Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 15.03.2018

V ZB 190/17

Normen:
FamFG § 81 Abs. 1 S. 1
FamFG § 81 Abs. 2 Nr. 2
FamFG § 83 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 15.03.2018 - Aktenzeichen V ZB 190/17

DRsp Nr. 2018/6083

Kostentragung des Rechtsbeschwerdeverfahrens i.R.e. Abschiebungshaftanordnung eines Betroffenen

In den Fällen, in denen der Betroffene neben der Aufhebung der Haftanordnung die Feststellung von deren Rechtswidrigkeit beantragt und das Beschwerdegericht auf die Beschwerde des Betroffenen die Anordnung der Abschiebungshaft aufhebt, ohne zugleich über den Feststellungsantrag zu entscheiden, ist die Rechtsbeschwerde des Betroffenen nur dann zulässig, wenn aus der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, dass das Gericht über den Feststellungsantrag bewusst nicht entschieden hat. Enthalten die Beschlussgründe dagegen keine Ausführungen zu dem Feststellungsantrag, ist der Beschluss des Beschwerdegerichts auf Antrag um eine Sachentscheidung zu ergänzen.

Tenor

Die Hauptsache hat sich erledigt.

Gerichtskosten werden in dem Rechtsbeschwerdeverfahren nicht erhoben. Außergerichtlichen Kosten werden nicht erstattet.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Normenkette:

FamFG § 81 Abs. 1 S. 1; FamFG § 81 Abs. 2 Nr. 2 ; FamFG § 83 Abs. 2 ;

Gründe

I.

Mit der Beschwerde hat sich die Betroffene gegen die Abschiebungshaftanordnung des Amtsgerichts vom 12. Juli 2017 gewendet und zugleich die Feststellung beantragt, dass der angefochtene Beschluss sie in ihren Rechten verletzt hat. Das Landgericht hat die Haftanordnung mit dem angefochtenen Beschluss vom 8. August 2017 aufgehoben. Ausführungen zu dem Feststellungsantrag der Betroffenen finden sich in dem Beschluss nicht. Am 9. August 2017 hat die Betroffene das Landgericht zur Vermeidung einer Rechtsbeschwerde um Entscheidung über den Feststellungsantrag gebeten und angefügt, einer Entscheidung werde bis zum 30. August 2017 entgegengesehen. Nachdem hierauf keine Reaktion des Landgerichts erfolgt war, hat die Betroffene am 8. September 2017 Rechtsbeschwerde eingelegt. Auf Antrag der Betroffenen hat der Senat durch Beschluss vom 24. November 2017 das Rechtsbeschwerdeverfahren bis zur Entscheidung des Landgerichts über den Ergänzungsantrag vom 9. August 2017 ausgesetzt. Nachdem das Landgericht durch Beschluss vom 18. Januar 2018 im Wege der Ergänzung festgestellt hat, dass der Beschluss des Amtsgerichts die Betroffene in ihren Rechten verletzt hat, hat diese die Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, von der Erhebung von Gerichtskosten abzusehen und ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der beteiligten Behörde aufzuerlegen.

II.

Die Hauptsache hat sich aufgrund der von dem Beschwerdegericht ausgesprochenen Ergänzung erledigt. Dies ist durch Beschluss festzustellen (vgl. BayObLGZ 1979, 117 , 120; Keidel/Sternal, FamFG , 19. Aufl., § 22 Rn. 30). Über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist gemäß § 83 Abs. 2 , § 81 FamFG zu entscheiden. Dies führt gemäß § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG zur Nichterhebung der Gerichtskosten. Anlass, der Betroffenen oder der beteiligten Behörde die außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen (§ 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG ), besteht nicht.

1. Eine Kostentragungspflicht der Betroffenen gemäß § 83 Abs. 2 , § 81 Abs. 2 Nr. 2 FamFG scheidet aus. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen, dass nämlich die Rechtsbeschwerde von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und die anwaltlich vertretene Betroffene dies erkennen musste, liegen nicht vor.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist in den Fällen, in denen der Betroffene - wie hier - neben der Aufhebung der Haftanordnung in entsprechender Anwendung von § 62 Abs. 1 FamFG die Feststellung von deren Rechtswidrigkeit beantragt und das Beschwerdegericht auf die Beschwerde des Betroffenen die Anordnung der Abschiebungshaft aufhebt, ohne zugleich über den Feststellungsantrag zu entscheiden, die Rechtsbeschwerde des Betroffenen nur dann zulässig, wenn aus der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, dass das Gericht über den Feststellungsantrag bewusst nicht entschieden hat (vgl. Senat, Beschluss vom 6. März 2014 - V ZB 17/14 InfAuslR 2014, 281 Rn. 4; Beschluss vom 6. März 2014 - V ZB 205/13, FGPrax 2014, 188 Rn. 3). Enthalten die Beschlussgründe dagegen keine Ausführungen zu dem Feststellungsantrag, ist davon auszugehen, dass die Entscheidung über diesen Antrag versehentlich unterblieben ist. Dann ist der Beschluss des Beschwerdegerichts gemäß § 43 FamFG auf Antrag um eine Sachentscheidung zu ergänzen; lediglich letztere kann ggf. mit der Rechtsbeschwerde angegriffen werden (vgl. Senat, Beschluss vom 6. März 2014 - V ZB 205/13, FGPrax 2014, 188 Rn. 3).

b) Aus dem Umstand, dass die Gründe des Beschlusses vom 8. August 2017 keine Ausführungen zu dem Feststellungsantrag enthielten, musste der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen aber nicht schließen, dass der nachgesuchte Rechtsschutz aufgrund des gestellten Ergänzungsantrags hinreichend gewährt würde und es der Einlegung einer Rechtsbeschwerde nicht bedürfe. Es bestand nämlich die Besonderheit, dass das Beschwerdegericht trotz des Hinweises in dem Schriftsatz der Betroffenen vom 9. August 2017, es werde zur Vermeidung einer Rechtsbeschwerde um eine Entscheidung über den Feststellungsantrag gebeten, nicht reagiert hat. Deshalb war unklar, ob eine nachträgliche Entscheidung gemäß § 43 FamFG noch erfolgen sollte oder ob das Beschwerdegericht bewusst nicht über den Feststellungantrag entschieden hatte. Bei dieser Sachlage kann der Betroffenen nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass ihr Verfahrensbevollmächtigter zur Vermeidung von Rechtsnachteilen fristgerecht vorsorglich Rechtsbeschwerde eingelegt hat.

2. Auf der anderen Seite ist es aber auch nicht gerechtfertigt, der beteiligten Behörde die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Dass die Rechtsbeschwerde eingelegt wurde und es hierdurch zu der Entstehung weiterer Kosten gekommen ist, hat seine maßgebliche Ursache in dem verfahrenswidrigen Vorgehen des Beschwerdegerichts, das zum einen über den bereits mit der Beschwerde gestellten Feststellungsantrag der Betroffenen zunächst nicht entschieden und auf den von dem Bevollmächtigten der Betroffenen gestellten Ergänzungsantrag nicht zeitnah reagiert hat. Letzteres beruht zwar darauf, dass der Schriftsatz mit dem Ergänzungsantrag vom 9. August 2017 den Richtern der Beschwerdekammer erst am 26. September 2017 vorgelegt worden ist. Dies rechtfertigt aber keine abweichende Beurteilung, weil es auf ein Verschulden des Gerichts nicht ankommt (vgl. Senat, Beschluss vom 13. Juli 2017 - V ZB 89/16, juris Rn. 7 zu einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG ).

3. Bei dieser Sachlage hält es der Senat für angemessen, dass Gerichtskosten nicht erhoben werden (§ 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG ) und die Betroffene und die beteiligte Behörde ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.

4. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 36 Abs. 3 GNotKG .

Vorinstanz: AG Halle-Saalkreis, vom 12.07.2017 - Vorinstanzaktenzeichen XIV B 38/17
Vorinstanz: LG Halle, vom 08.08.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 1 T 234/17