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BGH - Entscheidung vom 20.02.2018

XI ZR 551/16

Normen:
BGB § 355 Abs. 2

BGH, Urteil vom 20.02.2018 - Aktenzeichen XI ZR 551/16

DRsp Nr. 2018/4442

Wirksamkeit des Widerrufs einer auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung; Zulässigkeit einer Klage auf Feststellung der Umwandlung einer Vereinbarung in ein Rückgewährschuldverhältnis; Ordnungsgemäße Belehrung über das Widerrufsrecht

In einem Verbraucherdarlehnsvertrag genügen die Angaben zur Länge der Widerrufsfrist auch dann dem inhaltlichen Deutlichkeitsgebot, wenn dem Verbraucher verdeutlicht wird, von welchen Voraussetzungen die Geltung zweier im Text alternativ genannter Fristlängen abhängt; die Formulierung "Die Widerrufsfrist beträgt gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB [aF] einen Monat, wenn die Widerrufsbelehrung erst nach Vertragsschluss in Textform dem Kunden mitgeteilt wird bzw. werden kann" im Anschluss an die Angabe "zwei Wochen (einem Monat)" erfüllt mithin die gesetzlichen Anforderungen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 23. September 2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 14. März 2016 in der Fassung des Beschlusses vom 3. Mai 2016 wird insgesamt zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Normenkette:

BGB § 355 Abs. 2 ;

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Widerruflichkeit einer Willenserklärung der Klägerin.

Die Parteien schlossen am 23. März 2006 einen Verbraucherdarlehensvertrag über ein endfälliges Darlehen in Höhe von 172.305,36 € mit einem für fünf Jahre festen Nominalzinssatz in Höhe von 4,65% p.a. Die Klägerin war berechtigt, jederzeit Sondertilgungen bis zu 172.305,36 € zu erbringen. Mit Vertrag vom 22. März 2010 einigte sich die Klägerin mit der Beklagten dahin, das endfällige Darlehen solle in ein Annuitätendarlehen umgewandelt werden. Den für nunmehr zehn Jahre festen Nominalzinssatz legten die Parteien mit 4,15% p.a. fest. Zur Sicherung der Ansprüche der Beklagten dienten zwei Grundpfandrechte über 175.000 € und 107.000 €. Im Zuge der Vereinbarung vom 22. März 2010 belehrte die Beklagte die Klägerin über ein Widerrufsrecht wie folgt:

Mit Schreiben vom 29. September 2014 widerrief die Klägerin ihre auf Abschluss der Vereinbarung vom 22. März 2010 gerichtete Willenserklärung.

Ihre Klage auf Feststellung und Freigabe der Sicherheiten Zug um Zug gegen Zahlung des von ihr errechneten Saldos zugunsten der Beklagten aus dem Rückgewährschuldverhältnis, weiter auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten hat das Landgericht abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin, mit der sie schließlich noch verlangt hat festzustellen, der zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertrag aus dem Jahr 2010 habe sich in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt, die Beklagte zu verurteilen, die Sicherheiten Zug um Zug gegen Zahlung "freizugeben", und die Beklagte zu verurteilen, vorgerichtlich verauslagte Anwaltskosten zu erstatten, hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert. Es hat die begehrte Feststellung getroffen und außerdem festgestellt, die Beklagte sei "Zug um Zug gegen Zahlung des von der Klägerin aus dem Rückabwicklungsverhältnis geschuldeten Betrages" zur Freigabe der Sicherheiten verpflichtet. Weiter hat es die Beklagte verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlich verauslagten Anwaltskosten nebst Zinsen freizustellen. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihr Begehren auf vollständige Zurückweisung der Berufung der Klägerin weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, die Klage auf Feststellung, die Vereinbarung "vom 15. März 2010" (gemeint: vom 22. März 2010) habe sich "in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt", sei zulässig, weil von der Beklagten als einer Bank zu erwarten sei, dass sie auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil leisten werde. Die Klägerin habe ihre auf Abschluss der Vereinbarung vom 22. März 2010 gerichtete Willenserklärung widerrufen können, weil die Beklagte unklar über die Länge der Widerrufsfrist belehrt habe. Das Widerrufsrecht der Klägerin sei nicht verwirkt. Allerdings könne die Klägerin neben der begehrten Feststellung nur die Feststellung beanspruchen, dass die Beklagte Zug um Zug gegen Zahlung zur Herausgabe der Sicherheiten verpflichtet sei, weil die Parteien über die Höhe des "Zug um Zug gegen die Freigabe zu zahlenden Ablösungsbetrages" stritten. Weiter könne die Klägerin auch nur Freistellung von vorgerichtlich verauslagten Anwaltskosten nebst Zinsen beanspruchen.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.

1. Das Berufungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, die Klage auf Feststellung der Umwandlung der Vereinbarung von März 2010 in ein Rückgewährschuldverhältnis sei zulässig. Dem Feststellungsantrag fehlt, wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils näher ausgeführt hat (Senatsurteile vom 24. Januar 2017 - XI ZR 183/15, WM 2017, 766 Rn. 11 ff., vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 13 ff., vom 14. März 2017 - XI ZR 442/16, WM 2017, 849 Rn. 19, vom 16. Mai 2017 - XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rn. 16, vom 4. Juli 2017 - XI ZR 741/16, WM 2017, 1602 Rn. 16 f. und vom 23. Januar 2018 - XI ZR 359/16, n.n.v.), das Feststellungsinteresse. Die Feststellungsklage ist auch nicht nach den Maßgaben des Senatsurteils vom 24. Januar 2017 (aaO, Rn. 16) abweichend von der Regel ausnahmsweise zulässig, weil hier nicht feststeht, dass der Rechtsstreit die Meinungsverschiedenheiten der Parteien endgültig bereinigt. Das Berufungsgericht hat im Gegenteil ausdrücklich festgestellt, die Parteien stritten über die Anspruchshöhe.

2. Rechtsfehlerhaft ist weiter die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die Klägerin gemäß § 355 Abs. 2 BGB in der nach Art. 229 § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 22 Abs. 2 , § 32 Abs. 1 , § 38 Abs. 1 EGBGB hier noch maßgeblichen, bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung (künftig: aF) unrichtig über das ihr nach § 495 Abs. 1 BGB zustehende Widerrufsrecht belehrt, so dass die Klägerin ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung im September 2014 noch habe widerrufen können. Revisionsrechtlich zugunsten der Beklagten unterstellt, die Parteien hätten im März 2010 lediglich den Zins- und Tilgungsanteil der Darlehensraten ohne Einräumung eines neuen Kapitalnutzungsrechts neu geregelt (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Juni 2016 - XI ZR 385/15, WM 2016, 1727 , 1728), bestand schon kein Widerrufsrecht, über das die Klägerin hätte belehrt werden müssen. Aber selbst wenn der Klägerin im März 2010 ein neues Kapitalnutzungsrecht eingeräumt worden und die von ihr im März 2010 abgegebene Willenserklärung grundsätzlich widerruflich gewesen wäre, war die Widerrufsfrist im September 2014 abgelaufen, weil die Widerrufsbelehrung der Beklagten den gesetzlichen Vorgaben entsprach.

Soweit die Beklagte in das Belehrungsformular mit dem 15. März 2010 das dem Vertragsschluss vorgelagerte Datum der Erstellung des Vertragsformulars eingefügt hat, war die Zuordnung der Widerrufsbelehrung zu der auf Abschluss der Vereinbarung vom 22. März 2010 gerichteten Willenserklärung der Klägerin dadurch nicht beeinträchtigt. Der Zusatz verunklarte auch nicht die am Wortlaut des § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB aF orientierten und damit hinreichend deutlichen Angaben zu den Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 25. April 2017 - XI ZR 264/16, - XI ZR 279/16 und - XI ZR 280/16, jeweils juris).

Dem inhaltlichen Deutlichkeitsgebot genügten auch die Angaben der Beklagten zur Länge der Widerrufsfrist. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit Senatsurteilen vom 14. März 2017 ( XI ZR 442/16, WM 2017, 849 Rn. 23) und vom 28. November 2017 ( XI ZR 432/16, WM 2018, 50 Rn. 8) entschieden hat, macht der Verwender einer Widerrufsbelehrung mittels der erkennbar an den Verbraucher gerichteten Fußnote: "Die Widerrufsfrist beträgt gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB [aF] einen Monat, wenn die Widerrufsbelehrung erst nach Vertragsschluss in Textform dem Kunden mitgeteilt wird bzw. werden kann" im Anschluss an die Angabe "zwei Wochen (einem Monat)" hinreichend deutlich, von welchen Voraussetzungen die Geltung einer der beiden im Text alternativ genannten Fristlängen abhängt. Seine Belehrung über die Länge der Widerrufsfrist erfüllt mithin die gesetzlichen Anforderungen. Das gilt auch mit Rücksicht auf das gestalterische Deutlichkeitsgebot (Senatsurteil vom 28. November 2017, aaO).

Dem Deutlichkeitsgebot entsprachen außerdem die Ausführungen der Beklagten unter den Überschriften "Widerrufsfolgen" und "Finanzierte Geschäfte" (Senatsurteil vom 28. November 2017 - XI ZR 432/16, WM 2018, 50 Rn. 9 f.).

3. Schließlich weist der Ausspruch des Berufungsgerichts zu den Rechtsfolgen Rechtsfehler auf. Das gilt aus den mit Senatsbeschluss vom 17. Januar 2017 ( XI ZR 170/16, BKR 2017, 152 Rn. 7) dargelegten Gründen zum einen, soweit die Klägerin - auslegungsbedürftig und auslegungsfähig - die "Freigabe" von Grundpfandrechten "Zug um Zug" gegen Zahlung des von ihr zugunsten der Beklagten ermittelten Saldos aus einem Rückgewährschuldverhältnis beantragt hat. Zum anderen wäre die Beklagte - die fortbestehende Widerruflichkeit der auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung der Klägerin unterstellt - zum Zeitpunkt der Mandatierung des von der Klägerin vorgerichtlich beauftragten Rechtsanwalts nicht in Verzug gewesen. Ein Anspruch auf "Freistellung" von vorgerichtlich verauslagten Anwaltskosten bestand unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt (Senatsurteile vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 25 ff., 34 f., vom 25. April 2017 - XI ZR 314/16, BKR 2017, 373 Rn. 15 und vom 23. Januar 2018 - XI ZR 397/16, n.n.v.; zu der beantragten Verzinsung vgl. überdies Senatsurteil vom 14. März 2017 - XI ZR 508/15, WM 2017, 808 Rn. 34; BGH, Urteil vom 12. Oktober 2017 - IX ZR 267/16, WM 2017, 2324 Rn. 28 f.).

III.

Das Berufungsurteil unterliegt mithin der Aufhebung (§ 562 ZPO ), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO ).

Da die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO ), weist der Senat die Berufung der Klägerin - soweit durch das Berufungsgericht noch nicht geschehen - zurück. Das gilt auch für den Feststellungsantrag, für den es damit bei der Abweisung als unbegründet durch das Landgericht bleibt. Das Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ist nur für ein stattgebendes Urteil echte Prozessvoraussetzung. Ein Feststellungsbegehren, das das Berufungsgericht für zulässig erachtet hat, kann bei tatsächlich fehlendem Feststellungsinteresse in der Revisionsinstanz aus sachlichen Gründen abgewiesen werden (st. Rspr., zuletzt etwa Senatsurteile vom 4. Juli 2017 - XI ZR 741/16, WM 2017, 1602 Rn. 31 und vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 457/16, WM 2017, 2256 Rn. 29).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 20. Februar 2018

Vorinstanz: LG Mainz, vom 14.03.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 5 O 114/15
Vorinstanz: OLG Koblenz, vom 23.09.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 8 U 434/16