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BFH - Entscheidung vom 11.04.2017

IX R 4/16

Normen:
§ 17 EStG 2009
§ 255 HGB
§ 18 KredWG
§ 68 FGO
§ 100 FGO
§ 121 FGO
EStG VZ 2009
EStG § 17 Abs. 1

BFH, Urteil vom 11.04.2017 - Aktenzeichen IX R 4/16

DRsp Nr. 2017/11170

Berücksichtigung des Verzichts auf die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens als nachträgliche Anschaffungskosten einer Beteiligung

1. NV: Der Verzicht des Gesellschafters auf seinen Rückzahlungsanspruch aus einem der Kapitalgesellschaft gewährten Darlehen kann nicht als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung i.S. des § 17 EStG berücksichtigt werden, wenn im Zeitpunkt der Veranlagung feststeht, dass der Gesellschafter daraus nicht wirtschaftlich belastet ist. 2. NV: An einer wirtschaftlichen Belastung in diesem Sinne fehlt es, wenn der Gesellschafter bei wirtschaftlicher Betrachtung lediglich als Auszahlstelle ein von ihm bei einem Kreditinstitut aufgenommenes Darlehen entsprechend dessen Zweckbindung an die Kapitalgesellschaft weiterleitet und das Vermögen des Gesellschafters durch gleichzeitige, voneinander abhängige Rückzahlungsverzichte des Gesellschafters gegenüber der Kapitalgesellschaft und dem finanzierenden Kreditinstitut gegenüber dem Gesellschafter nicht belastet wird.

Der Verzicht eines Gesellschafters auf den Rückzahlungsanspruch aus einem der Kapitalgesellschaft gewährten Darlehen kann nicht als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft berücksichtigt werden, wenn im Zeitpunkt der Veranlagung feststeht, dass der Gesellschaft aus dem Ausfall des Darlehens nicht wirtschaftlich belastet ist. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der i.S. von § 17 Abs. 1 EStG an der Kapitalgesellschaft beteiligte Gesellschafter bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise lediglich ein von ihm bei einem Kreditinstitut aufgenommenes Darlehen entsprechend seiner Zweckbindung an die Kapitalgesellschaft weitergeleitet und durch gleichzeitige, voneinander abhängige Rückzahlungsverzichte des Gesellschafters gegenüber der Kapitalgesellschaft und dem finanzierenden Kreditinstitut gegenüber dem Gesellschafter das Vermögen des Gesellschafters nicht belastet wird.

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 20. Januar 2016 7 K 1699/14 E aufgehoben.

Der Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 15. Mai 2014 wird mit der Maßgabe geändert, dass der Veräußerungsgewinn im Sinne des § 17 des Einkommensteuergesetzes auf 161.478,27 € herabzusetzen ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Normenkette:

EStG § 17 Abs. 1 ;

Gründe

Streitig ist, ob und ggf. in welcher Höhe bei der Ermittlung eines Veräußerungsverlustes nach § 17 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres 2009 ( EStG ) der Verzicht auf ein Gesellschafterdarlehen und eine verdeckte Einlage als nachträgliche Anschaffungskosten geltend gemacht werden können.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Ehegatten und waren an der im Jahre 1999 gegründeten A–GmbH, die ab dem Jahr 2002 unter dem Namen B–GmbH firmierte, beteiligt; bis zum 31. Dezember 2005 betrug der Anteil des Klägers 75,2 % und der der Klägerin 24,8 %. Im Jahre 2000 wurde die C–GmbH gegründet, an der der Kläger zu 24,8 % und die Klägerin zu 75,2 % beteiligt waren. Die B–GmbH stellte Backwaren her, die sie an die C–GmbH lieferte und die von dieser in mehreren Filialen vertrieben wurden. Die C–GmbH wurde im Jahr 2005 auf die B–GmbH verschmolzen. Am 27. Juni 2006 veräußerte die Klägerin ihre Anteile an der B–GmbH zum Kaufpreis von 25.000 € an den Kläger.

Mit Vertrag vom 29. August 2001 gewährte der Kläger der B–GmbH ein Darlehen in Höhe von 2 Mio. DM (1.022.583,76 €). Zur Finanzierung des Darlehens war mit Datum 24. August 2001 für den Kläger bei der Z–Bank, die in regelmäßigen Geschäftsbeziehungen zu der B–GmbH stand, ein Konto eingerichtet worden. In dem Darlehensvertrag zwischen dem Kläger und der B–GmbH heißt es unter § 1 Nr. 1, der Kläger habe bei der Z–Bank ein Darlehen aufgenommen und stelle diese Mittel seinerseits der Gesellschaft als Gesellschafterdarlehen zur Verfügung. Die Verzinsung des Darlehens richte sich nach den Geschäftsbedingungen, die für das vom Kläger aufgenommene Darlehen gelten, und betrage 6 % (§ 2 Nr. 1). Nach § 2 Nr. 2 des Vertrages werde der vom Kläger mit der Z–Bank abgeschlossene Vertrag ausdrücklich Vertragsbestandteil auch des Darlehensvertrages zwischen dem Kläger und der B–GmbH. Gemäß § 3 Nr. 1 und § 4 des Vertrages richteten sich die Rückzahlung des Darlehens und die Laufzeit nach den Bedingungen des Darlehensvertrages zwischen dem Kläger und der Z–Bank. Unter § 3 Nr. 2 des Vertrages war ein Rangrücktritt vereinbart. Zins– und Tilgungsleistungen sollten in Abkürzung des Zahlungsweges unmittelbar an die Z–Bank erfolgen. Sicherheiten wurden nicht vereinbart. Die Zahlung der Valuta erfolgte von dem Konto des Klägers auf ein Konto der B–GmbH. Mit Datum 18. Januar 2002 bestätigte der Kläger den Rangrücktritt seines Rückzahlungsanspruches aus dem Darlehen.

Zur Finanzierung einer Betriebsverlegung im Jahre 2002 gewährte der Kläger mit Vertrag vom 12. November 2002 der B–GmbH ein weiteres Darlehen. In § 1 Nr. 1 des Vertrages heißt es, der Kläger habe bei der Z–Bank mit Kontovertrag vom 12. November 2002 ein Girokonto mit der Nummer ... eingerichtet. Von diesem Konto sollten Investitionsrechnungen der B–GmbH gezahlt werden. Insofern stelle der Kläger der B–GmbH ein in der Höhe variables Darlehen zur Verfügung. Die Höhe des der B–GmbH gewährten Darlehens richte sich nach der jeweiligen Höhe der Inanspruchnahme des Girokontos. Hinsichtlich der Zinsen, Rückzahlungsbedingungen und Laufzeit wurde auf den Kontovertrag vom 12. November 2002 zwischen dem Kläger und der Z–Bank Bezug genommen. Zahlungen sollten unmittelbar auf dieses Konto erfolgen (§ 5 des Vertrages). Auf die Gestellung von Sicherheiten wurde nach § 6 des Vertrages verzichtet.

Mit Vertrag vom 10. Dezember 2004 zwischen dem Bundesland X, der Z–Bank, der B–GmbH und der C–GmbH verpflichtete sich das Land als Bürge aus einer bestehenden Ausfallbürgschaft für Forderungen der Z–Bank gegenüber den Gesellschaften zur Zahlung eines Teilbetrags. Bedingung hierfür war, dass die Z–Bank auf die dem Kläger gewährten Kreditmittel verzichtet und dass der Kläger seinerseits auf seine Gesellschafterdarlehen in gleicher Höhe gegenüber der B–GmbH verzichtet. Dementsprechend erklärte der Kläger unter dem 9. Dezember 2004 gegenüber der B–GmbH seinen Verzicht auf die Forderungen aus den Darlehen in Höhe von insgesamt 1.507.690,76 € zuzüglich Zinsen und Gebühren seit dem 1. Juli 2004. Mit Datum 10. Dezember 2004 vereinbarten die Z–Bank und der Kläger ebenfalls einen Forderungsverzicht einschließlich Zinsen und Gebühren seit dem 1. Juli 2004. Die Vereinbarung erfolgte unter der Bedingung, dass der Kläger seine Anteile nicht vor dem 31. Dezember 2024 veräußert bzw. dass die B–GmbH vor dem 31. Dezember 2024 keine Gewinnausschüttungen oder Kapitalrückzahlungen vornimmt. In diesen Fällen sollte die Forderung der Z–Bank gegen den Kläger wieder aufleben. Die seit dem 1. Juli 2004 noch zu berücksichtigenden Zinsen und Gebühren beliefen sich auf 45.616,49 €.

Im Jahre 2005 fand bei der C–GmbH, der Vertriebsgesellschaft, eine Außenprüfung für die Jahre 2000 bis 2002 statt. Nach Tz. 2.2 des Berichts der Außenprüfung vom 23. Juni 2005 beschränkte sich der Geschäftsbetrieb der C–GmbH auf die Erfüllung der Dienstleistungen zum Vertrieb der Backwaren in den einzelnen Verkaufsfilialen, die ihr zum Betrieb von der B–GmbH überlassen worden waren. Die C–GmbH sollte ohne eigenen Gewinn wirtschaften, insbesondere sollten Kosteneinsparungen sich nicht bei der C–GmbH auswirken, sondern von ihr an die B–GmbH weitergegeben werden. Der Außenprüfer vertrat die Ansicht, es sei bereits zweifelhaft, ob ein fremder Dritter auf Dauer die entsprechenden Vereinbarungen hingenommen hätte. Unstreitig hätte ein fremder Dritter den Vertrieb der Backwaren nur dann übernommen, wenn ihm nach Abzug aller Kosten noch ein angemessener Gewinn verblieben wäre. Der C-GmbH verbliebe ein angemessener Gewinn, wenn auf die Personalkosten der C–GmbH ein Gewinnzuschlag von 2,5 v.H. erhoben werde. In dieser Höhe ergäben sich verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA). Die Höhe der so ermittelten vGA betrugen für das Jahr 2000 162.045 DM (82.852 €), für 2001 133.838 DM (68.430 €) und für 2002 97.654 €.

Mit notariellem Vertrag vom 9. Juli 2009 veräußerte der Kläger seinen Geschäftsanteil an der B–GmbH, der zu diesem Zeitpunkt 55,56 % betrug, zu einem Preis von 398.000 €. Mit Vereinbarung vom 8. Juli 2009 verpflichtete sich der Kläger zur abschließenden Regelung der Verzichtserklärung vom 10. Dezember 2004 zwischen ihm und der Z–Bank aufgrund der Veräußerung seiner Geschäftsanteile einen Betrag von 55.000 € an die Z–Bank zu zahlen.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ermittelten die Kläger einen Veräußerungsverlust in Höhe von 1.245.270,59 € wie folgt: 
"Verkaufserlös Gesellschaftsanteile 55,56 %    398.000 €   
./. Sicherheitseinbehalt    8.700 €   
./. Anschaffungskosten       
Gründungskapital  25.000 €     
Anteilskauf von Ehefrau  25.000 €     
Forderungsverzicht Darlehen vom 10. Dezember 2004  1.507.690,76 €     
Kosten für Beratung  15.169,55 €     
Verdeckte Einlagen  61.710,28 €  1.634.570,59 €   
    ./. 1.245.270,59 €   
Verlust in Höhe von 60 % (Teileinkünfteverfahren)    ./. 747.162,36 €  ". 
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) setzte mit Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 7. Oktober 2011 die Einkommensteuer auf 0 € fest. Das FA führte aus, bei der Ermittlung des Veräußerungsverlustes aus dem Verkauf der Gesellschaftsanteile an der B–GmbH sei der Verlust einer Einlage mit lediglich 500.000 € zu berücksichtigen. Ein Forderungsverzicht der Darlehen vom 10. Dezember 2004 in Höhe von 1.507.690,76 € könne nicht berücksichtigt werden, da es sich nicht um Darlehen mit eigenkapitalersetzendem Charakter gehandelt habe. Das FA berechnete den Veräußerungsverlust daher wie folgt: 
Verkaufserlös Gesellschaftsanteile 55,56 %    398.000 €   
./. Sicherheitseinbehalt    8.700 €   
./. Anschaffungskosten       
Gründungskapital  25.000 €     
Anteilskauf von Ehefrau  25.000 €     
Forderungsverzicht Darlehen vom 10. Dezember 2004  500.000 €     
Kosten für Beratung  15.169,55 €  565.169,55 €   
    ./. 175.869,55 €   
Verlust in Höhe von 60 % (Teileinkünfteverfahren)    ./. 105.521,73 € 
Die Kläger erhoben hiergegen Einspruch. Mit Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2014 änderte das FA die Einkommensteuerfestsetzung auf 98.574 € und wies den Einspruch im Übrigen zurück. Es führte im Wesentlichen aus, ein Veräußerungsverlust sei hinsichtlich der Darlehensforderungen nicht zu berücksichtigen, weil dem Kläger tatsächlich keine Vermögenseinbuße entstanden sei. Das Darlehen stamme nicht aus dem Vermögen des Klägers, sondern sei tatsächlich von der Z–Bank gewährt worden. Der Kläger sei nie das Risiko eingegangen, dass seine Darlehensforderung ausfallen könne. Die Z–Bank sei aufgrund der schlechten finanziellen Lage der B–GmbH nicht mehr in der Lage gewesen, dieser unmittelbar Darlehen zur Verfügung stellen zu können. Deshalb habe man den Weg gewählt, den Kläger dazwischen zu schalten. Dies ergäbe sich bereits aus der engen Verflechtung der Darlehensverträge. Der nach § 17 Abs. 1 EStG zu berücksichtigende Gewinn sei daher wie folgt zu berechnen: 
Verkaufserlös    398.000,00 €    
./. Sicherheitseinbehalt    ./. 8.700,00 €   
./. Anschaffungskosten       
Gründungskapital  25.000,00 €     
Erwerb von Ehefrau  25.000,00 €     
Rechtsberatung  15.169,55 €  ./. 65.169,55 €   
Gewinn    324.130,45 €   
Ansatz in Höhe von 60 %    194.478,27 €  

Mit Datum vom 15. Mai 2014 wurde der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr aus nicht streitgegenständlichen Gründen geändert.

Das Finanzgericht (FG) gab der gegen den Einkommensteuerbescheid vom 7. Oktober 2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2014 gerichteten Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 1776 veröffentlichten Urteil insoweit statt, als der Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG auf 161.478,27 € herabgesetzt wurde. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr verletze die Kläger insoweit in ihren Rechten, als nachträgliche Anschaffungskosten in Höhe von 55.000 € nicht berücksichtigt worden seien. In dieser Höhe habe der Kläger aufgrund des Besserungsscheins vom 10. Dezember 2004 Zahlungen unmittelbar aus seinem Erlös für die Veräußerung der Anteile an der B–GmbH an die Z–Bank geleistet. Im Übrigen sei der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr jedoch rechtmäßig. Das Gesellschafterdarlehen des Klägers stamme bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht aus dem Vermögen des Gesellschafters selbst, vielmehr werde die Belastung von der finanzierenden Bank getragen. In einem solchen Falle fehle es an einem eigenen Aufwand des Gesellschafters und damit an einer Rechtfertigung dafür, einen derartigen Aufwand als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen der Ermittlung des Veräußerungsgewinns geltend machen zu können. Ebenso scheide eine Erhöhung der nachträglichen Anschaffungskosten durch verdeckte Einlagen des Klägers in die B–GmbH aus. Es fehle insoweit an einem einlagefähigen Wirtschaftsgut. Die C-GmbH habe gegenüber der B–GmbH eine unentgeltliche Dienstleistung erbracht, indem die C–GmbH die Waren in ihren Filialen durch die bei ihr angestellten Mitarbeiter verkauft habe. Solche Leistungen seien keine bilanzierbaren Wirtschaftsgüter und könnten daher nicht als Einlagen erfasst werden.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 17 EStG , § 39 der Abgabenordnung , §§ 133 , 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ).

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das Urteil des FG aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen wurde, und den Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 15. Mai 2014 mit der Maßgabe zu ändern, dass bei der Ermittlung des Veräußerungsverlustes im Rahmen der Einkünfte des Klägers weitere Beträge von 1.498.307,25 € und 187.199,87 € vor Anwendung des Teileinkünfteverfahrens als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen sind.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids für 2009 vom 15. Mai 2014 dahingehend, dass der Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG auf 161.478 € herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat insoweit zutreffend entschieden, dass weder der vom Kläger erklärte Verzicht auf die Rückzahlungsansprüche aus den der B–GmbH gewährten Darlehen noch die vom Kläger geltend gemachten verdeckten Einlagen in die B–GmbH zu nachträglichen Anschaffungskosten führen.

1. Das Urteil des FG ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben.

Es kann keinen Bestand haben, weil das FG über den nicht mehr wirksamen Einkommensteuerbescheid 2009 vom 7. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2014 entschieden hat. Das FA hat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung mit Datum vom 15. Mai 2014 einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2009 erlassen, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden ist (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 28. Mai 2015 IV R 27/12, BFHE 249, 544 , BStBl II 2015, 837 ; vom 10. März 2016 IV R 41/13, BFHE 253, 337 , BStBl II 2016, 984 ). Dem FG-Urteil liegt damit ein in seiner Wirkung suspendierter Bescheid zugrunde.

Daraus folgt jedoch nicht, dass das Verfahren zwingend an das FG zurückzuverweisen ist. Berührt der Änderungsbescheid —wie im Streitfall— die streitige Frage nicht, stellen die Kläger in diesem Zusammenhang keinen weiter gehenden Antrag und gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass das FG bewusst über den früheren Bescheid entschieden hat, bedarf es keiner Zurückverweisung. Im Hinblick auf den Normzweck des § 68 FGO , das Verfahren aus prozessökonomischen Gründen fortzusetzen, reicht nach ständiger Rechtsprechung des BFH die Richtigstellung in der Rechtsmittelentscheidung aus (s. BFH-Urteil in BFHE 253, 337 , BStBl II 2016, 984 , m.w.N.). Die vorliegend streitigen Punkte sind unverändert geblieben; der Senat sieht daher wegen Spruchreife der Sache von einer Zurückverweisung ab und entscheidet aufgrund seiner Befugnis aus den §§ 121 und 100 FGO in der Sache selbst.

2. Die Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Das FA hat zu Unrecht —wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist— nachträgliche Anschaffungskosten in Höhe von 55.000 € nicht berücksichtigt. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

Nach § 17 Abs. 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Verlust aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft qualifiziert beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt.

a) Veräußerungsgewinn i.S. von § 17 Abs. 1 EStG ist gemäß Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. Veräußerungspreis i.S. der genannten Vorschrift ist der Wert der Gegenleistung, die der Veräußerer durch Abschluss des dinglichen Veräußerungsgeschäfts am maßgebenden Stichtag erlangt.

b) Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs ( HGB ) Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben. Dazu gehören nach § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB auch die nachträglichen Anschaffungskosten. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung zählen neben (verdeckten) Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungs– oder Auflösungskosten sind. Zu in diesem Sinne funktionalem Eigenkapital werden Finanzierungshilfen oder Finanzierungsmaßnahmen, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft in der Krise der Gesellschaft ein Darlehen gewährt (§ 32a Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung a.F.) und diese Finanzierungsmaßnahme eigenkapitalersetzenden Charakter hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 22. Juli 2008 IX R 79/06, BFHE 222, 464 , BStBl II 2009, 227 , unter II.1.b aa; vom 7. Dezember 2010 IX R 16/10, BFH/NV 2011, 778 ; vom 16. Juni 2015 IX R 30/14, BFHE 250, 305 , BStBl II 2017, 94 ).

c) Ebenso wie Bürgschaftsverpflichtungen, die wegen Zahlungsunfähigkeit des Bürgen im Zeitpunkt der Veranlagung für diesen keine gegenwärtige Belastung darstellen, bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 17 EStG nicht gewinnmindernd berücksichtigt werden können (s. BFH-Urteil vom 8. April 1998 VIII R 21/94, BFHE 186, 194 , BStBl II 1998, 660 ), kann der Verzicht des Gesellschafters auf seine Rückzahlungsansprüche aus den der Kapitalgesellschaft gewährten Darlehen als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft nicht berücksichtigt werden, wenn im Zeitpunkt der Veranlagung feststeht, dass der Gesellschafter aus dem Ausfall der Darlehen nicht wirtschaftlich belastet ist. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der i.S. des § 17 Abs. 1 EStG an der Kapitalgesellschaft beteiligte Gesellschafter bei wirtschaftlicher Betrachtung lediglich ein von ihm bei einem Kreditinstitut aufgenommenes Darlehen entsprechend seiner Zweckbindung an die Kapitalgesellschaft weiterleitet und durch gleichzeitige, voneinander abhängige Rückzahlungsverzichte des Gesellschafters gegenüber der Kapitalgesellschaft und dem finanzierenden Kreditinstitut gegenüber dem Gesellschafter das Vermögen des Gesellschafters nicht belastet wird. Der Gesellschafter übernimmt wirtschaftlich lediglich die Funktion einer Zahlstelle für das tatsächlich belastete Kreditinstitut, weil das Schicksal des Gesellschafterdarlehens an die Kapitalgesellschaft rechtlich untrennbar mit dem Bankdarlehen an den Gesellschafter verknüpft ist. Beweisanzeichen für eine solche —lediglich formalen Zwecken dienende— Zwischenschaltung des Gesellschafters ist, dass das Kreditinstitut die Beschränkungen des § 18 Satz 1 des Gesetzes über das Kreditwesen (in den Fassungen der Jahre 2001 bzw. 2002 —KWG—), wonach ein Kreditinstitut einen Kredit von insgesamt mehr als 500.000 Deutsche Mark bzw. 250.000 Euro nur gewähren darf, wenn es sich von dem Kreditnehmer die wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere durch Vorlage der Jahresabschlüsse, offenlegen lässt, dergestalt umgehen möchte, dass es das Darlehen nicht unmittelbar der Kapitalgesellschaft, sondern ohne Besicherung deren Gesellschafter zur Weiterleitung an die Gesellschaft gewährt.

d) Nach diesen Maßstäben hat das FG zu Recht entschieden, dass der vom Kläger erklärte Verzicht auf die Rückzahlungsansprüche aus den der B–GmbH gewährten Darlehen bei ihm zu keiner wirtschaftlichen Belastung und damit nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten führten.

Nach den den Senat bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO ) des FG hat die Z–Bank bestätigt, dass das dem Kläger von der Z–Bank gewährte Darlehen zweckgebunden war und dieser lediglich den Darlehensbetrag an die B–GmbH weitergeleitet hat. Die Darlehensverträge zwischen dem Kreditinstitut und dem Kläger sowie diesem und der B–GmbH waren rechtlich und wirtschaftlich untrennbar miteinander verknüpft, indem das Gesellschafterdarlehen ausdrücklich auf das dem Kläger gewährte Darlehen Bezug nimmt und dessen Vertragsbedingungen zum Gegenstand des der B–GmbH gewährten Gesellschafterdarlehens macht. Keiner der beiden Darlehensverträge hätte unabhängig von dem anderen Bestand gehabt. Zudem haben die Z–Bank und der Kläger auf ihre jeweiligen Rückforderungsansprüche in unmittelbarem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang verzichtet. Der Verzicht des Klägers auf die Rückzahlungsansprüche aus den Gesellschafterdarlehen war Bedingung dafür, dass die Z–Bank ihrerseits auf ihre Darlehensrückzahlungsansprüche verzichtete. Ferner tragen die Kläger selbst vor, dass die Z–Bank, die von dem unternehmerischen Konzept der B–GmbH überzeugt war, sich lediglich wegen § 18 KWG gehindert sah, der B–GmbH weitere Kredite zu gewähren. Daraus ergibt sich, dass der Kläger lediglich zur Umgehung der Beschränkungen des § 18 KWG zwischengeschaltet war, ohne durch den Ausfall der Gesellschafterdarlehen selbst wirtschaftlich belastet zu sein (s.a. BFH-Urteil vom 9. Juni 2010 IX R 52/09, BFHE 230, 326 , BStBl II 2010, 1102 : Steuerpflichtiger muss die Kosten "selbst persönlich getragen" haben). Dies wird zudem durch die fehlende Besicherung des dem Kläger gewährten Darlehens bestätigt.

e) Das FG hat darüber hinaus zutreffend erkannt, dass nachträgliche Anschaffungskosten in Höhe von 55.000 € zu berücksichtigen sind. Denn in dieser Höhe hat der Kläger aufgrund des Besserungsscheins vom 10. Dezember 2004 durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Zahlungen an die Z–Bank geleistet.

f) Das FG hat zudem zu Recht entschieden, dass eine Erhöhung der nachträglichen Anschaffungskosten aus verdeckten Einlagen des Klägers in die B–GmbH mangels eines bilanzierungsfähigen Vermögensvorteils ausscheidet.

aa) Eine verdeckte Einlage liegt vor, wenn ein Gesellschafter oder eine ihm nahestehende Person der Kapitalgesellschaft einen einlagefähigen Vermögensvorteil gegenleistungslos oder verbilligt zuwendet und dies durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, d.h., wenn ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns der Gesellschaft den Vermögensvorteil nicht eingeräumt hätte (vgl. BFH-Urteile vom 18. Dezember 1990 VIII R 17/85, BFHE 163, 352 , BStBl II 1991, 512 ; vom 15. Oktober 1997 I R 80/96, BFH/NV 1998, 624 ). Als verdeckte Einlagen sind nur Wirtschaftsgüter geeignet, die das Vermögen der Kapitalgesellschaft vermehrt haben, sei es durch den Ansatz oder die Erhöhung eines Aktivpostens, sei es durch den Wegfall oder die Verminderung eines Passivpostens (vgl. BFH-Urteile vom 22. November 1983 VIII R 133/82, BFHE 140, 69 ; vom 6. November 2003 IV R 10/01, BFHE 204, 438 , BStBl II 2004, 416 ). Ein einlagefähiger Vermögensvorteil ist nicht gegeben, wenn der Gesellschaft lediglich Nutzungsvorteile gewährt werden (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86, BFHE 151, 523 , BStBl II 1988, 348 ; BFH-Urteil vom 10. April 1990 VIII R 289/84, BFHE 160, 497 , BStBl II 1990, 741 ). Die verdeckten Einlagen sind von den betrieblich veranlassten Vorgängen zu unterscheiden (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 1998, 624 ).

bb) Anders als die Kläger meinen, fehlt es im Streitfall an einem für eine verdeckte Einlage erforderlichen einlagefähigen Vermögensvorteil. Aus den vom FG festgestellten Tatsachen ergibt sich, dass die Produktion in der B–GmbH verblieb und lediglich der Vertrieb der hergestellten Waren ab 1. Mai 2000 in die C–GmbH ausgegliedert worden ist. Die B–GmbH überließ der C–GmbH die Filialen einschließlich des gesamten Inventars zur Nutzung, behielt sich aber die gesamte warenwirtschaftliche Steuerung der Filialen vor. Die Vertriebsgesellschaft handelte wie eine Verkaufsagentur und erhielt als Entgelt eine Provision auf den von der B–GmbH empfohlenen Verkaufspreis der Waren in Höhe von rd. 35 %. Die C–GmbH erbrachte daher gegenüber der B–GmbH lediglich Dienstleistungen im Vertrieb. Unbeschadet dessen, dass das FG über den betrieblich veranlassten Leistungsaustausch zwischen der B– und der C–GmbH hinaus unter Zugrundelegung des Fremdvergleichsmaßstabs keinen der B–GmbH zugewendeten Vermögensvorteil festgestellt hat, können die dargestellten Vertriebsdienstleistungen nicht Gegenstand einer Einlage bei der den Vorteil empfangenden Gesellschaft sein (vgl. Beschluss des Großen Senats in BFHE 151, 523 , BStBl II 1988, 348 ). Sie erhöhen daher nicht die Anschaffungskosten des Klägers für seine Beteiligung an der B–GmbH.

Soweit die Kläger vortragen, Gegenstand der vertraglichen Beziehungen zwischen der B– und der C–GmbH seien Warenlieferungen gewesen, also die Leistung bilanzierbarer und damit einlagefähiger Wirtschaftsgüter, ist dem nicht zu folgen, weil die B–GmbH gegenüber der C–GmbH ein nicht trennbares Bündel von Leistungen (z.B. die Zur-Verfügung-Stellung der Filialen, des jeweiligen Inventars, der jeweiligen Kundenstämme, ihrer Marktkenntnisse und ihres Know-hows, die Lieferung der Backwaren usw.) erbracht hat und die C–GmbH lediglich als Verkaufsagentur fungierte.

g) Vor diesem Hintergrund ist der vom FA ermittelte Veräußerungsgewinn i.S. des § 17 EStG in Höhe von 324.130,45 € unter Berücksichtigung der nachträglichen Anschaffungskosten von 55.000 € auf 269.130,45 € und nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens auf 161.478,27 € herabzusetzen.

Die Ermittlung und Berechnung des festzusetzenden Einkommensteuerbetrags nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 , § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO .

Vorinstanz: FG Düsseldorf, vom 20.01.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 7 K 1699/14