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BGH - Entscheidung vom 14.01.2014

VI ZR 469/12

Normen:
BGB § 31
BGB § 823 Abs. 2
StGB § 263
ZPO § 286

Fundstellen:
DStR 2014, 10

BGH, Urteil vom 14.01.2014 - Aktenzeichen VI ZR 469/12

DRsp Nr. 2014/2948

Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb von Anteilen an einer Aktiengesellschaft

1. Für das zum Schadensersatz verpflichtende Verhalten eines Organs muss eine juristische Person in zeitlicher Hinsicht nur insoweit einstehen, als der betreffende Vertreter als ihr Organ gehandelt hat. 2. Ist das Berufungsgericht nach § 522 Abs. 2 ZPO verfahren, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das gesetzlich bestimmte Erfordernis gewahrt worden ist.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 20. September 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur Verhandlung und neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

BGB § 31 ; BGB § 823 Abs. 2 ; StGB § 263 ; ZPO § 286 ;

Tatbestand

Die Kläger machen gegen die Beklagte, eine Aktiengesellschaft nach türkischem Recht, deliktische Schadensersatzansprüche wegen des Erwerbs von Anteilen an der Beklagten geltend.

Die Kläger zu 1 und 3 sind die Söhne des Klägers zu 2. Der Kläger zu 1 erwarb am 29. Mai 1999 über den Anlagevermittler B. nicht börsennotierte Aktien der Beklagten im Wert von 40.500 DM. Im Jahr 2000 erwarb er weitere Aktien im Wert von 20.345 DM. Der Kläger zu 2 zeichnete am 25. Januar 2001 Aktien im Wert von 51.132,78 €, der Kläger zu 3 erwarb am 29. Mai 1999 Aktien im Wert von 64.165 DM und im Jahr 2000 Aktien im Wert von 31.300 DM. Anfang 2001 geriet der Konzern, zu dem die Beklagte gehört, in wirtschaftliche Schwierigkeiten.

Die Kläger behaupten, ihnen sei von B. zugesagt worden, dass der jeweilige Anlagebetrag auf Verlangen innerhalb von drei Monaten an sie zurückgezahlt werde. Hätten sie gewusst, dass es sich um Aktien mit unternehmerischem Risiko und der Möglichkeit des Totalverlustes handle, hätten sie die Anlage nicht getätigt.

Das Landgericht hat den auf Rückzahlung der Anlagebeträge gerichteten Klagen stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht durch Beschluss zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte das Ziel der Abweisung der Klagen weiter.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Der Anspruch gegen die Beklagte ergebe sich aus § 823 Abs. 2 , § 31 BGB , § 263 StGB . Der Vorstandsvorsitzende der Beklagten, H. B., habe gegenüber Anlegern in einem Schreiben im Jahr 1995 erklärt, dass hinsichtlich der Aktien eine Kündigungsmöglichkeit bestünde und das Geld in einem Zeitraum von drei Monaten zurückbezahlt werde. Hierdurch sei bei den Anlegern der Eindruck erweckt worden, dass sie einen von der wirtschaftlichen Situation der Beklagten unabhängigen garantierten rechtlichen Anspruch auf Rücknahme der Aktien gegen Rückzahlung der Einlagen hätten, was für den Erwerb der Papiere entscheidend gewesen sei. Die Realisierung der Zusage habe letztlich von der wirtschaftlichen Situation der Beklagten und der für die Zukunft nicht kalkulierbaren, keineswegs sicheren Nachfrage auf dem Zweitmarkt abgehangen. Dies habe der Vorstandsvorsitzende H. B. gewusst. Ohne die Anleger über die Unwägbarkeiten zu informieren, habe die Beklagte die Aktienverkäufe beworben. Sie habe es letztlich dem Zufall überlassen, ob sich die Gefahr, dass das Kapital nicht zurückgezahlt werden könne, verwirkliche oder nicht.

II.

Die Revision ist begründet.

1. Erfolglos bleibt allerdings die Rüge der Revision, dass dem angefochtenen Beschluss nicht zu entnehmen sei, ob die Entscheidung einstimmig ergangen ist. Es ist nicht schon deshalb anzunehmen, dass der Zurückweisungsbeschluss nicht einstimmig gefasst worden ist, weil dort - anders als im Hinweisbeschluss - die Einstimmigkeit nicht ausdrücklich erwähnt ist. Zwar ist die einstimmige Beschlussfassung zwingende Voraussetzung dafür, dass es einer mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht bedarf (Zöller/Heßler, ZPO 30. Aufl., § 522 Rn. 32). Jedoch ist, wenn das Berufungsgericht -wie hier -nach § 522 Abs. 2 ZPO verfahren ist, grundsätzlich davon auszugehen, dass das gesetzlich bestimmte Erfordernis gewahrt worden ist.

2. Die Revision rügt mit Erfolg, dass das Berufungsgericht den Vortrag der Beklagten außer Acht gelassen hat, wonach diese erst im Jahre 1997 gegründet worden sei und keine Umstände festgestellt sind, die die Zurechnung des Inhalts des Schreibens aus dem Jahr 1995, in dem der Vorstandsvorsitzende H. B. die Rücknahme der Aktien zusicherte, begründen würden (§ 286 ZPO ).

Die in § 31 BGB normierte haftungsrechtliche Zurechnung knüpft an die Fähigkeit des Organs an, für die juristische Person zu handeln (vgl. Senatsurteile vom 13. Januar 1987 - VI ZR 303/85, BGHZ 99, 298 , 299f. und vom 8. Juli 1986 - VI ZR 47/85, BGHZ 98, 148 , 151). Die Einstandspflicht der juristischen Person setzt deshalb voraus, dass das Organ in dem ihm zugewiesenen Wirkungskreis handelte (vgl. Senatsurteile vom 5. Dezember 1958 - VI ZR 114/57, WM 1959, 80, 81; vom 20. Februar 1979 - VI ZR 256/77, NJW 1980, 115 = VersR 1979, 523, 524; vom 8. Juli 1986 - VI ZR 47/85 aaO, 151f. und vom 13. Januar 1987 - VI ZR 303/85 aaO, 300). Für das zum Schadensersatz verpflichtende Verhalten des H. B. muss die Beklagte in zeitlicher Hinsicht mithin nur insoweit einstehen, als H. B. als ihr Organ gehandelt hat. Das war in der Zeit nach ihrer Gründung der Fall.

Mangels entsprechender Feststellungen ist revisionsrechtlich vom Vortrag der Beklagten auszugehen, wonach sie zusammen mit ihrer Schwestergesellschaft K. A. S. erst im Jahre 1997 gegründet worden ist. Wurde die Beklagte aber erst im Jahr 1997 gegründet, konnte ihr Vorstandsvorsitzender nicht bereits bei Abfassung des Schreibens im Jahr 1995 für sie in einem ihm zugewiesenen Wirkungskreis handeln. Daran änderte sich auch dann nichts, wenn der Vorstandsvorsitzende im Jahre 1995 für eine andere juristische Person gehandelt hätte, die zum selben Konzern gehörte. Umstände, aufgrund derer sich die Beklagte Erklärungen des H. B. vor ihrer Gründung zurechnen lassen müsste, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.

3. Danach war der Beschluss des Berufungsgerichts aufzuheben und die Sache zur Verhandlung und neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird dabei auch den in der Revisionsinstanz gebrachten Vortrag der Parteien hinsichtlich eines zu Schadensersatz verpflichtenden Verhaltens des H. B., für das die Beklagte nach § 31 BGB einstehen müsste, unter Berücksichtigung der Darlegungen des erkennenden Senats im Urteil vom 4. Juni 2013 - VI ZR 288/12, VersR 2013, 1144 ff. zu prüfen haben.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 14. Januar 2014

Vorinstanz: LG Augsburg, vom 16.05.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 1 O 1399/09
Vorinstanz: OLG München, vom 20.09.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 27 U 2612/12
Fundstellen
DStR 2014, 10