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BGH - Entscheidung vom 03.07.2014

4 StR 230/14

Normen:
StPO § 154 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 03.07.2014 - Aktenzeichen 4 StR 230/14

DRsp Nr. 2014/12130

Verurteilung trotz Einstellung des Verfahrens in der Hauptverhandlung

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 19. Februar 2014 aufgehoben,

a)

soweit der Angeklagte im Fall II.4. der Urteilsgründe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt wurde; insofern wird das weitere Verfahren eingestellt und werden die hinsichtlich dieser Tat angefallenen weiteren Kosten des Verfahrens und notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt;

b)

im Ausspruch über den Verfall; diese Anordnung entfällt.

2.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

3.

Im verbleibenden Umfang hat der Angeklagte die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Normenkette:

StPO § 154 Abs. 2 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, jeweils begangen in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen sowie wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 24 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Verfall von beim Angeklagten sichergestellten 1.700 € angeordnet. Gegen das Urteil richtet sich die auf verfahrens- und sachlich-rechtliche Beanstandungen gerichtete Revision des Angeklagten. Diese führt zur teilweisen Einstellung des Verfahrens und zum Wegfall der Verfallanordnung. Im Übrigen hat sie keinen Erfolg.

1. Das Rechtsmittel führt zur teilweisen Einstellung des Verfahrens, weil das Landgericht Fall II.4 der Anklage nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, diesen anschließend aber gleichwohl abgeurteilt hat.

a) In der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift wird dem Angeklagten unter anderem zu Last gelegt, "zwischen Januar und Juli 2011 ... alle 2 Monate" von J. F. 500 Gramm Marihuana erworben zu haben (Fälle 2 bis 4 der Anklageschrift). Ferner soll er im Februar/März 2011 von J. F. 500 Gramm Marihuana erhalten haben, das ihm von Je. K. vor der Wohnung des J. F. übergeben worden sei (Fall 5 der Anklageschrift).

In der Hauptverhandlung beantragte die Staatsanwältin, "das Verfahren der zu Ziffer 4. angeklagten Tat gemäß § 154 Abs. 2 StPO einzustellen" (Sachakten Band II Bl. 55). Dem kam die Strafkammer nach; sie beschloss, dass "das Verfahren ..., hinsichtlich der unter Ziffer 4 der Anklageschrift vom 9.7.2013 angeklagten Tat vorläufig eingestellt wird" (Sachakten Band II Bl. 61, 66).

Nach den im Urteil getroffenen Feststellungen erwarb der Angeklagte in den dort unter II.2 bis 4 aufgeführten Fällen an drei Tagen "zwischen Januar und Juli 2011 ... alle zwei Monate von J. F. , in einem Fall über dessen Mittelsmann Je. K. , jeweils 500 Gramm Marihuana", die er teilweise weiterverkaufte und im Übrigen selbst konsumierte. Fall II.5 der Urteilsgründe betrifft eine andere Tat, nämlich den Ankauf von zwei Kilogramm Haschisch von D. S. .

b) Der Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall II.4 der Urteilsgründe steht die Einstellung dieser Tat nach § 154 Abs. 2 StPO entgegen. Hierin liegt ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis.

Die vom Landgericht vorgenommene Einstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO hinsichtlich "Ziffer 4 der Anklageschrift" betrifft - schon nach ihrer Bezeichnung - den letzten der drei dem Angeklagten zwischen Januar und Juli 2011 "alle zwei Monate" zur Last gelegten Ankauf von 500 Gramm Marihuana bei J. F. . Da die Strafkammer aber gleichwohl drei Ankäufe, die im unverändert gebliebenen Tatzeitraum "alle zwei Monate" stattgefunden haben, abgeurteilt hat, hat es auch den - eingestellten - letzten Fall in die Verurteilung einbezogen und damit das durch die Einstellung entstandene, aber weder durch eine ausdrückliche noch eine konkludente Wiederaufnahme dieser Tat beseitigte Verfahrenshindernis missachtet (vgl. zu einer ähnlichen Fallkonstellation auch Senat, Beschluss vom 4. Juni 2013 - 4 StR 192/13).

Insofern wäre es zwar denkbar, dass die Strafkammer hinsichtlich eines der Anklagefälle 2, 3 oder 5 die Tatzeit nach hinten verschoben hat. Eine solche Tatzeitverschiebung hätte jedoch vorliegend nicht aufgrund eines Hinweises (vgl. Meyer-Goßner, StPO , 57. Aufl., § 265 Rn. 23 mwN) erfolgen können, da eine solche nur dann ausreicht, wenn die in der Anklage beschriebene Tat unabhängig von der Tatzeit nach anderen Merkmalen individualisiert und dadurch weiterhin als einmaliges, unverwechselbares Geschehen gekennzeichnet ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2010 - 4 StR 407/09, NStZ 2010, 346; Beschluss vom 21. August 2013 - 2 StR 311/13 jeweils mwN). Hieran fehlt es aber schon im Hinblick auf den gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellten Tatvorwurf.

2. Entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts ist im Hinblick auf den Widerspruch zwischen Urteilstenor ("Verfall") und Entscheidungsgründen (§ 73d StGB ) ferner die Verfallanordnung aufzuheben (vgl. zum Verfall nach Verzicht auf die Rückgabe eines sichergestellten Geldbetrages auch BGH, Urteil vom 5. April 2000 - 2 StR 500/99 [[...] Rn. 6], wistra 2000, 298 ).

3. Im Übrigen hat das Rechtsmittel des Angeklagten aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 28. Mai 2014 dargelegten Gründen keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO ). Insbesondere schließt der Senat im Hinblick auf die verbleibenden Einzelstrafen aus, dass das Landgericht ohne die im Fall II.4 verhängte Einzelstrafe von neun Monaten eine (noch) geringere Gesamtstrafe verhängt hätte.

Vorinstanz: LG Halle, vom 19.02.2014