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BFH - Entscheidung vom 26.09.2017

VII R 26/16

Normen:
StromStG § 10 Abs. 1
StromStV a.F. § 18 Abs. 1 und 4
AO § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 170 Abs. 1 und 3
StromStG § 10 Abs. 1
StromStV a.F. § 18 Abs. 4
AO § 170 Abs. 3
StromStV a.F. § 18 Abs. 1
AO § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
AO § 170 Abs. 1

Fundstellen:
BFHE 260, 280

BFH, Urteil vom 26.09.2017 - Aktenzeichen VII R 26/16

DRsp Nr. 2017/15714

Beginn der Festsetzungsfrist für einen Entlastungsanspruch gem. § 10 Abs. 1 StromStG Rechtsfolgen der Nichtangabe einer im Abrechnungszeitraum entnommenen Strommenge

1. Die Festsetzungsfrist für einen Entlastungsanspruch nach § 10 Abs. 1 StromStG beginnt mit Ablauf desjenigen Jahres, in dem der Anspruch durch die steuerbegünstigte Verwendung des Stroms zu betrieblichen Zwecken entstanden ist. 2. Wird eine im Abrechnungszeitraum entnommene Strommenge entgegen § 18 Abs. 4 Nr. 1 StromStV a.F. innerhalb der Antragsfrist im Antrag nicht angegeben, kommt hinsichtlich dieser Menge eine nachträgliche Änderung der Steuerfestsetzung nicht in Betracht.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. Februar 2016 6 K 1482/13 Z wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Normenkette:

StromStG § 10 Abs. 1 ; StromStV a.F. § 18 Abs. 1 und 4; AO § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 , § 170 Abs. 1 und 3 ;

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) beantragte am 25. März 2011 nach § 10 Abs. 1 des Stromsteuergesetzes ( StromStG ) für das Jahr 2010 eine Entlastung von der Stromsteuer, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzoll-amt —HZA—) antragsgemäß mit Bescheid vom 14. April 2011 gewährte.

Mit Verschmelzungsvertrag vom ... Juli 2010 war die X–GmbH (GmbH) rückwirkend zum 1. Januar 2010 vollständig auf die Klägerin verschmolzen und die Verschmelzung im September 2010 in das Handelsregister eingetragen worden. Mit Wirkung vom 31. August 2010 hatte die Klägerin den zuvor durch Verschmelzung erworbenen Produktionsbetrieb der GmbH im Wege der Einzelrechtsnachfolge an die Y–GmbH veräußert.

Mit der Begründung, beim bisher gestellten Entlastungsantrag seien die von der GmbH verwendeten Strommengen sowie die von der GmbH entrichteten Rentenversicherungsbeiträge unberücksichtigt geblieben, beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 27. April 2012, eingegangen beim HZA am 3. Mai 2012, die Korrektur des am 25. März 2011 gestellten Antrags. Unter Hinweis auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung lehnte das HZA den als "Korrektur des zusammenfassenden Antrags nach § 10 StromStG für das Jahr 2010" bezeichneten Antrag ab. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Klägerin habe den Antrag für die von der GmbH bis zum ... September 2010 verbrauchten Strommengen nicht rechtzeitig gestellt. Im Streitfall habe die Festsetzungsfrist für das Kalenderjahr 2010 mit Ablauf des 31. Dezember 2010 begonnen und mit Ablauf des 31. Dezember 2011 geendet. Eine Anwendung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder § 170 Abs. 3 der Abgabenordnung ( AO ) komme nicht in Betracht. Insbesondere sei der Vergütungsantrag keine Steueranmeldung, für deren Abgabe eine gesetzliche Verpflichtung bestehe. Nicht entscheidend sei, dass die Klägerin den Antrag nicht ausdrücklich als Rechtsnachfolgerin der GmbH gestellt habe. Unbeachtlich sei auch, zu welchem Stichtag die Verschmelzung wirksam geworden sei. Sofern der Korrektur-Antrag vom 27. April 2012 als Antrag auf Änderung der Erstbescheidung ausgelegt werden könnte, komme eine Änderung nach § 172 Abs. 1 Nr. 1 oder § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO aufgrund des Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht in Betracht. Eine Auslegung des Entlastungsantrags vom 25. März 2011 führe zu dem Ergebnis, dass dieser nicht die von der GmbH verbrauchten Strommengen erfasst habe, so dass eine Steuerentlastung auf dieser Grundlage nicht gewährt werden könne. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die GmbH in der Auflistung der Betriebe bzw. Betriebsteile nicht genannt worden sei. Darüber hinaus seien auch die von der GmbH verbrauchten Strommengen nicht angegeben worden. Die Einbeziehung dieser Strommengen wäre jedoch möglich gewesen, denn der Verschmelzungsvertrag sei bereits im Juli 2010 geschlossen worden.

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, das FG habe die Regelungen über den Beginn der Festsetzungsverjährung in § 170 AO unzutreffend ausgelegt. Im Zeitpunkt des Änderungsantrags vom 3. Mai 2012 sei noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Die sinngemäße Anwendung der für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften (§ 155 Abs. 5 AO ) erfordere die Anwendung des § 170 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO . Die daneben in § 18 der Stromsteuer-Durchführungsverordnung ( StromStV ) festgelegte Antragsfrist könne an diesem Er-gebnis nichts ändern. Denn auf dem Verordnungswege ohne aus-drückliche Ermächtigung festgelegte Antragsfristen könnten nicht als Ausschlussfristen ausgestaltet werden. Die Frage nach der Rechtsqualität der in der StromStV geregelten Antragsfristen habe der Bundesfinanzhof (BFH) in seinen Entscheidungen vom 24. Januar 2008 VII R 3/07 (BFHE 220, 214 , BStBl II 2008, 462 ), vom 1. Juli 2008 VII R 37/07 (BFH/NV 2008, 2062 ) und vom 12. Mai 2009 VII R 5/08 (BFH/NV 2009, 1602 ) noch nicht eindeutig beantwortet. Im Übrigen sei im Streitfall der Änderungsantrag nach § 170 Abs. 3 AO noch vor Ablauf der Festsetzungsfrist gestellt worden. Denn im Zeitpunkt der Stellung des Änderungsantrags habe bereits eine Festsetzung der Stromsteuerentlastung für 2010 vorgelegen. Weder aus § 170 Abs. 3 noch aus § 164 Abs. 4 AO lasse sich ein Anhaltspunkt dafür herleiten, dass bei der Berechnung der Festsetzungsfrist im Rahmen des § 164 Abs. 4 Satz 1 AO allein auf die für die erstmalige Festsetzung geltende "allgemeine" Festsetzungsfrist abzustellen sei. Im Streitfall habe das FG verkannt, dass es um die Änderung einer bereits erfolgten Steuerfestsetzung gehe, so dass der Anwendungsbereich des § 170 Abs. 3 AO eröffnet sei. Schließlich sei sie gemäß § 45 Abs. 1 AO als Gesamtrechtsnachfolgerin sowohl materiell- als auch verfahrensrechtlich in die abgabenrechtliche Rechtsstellung der GmbH als Vorgängerin eingetreten.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG und der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen das HZA zu verpflichten, die Festsetzung der nach § 10 StromStG zu gewährenden Stromsteuerentlastung für das Kalenderjahr 2010 um ... € zu erhöhen.

Das HZA beantragt die Zurückweisung der Revision.

Es ist der Auffassung, der Antrag der Klägerin vom 3. Mai 2012 sei aufgrund der verspäteten Antragstellung und fehlender Angaben in Bezug auf die GmbH und die von ihr verbrauchten Strommengen als Erstantrag auszulegen, so dass weder § 170 Abs. 2 Satz 2 noch § 170 Abs. 3 AO Anwendung finden könnten. Denn Entlastungsanträge nach § 10 StromStG seien keine Steuererklärungen, Steueranmeldungen oder Anzeigen, für deren Abgabe eine gesetzliche Verpflichtung bestehe. Somit beginne die Festsetzungsfrist für die erstmalige Festsetzung der Entlastung nach der Grundregel des § 170 Abs. 1 AO . Da es nicht um die Änderung einer bereits festgesetzten Steuer gehe, komme eine Anwendung des § 170 Abs. 3 AO nicht in Betracht.

II.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das Urteil entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO ). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Klägerin aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung hinsichtlich der von der GmbH verbrauchten Strommengen für das Kalenderjahr 2010 kein zusätzlicher Entlastungsanspruch nach § 10 Abs. 1 StromStG zusteht.

1. Nach § 10 Abs. 1 StromStG in der im Streitjahr geltenden Fassung wird die Steuer für nachweislich versteuerten Strom, den ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes für betriebliche Zwecke, ausgenommen solche nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 StromStG , entnommen hat, auf Antrag nach Maßgabe des Absatzes 2 erlassen, erstattet oder vergütet, soweit die Steuer im Kalenderjahr den Betrag von 512,50 € übersteigt. Erlass-, erstattungs- oder vergütungsberechtigt ist das Unternehmen des Produzierenden Gewerbes, das den Strom entnommen hat. Nach § 18 Abs. 1 StromStV in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung ist die Entlastung für innerhalb eines Kalenderjahres (Abrechnungszeitraum) entnommenen Strom bis zum 31. Dezember des folgenden Kalenderjahres schriftlich bei dem Hauptzollamt zu beantragen, in dessen Bezirk der Antragsteller seinen Geschäfts- oder Wohnsitz hat.

Im Streitfall ist die Verwendung des Stroms zu betrieblichen Zwecken eines Unternehmens des Produzierenden Gewerbes unstreitig. Zu entscheiden ist lediglich über die Frage, ob im Zeitpunkt der Antragstellung die einjährige Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO bzw. die in § 18 Abs. 1 StromStV normierte Antragsfrist mit der Folge bereits abgelaufen war, dass der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis nach § 47 AO erloschen ist, so dass ein nachträglicher Entlastungsantrag nicht mehr mit Erfolg gestellt werden konnte.

a) Ein nach § 10 Abs. 1 StromStG entstandener Entlastungsanspruch kann durch Erlass, Erstattung oder Vergütung der Steuer erfüllt werden. In den Fällen der Vergütung steht der Entlastungsanspruch demjenigen zu, der, ohne selbst Steuerschuldner bzw. Anmelder der Steuer sowie evtl. Adressat entsprechender Steuerbescheide zu sein, vorversteuerten Strom von einem Versorger bezogen und verwendet hat und dadurch zum eigentlichen Belastungsträger geworden ist. Die Gewährung einer Vergütung kommt jedoch nicht mehr in Betracht, wenn im Zeitpunkt der Antragstellung bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Auf die Festsetzung einer Steuervergütung finden nach § 155 Abs. 5 AO die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften sinngemäße Anwendung. Für Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen beträgt die Festsetzungsfrist ein Jahr (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO ), wobei die Frist nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs beginnt, in dem die Steuer entstanden ist. Lediglich für die Fälle, in denen wie im Streitfall eine Steueranmeldung für Strom abzugeben ist, enthält § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 AO eine abweichende Regelung, die im Streitfall allerdings keine Anwendung findet, weil es in das Belieben des Entlastungsberechtigten gestellt ist, ob er die Steuerbegünstigung, d.h. im Streitfall den sog. Spitzenausgleich, in Anspruch nehmen will, und er somit zur Abgabe einer Steueranmeldung nicht verpflichtet ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 220, 214 , BStBl II 2008, 462 ; Banniza in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 170 AO Rz 24). Demnach beginnt die Festsetzungsfrist bei nach § 10 Abs. 1 StromStG geltend gemachten Vergütungsansprüchen mit Ablauf desjenigen Jahres, in dem der Vergütungsanspruch infolge der Verwirklichung des Entlastungstatbestands entstanden ist (Senatsurteile vom 8. Juni 2010 VII R 37/09, BFH/NV 2010, 2122 , und in BFH/NV 2009, 1602 ).

b) Voraussetzung für die Begründung eines Entlastungsanspruchs nach § 10 Abs. 1 StromStG ist die nachweisliche Versteuerung des bezogenen und für betriebliche Zwecke dem Netz entnommenen und verwendeten Stroms. Wie der erkennende Senat zu § 51 Abs. 1 des Energiesteuergesetzes —EnergieStG— (Senatsurteil vom 20. September 2016 VII R 7/16, BFHE 255, 360 ) und zu § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG (Senatsurteil vom 10. Januar 2017 VII R 26/14, BFHE 257, 285 ) entschieden hat, ist die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der nachweislichen Versteuerung nicht von der Festsetzung der Steuer durch einen Steuerbescheid oder der Abgabe einer Steueranmeldung durch den Stromversorger oder Lieferer von Energieerzeugnissen abhängig. Vielmehr entsteht der Vergütungsanspruch bereits mit der steuerbegünstigten Verwendung des Stroms bzw. der Energieerzeugnisse oder mit dem Verbringen von Energieerzeugnissen in einen anderen Mitgliedstaat bzw. mit der Ausfuhr in ein Drittland, wobei im Falle der Verwendung von Strom der Vergütungsanspruch mit der Entnahme des Stroms aus dem Versorgungsnetz entsteht, die regelmäßig mit dem Verbrauch des Stroms zusammenfällt.

c) Nach den von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellungen des FG, die für den erkennenden Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindend sind, hat die GmbH den von ihr bezogenen Strom im Jahr 2010 zu betrieblichen Zwecken dem Netz entnommen und verwendet. Demnach begann die einjährige Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des 31. Dezember 2010 und endete mit Ablauf des 31. Dezember 2011. Im Mai 2012, in dem die Klägerin nach der Verschmelzung als Rechtsnachfolgerin der GmbH hinsichtlich des von dieser im Zeitraum von Januar bis August 2010 verbrauchten Stroms einen Vergütungsantrag gestellt hat, war demnach die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der Antragstellung bereits abgelaufen, so dass der für diesen Zeitraum geltend gemachte Entlastungsanspruch infolge des Eintritts der Festsetzungsverjährung nach § 47 AO erloschen ist. Darüber hinaus war auch die in § 18 Abs. 1 StromStV normierte Antragsfrist abgelaufen, deren Festlegung der Verfahrensvereinfachung dient (§ 11 Satz 1 Nr. 10 StromStG ).

2. In dem fristgerecht gestellten Antrag vom 25. März 2011 sind die von der GmbH im Abrechnungszeitraum entnommenen Strommengen nicht ausgewiesen, wie dies von § 18 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 StromStV verlangt wird. Ausdrücklich weist die Klägerin in ihrem Antrag vom 3. Mai 2012 darauf hin, dass im bisher gestellten Antrag weder die Strommengen noch die entrichteten Rentenversicherungsbeiträge der GmbH berücksichtigt worden sind; dies werde mit dem Antrag nachgeholt. Da die Verschmelzung der GmbH mit der Klägerin im September 2010 in das Handelsregister eingetragen und somit wirksam geworden ist, wäre es für die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der GmbH noch möglich gewesen, vor Ablauf des Jahres 2011 einen fristgerechten Vergütungsantrag für die von der GmbH verbrauchten Strommengen zu stellen. Von dieser Möglichkeit hat sie jedoch keinen Gebrauch gemacht.

Da die Klägerin die in § 18 Abs. 1 StromStV festgelegte Antragsfrist nicht eingehalten und auch keine Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geltend gemacht hat, kann offen bleiben, ob es sich bei der Antragsfrist um eine Verfahrensfrist oder Ausschlussfrist handelt. Auch bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob im Streitfall § 170 Abs. 3 AO Anwendung finden könnte und ob es sich beim Antrag vom 3. Mai 2012 um einen Erst- oder Änderungsantrag handelt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO .

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz, vom 25.02.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 6 K 1482/13
Fundstellen
BFHE 260, 280