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BGH - Entscheidung vom 20.07.2017

IX ZR 316/16

Normen:
InsO § 134 Abs. 1
InsO § 143 Abs. 1
BGB § 389
BGB § 812

BGH, Beschluss vom 20.07.2017 - Aktenzeichen IX ZR 316/16

DRsp Nr. 2017/16544

Zahlung einer Bearbeitungsgebühr durch den Schuldner als unentgeltliche Leistung im Darlehensvertrag; Anfechtbarkeit der erlangten Möglichkeit einer Aufrechnung oder Verrechnung als unentgeltliche Leistung durch die dem Schuldner zustehende Gegenforderung eines bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruchs

Ein Schuldner, der im Zwei-Personen-Verhältnis auf eine nicht bestehende Schuld leistet, nimmt keine unentgeltliche Leistung vor, wenn er irrtümlich annimmt, zu einer entgeltlichen Leistung verpflichtet zu sein.

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die vom Berufungsgericht zugelassene Revision gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 17. November 2016 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Der Wert des Revisionsverfahrens wird auf 700 € festgesetzt.

Normenkette:

InsO § 134 Abs. 1 ; InsO § 143 Abs. 1 ; BGB § 389 ; BGB § 812 ;

Gründe

I.

Der Kläger ist Verwalter in dem am 14. Oktober 2010 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des M. (fortan: Schuldner). Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hatte dem Schuldner aufgrund eines Darlehensvertrages vom 19./22. Mai 2007 ein Darlehen in Höhe von 70.000 € netto zuzüglich eines Bearbeitungsentgeltes von 700 € ausgereicht. Die Rückzahlung sollte in monatlichen Raten zu je 800 € erfolgen. Der Schuldner zahlte die vereinbarte Rate letztmals am 28. Februar 2010 und stellte dann seine Zahlungen ein. Am 12. Oktober 2010 kündigte die Beklagte das Darlehen und stellte es zur sofortigen Rückzahlung fällig. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens meldete die Beklagte den Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens zur Tabelle an. Nachdem der Kläger die Rückzahlung der Bearbeitungsgebühr verlangt hatte, erklärte die Beklagte die Aufrechnung mit ihrem Darlehensanspruch, hilfsweise mit ihrem Anspruch auf Zahlung der Rate für März 2010, und nahm ihre Anmeldung in Höhe von 700 € nebst anteiliger Zinsen zurück.

Der Kläger hält die Aufrechnung für unzulässig. Er verlangt Zahlung von 700 € nebst Zinsen. Die Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten ist das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen worden. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

II.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor und die Revision hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO ).

1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts sind die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 134 Abs. 1 , § 143 Abs. 1 InsO wegen Fehlens einer unentgeltlichen Leistung nicht erfüllt. Der Schuldner habe angenommen, sich im Darlehensvertrag vom 19./22. Mai 2007 wirksam zur Zahlung der Bearbeitungsgebühr verpflichtet zu haben. In einem solchen Fall liege keine unentgeltliche Leistung vor. Der aus § 812 BGB folgende Rückzahlungsanspruch sei gemäß § 389 BGB durch Aufrechnung erloschen.

2. Das Berufungsurteil ist richtig. Wie der Senat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung entschieden hat, nimmt der Schuldner, der im ZweiPersonen-Verhältnis auf eine nicht bestehende Schuld leistet, keine unentgeltliche Leistung vor, wenn er irrtümlich annimmt, zu einer entgeltlichen Leistung verpflichtet zu sein. Die aufgrund von wechselseitigen Ansprüchen im Zusammenhang mit einem Vertragsverhältnis erlangte Möglichkeit einer Aufrechnung oder Verrechnung ist auch dann nicht als unentgeltliche Leistung anfechtbar, wenn die dem Schuldner zustehende Gegenforderung ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch ist (BGH, Urteil vom 20. April 2017 - IX ZR 252/16, WM 2017, 1215 Rn. 13, 29 ; zV in BGHZ bestimmt).

3. Das Berufungsgericht hat die Revision wegen divergierender Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts zugelassen. Eine Divergenz im Sinne von § 543 ZPO setzt jedoch voraus, dass die anzufechtende Entscheidung von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Die anzufechtende Entscheidung muss ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantworten als die Vergleichsentscheidung, mithin einen Rechtssatz aufstellen, der sich mit einem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten und diese tragenden Rechtssatz nicht deckt (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288 , 292 f). Das vom Berufungsgericht zitierte Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 17. Dezember 2015 ( 6 AZR 186/14, BAGE 154, 28 = NJW 2016, 970 , Rn. 23) betrifft die Anfechtung von Zahlungen aufgrund eines wirksam geschlossenen und in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnisses an eine grundlos freigestellte Arbeitnehmerin. Die Gleichsetzung von "rechtsgrundlos" und "unentgeltlich" (BAG, aaO Rn. 23) steht im Widerspruch zum Senatsurteil vom 20. April 2017, trägt das in Bezug genommene Urteil des Bundesarbeitsgerichts jedoch nicht.

III.

Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Zurückweisungsbeschluss er ledigt worden.

Vorinstanz: AG München, vom 16.10.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 264 C 2145/15
Vorinstanz: LG München I, vom 17.11.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 6 S 21301/15