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BGH - Entscheidung vom 26.07.2017

5 StR 212/17

Normen:
StPO § 349 Abs. 2
StGB § 249 Abs. 1
StGB § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a-b)

Fundstellen:
NStZ-RR 2018, 33

BGH, Beschluss vom 26.07.2017 - Aktenzeichen 5 StR 212/17

DRsp Nr. 2017/11860

Finalzusammenhang zwischen Nötigung und Wegnahme beim Raub

Für eine Strafbarkeit wegen Raubes ist eine finale Verknüpfung zwischen dem Einsatz des qualifizierten Nötigungsmittels und der Wegnahme notwendige Voraussetzung. Der Umstand, dass die Wirkungen eines ohne Wegnahmevorsatzes eingesetzten Nötigungsmittels noch andauern und der Täter dies ausnutzt, genügt für die Annahme eines Raubes nicht.

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten L. wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 6. Januar 2017, soweit es ihn betrifft, aufgehoben mit Ausnahme der Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen, die bestehen bleiben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision dieses Angeklagten sowie die Revision des Angeklagten P. gegen das vorgenannte Urteil werden verworfen.

Der Angeklagte P. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Normenkette:

StPO § 349 Abs. 2 ; StGB § 249 Abs. 1 ; StGB § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a-b);

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, den Angeklagten L. in weiterer Tateinheit mit schwerem Raub schuldig gesprochen, sie deswegen zu Freiheitsstrafen von sechs Jahren (L. ) bzw. zwei Jahren (P. ) verurteilt und die Vollstreckung der letztgenannten Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Die Revision des Angeklagten L. ist im Umfang der Beschlussformel erfolgreich; im Übrigen ist sie ebenso wie die Revision des Angeklagten P. unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO ).

1. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils beherbergte der Angeklagte L. den später Geschädigten M. , wobei ein Entgelt von zehn Euro pro Nacht vereinbart war. Nach wenigen Tagen kam es über die Mietzahlungen zum Streit. Er gipfelte am Abend vor der Tat darin, dass L. die gemeinsam bewohnte Wohnung mit dem Hinweis verließ, dass er den Zeugen M. nicht mehr sehen wolle, wenn er wieder zurückkomme. Auf der Straße traf L. den Mitangeklagten P. sowie den Nichtrevidenten B. , denen er mitteilte, dass es in seiner Wohnung jemanden gäbe, der diese nicht verlassen wolle und ihn mit einem Hammer bedrohe. Auf seine Bitte, ihm zu helfen, begaben sich alle drei in die Wohnung, in der der Zeuge M. bereits eingeschlafen war. In der Folge misshandelten die beiden Angeklagten und der Nichtrevident den Zeugen durch eine Vielzahl von Tritten und Faustschlägen, die sie überwiegend gegen Kopf und Gesicht des Zeugen richteten. Mehrfach wurde der Zeuge, der vor den Schlägen fliehen wollte, am Verlassen der Wohnung gehindert. Als M. am Ende der Körperverletzungshandlungen mit dem Rücken auf dem Boden lag, zog der Angeklagte L. ihm die Geldbörse aus der Hosentasche und verließ das Zimmer. Es konnte nicht aufgeklärt werden, ob die Mitangeklagten zu diesem Zeitpunkt weiterhin auf den Zeugen einschlugen und ob sie die Wegnahmehandlung wahrgenommen hatten. L. entnahm der Geldbörse später die darin befindlichen Geldscheine (30 Euro) und verwendete sie für sich. Der Geschädigte erlitt erhebliche Schädelverletzungen.

2. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung des Angeklagten P. hat keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben.

3. Die Revision des Angeklagten L. führt zur Aufhebung des ihn betreffenden Schuldspruchs.

Der Schuldspruch wegen (besonders) schweren Raubes (§ 249 Abs. 1 , § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a und b StGB ) hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand, da die Feststellungen nicht den erforderlichen Finalzusammenhang zwischen Nötigung und Wegnahme belegen (vgl. SSW-StGB/Kudlich, 3. Aufl., § 249 Rn. 12 ff.).

Notwendige Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen Raubes ist eine finale Verknüpfung zwischen dem Einsatz des qualifizierten Nötigungsmittels und der Wegnahme (BGH, Urteil vom 20. Januar 2016 - 1 StR 398/15, BGHSt 61, 141 , 144 mwN); der Umstand, dass die Wirkungen eines ohne Wegnahmevorsatz eingesetzten Nötigungsmittels noch andauern und der Täter dies ausnutzt, genügt für die Annahme eines Raubes nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2001 - 3 StR 176/01, vom 21. März 2006 - 3 StR 3/06, NStZ 2006, 508 , vom 24. Februar 2009 - 5 StR 39/09, NStZ 2009, 325 und vom 25. September 2012 - 2 StR 340/12, NStZ-RR 2013, 45 ). Auch das bloße Ausnutzen der Angst eines der Einwirkung des Täters schutzlos ausgelieferten Opfers ist insoweit nicht ausreichend (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2014 - 5 StR 41/14, NStZ 2015, 156 , 157 mwN).

Soweit das Landgericht darauf abgestellt hat, dass der Angeklagte "die von ihm und seinen Mittätern begangene Gewalt dazu aus(nutzte), um dem Zeugen M. die Geldbörse wegzunehmen und aus dieser dann 30 Euro ... zu entnehmen" (UA S. 11), wird diesen Maßstäben nicht genügt. Zwar wird im Folgesatz des Urteils festgestellt, es sei "ihnen" darauf angekommen, "dass die gegen den Zeugen M. ... aufgewendete Gewalt die Wegnahme des Geldes ermöglichte". Diese Feststellung steht jedoch in einem unauflöslichen Spannungsverhältnis zu dem Umstand, dass das Landgericht gerade nicht von einem Raubvorsatz der Mitangeklagten ausgegangen ist. Der Senat hält es freilich für möglich, dass dem Landgericht insoweit lediglich ein Fassungsversehen unterlaufen ist und gemeint war, es sei "ihm", nämlich dem Angeklagten L. , bei der Gewaltanwendung auf die Ermöglichung der Wegnahme des Geldes angekommen. Eine entsprechende Feststellung wäre jedoch nicht durch die Beweiswürdigung unterlegt.

Zwar liegt es in Fällen, in denen das Opfer zahlreichen - nicht notwendig in Zusammenhang mit Raub stehenden - körperlichen Übergriffen ausgesetzt war, nahe, dass der Täter für den Fall, dass das Opfer einer Wegnahme entgegentritt, zumindest konkludent mit der Anwendung weiterer Gewalt droht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 2012 - 3 StR 422/12). Eine derartige Feststellung hat das Landgericht jedoch nicht getroffen; sie lässt sich auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen.

4. Die Aufhebung erstreckt sich auch auf den Schuldspruch wegen tateinheitlich verwirklichter gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung. Dieser ist an sich im Ergebnis rechtsfehlerfrei; allerdings weist der Senat darauf hin, dass § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB durch § 250 Abs. 2 Nr. 3b StGB verdrängt wird (BGH, Beschluss vom 26. November 2012 - 5 StR 541/12). Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen können bestehen bleiben. Sie dürfen durch ihnen nicht widersprechende Feststellungen ergänzt werden.

5. Da sich das Verfahren nur noch gegen den erwachsenen Angeklagten L. richtet, verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer zurück.

Vorinstanz: LG Leipzig, vom 06.01.2017
Fundstellen
NStZ-RR 2018, 33