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BSG - Entscheidung vom 09.08.2017

B 12 R 9/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGG § 54 Abs. 1 S. 2

BSG, Beschluss vom 09.08.2017 - Aktenzeichen B 12 R 9/17 B

DRsp Nr. 2017/14437

Beitragspflicht zur Sozialversicherung Zustellung eines Beitragsbescheides an eine GbR Formelle Beschwer als Zulässigkeitsvoraussetzung einer Klage Grundsatzrüge

1. Eine Rechtsfrage ist auch dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden ist, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von einer Nichtzulassungsbeschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben. 2. Nach der Rechtsprechung des BSG erfordert die Klagebefugnis als Zulässigkeitsvoraussetzung für Anfechtungsklagen gemäß § 54 Abs. 1 S. 2 SGG die Behauptung des Klägers, durch den angegriffenen Verwaltungsakt beschwert zu sein. 3. Eine formelle Beschwer im Sinne einer Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte ist nur dann zu verneinen, wenn die Rechte des Klägers durch die in Rede stehende Entscheidung oder Maßnahme offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können. 4. Ob die angegriffene Entscheidung den Anfechtenden tatsächlich in eigenen Rechten verletzt, ist dagegen eine Frage der Begründetheit.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 6. Januar 2017 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 4906,39 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGG § 54 Abs. 1 S. 2;

Gründe:

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger, Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), gegen nach durchgeführter Betriebsprüfung erlassene Beitragsnachforderungsbescheide der Beklagten vom 9.12.2010 und 28.3.2011. Der von der GbR eingelegte Widerspruch gegen die an sie gerichteten Bescheide hatte keinen Erfolg. Den Widerspruchsbescheid vom 22.8.2012 hat die Beklagte in mehreren Ausfertigungen versandt. Eine Ausfertigung weist im Adressfeld die GbR aus, andere Ausfertigungen sind an einzelne Gesellschafter gerichtet. Die vom Kläger gegen den an ihn adressierten Widerspruchsbescheid vom 22.8.2012 erhobene Klage hat das SG Lüneburg als unbegründet abgewiesen (Urteil vom 2.8.2016). Die Berufung hat das LSG Niedersachsen-Bremen zurückgewiesen, weil der Kläger durch die Beitragsbescheide nicht beschwert und damit nicht klagebefugt sei (Beschluss vom 6.1.2017). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde vom 13.2.2017.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG ). Der Kläger hat entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) nicht hinreichend dargelegt.

Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 RK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger misst der Frage eine grundsätzliche Bedeutung bei, ob

"ein Gesellschafter einer GbR durch einen Bescheid, der an die GbR und an ihn persönlich zugestellt wurde, beschwert im Sinne von § 54 Abs. 1 S. 2 SGG "

ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob damit schon keine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG ) mit höherrangigem Recht ( BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert worden oder ob lediglich das Ergebnis eines Subsumtionsvorgangs im Einzelfall betroffen ist. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann ( BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN). Jedenfalls ist die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage nicht aufgezeigt worden.

Eine Rechtsfrage ist auch dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden ist, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben ( BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Nach der Rechtsprechung des BSG erfordert die Klagebefugnis als Zulässigkeitsvoraussetzung für Anfechtungsklagen gemäß § 54 Abs 1 S 2 SGG die Behauptung des Klägers, durch den angegriffenen Verwaltungsakt beschwert zu sein. Eine formelle Beschwer im Sinne einer Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte ist nur dann zu verneinen, wenn die Rechte des Klägers durch die in Rede stehende Entscheidung oder Maßnahme offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können. Ob die angegriffene Entscheidung den Anfechtenden tatsächlich in eigenen Rechten verletzt, ist dagegen eine Frage der Begründetheit ( BSG Urteil vom 22.10.2014 - B 6 KA 43/13 R - SozR 4-1500 § 54 Nr 37 RdNr 12 mwN).

Da sich der Kläger schon nicht mit der bereits ergangenen - und oben zitierten - Rechtsprechung des BSG zur Klagebefugnis befasst, genügt die Beschwerdebegründung nicht den Zulässigkeitsanforderungen. Die Anforderungen werden auch nicht dadurch erfüllt, dass der Kläger vorträgt, die Beantwortung der Frage ermögliche die Beurteilung der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Da eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht schon dann zulässig und begründet ist, wenn die angefochtene Entscheidung - zumindest aus Sicht des Rechtsmittelführers - materiell falsch ist, kommt es gerade auf die substantiierte Darlegung der im Gesetz enumerativ genannten Zulassungsgründe, vorliegend also der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, an. Ist eine Rechtsfrage so klar und eindeutig, dass eine Darlegung ihrer Klärungsbedürftigkeit unterbleibt, und wurde sie - aus Sicht des Beschwerdeführers - vom Berufungsgericht im konkreten Fall "nur" falsch beantwortet, fehlt es an der Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Deshalb kann allein die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).

Unabhängig davon hätte es auch nahegelegen, auf die Rechtsprechung des BGH zur Rechtsnatur der GbR und Haftung der Gesellschafter sowie der daraus folgenden Konsequenzen für die Klagebefugnis hinsichtlich der an die GbR-Gesellschafter gerichteten, die GbR betreffenden Beitragsbescheide einzugehen; danach ist die GbR selbst Gläubigerin und Schuldnerin, die Gesellschafter haften analog § 128 Handelsgesetzbuch akzessorisch als Gesamtschuldner (BGH Urteile vom 8.2.2011 - II ZR 263/09 - NJW 2011, 2040 , vom 24.7.2012 - II ZR 297/11 - NJW 2013, 452 und vom 18.10.2012 - III ZR 150/11 - NJW 2013, 862 ).

Im Übrigen sieht der Senat von einer weiteren Begründung ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO .

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und Abs 3 S 1, § 47 Abs 1 S 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 S 1 GKG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 06.01.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 2 R 506/16
Vorinstanz: SG Lüneburg, vom 02.08.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 1 R 477/12