Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 04.09.2014

AK 26/14

Normen:
StPO § 112 Abs. 1
StPO § 112 Abs. 2 Nr. 2

BGH, Beschluss vom 04.09.2014 - Aktenzeichen AK 26/14

DRsp Nr. 2014/14561

Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus

Tenor

Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.

Eine etwa weiter erforderliche Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Hamburg übertragen.

Normenkette:

StPO § 112 Abs. 1 ; StPO § 112 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe

I.

Der Angeschuldigte wurde aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 12. Februar 2014 (1 BGs 21/14) - aufrechterhalten nach mündlicher Haftprüfung durch Beschluss vom 4. April 2014 (1 BGs 59/14) - am 14. Februar 2014 festgenommen und befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft.

Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeschuldigte habe zwischen Februar 2011 und Juni 2013 in St. Augustin, Hamburg und an anderen Orten aufgrund jeweils selbständigen Willensentschlusses (§ 53 StGB ) sowie vorsätzlich und gewerbsmäßig handelnd dieser Verordnung.

- in zehn Fällen einem Bereitstellungsverbot eines im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten unmittelbar geltenden Rechtsaktes der Europäischen Union zuwidergehandelt, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme - IranEmbargo - dient (Fälle 1 bis 8, 11 und 12; Verbrechen, strafbar nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 7 Nr. 2 AWG nF),

- in einem Falle dies versucht (Fall 10; versuchtes Verbrechen, strafbar nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 7 Nr. 2 AWG nF in Verbindung mit § 22 StGB ),

- in einem weiteren Falle gegen eine Genehmigungspflicht für eine Dienstleistung eines solchen Rechtsakts verstoßen zu haben (Fall 9; Verbrechen, strafbar nach § 18 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 7 Nr. 2 AWG nF),

Fälle 1 bis 5 in Verbindung mit Art. 16 Abs. 3 und Anhang VII A Nr. 64 der VO (EU) 961/2010 des Rates vom 25. Oktober 2010, ABl. EU L 281/1 vom 27.10.2010,

Fälle 6 bis 8 und 10 bis 12 in Verbindung mit Art. 23 Abs. 3 und Anhang VIII A Nr. 47 der VO (EU) 267/2012 vom 23. März 2012, ABl. EU L 88/1 vom 24.03.2012,

Fall 9 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 Buchst. a und Anhang III A1.022

Wegen dieser Vorwürfe - ausgenommen Fall 4 - hat der Generalbundesanwalt gegen den Angeschuldigten unter dem 24. Juli 2014 Anklage zum Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Hamburg erhoben.

II.

Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.1. Der Angeschuldigte ist jedenfalls in den Fällen 1 bis 3, 5 bis 9, 11 und 12 des Haftbefehls des ihm vorgeworfenen Tatgeschehens dringend verdächtig.

a) Insoweit ist nach gegenwärtigem Erkenntnisstand von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Angeschuldigte, der die deutsche und die iranische Staatsangehörigkeit besitzt, lieferte in insgesamt neun Fällen über die von ihm beherrschte, jeweils als Verkäuferin auftretende Firma G. mit Sitz in der International Free Zone Sharjah/Vereinigte Arabische Emirate industrielle Güter mit erheblichen Gewinnaufschlägen an eine K. Co. in Teheran. Unter dieser Firmierung trat, wie der Angeschuldigte wusste, die dem iranischen Verteidigungsministerium zugehörige, mit militärischen Raketenprogrammen befasste und deshalb in den Sanktionslisten der IranEmbargoverordnungen aufgeführte S. auf. Im Einzelnen kam es auf Veranlassung des Angeschuldigten zu folgenden Lieferungen der G. an die vorgebliche K. Co., durch die sich der Angeschuldigte eine fortlaufende, nicht unerhebliche Einnahmequelle verschaffen wollte:

- 28. Februar 2011 (Fall 1) 135 Einheiten hochwertige Polystyrene, bezogen aus Deutschland über Dubai, Kaufpreis (umgerechnet) 25.185,33 €, - 3. April 2001 (Fall 2) 8 Vakuumpumpen, bezogen aus Italien über die Firma B. des Angeschuldigten, Kaufpreis 28.000 €, - 17. April 2011 (Fall 3) 4 Druckminderer mit Hochdruck-Runddichtungen, bezogen aus den USA über eine thailändische Firma, Kaufpreis 3.932 €, - 13. Februar 2012 (Fall 5) 7 Flammenmelder und 7 Befestigungsdrehgelenke für eine Brandschutzanlage, bezogen aus den USA über malaysische Firmen, Kaufpreis 27.735,55 €, - 13. November 2012 (Fall 6) 2 Hochdruck-Magnetventile und 15 2/2Wege-Kugelhähne, bezogen aus Deutschland und der Schweiz, Kaufpreis 7.387 €, - 29. November 2012 (Fall 7) 108 Stück Wassersprinklerköpfe und 15 Wasserspritzdüsen für die genannte Brandschutzanlage, bezogen aus Südkorea über die Firma W. des Angeschuldigten, Kaufpreis 21.475 €, - 24. Dezember 2012 (Fall 8) 8 2/2-Wege-Hochdruckventile, bezogen aus Singapur, Kaufpreis 12.712 €, - 13. März 2013 (Fall 11) 16 Flammenmelder für die genannte Brandschutzanlage, bezogen aus den USA über malaysische Firmen, Kaufpreis 63.481,20 €, - 3. Juni 2013 (Fall 12) 42 Drosselventile, bezogen aus China über die Firma B. des Angeschuldigten, (nicht bezahlter) Kaufpreis 220.530 €.

Weiter kaufte die G. auf Veranlassung des in derselben Absicht handelnden Angeklagten über dessen Firma C. GmbH bei einem chinesischen Hersteller 113,4 kg Bänder aus Nimonic-75-Legierung mit einem Nickelanteil von über 60%, bestimmt zum Weiterverkauf an die - in der VO (EU) 267/2012 nicht gelistete - P. mit Sitz in Täbris/Iran für umgerechnet 10.478,45 €. Die Ware wurde in Dubai durch eine von der G. beauftragte Spedition entgegengenommen und am 4. Januar 2013 per Luftfracht über Istanbul an die P. ausgeliefert (Fall 9).

b) Den äußeren Hergang der ihm vorgeworfenen Geschäfte, der im Einzelnen auch durch die sichergestellte geschäftliche Korrespondenz belegt wird, hat der Angeschuldigte bei seiner staatsanwaltschaftlichen Vernehmung am 31. März 2014 sowie im Haftprüfungstermin am 4. April 2014 im Wesentlichen eingeräumt. Soweit er sich dahin eingelassen hat, er habe von der Verbindung der als solche nicht gelisteten K. zur S. keine Kenntnis gehabt und die Vermittlung der Stahlbänder an die P. aufgrund von deren Beschaffenheit für genehmigungsfrei gehalten, ergibt sich der dringende Tatverdacht aus dem in der Anklageschrift des Generalbundesanwalts (S. 55 ff.) ausführlich dargelegten Ermittlungsergebnis, insbesondere aus dem Inhalt der aufgezeichneten Telekommunikation.

2. Es besteht jedenfalls der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO ); der Zweck der Untersuchungshaft kann auch nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO ). Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die ausführlichen Darlegungen in dem den Haftbefehl aufrechterhaltenden Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes vom 4. April 2014, an deren Fortgeltung sich zwischenzeitlich nichts geändert hat.

3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO ) liegen vor. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen.

Zeitgleich mit der Festnahme des Angeschuldigten am 14. Februar 2014 wurden dessen Wohnräume sowie die Geschäftssitze der von ihm in B. und in A. betriebenen insgesamt fünf Firmen (erneut) durchsucht. Nach der Auswertung der sichergestellten Geschäftsunterlagen und den danach noch gebotenen Zeugenvernehmungen hat das mit den Ermittlungen beauftragte Zollkriminalamt Köln am 7. Juli 2014 den umfangreichen Schlussbericht erstellt. Der Vorsitzende des zuständigen Staatsschutzsenats des Oberlandesgerichts Hamburg hat am 5. August 2014 die Zustellung der unter dem 24. Juli 2014 erhobenen, dort am 4. August 2014 eingegangenen Anklageschrift an die Verteidiger des Angeschuldigten verfügt und eine Erklärungsfrist bis zum 2. September 2014 bestimmt. Für den Fall der Eröffnung des Hauptverfahrens soll die Hauptverhandlung, wie mit der Verteidigung bereits abgesprochen, am 28. Oktober 2014 beginnen.

Das Verfahren ist danach mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.

4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht auch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafe.

III.

Da die oben dargestellten Fälle 1 bis 3, 5 bis 9, 11 und 12 den Haftbefehl tragen, lässt der Senat offen, ob der Angeschuldigte auch des ihm unter Fall 4 des Haftbefehls vorgeworfenen, von der Anklage nicht erfassten Tatgeschehens dringend verdächtig ist. Dasselbe gilt hinsichtlich der Frage, ob der Angeschuldigte im Falle 10 des Haftbefehls, in dem schon die Lieferung der vom Angeschuldigten für die K. bestimmten Güter durch den Hersteller an die G. scheiterte, bereits unmittelbar zu einer Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot angesetzt hatte (§ 22 StGB ).