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BGH - Entscheidung vom 27.02.2018

XI ZR 480/16

Normen:
BGB a.F. § 355 Abs. 2 S. 3

BGH, Urteil vom 27.02.2018 - Aktenzeichen XI ZR 480/16

DRsp Nr. 2018/4679

Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrags; Verwirkung des Widerrufsrechts; Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs

Gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen kann das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher. Das gilt in besonderem Maße, wenn die Beendigung des Darlehensvertrags auf einen Wunsch des Verbrauchers zurückgeht.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten und unter Zurückweisung der Anschlussrevision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 19. August 2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 7. Januar 2016 wird insgesamt zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Normenkette:

BGB a.F. § 355 Abs. 2 S. 3;

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss zweier Verbraucherdarlehensverträge gerichteten Willenserklärungen des Klägers.

Der Kläger schloss im Mai 2004 zwei in einer Vertragsurkunde zusammengefasste Darlehensverträge über einen Gesamtdarlehensbetrag von 137.000 € mit der Beklagten. Die Darlehensvaluta gemäß Darlehensvertrag "Konstant 28" Nr. XXX41 über 111.000 € und einen Zinssatz von 4,8% p.a. "fest bis zur Zuteilung des Bausparvertrages voraussichtliche Zuteilung in ca. 12 Jahren 0 Monaten" sollte in Höhe von 32.000 € abzüglich einer "Abschlussgebühr" in Höhe von 1.110 € als Guthaben auf ein Bausparkonto verbucht werden, das die Beklagte auf der Grundlage eines zugleich abgeschlossenen Bausparvertrags einrichtete. Das Darlehen sollte teilweise mittels des bis zur Zuteilungsreife angesparten Bausparguthabens aufgrund weiterer monatlicher Sparraten in Höhe von 11,89 € und teils mittels des Bauspardarlehens getilgt werden. Ein ebenfalls vereinbartes "Vorausdarlehen EZ" Nr. XXX50 über 26.000 € und einen festen Zinssatz von 4,35% p.a. sollte ebenfalls durch ein Bauspardarlehen abgelöst werden. Zu diesem Zweck schloss der Kläger mit der Beklagten einen weiteren Bausparvertrag, für den er eine Abschlussgebühr in Höhe weiterer 260 € entrichtete. Zur Sicherung der Beklagten diente ein Pfandrecht an den Ansprüchen aus den Bausparverträgen und ein Grundpfandrecht. Die Beklagte belehrte den Kläger über sein Widerrufsrecht wie folgt:

Auf Bitten des Klägers beendeten die Parteien im April 2010 die Darlehensverträge unter Einschluss der Bausparverträge vorzeitig gegen Zahlung einer "Vorfälligkeitsentschädigung" in Höhe von 6.500 €. Die Beklagte gab die Grundschuld frei. Mit Schreiben seines vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vom 1. Dezember 2014 widerrief der Kläger seine auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen.

Die Klage auf Erstattung der Abschlussgebühren und der "Vorfälligkeitsentschädigung" nebst Zinsen sowie auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten hat das Landgericht abgewiesen. Auf die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 7.870 € nebst Zinsen verurteilt. Im Übrigen hat es die Berufung betreffend einen Teil der begehrten Zinsen und der vorgerichtlich verauslagten Anwaltskosten zurückgewiesen. Gegen die stattgebende Entscheidung richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf vollständige Zurückweisung der Berufung weiterverfolgt. Mit der Anschlussrevision erstrebt der Kläger eine Verurteilung der Beklagten zur Erstattung der vorgerichtlich verauslagten Anwaltskosten.

Entscheidungsgründe

A. Revision der Beklagten

Die Revision der Beklagten hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für die Revision der Beklagten von Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt:

Der Kläger habe seine auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen noch widerrufen können, da die Beklagte den Kläger unzureichend deutlich über die Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist unterrichtet habe. Das Widerrufsrecht des Klägers sei nicht verwirkt. Der Kläger habe die Darlehen zunächst mehrere Jahre ordnungsgemäß bedient, bevor es im April 2010 zur einverständlichen vorzeitigen Beendigung der Darlehensverträge gekommen sei. Es könne jedoch nicht festgestellt werden, dass er dies alles in Kenntnis seines fortbestehenden Widerrufsrechts getan habe.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.

1. Die Ausführungen zur mangelnden Deutlichkeit der von der Beklagten erteilten Widerrufsbelehrung und damit zur fortbestehenden Widerruflichkeit der auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen des Klägers weisen Rechtsfehler zum Nachteil der Beklagten auf.

a) Allerdings hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt richtig erkannt, dem Kläger sei gemäß § 495 Abs. 1 BGB zunächst das Recht zugekommen, seine auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen nach § 355 Abs. 1 und 2 BGB in der hier nach Art. 229 § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 22 Abs. 2 , §§ 32 , 38 Abs. 1 Satz 1 EGBGB maßgeblichen, zwischen dem 1. August 2002 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung (künftig: aF) zu widerrufen.

b) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe den Kläger unzureichend über das ihm zukommende Widerrufsrecht belehrt, so dass die Widerrufsfrist bei Erklärung des Widerrufs noch nicht abgelaufen gewesen sei, hält mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung einer revisionsrechtlichen Überprüfung indessen nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts informierte die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung, wie der Senat mit Urteil vom heutigen Tag in der Sache XI ZR 160/17 für eine insoweit gleichlautende Widerrufsbelehrung entschieden hat, den Kläger hinreichend deutlich über die Voraussetzungen des Beginns der Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB aF.

2. Revisionsrechtlicher Überprüfung anhand der gefestigten Senatsrechtsprechung (Senatsurteile vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15, BGHZ 211, 105 Rn. 40 und - XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 Rn. 37, vom 11. Oktober 2016 - XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 Rn. 30 f. und vom 14. März 2017 - XI ZR 442/16, WM 2017, 849 Rn. 27 f.; Senatsbeschluss vom 23. Januar 2018 - XI ZR 298/17, n.n.v.) nicht stand halten weiter die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht eine Verwirkung des Widerrufsrechts verneint hat. Gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen - wie hier - kann das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher nachzubelehren (Senatsurteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15, aaO, Rn. 41). Das gilt in besonderem Maße, wenn die Beendigung des Darlehensvertrags auf einen Wunsch des Verbrauchers zurückgeht (Senatsurteil vom 11. Oktober 2016, aaO, Rn. 30). Dass nicht festgestellt werden konnte, der Kläger habe bei Beendigung des Darlehensvertrags Kenntnis von seinem fortbestehenden Widerrufsrecht gehabt, schloss entgegen der Rechtsmeinung des Berufungsgerichts eine Berücksichtigung dieses Umstandes nicht aus (Senatsurteil vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 449/16, WM 2017, 2251 Rn. 19 mwN).

III.

Das Berufungsurteil unterliegt mithin der Aufhebung (§ 562 ZPO ), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO ). Insbesondere kann der Senat die Verurteilung der Beklagten zur Erstattung der Abschlussgebühren nicht unter Verweis auf § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB aufrechterhalten. Zwar ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die die Beklagte nicht mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffen hat, davon auszugehen, dass die Beklagte die Abschlussgebühren nicht für den Abschluss der Bausparverträge, sondern für den Abschluss der Darlehensverträge verlangt hat, so dass die Grundsätze des Senatsurteils vom 7. Dezember 2010 ( XI ZR 3/10, BGHZ 187, 360 Rn. 36 ff.) nicht eingreifen. Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB wäre aber, worauf sich die Beklagte berufen hat, verjährt (vgl. Senatsurteil vom 28. Oktober 2014 - XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115 Rn. 44).

IV.

Die Sache ist im Sinne einer gänzlichen Zurückweisung der Berufung des Klägers zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 BGB ). Bei Erklärung des Widerrufs war die Widerrufsfrist abgelaufen.

1. Die Beklagte belehrte den Kläger bei Abschluss der Darlehensverträge in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften.

a) Die Widerrufsbelehrung der Beklagten entsprach dem gestalterischen Deutlichkeitsgebot des § 355 BGB aF. Durch die Verwendung einer gesonderten und fett gesetzten Überschrift unter einem eigenen Gliederungspunkt hob sich die Widerrufsbelehrung drucktechnisch hinreichend deutlich vom restlichen Vertragstext ab (vgl. Senatsurteil vom 23. Juni 2009 - XI ZR 156/08, WM 2009, 1497 Rn. 24).

b) Eine Belehrung nach § 358 Abs. 5 BGB in der bis zum 3. August 2011 geltenden Fassung musste der Beklagte nicht erteilen. Wie der Senat mit Urteil vom heutigen Tag in der Sache XI ZR 160/17 näher dargelegt hat, bildeten der Darlehensvertrag "Konstant 28" Nr. XXX41 und der Bausparvertrag keine verbundenen Verträge.

2. Die Beklagte erfüllte die Anforderungen des § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB aF, wenn sie dem Kläger ein Exemplar des Vertragsformulars überließ, das nach Unterschriftsleistung durch den Kläger - wenn auch nicht notwendig auf dem bei ihm verbliebenen Exemplar - dessen Vertragserklärung dokumentierte. Weil nach § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB aF die Abschrift der Vertragserklärung des Verbrauchers genügt, muss das ihm belassene Exemplar nicht von ihm unterzeichnet oder mit dem Abbild seiner Unterschrift versehen sein (vgl. zu § 361a Abs. 1 Satz 4 BGB BT-Drucks. 14/2658, S. 47 rechte Spalte oben; vgl. auch BT-Drucks. 16/11643, S. 80 linke Spalte unten; OLG Frankfurt am Main, Beschlüsse vom 7. September 2017 - 17 U 107/17, juris Rn. 5 und vom 30. Januar 2012 - 19 W 4/12, BKR 2012, 243, 244; OLG Köln, Beschluss vom 1. September 2017 - 12 U 203/16, juris Rn. 33 f.). § 492 Abs. 3 BGB in der hier maßgeblichen, bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung, der sich nicht mit den Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist befasst, enthält keine Modifikation des § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB aF für Verbraucherdarlehensverträge (undeutlich MünchKommBGB/Schürnbrand, 5. Aufl., § 492 Rn. 86; Palandt/ Weidenkaff, BGB , 69. Aufl., § 492 Rn. 18).

B. Anschlussrevision des Klägers

Die Anschlussrevision des Klägers hat dagegen keinen Erfolg.

I.

Die Anschlussrevision ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie wahrt die Frist des § 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO und genügt der Form des § 554 Abs. 3 ZPO . Sie betrifft entgegen den Einwänden der Beklagten mit den aus dem Widerruf des Klägers resultierenden Rechtsfolgen auch einen Lebenssachverhalt, der mit dem von der Revision erfassten Streitgegenstand in einem rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang steht (vgl. BGH, Urteile vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 36 ff. und vom 12. Oktober 2017 - IX ZR 267/16, WM 2017, 2324 Rn. 27).

II.

Das Berufungsgericht hat die Anschlussrevision betreffend ausgeführt, ein Anspruch des Klägers auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten folge weder aus Verzug noch aus dem Gesichtspunkt einer Pflichtverletzung.

III.

Dagegen wendet sich die Anschlussrevision schon deshalb ohne Erfolg, weil der Kläger seine auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen nicht wirksam widerrufen hat. Im Übrigen stünde das Ergebnis des Berufungsgerichts - die Beachtlichkeit des Widerrufs unterstellt - unabhängig von den Einwänden der Anschlussrevision gegen seine Begründung im Einzelnen in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (Senatsurteile vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 31, 34 f. und vom 19. September 2017 - XI ZR 523/15, juris Rn. 22).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 27. Februar 2018

Vorinstanz: LG Koblenz, vom 07.01.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 3 O 242/15
Vorinstanz: OLG Koblenz, vom 19.08.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 8 U 126/16