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BGH - Entscheidung vom 31.01.2014

III ZR 84/13

Normen:
BGB § 203 S. 1
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 3
BGB § 214 Abs. 1
ZPO § 690 Abs. 1 Nr. 3

BGH, Beschluss vom 31.01.2014 - Aktenzeichen III ZR 84/13

DRsp Nr. 2014/3349

Verneinung eines Verschuldens der Mitglieder des Gutachterausschusses bei der Gutachtenerstellung mit dem Hinweis auf die Kollegialgerichtsrichtlinie

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 21. Januar 2013 - 4 U 119/12 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 128.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BGB § 203 S. 1; BGB § 204 Abs. 1 Nr. 3 ; BGB § 214 Abs. 1 ; ZPO § 690 Abs. 1 Nr. 3 ;

Gründe

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Berufungsurteil ist unbegründet, weil die Zulassungsvoraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

1. Zutreffend rügt der Kläger jedoch die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, der Anspruch des Klägers wegen des fehlerhaften Gutachtens des Gutachterausschusses entfalle mangels Verschulden wegen der Anwendung der Kollegialgerichtsrichtlinie, weil die Baulandkammer und der Baulandsenat im Vorprozess das Gutachten des Gutachterausschusses gewürdigt und für zutreffend gehalten hätten.

Ein Verschulden der Mitglieder des Gutachterausschusses bei der Gutachtenerstellung kann nicht mit dem Hinweis auf die Kollegialgerichtsrichtlinie verneint werden. Diese beruht auf der Erwägung, dass von einem Beamten, der allein und im Drang der Geschäfte handeln muss, keine bessere Rechtseinsicht erwartet werden kann, als von einem Gremium mit mehreren Rechtskundigen, das in voller Ruhe und reiflicher Überlegung entscheidet, nachdem vorher der Prozessstoff in ganzer Fülle vor ihm ausgebreitet worden ist. Insofern trifft nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs einen Beamten in der Regel kein Verschulden, wenn ein mit mehreren Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat. Weiter ist Voraussetzung für die Anwendung der Kollegialgerichtsrichtlinie, dass der Beamte eine zweifelhafte und nicht einfach zu lösende Rechtsfrage zu beantworten hat (vgl. ständige Rechtsprechung zuletzt Senatsurteil vom 4. November 2010 - III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 Rn. 36 f mwN). Im vorliegenden Fall war die Rechtmäßigkeit der Amtsausübung der Mitglieder des Gutachterausschusses nicht Gegenstand der Entscheidung der Baulandgerichte im Vorprozess. Der Gutachterausschuss hatte als Sachverständiger zu tatsächlichen Bewertungsfragen Stellung zu nehmen und keine Rechtsfragen zu beantworten. Die Kollegialgerichtsrichtlinie ist daher im vorliegenden Fall nicht anwendbar.

2. Die Zulassung der Revision kommt wegen dieses Gesichtspunktes gleichwohl nicht in Betracht, da die Entscheidung des Rechtsstreits hierauf nicht beruht. Die Schadensersatzforderung des Klägers ist nämlich verjährt, so dass der Beklagte nach § 214 Abs. 1 BGB berechtigt ist, die Leistung zu verweigern.

Die hier anwendbare regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginnt nach §§ 195 , 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden war und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste.

a) Danach begann vorliegend die Verjährungsfrist am 1. Januar 2005. Mit der Entscheidung des Senats vom 1. April 2004 im Vorprozess war das baulandgerichtliche Verfahren abgeschlossen und der Schaden spätestens eingetreten. Dahingestellt bleiben kann, ob bereits mit der Entscheidung des Landgerichts im ersten Rechtszug des Vorprozesses ein Schaden eingetreten sein kann (vgl. dazu BGH, Urteile vom 21. Februar 2002 - IX ZR 127/00, NJW 2002, 1414 , 1415; vom 9. Dezember 1999 - IX ZR 129/99, NJW 2000, 1263 , 1264; vom 12. Februar 1998 - IX ZR 190/97, NJW-RR 1998, 742 ). Die erforderliche Kenntnis beziehungsweise grob fahrlässige Unkenntnis als Voraussetzung für den Beginn der Verjährungsfrist ist vorhanden, wenn der Geschädigte aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Schadensersatzklage, sei es auch nur eine Feststellungsklage, erheben kann, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht hat, dass sie zumutbar ist. Die Frage, wann dem Geschädigten eine Klage zumutbar ist, beurteilt sich im Amtshaftungsrecht nach ähnlichen Gesichtspunkten, wie der Senat sie für den Gebrauch eines Rechtsmittels im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB angenommen hat (Senatsurteil vom 11. Mai 1989 - III ZR 88/87, NJW 1990, 245 , 247; Beschlüsse vom 28. Februar 1991 - III ZR 252/89, BGHR BGB § 852 Amtshaftung 2 und vom 25. November 1991 - III ZR 190/90, BGHR BGB § 852 Amtshaftung 3 zu § 852 BGB a.F.).

Im vorliegenden Fall konnte der Kläger davon ausgehen, dass er mit den gegen die vorinstanzlichen Urteile der Baulandgerichte eingelegten Rechtsmitteln (Berufung, Nichtzulassungsbeschwerde) die ihn belastenden Folgen des von ihm als fehlerhaft angesehenen Gutachtens des Gutachterausschusses beseitigen konnte. Dies war für ihn in der damaligen Situation der einfachere Weg, der im Erfolgsfalle eine Schadensersatzklage aus seiner Sicht entbehrlich gemacht hätte. Dementsprechend war es ihm zum Zeitpunkt des Erlasses des erst- und zweitinstanzlichen Urteils im baulandgerichtlichen Verfahren nicht zumutbar, bereits Schadensersatzklage wegen der wirtschaftlichen Folgen des von ihm als fehlerhaft angesehenen Gutachtens des Gutachterausschusses einzureichen.

b) Die Frist war auch nicht durch Verhandlungen bis zum 31. Dezember 2007 gehemmt. Zwar ist der Begriff der Verhandlung im Sinne des § 203 Satz 1 BGB weit auszulegen. Es kann jeder Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen ausreichen, was aber nur gilt, wenn der Schuldner nicht sofort erkennbar Verhandlungen ablehnt (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 2006 - VI ZR 124/05, NJW 2007, 64 Rn. 5). Verhandlungen schweben, wenn der in Anspruch Genommene Erklärungen abgibt, die dem Geschädigten die Annahme gestatten, der Verpflichtete lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen ein (BGH, Urteil vom 26. September 2006 aaO mwN).

Substantiierten Vortrag in dieser Weise hat der Kläger nicht gehalten. Das Berufungsurteil führt solches nicht aus und auch die Beschwerde nimmt auf solchen Vortrag keinen Bezug. In der ersten Instanz hat der Kläger lediglich vorgetragen, stets mit dem Gutachterausschuss über eine Berichtigung des Gutachtens gesprochen und Schadensersatzansprüche angekündigt zu haben. Er selbst hat aber ausgeführt, dass vom Gutachterausschuss stets klargestellt worden sei, dass das Gutachten richtig sei. Dem Beklagtenvortrag in erster Instanz, dass Schadensersatzansprüche stets zurückgewiesen worden seien, ist der Kläger nicht entgegengetreten. Eine verjährungshemmende Verhandlung kann daher aufgrund des erstinstanzlichen Klägervortrags nicht angenommen werden.

c) Die Verjährung ist auch nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB durch den am 31. Dezember 2007 beantragten und am 21. Februar 2008 zugestellten Mahnbescheid gehemmt worden.

Voraussetzung für die Hemmung der Verjährung nach dieser Vorschrift ist, dass im Antrag der mit dem Mahnbescheid geltend gemachte Anspruch in einer den Anforderungen des § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO entsprechenden Weise hinreichend individualisiert worden ist. Dazu ist erforderlich, dass der Anspruch durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen zu unterscheiden ist und so abgegrenzt wird, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann und dem Schuldner die Beurteilung ermöglicht, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will. Wann diese Anforderungen erfüllt sind, kann nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden; vielmehr hängen Art und Umfang der erforderlichen Angaben im Einzelfall von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab (ständige Rechtsprechung, BGH, Urteil vom 17. November 2010 - VIII ZR 211/09, NJW 2011, 613 Rn. 9 mwN). Voraussetzung für die verjährungshemmende Wirkung ist dabei nicht, dass aus dem Mahnbescheid für einen außenstehenden Dritten ersichtlich ist, welche konkreten Ansprüche mit dem Mahnbescheid geltend gemacht werden; es reicht aus, dass dies für den Antragsgegner erkennbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 2010 aaO. Rn. 11 mwN).

Im vorliegenden Fall genügt der Mahnbescheidsantrag vom 31. Dezember 2011 den Anforderungen an eine hinreichende Individualisierung nicht.

aa) Es ist schon sehr zweifelhaft, ob die Angabe "Schadensersatz aus Unfall/Vorfall gemäß Gutachten" mit dem Aktenzeichen des erstinstanzlich tätigen Baulandgerichts und mit dem Datum der Erstellung des schriftlichen Gutachtens im baulandgerichtlichen Vorprozess ausreicht, um den Anspruch in diesem Fall hinreichend zu individualisieren. Es dürfte für den Beklagten beziehungsweise das zur gerichtlichen Vertretung berufene Landesamt für Finanzen schon nicht möglich gewesen sein, einen Bezug zwischen dem Gutachten und einem hieraus dem Kläger (unmittelbar) entstandenen Schaden herzustellen.

bb) Die mangelnde Individualisierung ergab sich jedenfalls aus einem weiteren Umstand. Der Kläger hat mit dem Mahnbescheid in Höhe von 128.000 € einen Schaden geltend gemacht, den er laut seiner Klagebegründung zum einen dadurch erlitten hatte, dass er nach dem baulandgerichtlichen Verfahren 53.446,36 € an Ausgleich bezahlen musste. Zum anderen hat er geltend gemacht, dass ihm ein Zinsverlust entstanden sei in Höhe von 87.500 €. Aufgrund des im Gutachten angegebenen Wertes habe er das Grundstück mit einem zu hohen Preis am Markt angeboten und deshalb erst später verkaufen können. Bei vorherigem Verkauf hätte er einen entsprechenden Zinsaufwand in Höhe von 87.500 € sparen können. Diesen geltend gemachten Schaden hat er später noch weiter ergänzt um den von ihm geforderten Ersatz für aufgewendete Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 17.000 €.

(1) Bei den mit der Klagebegründung geltend gemachten zwei Schadenspositionen, dem als Ausgleich zu zahlenden Betrag und dem wegen des verspäteten Verkaufs eingetretenen Zinsaufwand handelt es sich nicht um unselbständige Rechnungsposten eines einheitlichen Schadens, sondern um verschiedene prozessuale Ansprüche. Dies ist darin begründet, dass der Schadenseintritt im Hinblick auf den zu zahlenden Betrag durch die rechtskräftige Entscheidung im baulandgerichtlichen Verfahren eingetreten ist, während der Zinsaufwand entstanden ist aufgrund der nachfolgenden selbstschädigenden Handlung des Klägers, weil er nach seinen Angaben auf die Richtigkeit des Gutachtens im gerichtlichen Verfahren vertraut und das Grundstück zunächst überteuert angeboten habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Ansprüche aus entgangenem Gewinn (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 2000 - II ZR 319/98, NJW 2000, 3718 , 3719) wie auch Zinsschäden (vgl. Senatsurteil vom 3. Dezember 1953 - III ZR 66/52, BGHZ 11, 192 , 193 f) als selbständige Schadensersatzansprüche anzusehen.

(2) Da die vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzansprüche in der Summe höher waren als der mit dem Mahnbescheid geltend gemachte Betrag, handelt es sich der Sache nach um einen Teilbetrag aus mehreren Einzelforderungen. In einem solchen Fall muss zur ausreichenden Individualisierung der Forderung eine genaue Aufteilung des geforderten (Teil-)betrags aus jeder Einzelforderung erfolgen, da sonst auf der Grundlage des Mahnbescheids weder ein der materiellen Rechtskraft fähiger Vollstreckungstitel ergehen kann, noch dem Schuldner die Beurteilung ermöglicht wird, ob er sich gegen den Anspruch ganz oder teilweise zur Wehr setzen will (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2008 - XI ZR 466/07, NJW 2009, 56 Rn. 21 f). Für das gerichtliche Verfahren ist dabei erforderlich, dass der Kläger die Individualisierung des Streitgegenstands selbst vornimmt. Er kann sie nicht dem Gericht zur Disposition stellen (BGH, Urteil vom 24. März 2011 - I ZR 108/09, BGHZ 189, S. 56 Rn. 9).

(3) Im vorliegenden Fall ist eine Individualisierung durch den Kläger nicht vorgenommen worden. Eine solche kann auch nur nachgeholt werden in nicht rechtsverjährter Zeit (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2008 aaO Rn. 19). Im vorliegenden Fall konnte deshalb durch die Zustellung des Mahnbescheids im Februar 2008, der die Ansprüche nicht hinreichend individualisiert hatte, die Verjährung nicht mehr gehemmt werden.

Da die Verjährungsfrist mit dem 31. Dezember 2007 abgelaufen ist, kann eine Individualisierung im Prozessverfahren eine Hemmung der Verjährung nicht mehr herbeiführen. Ein möglicher Anspruch des Klägers ist deshalb verjährt.

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 zweiter Halbsatz ZPO abgesehen.

Vorinstanz: LG Aschaffenburg, vom 01.06.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 2 O 33/08
Vorinstanz: OLG Bamberg, vom 21.01.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 4 U 119/12