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BFH - Entscheidung vom 11.12.2017

VI B 21/17

Normen:
FGO § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 128 Abs. 2
GG Art. 103 Abs. 1
FGO § 96 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 2. Alt. und Nr. 3
FGO § 128 Abs. 2
GG Art. 103 Abs. 1

Fundstellen:
AO-StB 2018, 88
BFH/NV 2018, 445

BFH, Beschluss vom 11.12.2017 - Aktenzeichen VI B 21/17

DRsp Nr. 2018/1963

Verletzung des rechtlichen Gehörs durch rechtswidrige Zurückweisung eines PKH-Antrags Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung durch das Finanzgericht im PKH-Verfahren

1. NV: Obwohl PKH-Beschlüsse des FG gemäß § 128 Abs. 2 FGO unanfechtbar sind, kann der Beschwerdeführer im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs dahingehend erheben, dass das FG ihn in rechtswidriger Weise um die Möglichkeit gebracht habe, sich durch einen Prozessbevollmächtigten sachkundig vertreten zu lassen. 2. NV: Die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussichten durch das FG im PKH-Verfahren setzt die Kenntnis der tatsächlichen Grundlagen des Rechtsschutzbegehrens voraus. Diese kann das FG auch im PKH-Verfahren nicht nur den Darlegungen des Rechtsschutzsuchenden, sondern auch beigezogenen Verwaltungs- und Gerichtsakten entnehmen. Darin liegt keine, im PKH-Verfahren nur in eng begrenztem Umfang zulässige vorweggenommene Beweiswürdigung.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 13. Februar 2017 8 K 2592/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Normenkette:

FGO § 96 Abs. 2 , § 115 Abs. 2 Nr. 1 , § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2, § 115 Abs. 2 Nr. 3 , § 128 Abs. 2; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe

Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen. Die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe wurden teilweise nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ( FGO ) entsprechend dargelegt; im Übrigen liegen sie jedenfalls nicht vor.

1. Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ) muss der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formulieren und auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingehen, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 9. April 2014 XI B 128/13, BFH/NV 2014, 1224 , und vom 16. Mai 2008 VII B 118/07, BFH/NV 2008, 1440 ).

Diesen Anforderungen entspricht der Vortrag der Klägerin nicht. Sie hat schon keine konkrete Rechtsfrage herausgestellt, die in einem künftigen Revisionsverfahren geklärt werden könnte. Der Hinweis, dass "die hier in Rede stehenden Verhältnisse im Wirtschaftsleben nicht ungewöhnlich" seien und an "einer Entscheidung über dererlei Vertragsgestaltung ... also ein großes Bedürfnis" bestehe, rechtfertigt nicht die Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO .

2. Soweit die Klägerin meint, eine Entscheidung des BFH sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, gehört zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidung sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des Finanzgerichts (FG) einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen (Senatsbeschluss vom 15. März 2011 VI B 151/10, BFH/NV 2011, 1003 ).

Das Vorbringen der Klägerin wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Sie hat der Vorentscheidung schon keinen tragenden, abstrakten Rechtssatz entnommen und einen solchen Rechtssatz auch nicht einem tragenden abstrakten Rechtssatz einer vermeintlichen Divergenzentscheidung gegenübergestellt.

3. Die Zulassung der Revision kommt des Weiteren nicht wegen des geltend gemachten Verfahrensmangels in Betracht (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ).

a) Die Klägerin rügt insoweit, die Vorinstanz habe ihre Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) zu Unrecht abgelehnt und dadurch ihr Recht auf Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO ; Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes ) verletzt. Dem FG ist der gerügte Verfahrensfehler aber nicht unterlaufen.

aa) Obwohl PKH-Beschlüsse des FG gemäß § 128 Abs. 2 FGO unanfechtbar sind, kann nach der Rechtsprechung des BFH im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs dahingehend geltend gemacht werden, dass das FG den Antragsteller in rechtswidriger Weise um die Möglichkeit gebracht habe, sich durch einen Prozessbevollmächtigten sachkundig vertreten zu lassen (BFH-Beschlüsse vom 12. August 2008 X S 35/08 (PKH), BFH/NV 2008, 2030 , und vom 7. Oktober 2011 VII S 6/11 (PKH), BFH/NV 2012, 242 ; ebenso Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung , 8. Aufl., § 142 Rz 110; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung , Finanzgerichtsordnung , § 142 FGO Rz 71; jeweils m.w.N.).

bb) Das FG hat die PKH-Anträge der Klägerin aber nicht rechtswidrig abgelehnt. Es hat nachvollziehbar dargelegt, weshalb es aufgrund der Gesamtwürdigung der im Streitfall gegebenen Umstände bei summarischer Prüfung davon ausgegangen war, dass die Klägerin Arbeitgeberin der ... war und diese wiederum bei der Klägerin als Arbeitnehmer nichtselbständig beschäftigt waren. Das FG hatte auch keine schwierigen oder bisher ungeklärten Rechts- oder Tatsachenfragen zu entscheiden. Es konnte sich zur Frage des Arbeitgeber- und des Arbeitnehmerbegriffs im Einkommensteuerrecht vielmehr auf eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung stützen, die es im Rahmen der summarischen Prüfung auf den Streitfall angewendet hat. Dabei spricht —anders als die Klägerin meint— nicht bereits der Umfang der PKH-Beschlüsse der Vorinstanz für eine hinreichende Erfolgsaussicht ihrer Rechtsschutzbegehren.

cc) Das FG durfte sich zur Ermittlung der tatsächlichen Grundlagen seiner Entscheidung in rechtlich unbedenklicher Weise auch auf die beigezogenen Steuerakten, die Akten des Hauptzollamts und des Landgerichts Z stützen. Hierin lag insbesondere keine, im PKH-Verfahren nur in eng begrenztem Umfang zulässige vorweggenommene Beweiswürdigung (s. dazu Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts —BVerfG— vom 7. Mai 1997 1 BvR 296/94, Neue Juristische Wochenschrift 1997, 2745 , und vom 20. Februar 2002 1 BvR 1450/00, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht —NJW-RR— 2002, 1069). Denn die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussichten durch das FG setzt u.a. die Kenntnis der tatsächlichen Grundlagen des Rechtsschutzbegehrens voraus (s. BVerfG-Beschluss vom 14. Februar 2017 1 BvR 2507/16, www.bverfg.de). Diese kann das FG auch im PKH-Verfahren nicht nur den Darlegungen des Rechtsschutzsuchenden, sondern ebenso beigezogenen Verwaltungs- und Gerichtsakten entnehmen.

dd) Die Klägerin hat auch nicht hinreichend dargelegt, dass ihr die Vorinstanz PKH hätte gewähren müssen, weil eine Beweisaufnahme vor dem FG ernsthaft in Betracht kam (dazu BVerfG-Beschluss in NJW-RR 2002, 1069 ). Wird gerügt, das FG habe einen Beweisantrag verfahrensfehlerhaft übergangen, ist u.a. darzulegen, welche Tatfrage aufklärungsbedürftig ist, welche Beweismittel das FG zu welchem Beweisthema nicht erhoben hat, die Fundstellen, in denen die Beweismittel und Beweisthemen angeführt worden sind, das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme und inwiefern das Urteil des FG aufgrund dessen sachlich-rechtlicher Auffassung auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann (BFH-Beschluss vom 22. Oktober 2009 V B 108/08, BFH/NV 2010, 170 , m.w.N.).

Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Klägerin in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht. Sie trägt schon nicht vor, zu welchem konkreten Beweisthema das FG die Zeugen A und K hätte hören müssen. Auch vor dem FG waren die entsprechenden Beweisantritte der Klägerin zu unbestimmt. So wurden die Zeugen A und K in den Schreiben der Klägerin vom 16. November 2016 und vom 9. Dezember 2016 für "alles Vorstehende" bzw. für "sämtlichen vorstehenden Vortrag" benannt. Die Beweisantritte bezogen sich aber nicht auf konkrete Tatsachenbehauptungen. Vielmehr betrafen die vor den Beweisantritten befindlichen Darlegungen der Klägerin zu einem erheblichen Anteil auch Rechtsausführungen, die von vornherein keinem Beweis zugänglich waren. Das FG hätte sich aus dem Vorbringen der Klägerin daher letztlich selbst heraussuchen müssen, für welche Tatsachen der Zeugenbeweis angetreten werden sollte.

Den Vortrag der Klägerin zu den Vorgaben der Betriebsabläufe durch die Firma X hat das FG als wahr unterstellt, so dass insoweit schon aus diesem Grund keine Beweisaufnahme in Betracht kam.

b) Aus den zuvor unter 3.a dd dargelegten Gründen greift auch der Vortrag der Klägerin nicht durch, die Revision sei gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO deshalb zuzulassen, weil es das FG verfahrensfehlerhaft unterlassen habe, die Zeugen A und K zu vernehmen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO .

Vorinstanz: FG München, vom 13.02.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 8 K 2592/15
Fundstellen
AO-StB 2018, 88
BFH/NV 2018, 445