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BSG - Entscheidung vom 21.03.2018

B 6 KA 84/17 B

Normen:
SGB V § 87 Abs. 2
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 21.03.2018 - Aktenzeichen B 6 KA 84/17 B

DRsp Nr. 2018/5275

Vertragsarzthonorar Sachlich-rechnerische Richtigstellung von Honorarbescheiden Grundsatzrüge Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage Bereits geklärte Rechtsfrage Einschränkung des Leistungsspektrums bei einer zulässigen Spezialisierung der ärztlichen Tätigkeit

1. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. 2. Die Klärungsbedürftigkeit fehlt dann, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist und/oder wenn sie sich ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt. 3. Liegt zu einer Rechtsfrage bereits höchstrichterliche Rechtsprechung vor, kann ausnahmsweise die Klärungsbedürftigkeit erneut zu bejahen sein, wenn ihr etwa in erheblichem Umfang widersprochen wird und neue Argumente angeführt werden. 4. Die vom Senat im Zusammenhang mit der Frage, ob Vertragsärzte die Erbringung von aus ihrer Sicht unzureichend vergüteten Leistungen ablehnen dürfen, erhobene grundsätzliche Forderung nach einem dem Umfang der Zulassung entsprechenden Leistungsangebot schließt eine Einschränkung des Leistungsspektrums bei einer zulässigen Spezialisierung der ärztlichen Tätigkeit nicht aus. 5. Dass die Wertungen des Senats im Urteil vom 28.10.2015 von einer Stimme in der Literatur nicht geteilt werden, begründet keine Zweifel, die eine erneute Befassung des Senats mit der Frage rechtfertigen würden.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 25. Oktober 2017 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auf 144 876 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGB V § 87 Abs. 2 ; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Der Kläger, der als Augenarzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, wendet sich gegen eine sachlich-rechnerische Richtigstellung seiner Honorarbescheide für die Quartale I/2012 bis II/2013 hinsichtlich der Gebührenordnungsposition ( GOP ) 06225 EBM-Ä (Zuschlag zur Grundpauschale für ausschließlich konservativ tätige Augenärzte). Widerspruch, Klage und Berufung blieben ohne Erfolg. Das LSG hat ausgeführt (Urteil vom 25.10.2017), der Kläger sei nicht ausschließlich konservativ tätig und erfülle deshalb die Voraussetzungen für die Abrechenbarkeit der GOP 06225 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) nicht. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der GOP bestünden nicht.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, zu deren Begründung er eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) geltend macht.

II

Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.

1. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 5 RdNr 3). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt dann, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist und/oder wenn sie sich ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt (hierzu s zB BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; vgl auch BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; s auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Liegt zu einer Rechtsfrage bereits höchstrichterliche Rechtsprechung vor, kann ausnahmsweise die Klärungsbedürftigkeit erneut zu bejahen sein, wenn ihr etwa in erheblichem Umfang widersprochen wird und neue Argumente angeführt werden (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN). Das ist hier nicht der Fall.

Der Kläger fragt:

"ob es sich mit dem Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG , der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG und dem Gestaltungsspielraum des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 2 SGB V vereinbaren lässt, dass die durch einen auch operativ tätigen Augenarzt erbrachte Leistung nach der GOP 06225 EBM bei diesem nicht vergütet wird, während ein rein konservativ tätiger Augenarzt die Vergütung nach GOP 06225 EBM erhält?"

Für die Beantwortung dieser Frage bedarf es der Durchführung eines Revisionsverfahrens nicht, weil sie der Senat mit Urteil vom 28.10.2015 ( B 6 KA 42/14 R - SozR 4-5531 Nr 06225 Nr 1) ausdrücklich entschieden hat. Bisher nicht berücksichtigte Argumente, die ausnahmsweise eine erneute Klärungsbedürftigkeit begründen könnten, sind nicht vorgetragen. Der Kläger bezieht sich auf eine Urteilsanmerkung von Willaschek (MedR 2017, 504 ff), der im Wesentlichen die Auffassung vertritt, der Senat habe den Wortlaut der Ermächtigungsgrundlage für die Festsetzungen des Bewertungsausschusses "überspannt". Eine Vergleichbarkeit der GOP 06225 EBM-Ä mit dem Wirtschaftlichkeitsbonus ( BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 9) oder der Aufschlagsregelung für Laborleistungen ( BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 24) bestehe nicht. Die Entscheidung stehe auch im Widerspruch zu der Forderung, dass der Vertragsarzt alle wesentlichen Leistungen des Fachgebiets tatsächlich anbieten müsse. Für klärungsbedürftig hält der Kläger vor diesem Hintergrund ferner die Zulässigkeit der "abrechnungstechnische(n) Knock-out Wirkung" nur einer einzigen operativen Leistung. Die Annahme des Bewertungsausschusses, es bestünden Versorgungsdefizite im konservativen augenärztlichen Bereich, treffe nicht mehr zu.

Der Senat hat in seinem Urteil vom 28.10.2015 die genannten Aspekte beleuchtet und anders bewertet als der Kläger. So hat er trotz der Unterschiede zum Wirtschaftlichkeitsbonus und zur Aufschlagsregelung für Laborleistungen Parallelen in der Systematik zur hier streitbefangenen GOP gesehen (SozR 4-5531 Nr 06225 Nr 1 RdNr 31, 32). Der Senat hat auch entschieden, dass der Bewertungsausschuss im Rahmen der zulässigen Typisierung und Pauschalierung nur die Ärzte als konservativ tätige definieren durfte, die ausschließlich konservativ tätig sind (aaO RdNr 36), und dass ein Ausschluss von wesentlichen Leistungen des Fachgebiets nicht erfolgt (aaO RdNr 38). Die vom Senat im Zusammenhang mit der Frage, ob Vertragsärzte die Erbringung von aus ihrer Sicht unzureichend vergüteten Leistungen ablehnen dürfen, erhobene grundsätzliche Forderung nach einem dem Umfang der Zulassung entsprechenden Leistungsangebot schließt eine Einschränkung des Leistungsspektrums bei einer zulässigen Spezialisierung der ärztlichen Tätigkeit nicht aus (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 54 RdNr 27; BSGE 88, 20 , 25 = SozR 3-2500 § 75 Nr 12; vgl auch Urteil des Senats vom 16.12.2015 - B 6 KA 5/15 R - MedR 2016, 823 , Juris, RdNr 39). Dass die Wertungen des Senats im Urteil vom 28.10.2015 von einer Stimme in der Literatur und dem Kläger nicht geteilt werden, begründet keine Zweifel, die eine erneute Befassung des Senats mit der Frage rechtfertigen würden. Das gilt auch für den nicht näher substantiierten Vortrag, es bestünden keine Versorgungsdefizite im konservativen Bereich und damit keine sachlichen Gründe für die Zuschlagsziffer.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm §§ 154 ff VwGO . Als erfolgloser Rechtsmittelführer hat der Kläger auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO ).

3. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 3 S 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 25.10.2017 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 KA 144/17
Vorinstanz: SG Stuttgart, vom 13.12.2016 - Vorinstanzaktenzeichen S 24 KA 2191/16