG enthielt der vom FA vorgelegte Mietspiegel eine ausreichende Differenzierung nach Grundstücksart (u.a. Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser, Eigentumswohnungen 1 Zimmer, 2 und 3 Zimmer, ab 4 Zimmer, Mietwohnungen), Baujahr (vor 21. Juni 1948, 21. Juni 1948 bis 1959, 1960 und später), Ausstattung (einfach, mittel, gut) und der Lage (Differenzierung nach Stadtteilen). Er gewährleistete einen geeigneten Schätzungsrahmen. Selbst wenn —wie der Kläger meint— die dem Mietspiegel zugrunde liegenden Datenquellen nicht hinreichend dokumentiert wären, ist dies für die Heranziehung als Schätzungsgrundlage unerheblich. Der Mietspiegel mit einer gewissen Datenbreite soll nur einen Anhalt für die vorzunehmende Schätzung bieten, so dass Fehler in einzelnen Datengrundlagen keinen unmittelbaren Einfluss auf die Besteuerung haben (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2019, 193 , Rz 28).

cc) Das FA hat bei der Schätzung der üblichen Miete für das Wohnungseigentum 10 den durch den finanzamtsinternen Mietspiegel gezogenen Schätzungsrahmen nicht verlassen. Es hat der Ermittlung der Jahresrohmiete auf den Feststellungszeitpunkt 1. Januar 2012 zu Recht die Mietspiegelmiete in Höhe von monatlich 3 DM/qm für Bauten 1960 und später/mit mittlerer Ausstattung/Wohnungen zugrunde gelegt. Nach den bindenden Feststellungen des FG entstand das Wohnungseigentum 10 neu aufgrund ausführlicher Umbaumaßnahmen in den Jahren 2008 bis 2010 durch Zusammenlegung der bisherigen in der rechten Haushälfte bestehenden Wohneinheiten sowie des Kellers und des vorherigen allgemeinen Treppenhauses zu einer Einheit. Es dient ausschließlich Wohnzwecken und verfügt nunmehr über einen eigenen separaten Eingang und —anstatt von vor dem Umbau allen Wohneinheiten allgemein zugänglichen Außentoiletten— über zwei nur zur dieser Wohnung gehörende Bäder im EG und im 1. OG sowie eine neu errichtete Dachterrasse im extensiv begrünten DG. Durch den Abriss von Zwischenwänden wurden in allen Geschossen Räume vergrößert. Das durch die Umbaumaßnahmen neu erstellte Wohnungseigentum 10 wird nicht mehr —wie die Räume im Rückgebäude bisher— mit Einzelöfen, sondern mittels Zentralheizung beheizt. Es wurde u.a. mit neuen Versorgungsleitungen sowie neuen Isolierglasfenstern und Türen ausgestattet.

Durch diese Bau-, Sanierungs- und Renovierungsmaßnahmen wurde der Zustand der ursprünglichen Räume aus dem Jahr 1870 wesentlich verändert. Die Ausstattung bei Bad, Heizung und Fenster wurde an moderne Standards angepasst. Da die qualitative und quantitative Beschaffenheit der Räume zum Fortschreibungszeitpunkt 1. Januar 2012 nicht mehr dem Zustand von 1870, sondern mindestens von 1960 und später bei mittlerer Ausstattung entsprach, konnte das FA den dieser Kategorie des Mietspiegels entnommenen Quadratmeterpreis für die Schätzung der üblichen Miete zugrunde legen. Unerheblich in der Gesamtwürdigung der wesentlichen Veränderungen des Gebäudezustands ist —entgegen der Auffassung des Klägers—, dass die Mauern des Gebäudes nach wie vor aus dem Jahr 1870 stammen. Denn die Änderungen des baulichen Zuschnitts der Räume und die umfassende Sanierung der innerhalb der Mauern liegenden Gebäudesubstanzen waren so wesentlich, dass ihr renovierter Zustand nicht mehr dem ursprünglichen Baujahr 1870 entsprach.

Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG i.S. der Steuergerechtigkeit durch die Heranziehung der Sparte "Wohnungen, Räume Baujahr 1960 und älter, mittlerer Ausstattung" liegt nicht vor. Die Schätzung der üblichen Miete basierte nicht auf willkürlichen Grundlagen. Das FA konnte vielmehr nach Kenntnis der aufgeführten Renovierungs- und Sanierungsarbeiten zutreffend zu dem Schluss kommen, der Zustand der Räume entspreche (mindestens) dem Baujahr 1960 und später, mittlere Ausstattung, und daher den entsprechenden Quadratmeterpreis seiner Schätzung zugrunde legen.

c) Die Voraussetzungen für eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 BewG lagen vor. Das FA ging bei Erlass des Nachfeststellungsbescheids am 19. Oktober 2010 von unzutreffenden tatsächlichen Verhältnissen und deshalb falschen Schätzungsgrundlagen aus. Es legte bei der üblichen Miete für das Wohnungseigentum 10 aus dem finanzamtsinternen Mietspiegel die Spalte für Altbauten mit Sammelheizung und Bad mit einem Baujahr vor dem 21. Juni 1948 zugrunde, obwohl das Gebäude durch umfangreiche Baumaßnahmen in den Jahren 2008 bis 2010 saniert und das Wohnungseigentum 10 mit qualitativ und quantitativ zumindest guter Ausstattung geschaffen wurde. Diesen Fehler bei den Schätzungsgrundlagen konnte das FA im Rahmen der Wertfortschreibung durch Bescheid vom 2. Oktober 2012 beseitigen und für die Schätzung der üblichen Miete für das Wohnungseigentum 10 den zutreffenden Mietspiegelwert ansetzen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO .

Vorinstanz: FG München, vom 09.11.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 4 K 1098/13
Fundstellen
BFH/NV 2019, 1064