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BFH - Entscheidung vom 20.10.2015

VIII R 40/13

Normen:
EStG § 11, § 20 Abs. 1 Nr. 7
BGB § 2174, § 2176, § 2177
EStG § 11
BGB § 2174
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7
BGB § 2176
BGB § 2177

Fundstellen:
BFHE 252, 260

BFH, Urteil vom 20.10.2015 - Aktenzeichen VIII R 40/13

DRsp Nr. 2016/4719

Ertragsteuerliche Behandlung der Verzinsung eines fünf Jahre nach dem Tod des Erblassers fälligen betagten Vermächtnisanspruchs

1. Zinsen, die auf einer testamentarisch angeordneten Verzinsung eines erst fünf Jahre nach dem Tode des Erblassers fälligen betagten Vermächtnisanspruchs beruhen, sind beim Vermächtnisnehmer steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG . 2. Das bloße Nichtgeltendmachen der Zinsen gegenüber dem Erben bei Fälligkeit begründet beim Vermächtnisnehmer keinen Zufluss i.S. des § 11 EStG .

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 14. Februar 2013 16 K 3701/12 E und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 18. September 2012 aufgehoben.

Die Einkommensteuer 2006 wird unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids des Beklagten vom 25. Juli 2012 auf 0 € festgesetzt.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Normenkette:

EStG § 11 , § 20 Abs. 1 Nr. 7 ; BGB § 2174 , § 2176 , § 2177 ;

Gründe

I.

Streitig ist, ob Zinsen, die für einen vermächtnisweise zugewendeten Geldbetrag mit hinausgeschobenem Fälligkeitszeitpunkt zu zahlen sind, beim Vermächtnisnehmer zu Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr (2006) geltenden Fassung ( EStG ) führen.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Die Eltern des Klägers hatten am 31. Januar 2000 ein handschriftliches Berliner Testament errichtet. In diesem setzten sie sich gegenseitig zu Alleinerben und den Kläger als Erben des Längstlebenden ein. Weiterhin enthielt das Testament folgende Anordnung: 
"Unser Sohn (...) erhält beim Tode des Erstversterbenden von uns als Vermächtnis einen Geldbetrag in Höhe des beim Tode des Erstversterbenden geltenden Freibetrages bei der Erbschafts- bzw. Schenkungssteuer. Dieser Betrag ist aber erst fünf Jahre nach dem Tode des zuerst Versterbenden fällig. Dieses Vermächtnis gilt nicht, wenn unser Sohn nach dem Tode des Erstversterbenden den Pflichtteil verlangt. Der auszuzahlende Geldbetrag ist mit 5 % bis zur Auszahlung zu verzinsen." 

Der Vater des Klägers verstarb im Jahr 2001. Der Vermächtnisbetrag und die Zinsen wurden nach Ablauf von fünf Jahren im Streitjahr bei Fälligkeit von der Mutter des Klägers (Erbin) nicht an den Kläger ausgezahlt.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 27. Juni 2007 verzichtete die Erbin auf Nießbrauchsrechte an mehreren dem Kläger gehörenden Immobilien. Im Gegenzug verzichtete der Kläger u.a. auf seine Ansprüche aus dem Vermächtnis. Diese wurden beziffert mit 205.000 € zuzüglich der jährlich seit dem Erbfall angefallenen Zinsen in Höhe von "rund 61.640 €".

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erfasste die Zinsen in Höhe von 61.640 € zunächst als Einkünfte aus Kapitalvermögen im Einkommensteuerbescheid 2007. Im hierüber unter dem Az. ... vor dem Finanzgericht Düsseldorf (FG) geführten Klageverfahren erteilte der Berichterstatter einen richterlichen Hinweis, dass der Kläger mit Eintritt der Fälligkeit des Zinsanspruchs im Streitjahr wirtschaftlich die Möglichkeit gehabt habe, den Betrag einzufordern. Indem er dies unterlassen habe, habe er sich im Zeitpunkt der Fälligkeit für eine weiterhin verzinsliche Kapitalüberlassung des bis dahin angesammelten Kapitals entschieden. Daraus folge die Frage, ob bezüglich der bis zum Fälligkeitszeitpunkt entstandenen Zinsen ein Zufluss bereits im Streitjahr erfolgt sei.

Das FA stimmte einer Berücksichtigung der Einkünfte im Streitjahr zu. Nach entsprechender Änderung des Einkommensteuerbescheides 2007 wurde das Verfahren durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beendet.

Das FA berücksichtigte daraufhin im Einkommensteuerbescheid 2006 vom 25. Juli 2012 Zinsen für fünf Jahre in Höhe von 51.250 € als Einkünfte aus Kapitalvermögen.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG hat die Klage mit Urteil vom 14. Februar 2013 16 K 3701/12 E abgewiesen.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Bundesrechts.

§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG und § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes ( ErbStG ) seien fehlerhaft angewendet worden. Hätte der Erblasser selbst eine Gesamtsumme aus Freibetrag und Zinsen errechnet und diesen Gesamtbetrag erst fünf Jahre nach dem Erbfall zugewendet, hätte unter Berücksichtigung von § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dieser Gesamtbetrag nur der Erbschaftsteuer unterlegen. Nichts anderes könne gelten, wenn der Erblasser —wie vorliegend— nur die Ausgangsgröße "Freibetrag" benenne und den Fälligkeitszeitpunkt und die Verzinsung bestimme, ohne den Gesamtbetrag zu berechnen. Im Testament sei dem Kläger ein befristetes Vermächtnis in Höhe des Gesamtbetrages aus Vermächtnisbetrag und Zinsanspruch unter Nennung eines Anfangstermins zugewendet worden.

Die Kläger beantragen,

das angefochtene Urteil der Vorinstanz und die Einspruchsentscheidung vom 18. September 2012 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 25. Juli 2012 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 0 € festgesetzt wird.

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Der Senat entscheidet in der Sache selbst und gibt der Klage statt (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).

Das FG hat zwar zu Recht entschieden, dass dem Kläger ein verzinsliches betagtes Vermächtnis zugewendet wurde und die ihm danach zustehenden Zinsen zu Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG führen; es hat jedoch rechtsfehlerhaft einen Zufluss der Zinsen im Streitjahr bejaht.

1. Die Auslegung des Testaments durch das FG mit dem Ergebnis, dem Kläger sei ein betagtes Vermächtnis zugewendet worden, welches bereits mit dem Tode des Erstversterbenden entstanden, aber erst fünf Jahre danach fällig geworden und dass für den hinausgeschobenen Fälligkeitszeitpunkt eine Verzinsung in Höhe von 5 % p.a. angeordnet gewesen sei, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Senat ist an sie nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden.

a) Der Vermächtnisanspruch des Bedachten gegen den Erben (§ 2174 des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB—) kommt grundsätzlich mit dem Erbfall zur Entstehung (§ 2176 BGB ). Falls der Erblasser keine besonderen Anordnungen trifft, ist dieser Anspruch nach § 271 Abs. 1 BGB sofort fällig (Palandt/Weidlich, Bürgerliches Gesetzbuch , 75. Aufl., § 2174 Rz 3). Der Erblasser kann jedoch entweder das Vermächtnis unter der Bestimmung eines Anfangstermins zuwenden (befristetes Vermächtnis), was zur Folge hat, dass die Entstehung des Vermächtnisanspruches abweichend von § 2176 BGB erst mit Eintritt des Termins erfolgt (§ 2177 BGB ); oder er kann lediglich die Fälligkeit des Vermächtnisanspruches, d.h. die Möglichkeit der Geltendmachung, zu einem späteren Termin bestimmen, die Entstehung jedoch im Erbfall anordnen (betagtes Vermächtnis - vgl. Palandt/ Weidlich, a.a.O., § 2174 Rz 4).

Ob bei Bestimmung eines bestimmten Auszahlungszeitpunktes ein befristetes oder betagtes Vermächtnis vom Erblasser gewollt war, ist durch Auslegung zu ermitteln.

b) Die Auslegung eines Testaments als eine einseitige Willenserklärung obliegt dem FG als Tatsacheninstanz. Sie ist vom BFH nur daraufhin überprüfbar, ob sie möglich und weder unter Verstoß gegen die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133 , 157 BGB ) noch unter Verstoß gegen Erfahrungs- oder Denkgesetze zustande gekommen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 22. Mai 2007 IX R 22/06, BFH/NV 2007, 1836 ; vom 25. Februar 2009 IX R 76/07, BFH/NV 2009, 1268 ).

c) Die Gestaltung des sog. Berliner Testaments mit Freibetragsvermächtnis zielt darauf ab, dem Vermächtnisnehmer in Höhe des erbschaftsteuerlichen Freibetrages, d.h. ohne Anfall von Erbschaftsteuer für diesen, einen Geldbetrag zuzuwenden, der bereits mit dem Tode des Erstversterbenden entsteht und damit beim Erben als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 ErbStG abzugsfähig ist; zugleich soll eine Behandlung als Nachvermächtnis nach § 6 Abs. 4 ErbStG erst mit dem Tode des Zweitversterbenden vermieden werden (zu der Gestaltung vgl. Mayer, Deutsches Steuerrecht 2004, 1371 , 1374; Kesseler/ Thouet, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 2008, 125 , 127 mit Replik Everts, NJW 2008, 557 f.; Ebeling, NJW 1998, 358 ).

d) Vorliegend hat das FG ausgehend vom Wortlaut des Testaments, wonach das Vermächtnis in Höhe des erbschaftsteuerlichen Freibetrages erst in fünf Jahren "fällig" werden sollte, die letztwillige Verfügung des Erblassers unter Berücksichtigung der weiteren Umstände dahingehend gewürdigt, dass dieser den unverzinsten Vermächtnisbetrag bereits mit Eintritt des Erbfalls dem Kläger zuwenden und nur die Fälligkeit der Auszahlung hinausschieben wollte.

Die Anordnung der jährlichen Verzinsung des Vermächtnisbetrages hat es als Übergang des Rechts auf Fruchtziehung im Zeitpunkt des Erbfalls auf den Vermächtnisnehmer gewürdigt. Dies ist möglich und verstößt nicht gegen Denk- und Erfahrungssätze.

Ob die vom Kläger vertretene Auslegung, es habe der Gesamtbetrag im Wege des befristeten Vermächtnisses zugewendet werden sollen, ebenfalls möglich wäre oder wahrscheinlicher ist und welche ertragsteuerlichen Folgen sich hieraus ergeben würden, bedarf daher keiner Entscheidung.

2. Die im Testament verfügte Verzinsung des betagten Vermächtnisanspruches führt beim Kläger zu Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG .

a) Nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder gewährt worden ist, auch wenn die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Dies gilt unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage.

Der Rechtsgrund der Kapitalüberlassung ist dabei ebenso ohne Bedeutung wie der Umstand, ob die zu Grunde liegende Kapitalforderung selbst steuerbar ist. Auch eine nicht freiwillige, sondern erzwungene Kapitalüberlassung kann zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führen (BFH-Urteile vom 26. Juni 1996 VIII R 67/95, BFH/NV 1997, 175 ; vom 13. November 2007 VIII R 36/05, BFHE 220, 35 , BStBl II 2008, 292 ; vom 9. Juni 2015 VIII R 18/12, BFH/NV 2015, 1616 ).

b) Der Vermächtnisanspruch des Klägers gehört zu den sonstigen Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG , denn er ist auf eine Geldleistung gerichtet. Eine erzwungene Kapitalüberlassung liegt auch in den Fällen vor, in denen der Erblasser durch testamentarische Anordnung eine auf Geld gerichtete Teilungsanordnung trifft oder eine Geldforderung vermacht und deren spätere Fälligkeit verbindlich vorgibt (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 1997, 175 ; vom 26. November 1992 X R 187/87, BFHE 170, 98 , BStBl II 1993, 298 ; vom 9. Februar 2010 VIII R 43/06, BFHE 229, 104 , BStBl II 2010, 818 , zur zeitlich gestreckten Erfüllung eines Pflichtteilsanspruchs).

Legt der Erblasser —wie hier— bei der Zuwendung eines Vermächtnisbetrages zugleich eine Verzinsung für die Zeit bis zur Fälligkeit fest, sind diese Zinsen bei Zufluss als Einkünfte aus Kapitalvermögen steuerpflichtig (so auch Ebeling, NJW 1998, 358 ; Dressler, NJW 1997, 2848 , 2851 zu verzinslich gestundeten Pflichtteilsansprüchen; Kesseler/Thouet, NJW 2008, 125 , 127 zur unverzinslich hinausgeschobenen Fälligkeit).

c) Auch wenn der Erblasser dem Kläger —wie dieser vorträgt— nicht den Betrag von 205.000 € zuzüglich Zinsen, sondern den Gesamtbetrag in Höhe von 256.250 € durch Vermächtnis mit Fälligkeit im Jahr 2006 zugewendet hätte, würde sich ertragsteuerlich kein anderes Ergebnis einstellen.

aa) Zwar stellt der Erwerb von Todes wegen kein erzieltes Einkommen i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7 EStG dar und unterliegt nicht der Einkommensteuer. Gleiches gilt für die Auszahlung eines durch Erbgang erworbenen Vermögensrechts (Erb- oder Pflichtteil, Vermächtnis). Auch die einer Erbauseinandersetzung nachfolgende Auszahlung des gesetzlichen Erbteils (oder Pflichtteils) hat keine einkommensteuerrechtlichen Folgen, sofern die Auszahlung des Anspruchs zeitnah erfolgt (vgl. BFH-Urteile vom 7. Dezember 1990 X R 72/89, BFHE 163, 137 , BStBl II 1991, 350 ; in BFHE 170, 98 , BStBl II 1993, 298 ; in BFH/NV 1997, 175 ).

bb) Wird hingegen die Fälligkeit des von Todes wegen erworbenen Anspruchs einvernehmlich zwischen den Erben oder einseitig durch Anordnung des Erblassers mehr als ein Jahr ab seiner Entstehung hinausgeschoben, so stellt dies eine —wie im Streitfall ggf. unfreiwillige— Kreditgewährung an den Erben dar. Der ausbezahlte Betrag enthält neben dem ertragsteuerlich unbeachtlichen Kapitalwert auch dann ein Entgelt für die Überlassung von Kapital zur Nutzung, wenn das Entgelt nicht gesondert vereinbart wird (vgl. BFH-Urteile in BFHE 170, 98 , BStBl II 1993, 298 , und in BFH/NV 1997, 175 ).

cc) Im Falle eines betagten Vermächtnisses wäre —folgte man dem Kläger— die dann unverzinsliche Vermächtnisforderung in der gesamten Höhe zwar bereits mit dem Erbfall entstanden, jedoch erst fünf Jahre nach dem Erbfall fällig. Sie wäre nach der oben dargestellten Rechtsprechung in einen Zins- und einen Kapitalanteil aufzuteilen. Ist ein gesondertes Entgelt in Form einer angemessenen Verzinsung nicht vereinbart, ist der im Gesamtbetrag enthaltene Zinsanteil nach § 12 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes zu ermitteln (vgl. BFH-Urteile in BFHE 170, 98 , BStBl II 1993, 298 ; in BFH/NV 1997, 175 ; BFH-Beschlüsse vom 12. September 2011 VIII B 70/09, BFH/NV 2012, 229 , und vom 8. Oktober 2014 VIII B 115/13, BFH/NV 2015, 200 ).

d) Soweit der Kläger eine fehlerhafte Auslegung von § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG geltend macht, ist dies vorliegend nicht entscheidungserheblich.

3. Entgegen der Auffassung des FG sind die Zinsen dem Kläger nicht im Streitjahr gemäß § 11 Abs. 1 EStG zugeflossen.

a) Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind.

aa) Zugeflossen ist eine Einnahme dann, wenn der Empfänger die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die in Geld oder Geldeswert bestehenden Güter erlangt hat; das ist in der Regel der Zeitpunkt des Eintritts des Leistungserfolges. Das Innehaben von (fälligen) Ansprüchen oder Rechten führt nach ständiger Rechtsprechung den Zufluss von Einnahmen regelmäßig noch nicht herbei, denn der Zufluss ist grundsätzlich erst mit der Erfüllung des Anspruchs gegeben (BFH-Urteile vom 2. Dezember 2014 VIII R 40/11, BFHE 249, 60 ; vom 5. November 2013 VIII R 20/11, BFHE 243, 481 , BStBl II 2014, 275 ; vom 21. November 1989 IX R 170/85, BFHE 159, 72 , BStBl II 1990, 310 ).

bb) Geldbeträge fließen dem Steuerpflichtigen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden. Auch die Hingabe eines (gedeckten) Schecks führt zum Zufluss des entsprechenden Geldbetrags (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 22. Juli 1997 VIII R 13/96, BFHE 184, 46 , BStBl II 1997, 767 ; vom 16. September 2014 VIII R 15/13, BFHE 247, 220 , BStBl II 2015, 468 ).

cc) Ebenso kann der Zufluss durch eine gesonderte Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger bewirkt werden, dass der Betrag "fortan aus einem anderen Rechtsgrund geschuldet sein soll". In einer solchen Schuldumwandlung (Novation) kann, wenn sie im Interesse des Gläubigers liegt, eine Verfügung des Gläubigers über seine bisherige Forderung liegen, die einkommensteuerlich so zu werten ist, als ob der Schuldner die Altschuld durch Zahlung begleicht und der Gläubiger den vereinnahmten Betrag in Erfüllung des neu geschaffenen Verpflichtungsgrundes dem Schuldner sofort wieder zur Verfügung stellt. Die Novation beinhaltet dann eine bloße Verkürzung des Leistungswegs (BFH-Urteil vom 11. Februar 2014 VIII R 25/12, BFHE 244, 406 , BStBl II 2014, 461 ). Eine zum Zufluss führende Novation kann auch vorliegen, wenn der Steuerpflichtige die Wahl zwischen Auszahlung und Wiederanlage im Wege einer Vorausverfügung bereits vor der Entstehung und Fälligkeit der Kapitalerträge trifft (BFH-Urteil vom 16. September 2014 VIII R 15/13, BFHE 247, 220 , BStBl II 2015, 468 , m.w.N.).

dd) Davon zu unterscheiden ist das bloße einvernehmliche Hinausschieben der Fälligkeit des auszuzahlenden Zinsanspruchs. Dies stellt lediglich eine Stundung und keine den Zufluss begründende Verfügung des Gläubigers über die Kapitalerträge dar (vgl. BFH-Urteile in BFHE 247, 220 , BStBl II 2015, 468 ; vom 11. November 2009 IX R 1/09, BFHE 227, 93 , BStBl II 2010, 746 ).

ee) Ob der Steuerpflichtige im Einzelfall tatsächlich die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt hat, ist eine Frage der Tatsachenfeststellung und -würdigung, die dem FG obliegt. Hierbei hat das FG alle Umstände des Einzelfalles zu prüfen (vgl. BFH-Urteile vom 16. März 2010 VIII R 4/07, BFHE 229, 141 , BStBl II 2014, 147 , und in BFHE 247, 220 , BStBl II 2015, 468 ).

b) Nach diesen Grundsätzen ist die rechtliche Würdigung des FG, die Zinsen seien dem Kläger im Streitjahr zugeflossen, da er den Vermächtnisbetrag nebst Zinsen nicht eingefordert und sich damit für eine weitere verzinsliche Überlassung des Kapitals entschieden habe, rechtsfehlerhaft.

aa) Eine tatsächliche Auszahlung der streitigen Zinsen an den Kläger ist im Streitjahr unstreitig nicht erfolgt.

bb) Allein die Fälligkeit des Vermächtnisbetrages im Streitjahr mit gleichzeitig eintretender Fälligkeit der Zinsen vom Erbfall bis zur Fälligkeit in Höhe von 51.250 € vermag einen Zufluss beim Kläger nicht zu begründen. Hierdurch erlangt er nicht die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Zinsen.

Die vom FG zugrunde gelegte Rechtsprechung zum Zufluss einer Gewinnausschüttung bei einem beherrschenden Gesellschafter bereits mit Fälligkeit der Forderung und nicht erst mit Gutschrift auf dem Konto (vgl. BFH-Urteil vom 2. Dezember 2014 VIII R 2/12, BFHE 248, 45 , BStBl II 2015, 333 , m.w.N.) ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Denn ein beherrschender Gesellschafter hat es —anders als der Kläger im Streitfall— regelmäßig selbst in der Hand, sich die von seiner Gesellschaft geschuldeten Beträge auszahlen zu lassen.

cc) Das bloße Unterlassen, den fälligen Anspruch gegenüber der Erbin geltend zu machen, stellt keine den Zufluss begründende Disposition des Klägers über den Zinsanspruch dar. Diese einseitige Entscheidung des Klägers, das Kapital (zunächst) weiterhin der Erbin zu überlassen, führte auch nicht zu einer Novation oder Wiederanlage hinsichtlich der Zinsen im Sinne der oben genannten Rechtsprechung. Hierzu hätte es einer Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Erbin bedurft, dass dieser der Erbin sowohl den Vermächtnisbetrag als auch insbesondere die bis zur Fälligkeit schon angefallenen Zinsen als Gesamtbetrag weiterhin verzinslich überlässt. Für das Vorliegen einer solchen Vereinbarung im Streitjahr gibt es keine tatsächlichen Anhaltspunkte.

Der Verzicht des Klägers im notariellen Vertrag vom 27. Juni 2007 auf einen Geldbetrag in Höhe des Vermächtnisbetrages und der seit dem Erbfall angefallenen Zinsen in Höhe von rund 61.640 € umfasste die durchgehend mit 5 % auf den Vermächtnisbetrag bis zum Verzichtsdatum weiter berechneten Zinsen. Es wurden nach dem Eintritt der testamentarischen Fälligkeit lediglich der Vermächtnisbetrag und der aufgelaufene Zinsbetrag nicht eingefordert und damit weiter gestundet. Die Verzinsung des Vermächtnisbetrages sollte bis zur "Auszahlung" erfolgen. Erst mit dem Verzicht auf die fälligen Beträge als Gegenleistung für den Verzicht der Erbin auf die Nießbrauchsrechte hat der Kläger im Jahr 2007 wirtschaftlich über die Zinsen verfügt.

4. Der richterliche Hinweis, der im Verfahren vor dem FG mit dem Az. ... zur Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides 2007 durch das FA und Abgabe der übereinstimmenden Erledigungserklärungen in der Hauptsache geführt hat, bindet den Senat nicht. Eine die Beteiligten bindende tatsächliche Verständigung über eine den Zufluss im Streitjahr begründende Verfügung wurde hierdurch vor dem FG nicht geschlossen (vgl. hierzu BFH-Beschlüsse vom 5. März 2013 X B 121/11, BFH/NV 2013, 1083 , und vom 6. Februar 2015 IX B 97/14, BFH/NV 2015, 821 ).

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO .

Vorinstanz: FG Düsseldorf, vom 14.02.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 16 K 3701/12
Fundstellen
BFHE 252, 260