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BSG - Entscheidung vom 01.02.2017

B 12 R 35/16 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2

BSG, Beschluss vom 01.02.2017 - Aktenzeichen B 12 R 35/16 B

DRsp Nr. 2017/10498

Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen Grundsatzrüge Divergenzrüge Begriff der Abweichung

1. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten. 2. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll. 3. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt sind; die Beschwerdebegründung muss daher aufzeigen, dass das LSG von einer Entscheidung der in § 160 Abs 2 Nr 2 SGG genannten Gerichte abweicht, indem es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage eines dieser Gerichte entgegensteht und der Berufungsentscheidung tragend zugrunde liegt. 4. Dabei ist im sozialgerichtlichen Verfahren - wie in § 160 Abs 2 Nr 2 SGG deutlich zum Ausdruck kommt - nur eine Beschwerde zulässig, die auf die Abweichung des angegriffenen Urteils von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG gestützt wird. 5. Wird die Beschwerde hingegen lediglich auf eine Abweichung von einem Urteil eines LSG bzw einem hierin aufgestellten vermeintlichen Rechtssatz gestützt, ist sie unzulässig.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Juni 2016 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 36 241,27 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe:

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich die Klägerin gegen die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen nebst Umlagen durch die Beklagte. Im Kern streiten die Beteiligten über den sozialversicherungsrechtlichen Status dreier LKW-Fahrer, die in den Jahren 2006 bis 2008 wiederholt für die Klägerin tätig waren und von ihr als selbstständige Subunternehmer behandelt wurden.

Die Beklagte stufte die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. bis 3. für die Klägerin als Beschäftigung ein und forderte von der Klägerin Sozialversicherungsbeiträge nebst Umlagen in Höhe von 36 241, 27 Euro (Bescheid vom 4.7.2011). Nach erfolglosem Widerspruch hat das SG die Bescheide der Beklagten aufgehoben (Urteil vom 2.12.2014). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 21.6.2016.

II

Die Beschwerde der Klägerin ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

Zur Begründung ihrer Beschwerde beruft sich die Klägerin auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache "gem. § 132 Abs. 1 Nr 1 VwGO " (im vorliegenden sozialgerichtlichen Verfahren zutreffend: § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) sowie eine Abweichung in der Begründung des LSG-Urteils "vom Regel-Ausnahme-Prinzip ... (§ 132 Abs. 1 Nr. 2 VwGO )", was aufgrund der zitierten VwGO -Norm als Divergenzrüge iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG auszulegen ist. In ihrer Beschwerdebegründung vom 18.7.2016 legt die Klägerin jedoch keinen der im sozialgerichtlichen Verfahren maßgeblichen og Zulassungsgründe in der nach § 160a Abs 2 S 3 SGG für die Zulässigkeit der Beschwerde erforderlichen Form dar.

1. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin formuliert schon keine Rechtsfrage, zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG ) mit höherrangigem Recht. Diese ist jedoch für die Zulässigkeit einer auf die Grundsatzrüge gestützten Nichtzulassungsbeschwerde unverzichtbar, weil das Beschwerdegericht nur an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261 , 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX, RdNr 181).

Statt eine konkrete Rechtsfrage zu formulieren, räumt die Klägerin zunächst ein, dass die Tätigkeit als LKW-Fahrer entsprechend der Urteilsbegründung des LSG sowohl in (abhängiger) Beschäftigung, wie auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden könne. Sodann subsumiert sie die vom LSG festgestellten Umstände des vorliegenden Falles unter Maßstäbe, die sie einem Urteil des Bayerischen LSG (vom 29.3.2011 - L 8 AL 152/08) entnimmt, und kommt zu dem Schluss, das angegriffene Urteil verletzte das vom Bayerischen LSG benannte Regel-Ausnahme-Verhältnis. Damit wendet sich die Klägerin ausschließlich gegen die Rechtsanwendung durch das LSG Baden-Württemberg im Einzelfall, also gegen die inhaltliche Richtigkeit des angegriffenen Urteils. Hierauf kann die Beschwerde - wie oben bereits dargelegt - jedoch nicht zulässig gestützt werden.

2. Die Beschwerdebegründung genügt auch nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes der Divergenz. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt sind. Die Beschwerdebegründung muss daher aufzeigen, dass das LSG von einer Entscheidung der in § 160 Abs 2 Nr 2 SGG genannten Gerichte abweicht, indem es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage eines dieser Gerichte entgegensteht und der Berufungsentscheidung tragend zugrunde liegt (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21 , 29 und 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN). Dabei ist im sozialgerichtlichen Verfahren - wie in § 160 Abs 2 Nr 2 SGG deutlich zum Ausdruck kommt - nur eine Beschwerde zulässig, die auf die Abweichung des angegriffenen Urteils von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG gestützt wird. Wird die Beschwerde hingegen - wie vorliegend - lediglich auf eine Abweichung von einem Urteil eines LSG bzw einem hierin aufgestellten vermeintlichen Rechtssatz gestützt, ist sie unzulässig.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 , § 162 Abs 3 VwGO .

5. Der Streitwert war für das Beschwerdeverfahren gemäß § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 3 , § 47 Abs 1 und 3 GKG in Höhe des Betrags der von der Klägerin bestrittenen Beitragsforderung festzusetzen.

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 21.06.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 11 R 363/15
Vorinstanz: SG Freiburg, - Vorinstanzaktenzeichen 6 R 6036/11