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BGH - Entscheidung vom 01.02.2017

VII ZB 18/14

Normen:
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1

Fundstellen:
BauR 2017, 913
FamRZ 2017, 827
MDR 2017, 487
NJW 2017, 10
NJW 2017, 1397
NZBau 2017, 276
NZBau 2017, 5
ZfBR 2017, 349

BGH, Beschluss vom 01.02.2017 - Aktenzeichen VII ZB 18/14

DRsp Nr. 2017/2970

Erstattungsfähigkeit der Kosten für ein prozessbegleitend eingeholtes privates Sachverständigengutachten

Die Erstattungsfähigkeit der Kosten für ein prozessbegleitend eingeholtes, privates Sachverständigengutachten ist nicht deshalb gegeben, weil einem solchen privaten Gutachten im Rahmen des Rechtsstreits ein höheres Gewicht zukäme als sonstigem Parteivortrag.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichtes Köln vom 24. März 2014 in Richtung des Beklagten zu 1 wird zurückgewiesen.

Die im Rechtsbeschwerdeverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 trägt der Kläger. Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung vorbehalten.

Normenkette:

ZPO § 91 Abs. 1 S. 1;

Gründe

I.

Der Kläger ist Inhaber eines Bauunternehmens. Im Dezember 2000 beauftragten die Beklagten den Kläger mit der Errichtung eines Wohnhauses. Der Kläger nahm die Beklagten wegen der Zahlung eines Restwerklohns in Höhe von 36.002,15 € nebst Zinsen in Anspruch. Im Laufe des Prozesses führten die Beklagten zwei von ihnen bereits vorprozessual eingeholte Sachverständigengutachten, die sich über Mängel des Bauwerks sowie fehlende Fertigstellungsarbeiten verhielten, in den Prozess ein. Daraufhin beauftragte der Kläger seinerseits einen Sachverständigen, um dessen Stellungnahme den von den Beklagten eingeholten Gutachten entgegenzusetzen. Für dieses Gutachten wandte der Kläger 5.550,35 € netto auf.

Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens begehrt der Kläger, die für seinen Sachverständigen aufgewandten Kosten von 5.550,35 € netto in der Kostenausgleichung zu berücksichtigen.

Das Landgericht hat im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11. Dezember 2012 die Kosten für den Privatsachverständigen des Klägers berücksichtigt und einen Erstattungsanspruch des Klägers gegen die Beklagten in Höhe von 3.675,34 € festgesetzt. Gegen diese Entscheidung haben die Beklagten Beschwerde eingelegt. Das Beschwerdegericht hat den Kostenfestsetzungsbeschluss dahin abgeändert, dass der Kläger verpflichtet ist, den Beklagten 345,13 € zu erstatten. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Kläger, den Beschluss des Beschwerdegerichtes aufzuheben und die Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichtes zurückzuweisen.

Im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist über das Vermögen der Beklagten zu 2 das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

II.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde des Klägers in Richtung des Beklagten zu 1 hat keinen Erfolg. Hinsichtlich der Beklagten zu 2 ist das Rechtsbeschwerdeverfahren unterbrochen, § 240 ZPO .

1. Das Beschwerdegericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Die Kosten für ein im Laufe des Rechtsstreits auf Veranlassung einer Partei erstelltes Privatgutachten seien in aller Regel nicht erstattungsfähig. Anderes gelte, wenn das Gutachten prozessbezogen sei und zudem die eigene Sachkunde der Partei für ein klares Urteil in tatsächlicher Hinsicht nicht ausreiche, so dass sie sich berechtigterweise außer Stande sehe, ihrer Darlegungslast zu genügen, einen gebotenen Beweis anzutreten oder Angriffe des Gegners sachkundig abzuwehren.

Auf dieser Grundlage sei es nicht gerechtfertigt, die Gutachterkosten des Klägers als erstattungsfähig anzusehen. Der Kläger sei als Inhaber des die Baumaßnahme ausführenden Bauunternehmens als sachkundige Partei anzusehen. Zu Recht hätte die Beklagtenseite wiederholt und unwidersprochen darauf hingewiesen, dass der Kläger als Betreiber eines Bauunternehmens in der Lage sei, sich mit dem beklagtenseits außergerichtlich eingeholten Gutachten inhaltlich auseinanderzusetzen. Dies gelte auch, soweit es um die Beurteilung des kostenmäßigen Umfangs der noch ausstehenden Fertigstellungsarbeiten sowie der Mängelbehebung gehe.

Im Hinblick auf die Sachkunde des Klägers sei es unerheblich, dass das eingeholte Privatgutachten für die Entscheidung des Gerichtes eine Rolle gespielt haben möge. Es sei dem Kläger unbenommen, sich der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen, was aber für die Frage der Erstattungsfähigkeit der Kosten unerheblich sei. In diesem Zusammenhang könne es deshalb auch keine Rolle spielen, dass Ausführungen eines Sachverständigen als gewichtiger angesehen werden könnten.

2. Das hält der rechtlichen Überprüfung stand.

a) § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO bestimmt, dass die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten erstatten muss, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO erstattungsfähige notwendige Kosten solche, die für Maßnahmen anfallen, die eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei als sachdienlich ansehen darf. Für die Beurteilung der Notwendigkeit ist auf den Zeitpunkt der Veranlassung der die Kosten auslösenden Maßnahme abzustellen. Zu den erstattungsfähigen Kosten können ausnahmsweise die Kosten für die Einholung eines Privatsachverständigengutachtens gehören, wenn sie unmittelbar prozessbezogen sind (BGH, Beschluss vom 7. Februar 2013 - VII ZB 60/11, NJW 2013, 1820 Rn. 24 = BauR 2013, 990 ; Beschluss vom 26. Februar 2013 - VI ZB 59/12, NJW 2013, 1823 Rn. 4 f.; Beschluss vom 20. Dezember 2011 - VI ZB 17/11, BGHZ 192, 140 Rn. 10).

Holt eine Partei ein privates Sachverständigengutachten unmittelbar prozessbezogen ein, wird die Frage, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die kostenauslösende Maßnahme als sachdienlich ansehen durfte, in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in den Fällen bejaht, in denen die Partei infolge fehlender Sachkenntnis ohne die Einholung des Privatgutachtens nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage war. Dazu gehören auch Fälle, in denen die Partei ohne Einholung eines Privatgutachtens ein ihr nachteiliges Gerichtssachverständigengutachten nicht zu erschüttern vermag (BGH, Beschluss vom 7. Februar 2013 - VII ZB 60/11, aaO Rn. 25; Beschluss vom 20. Dezember 2011 - VI ZB 17/11, aaO Rn. 13).

b) Nach den vom Beschwerdegericht festgestellten Tatsachen, die die Rechtsbeschwerde nicht angreift, hat das Beschwerdegericht auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Recht eine Erstattungsfähigkeit des vom Kläger eingeholten Sachverständigengutachtens verneint. Der Kläger war danach aufgrund seiner eigenen Sachkunde ohne weiteres in der Lage, zu dem Inhalt der beklagtenseits eingeholten Gutachten, die die Beurteilung des kostenmäßigen Umfangs der noch ausstehenden Fertigstellungsarbeiten sowie der Mängelbehebung betrafen, vorzutragen. Spezialkenntnisse, die der Kläger als Bauunternehmer nicht hatte, waren hierfür nicht erforderlich.

Soweit die Rechtsbeschwerde meint, der Kläger sei nach dem verfahrensrechtlichen Grundsatz der "Waffengleichheit" berechtigt gewesen, sich seinerseits sachverständiger Hilfe zu bedienen, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Die beklagtenseits eingeholten Sachverständigengutachten dienten dazu, eine "Waffengleichheit" zur Sachkunde des Klägers herzustellen. Damit waren beide Parteien gleichermaßen in die Lage versetzt, zur Fertigstellung und Mangelhaftigkeit des Bauwerkes vorzutragen. Der Kläger benötigte seinerseits kein privates Gutachten, um den Einwendungen in dem Privatsachverständigengutachten der Beklagtenseite entgegenzutreten.

c) Soweit die Rechtsbeschwerde weiter meint, die Erstattungsfähigkeit des vom Kläger eingeholten Privatgutachtens müsse bejaht werden, weil das Gutachten den Verlauf des Rechtsstreits zugunsten des Klägers beeinflusst habe, teilt der Senat diese Auffassung ebenfalls nicht.

Der Umstand, dass das Privatgutachten den Rechtsstreit beeinflusst hat, ist für die Frage der Erstattungsfähigkeit der Kosten unerheblich. Entscheidend ist allein, wie unter a) oben ausgeführt, ob die Partei im Zeitpunkt der Einholung des Privatsachverständigengutachtens die Aufwendung dieser Kosten als sachdienlich ansehen konnte.

d) Soweit das Beschwerdegericht die Frage aufwirft, ob die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines privaten Sachverständigengutachtens deshalb zu bejahen sei, weil diesem im Rahmen des Rechtsstreits ein höheres Gewicht zukomme als sonstigem Parteivortrag, ist diese Frage zu verneinen.

Das Gebot aus Art. 103 Abs. 1 GG , rechtliches Gehör zu gewähren, verpflichtet die Gerichte, die entscheidungserheblichen Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in die Erwägungen miteinzubeziehen (BGH, Beschluss vom 6. April 2016 - VII ZR 16/15 Rn. 11). Diese Pflicht besteht unabhängig davon, ob eine Partei aufgrund eigener oder durch ein privates Sachverständigengutachten vermittelter Sachkunde im Prozess vorträgt.

3. Die Kostenentscheidung in Bezug auf den Beklagten zu 1 folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO ; im Übrigen bleibt sie vorbehalten.

Vorinstanz: LG Köln, vom 10.12.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 7 O 15/09
Vorinstanz: OLG Köln, vom 24.03.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 17 W 192/13
Fundstellen
BauR 2017, 913
FamRZ 2017, 827
MDR 2017, 487
NJW 2017, 10
NJW 2017, 1397
NZBau 2017, 276
NZBau 2017, 5
ZfBR 2017, 349