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BGH - Entscheidung vom 18.09.2018

XI ZR 750/16

Normen:
BGB a.F. § 355 Abs. 1
BGB a.F. § 355 Abs. 2
BGB a.F. § 357 Abs. 1 S. 1
BGB a.F. § 495 Abs. 1

BGH, Urteil vom 18.09.2018 - Aktenzeichen XI ZR 750/16

DRsp Nr. 2018/14913

Widerruf der auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen hinsichtlich Widerrufsbelehrung

Gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen kann das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher nachzubelehren. Das gilt in besonderem Maße, wenn die Beendigung des Darlehensvertrags auf einen Wunsch des Verbrauchers zurückgeht.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 9. Dezember 2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

BGB a.F. § 355 Abs. 1 ; BGB a.F. § 355 Abs. 2 ; BGB a.F. § 357 Abs. 1 S. 1; BGB a.F. § 495 Abs. 1 ;

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen der Kläger.

Die Parteien - die Kläger zum Zwecke der Finanzierung einer Immobilie - schlossen im Dezember 2007 einen Darlehensvertrag über 336.000 € mit einem bis zum 31. Dezember 2017 festen Zinssatz von 4,72% p.a. Zu den Modalitäten des Zustandekommens des Darlehensvertrags haben die Vorinstanzen bis auf die Feststellung des Berufungsgerichts, "das auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Angebot der Kläger vom 8. Dezember 2007" sei "am 20. Dezember 2007 im Hause der Beklagten unterzeichnet" worden, keine Feststellungen getroffen.

Die Beklagte belehrte die Kläger über ihr Widerrufsrecht wie folgt:

Die Kläger bestellten zur Sicherung der Beklagten ein Grundpfandrecht. In der Folgezeit erbrachten sie Zins- und Tilgungsleistungen. Im Jahr 2012 veräußerten sie die mit dem Darlehen finanzierte Immobilie. In diesem Zusammenhang bat der mit der Beurkundung befasste Notar die Beklagte um Freigabe des Grundpfandrechts. Die Beklagte erklärte sich nach Maßgabe der Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 21.196,84 € und eines Bearbeitungsentgelts in Höhe von 150 € zur Freigabe bereit. Daraufhin kündigte der Kläger zu 2 unter Verweis darauf, er bezweifle die Berechtigung der Beklagten, eine Vorfälligkeitsentschädigung beanspruchen zu dürfen, eine Zahlung unter Vorbehalt an. Im Laufe des Jahres 2012 erfüllten die Kläger die Forderungen der Beklagten. Mit Schreiben vom 21. April 2014 widerriefen sie ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen. Die Beklagte wies den Widerruf zurück. Der vorinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 24. November 2014 zur Erstattung der Vorfälligkeitsentschädigung, des Bearbeitungsentgelts und vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten bis zum 12. Dezember 2014 auf, wobei er die "Geltendmachung weiterer Ansprüche aus § 357 BGB a.F. i.V.m. [§] 346 BGB " ausdrücklich vorbehielt. Die Beklagte leistete keine Zahlungen.

Ihre Klage auf Erstattung der Vorfälligkeitsentschädigung, des Bearbeitungsentgelts und vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten - jeweils nebst Zinsen - hat das Landgericht abgewiesen. Auf die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und die Beklagte zur Erstattung der Vorfälligkeitsentschädigung und des Bearbeitungsentgelts - jeweils zuzüglich Zinsen - verurteilt. Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf vollständige Zurückweisung der Berufung weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten erkannt hat, zur Aufhebung des Berufungsurteils und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - ausgeführt:

Das Widerrufsrecht der Kläger habe im Jahr 2014 fortbestanden, weil die Beklagte die Kläger unzureichend deutlich über das ihnen zustehende Widerrufsrecht unterrichtet habe. Durch die Wendung, die Widerrufsfrist beginne nicht "vor dem Tag des Abschlusses des Darlehensvertrags", habe die Beklagte die Bedingungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist verunklart. Denn dieser Zeitpunkt sei für die Kläger nicht ohne weiteres erkennbar gewesen. Außerdem sei die Widerrufsbelehrung undeutlich gewesen, soweit sie den Fristlauf von der Erteilung bestimmter Informationen nach fernabsatzrechtlichen Vorschriften abhängig gemacht habe. Der Widerrufsbelehrung sei nicht eindeutig zu entnehmen gewesen, ob die Erteilung solcher Informationen Voraussetzung für den Fristbeginn auch dann habe sein sollen, wenn der Darlehensvertrag nicht unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande komme. Die Kläger, die im Jahr 2012 kein Vertrauen dahin erweckt hätten, nicht mehr zu widerrufen, hätten ihr Widerrufsrecht auch nicht verwirkt. Der Umstand, dass "den Berechtigten der ihnen zustehende Anspruch unbekannt" gewesen sei, stehe der Verwirkung jedenfalls dann entgegen, wenn ihre Unkenntnis in den Verantwortungsbereich des Verpflichteten falle. Die mit der unterlassenen oder nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung verbundenen Nachteile habe grundsätzlich der Unternehmer zu tragen. Ein schutzwürdiges Vertrauen könne der Unternehmer regelmäßig schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil er den mit dem unbefristeten Widerrufsrecht verbundenen Schwebezustand selbst herbeigeführt habe, indem er eine fehlerhafte Belehrung erteilt habe. Auch dem Umstand, dass die Parteien den Darlehensvertrag "auf eine Anfrage der Kläger" vorzeitig beendet hätten, komme vorliegend keine wesentliche Bedeutung für eine Verwirkung zu. Die Kläger hätten das Darlehen in einer "für die Beklagte erkennbaren Zwangslage" abgelöst.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Die Folgerung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die Kläger unzureichend über das ihnen nach § 495 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 355 Abs. 1 und 2 BGB in der hier nach Art. 229 § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 22 Abs. 2 , §§ 32 , 38 Abs. 1 EGBGB maßgeblichen, zwischen dem 1. August 2002 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung zukommende Widerrufsrecht belehrt, so dass die Widerrufsfrist bei Erklärung des Widerrufs noch nicht abgelaufen gewesen sei, wird von den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht getragen. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertrag - wie von der Beklagten behauptet - unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln im Wege des Fernabsatzes zustande gekommen ist. Davon hängt aber, was der Senat nach Erlass des Berufungsurteils klargestellt hat, ab, ob die Widerrufsbelehrung der Beklagten fehlerfrei war oder nicht. Mangels hinreichender Feststellungen des Berufungsgerichts ist im Revisionsverfahren zugunsten der Beklagten zu unterstellen, dass die Parteien ein Fernabsatzgeschäft geschlossen haben. Unter diesen Umständen entsprach die Widerrufsbelehrung - anders als vom Berufungsgericht angenommen - den gesetzlichen Anforderungen (Senatsurteile vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 443/16, WM 2017, 2248 Rn. 24 und - XI ZR 450/16, juris Rn. 17 mwN).

2. Als rechtsfehlerhaft erweisen sich außerdem die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht eine Verwirkung des Widerrufsrechts verneint hat. Dass die Beklagte davon ausging oder ausgehen musste, die Kläger hätten von ihrem Widerrufsrecht keine Kenntnis, schloss entgegen der Rechtsmeinung des Berufungsgerichts eine Verwirkung nicht aus. Gleiches gilt für den Umstand, dass die Beklagte "die Situation selbst herbeigeführt hat", weil sie eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung nicht erteilt hat. Gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen - wie hier - kann das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher nachzubelehren. Das gilt in besonderem Maße, wenn die Beendigung des Darlehensvertrags auf einen Wunsch des Verbrauchers zurückgeht (Senatsurteile vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 443/16, WM 2017, 2248 Rn. 26 und - XI ZR 450/16, juris Rn. 18; Senatsbeschluss vom 23. Januar 2018 - XI ZR 298/17, WM 2018, 614 Rn. 16 ff.).

3. Das Berufungsgericht, das den Klägern Verzugszinsen wie beantragt ab dem 13. Dezember 2014 zugesprochen hat, hat schließlich keine zureichenden Feststellungen dazu getroffen, die Beklagte habe sich nach Maßgabe der mit Senatsurteil vom 21. Februar 2017 ( XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 23 ff.) aufgestellten Grundsätze zu diesem Zeitpunkt mit der Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB in Schuldnerverzug befunden.

III.

Das Berufungsurteil unterliegt, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten entschieden hat, der Aufhebung (§ 562 Abs. 1 ZPO ). Insoweit stellt es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO ). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO ), verweist sie der Senat zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 18. September 2018

Vorinstanz: LG Mainz, vom 26.10.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 5 O 107/15
Vorinstanz: OLG Koblenz, vom 09.12.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 8 U 1207/15