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BGH - Entscheidung vom 25.02.2014

X ZB 6/13

Normen:
PatG § 4
PatG § 4

Fundstellen:
GRUR 2014, 464

BGH, Beschluss vom 25.02.2014 - Aktenzeichen X ZB 6/13

DRsp Nr. 2014/5421

Prüfung einer auf erfinderischer Tätigkeit beruhenden spezifischen Anwendung eines Medikaments

a) Die Anweisung, einen Körperteil unmittelbar nach der Injektion eines Medikaments für mehrere Stunden ruhigzustellen, um ein Ausbreiten in andere Körperteile zu verhindern, ist nicht schon deshalb durch den Stand der Technik nahegelegt, weil es am Prioritätstag bekannt war, dass Komplikationen, die einige Tage nach der Behandlung auftreten, durch Ruhigstellen behandelt werden können.b) Bei der Prüfung, ob eine spezifische Anwendung eines Medikaments auf erfinderischer Tätigkeit beruht, sind auch Handlungsweisen zu berücksichtigen, die dem Fachmann deshalb nahegelegt waren, weil sie am Prioritätstag zum ärztlichen Standard-Repertoire gehörten.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde wird der Beschluss des 14. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 8. Februar 2013 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Patentgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

PatG § 4 ;

Gründe

A. Die Rechtsbeschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung einer Patentanmeldung.

Die Anmeldung wurde am 2. Juni 2000 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 3. Juni 1999 eingereicht und betrifft die Verwendung von Kollagenase zur Behandlung der Peyronie-Krankheit. Anspruch 1 hat in der im Rechtsbeschwerdeverfahren in erster Linie noch geltend gemachten Fassung folgenden Wortlaut:

Kollagenase zur Anwendung bei der Behandlung der Peyronie-Krankheit bei einem Individuum, das an der Peyronie-Krankheit leidet, wobei die Kollagenase hergerichtet ist zur Injektion in eine fibröse Peyronie-Plaque in den Penis dieses Individuums in einer Gesamtmenge von wenigstens etwa 20.000 ABC-Einheiten in einer pharmazeutisch verträglichen Trägersubstanz in einer Konzentration von etwa 20.000 bis etwa 40.000 ABC-Einheiten pro ml Trägersubstanz und zur Immobilisierung des Penis unmittelbar nach Injektion für mehrere Stunden.

Das Patentamt hat die Anmeldung mit der Begründung zurückgewiesen, der Gegenstand des Anspruchs beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Beschwerde der Anmelderin - deren Hauptantrag auf eine Fassung ohne das die Immobilisierung des Penis betreffende Merkmal gerichtet war - ist erfolglos geblieben. Dagegen wendet sich die Anmelderin mit der vom Patentgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie ihre in der Beschwerdeinstanz gestellten Hilfsanträge weiterverfolgt.

B. Die kraft Zulassung statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Patentgericht.

I. Die Anmeldung ist auf zweckgebundenen Stoffschutz für Kollagenase zur Behandlung der Peyronie-Krankheit gerichtet.

1. Nach den Ausführungen in der Anmeldung ist die Peyronie-Krankheit ein idiopathischer (ohne fassbare Ursache auftretender) Zustand, der zu einer Missbildung und Funktionsstörung des Penis durch Vernarbung und Kontraktur innerhalb bestimmter Bindegewebshüllen führt. In der Anmeldung werden mehrere Veröffentlichungen aus dem Stand der Technik aufgeführt, die sich mit der Behandlung dieser Krankheit durch Injektion von Kollagenase in das betroffene Bindegewebe befassen.

In der Anmeldung wird nicht explizit dargelegt, welches technische Problem die angemeldete Erfindung betrifft. Aus der Beschreibung ergibt sich, dass es darum geht, eine verbesserte Anwendung von Kollagenase zur Behandlung der Peyronie-Krankheit zur Verfügung zu stellen.

2. Zur Lösung dieses Problems schlägt die Anmeldung nach der im Rechtsbeschwerdeverfahren in erster Linie angestrebten Fassung von Anspruch 1 Kollagenase für eine Anwendung vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:

0. Die Anwendung dient der Behandlung der Peyronie-Krankheit.

1. Die Kollagenase wird in eine fibröse Peyronie-Plaque in den Penis eines Individuums injiziert,

2. und zwar in einer pharmazeutisch verträglichen Trägersubstanz.

3. Die injizierte Gesamtmenge beträgt wenigstens 20.000 ABC-Einheiten.

4. Die Konzentration beträgt etwa 20.000 bis etwa 40.000 ABC-Einheiten pro Milliliter Trägersubstanz.

5. Unmittelbar nach der Injektion wird der Penis für mehrere Stunden immobilisiert.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung, soweit im Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Gegenstand von Anspruch 1 sei durch den Stand der Technik nahegelegt.

Bei der Prüfung auf Patentfähigkeit dürfe Merkmal 5, wonach der Penis unmittelbar nach Injektion zu immobilisieren sei, nicht berücksichtigt werden. Dieses Merkmal stelle kein Element der Herrichtung eines Stoffes zur Verwendung bei der Behandlung einer Krankheit dar. Es diene nicht dazu, die beanspruchte Kollagenase oder die zur Verabreichung vorgesehene Formulierung zu kennzeichnen. Es enthalte vielmehr eine bloße Anweisung an den behandelnden Arzt und betreffe damit ein therapeutisches Verfahren, das vom Patentschutz ausgeschlossen sei. Aus der Entscheidungspraxis der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts und der Rechtsprechung der britischen Gerichte ergebe sich nichts Abweichendes. Die insoweit einschlägigen Entscheidungen beträfen neuartige Dosierungsanleitungen. Damit sei die hier zu beurteilende Konstellation nicht vergleichbar.

Unabhängig davon beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 selbst dann nicht auf erfinderischer Tätigkeit, wenn Merkmal 5 mitberücksichtigt werde. Das Ruhigstellen des Penis sei dem Fachmann aufgrund der Veröffentlichung von Gelbard et al. (The use of collagenase in the treatment of Peyronie's disease, J. Urol. 134 (1985), 280-283, D3) nahegelegt gewesen.

III. Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist Merkmal 5 bei der Prüfung, ob der Gegenstand der Anmeldung patentfähig ist, zu berücksichtigen.

a) Wie auch das Patentgericht nicht verkannt hat, kommt Patentschutz für einen Stoff zur Behandlung einer Krankheit - sei es in der Form eines Verwendungsanspruchs, sei es in der Form eines Anspruchs auf zweckgebundenen Stoffschutz gemäß § 3 Abs. 4 PatG in der seit 13. Dezember 2007 geltenden Fassung - auch dann in Betracht, wenn sich die Anwendung, auf die sich der begehrte Schutz bezieht, von im Stand der Technik bekannten Anwendungen nur durch eine Dosierungsanleitung unterscheidet.

aa) Der Senat hat mehrfach entschieden, dass Patentschutz in den genannten Konstellationen jedenfalls dann in Betracht kommt, wenn der Patentanspruch vorsieht, dass das Medikament zur Verwendung in der in Rede stehenden Dosierung hergerichtet ist (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2006 X ZR 236/01, BGHZ 170, 215 = GRUR 2007, 404 Rn. 51 - Carvedilol II; Urteil vom 24. September 2013 - X ZR 40/12, GRUR 2014, 54 Rn. 34 - Fettsäuren).

Gegenstand eines solchen Patentanspruchs ist die Eignung eines bekannten Stoffs für einen bestimmten medizinischen Einsatzzweck und damit letztlich eine dem Stoff innewohnende Eigenschaft (BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2005 - X ZB 7/03, BGHZ 164, 220 , 222 = GRUR 2006, 135 Rn. 11 - Arzneimittelgebrauchsmuster). Dies entspricht in der Sache einem zweckgebundenen Stoffschutz, wie ihn § 3 Abs. 4 PatG und Art. 54 Abs. 5 EPÜ nunmehr auch für weitere Indikationen ausdrücklich vorsehen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Patentanspruch seinem Wortlaut nach auf die Verwendung des Medikaments, auf dessen Herrichtung zu einem bestimmten Verwendungszweck oder - was im Hinblick auf die neue gesetzliche Regelung künftig am zweckmäßigsten sein dürfte - ausdrücklich auf zweckgebundenen Stoffschutz gerichtet ist.

bb) Dies steht in Einklang mit der Entscheidungspraxis des Europäischen Patentamts und der Rechtsprechung in anderen Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens.

Nach der Entscheidungspraxis des Europäischen Patentamts war die medizinische Anwendung eines Stoffs oder Stoffgemischs schon nach der bis 12. Dezember 2007 geltenden Fassung des Europäischen Patentübereinkommens auch dann dem Patentschutz zugänglich, wenn die neue Anwendung nicht in der Behandlung einer anderen Krankheit besteht. Die seit 13. Dezember 2007 geltende Bestimmung des Art. 54 Abs. 5 EPÜ - die inhaltlich § 3 Abs. 4 PatG entspricht - hat daran nur insoweit etwas geändert, als für solche Anwendungen nunmehr ausschließlich zweckgebundener Stoffschutz anstelle der bisher geforderten Schweizer Anspruchsfassung in Frage kommt (Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vom 19. Februar 2010 -G 2/08, ABl. 2010, 456 Rn. 5.10.7 f. - Dosierungsanleitung/Abbott Respiratory mwN). Nach beiden Fassungen des Übereinkommens ist Patentschutz auch dann nicht ausgeschlossen, wenn das einzige nicht im Stand der Technik enthaltene Anspruchsmerkmal eine Dosierungsanleitung ist (aaO Rn. 6.1 ff.). Die gleiche Auffassung vertreten der Court of Appeal für England und Wales (Actavis UK Limited v. Merck & Co Inc, [2008] EWCA Civ 444 Rn. 44 ff.) und das Schweizer Bundesgericht (Urteil vom 4. März 2011 - 4A_435/2010, GRUR Int. 2012, 183, 186 f.).

Sowohl die Große Beschwerdekammer als auch der Court of Appeal sind dabei zu der zutreffenden Einschätzung gelangt, dass der Entscheidung "Carvedilol II" nichts Abweichendes zu entnehmen ist. Die dort geäußerten Bedenken beziehen sich lediglich auf Anspruchsfassungen, die auf eine von der Herrichtung des Stoffs gelöste reine Dosierempfehlung gerichtet sind. Ob an ihnen im Hinblick auf die seit 13. Dezember 2007 geltende Rechtslage festzuhalten ist, bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Entscheidung. Sie greifen jedenfalls dann nicht, wenn der Anspruch auf zweckgebundenen Stoffschutz im Sinne von Art. 54 Abs. 5 EPÜ oder § 3 Abs. 4 PatG gerichtet ist. Auch dies gilt unabhängig davon, ob der Wortlaut des Anspruchs auf die Verwendung des Medikaments, auf seine Herrichtung oder auf beschränkten Stoffschutz abstellt.

b) Für Anleitungen, die nicht die Dosierung, sondern sonstige Modalitäten der beanspruchten Anwendung betreffen, kann nichts anderes gelten.

aa) Die Große Beschwerdekammer hat entschieden, dass eine spezifische Anwendung (any specific use, toute utilisation spécifique) im Sinne von Art. 54 Abs. 5 EPÜ in der seit 13. Dezember 2007 geltenden Fassung nicht in der Behandlung einer anderen Krankheit bestehen muss.

Die Neufassung der Vorschrift dient im Wesentlichen dem Zweck, die frühere Entscheidungspraxis des Europäischen Patentamts im Übereinkommen zu verankern (EPA, ABl. 2010, 456 Rn. 5.10.3 f. - Dosierungsanleitung/Abbott Respiratory). Nach der Entscheidungspraxis des Europäischen Patentamts kommt Patentschutz nicht nur für Anwendungen zur Behandlung einer anderen Krankheit oder mit einer anderen Dosierung in Betracht. Vielmehr reicht es aus, wenn die Anwendung sich von im Stand der Technik bekannten Anwendungen unterscheidet - also neu ist - und wenn sie auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Deshalb wurde zum Beispiel Schutz gewährt, wenn die Anwendung eine neue Gruppe von behandelten Patienten, eine neue Verabreichungsart oder eine andere technische Wirkung betraf (aaO Rn. 5.10.7 mwN).

bb) Für das deutsche Patentrecht gilt nichts anderes.

Der Wortlaut von § 3 PatG stimmt insoweit mit dem Wortlaut von Art. 54 EPÜ überein. Er wurde im Jahr 2007 an die geänderte Fassung des Übereinkommens angepasst, um die Parallelität von europäischem und nationalem Recht aufrechtzuerhalten (BT-Drucks. 16/4382, S. 11). Schon im Hinblick darauf ist es ausgeschlossen, die Patentierbarkeit nach deutschem Recht anders zu beurteilen als nach dem Übereinkommen.

Die der ständigen Entscheidungspraxis des Europäischen Patentamts zugrunde liegende Auslegung von Art. 54 Abs. 5 EPÜ ist nach Auffassung des Senats zutreffend. Die neue Fassung der Vorschrift macht die Gewährung zweckgebundenen Stoffschutzes nicht davon abhängig, dass der angestrebte Schutz eine Krankheit betrifft, deren Behandlung mit dem in Rede stehenden Stoff im Stand der Technik noch nicht bekannt war. Patentschutz kommt vielmehr für jede spezifische Anwendung eines Stoffs in einem Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers in Betracht, sofern diese neu und erfinderisch ist. Für die Rechtslage vor dem 13. Dezember 2007 gilt insoweit nichts anderes. Diese sollte durch die Einfügung von Art. 54 Abs. 5 EPÜ und § 3 Abs. 4 PatG wie bereits dargelegt nicht geändert, sondern lediglich kodifiziert werden.

Einschränkungen auf bestimmte Aspekte der Anwendung - etwa auf die Dosierung - sind schon nach dem Wortlaut der genannten Vorschriften ausgeschlossen. Sie ließen sich auch mit deren Sinn und Zweck nicht in Einklang bringen. Die spezifische Anwendung eines Stoffs zur therapeutischen Behandlung wird nicht nur durch die zu behandelnde Krankheit und die Dosierung bestimmt. Je nach den Umständen des Einzelfalles sind vielmehr auch die Art der Verabreichung (zum Beispiel oral, transdermal oder durch unterschiedliche Arten der Injektion), die Konsistenz des Stoffs (fest, flüssig, gasförmig), die Patientengruppe oder sonstige Parameter von Bedeutung. Allen diesen Parametern ist gemeinsam, dass sie auf die Wirkung des Stoffs Einfluss haben, also für den Eintritt des mit der Anwendung angestrebten Erfolgs von ausschlaggebender Bedeutung sein können. Jedenfalls dann, wenn eine im Stand der Technik nicht bekannte und dem Fachmann auch nicht nahegelegte Art der Anwendung die Aussicht eröffnet, die Wirkungen des Stoffs zu verbessern oder unter zuvor nicht für möglich gehaltenen Einsatzbedingungen herbeizuführen, entspricht es der Zielsetzung des Gesetzes, Patentschutz zu gewähren, sofern auch die sonstigen Patentierungsvoraussetzungen vorliegen.

cc) Aus § 2a Abs. 1 Nr. 2 PatG und Art. 53 Buchst. c EPÜ ergibt sich keine abweichende Beurteilung.

Nach diesen Vorschriften ist die Erteilung von Patenten für Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers ausgeschlossen. Dies schloss es schon nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zur früheren Fassung des Gesetzes nicht aus, Patentschutz für die Verwendung einer chemischen Substanz zu therapeutischen Zwecken und damit für deren augenfällige Herrichtung zu einem solchen Verfahren zu gewähren (grundlegend BGH, Beschluss vom 20. September 1983 - X ZB 4/83, BGHZ 88, 209, 216 ff. = GRUR 1983, 729, 730 ff. - Hydropyridin). Nach der jetzigen Gesetzesfassung, die für solche Erfindungen einen beschränkten Stoffschutz ausdrücklich vorsieht, kann nichts anderes gelten.

Auch unter diesem Aspekt kann die Patentierbarkeit nicht davon abhängen, ob die Anwendung, für die Schutz begehrt wird, eine bislang nicht mit dem Stoff behandelte Krankheit oder die Dosierung betrifft. Die Behandlung eines Kranken mit einem bestimmten Medikament und dessen Dosierung sind ebenso wie alle anderen Aspekte der Wirkung des Stoffs zentraler Bestandteil der ärztlichen Tätigkeit. Wenn der diese Tätigkeit betreffende Patentierungsausschluss einem auf bestimmte Anwendungen beschränkten Patentschutz des Stoffs nicht entgegensteht, muss dies grundsätzlich für alle Aspekte der Anwendung gelten.

Nach § 2a Abs. 1 Nr. 2 PatG und Art. 53 Buchst. c EPÜ müssen bei der Prüfung der Patentfähigkeit allerdings diejenigen Aspekte der Anwendung außer Betracht bleiben, die mit den Eigenschaften des Stoffs, für den Schutz begehrt wird, und mit dessen Wirkung auf den menschlichen oder tierischen Körper nicht in Zusammenhang stehen. Deshalb können therapiebezogene Anweisungen nur dann zur Patentfähigkeit beitragen, wenn sie objektiv darauf abzielen, die Wirkung des Stoffs zu ermöglichen, zu verstärken, zu beschleunigen oder in sonstiger Weise zu verbessern, nicht aber, wenn sie Therapiemaßnahmen betreffen, die zusätzlich und unabhängig von den Wirkungen des Stoffs geeignet sind, die in Rede stehende Krankheit zu behandeln.

c) In der hier zu beurteilenden Konstellation weist die Anwendung, auf die sich der begehrte zweckgebundene Stoffschutz bezieht, den erforderlichen Zusammenhang zur Wirkung des Stoffs auf.

Die in Merkmal 5 vorgesehene Immobilisierung des Penis unmittelbar nach der Injektion für mehrere Stunden dient nach den Ausführungen in der Anmeldung dazu, jegliche Extravasion der Kollagenase zu vermeiden (Sp. 3 Z. 61-64). Dies deckt sich mit den Feststellungen des Patentgerichts.

Damit ist die Immobilisierung des Penis nicht nur eine zusätzliche und von den Wirkungen der Kollagenase unabhängige Maßnahme zur Behandlung der Peyronie-Krankheit. Die Maßnahme hat vielmehr den Zweck, die Wirkung des verabreichten Stoffs zu verbessern. Damit betrifft sie die Art und Weise der Anwendung und mithin einen Aspekt, der ungeachtet des Patentierungsausschlusses in § 2a Abs. 1 Nr. 2 PatG und Art. 53 Buchst. c EPÜ bei der Prüfung der Patentfähigkeit zu berücksichtigen ist.

Entgegen der Auffassung des Patentgerichts sind nicht nur solche Anweisungen berücksichtigungsfähig, die die zur Verabreichung vorgesehene Formulierung chemisch oder physikalisch charakterisieren. Auch eine Dosierungsanweisung hat nicht zwingend Auswirkungen auf die chemische oder physikalische Zusammensetzung des Stoffs. Sie kann sich, wie auch das Patentgericht im Ansatz nicht verkannt hat, auf die Information beschränken, das Medikament in bestimmter Dosierung zu verabreichen. Entsprechendes gilt, wenn es um die Form der Verabreichung geht. So mögen sich aus der Anweisung, den Stoff oral oder transdermal zu verabreichen, bestimmte Anforderungen an die Darreichungsform ergeben. Der beschränkte Stoffschutz bezieht sich, soweit es um die geschützte Anwendung geht, aber auch auf solche Darreichungsformen, die auf unterschiedliche Weise verabreicht werden können. Für die hier in Rede stehenden Anwendungshinweise - Injektion mit unmittelbar anschließender Immobilisierung des Penis für mehrere Stunden - gilt nichts anderes.

2. Die vom Patentgericht hilfsweise angestellte Erwägung, der Gegenstand von Anspruch 1 beruhe auch bei Berücksichtigung des Merkmals 5 nicht auf erfinderischer Tätigkeit, hält der rechtlichen Überprüfung ebenfalls nicht stand.

a) Ohne Rechtsfehler ist das Patentgericht allerdings zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Fachmann, einem Team, dem ein in der Forschung tätiger Urologe und ein auf dem Fachgebiet der pharmazeutischen Technologie spezialisierter Pharmazeut angehören, die Anwendung von Kollagenase zur Behandlung der Peyronie-Krankheit mit der in Merkmal 3 beanspruchten Dosierung von mindestens 20.000 ABC-Einheiten durch den Stand der Technik nahegelegt war.

aa) Nach den Feststellungen des Patentgerichts vermittelte die Veröffentlichung von Gelbard et. al aus dem Jahr 1985 (D3) dem Fachmann am Prioritätstag die Lehre, dass Kollagenase zur Behandlung der Peyronie-Krankheit geeignet ist und dass auch bei einer Steigerung der Dosis auf 4.850 Einheiten keine unerwünschten Nebenreaktionen auftreten.

Dies hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.

(1) Die Rechtsbeschwerde macht geltend, ein medizinischer Fachmann gehe mit optimistischen und vollmundigen Angaben einer ersten Veröffentlichung über einen neuen Wirkstoff kritisch um und prüfe den Gesamtinhalt der Abhandlung auf innere Widersprüche und Aussagen, die gegen die Einschätzungen der Verfasser sprächen.

Damit zeigt die Rechtsbeschwerde keinen Rechtsfehler auf.

Das Patentgericht hat die Würdigung des Offenbarungsgehalts von D3 nicht ausschließlich auf die darin geäußerten Einschätzungen der Verfasser der Veröffentlichung gestützt. Es hat sich mit den in D3 offenbarten Ergebnissen der dort beschriebenen Studie auseinandergesetzt und ist zu der Einschätzung gelangt, die relativ hohe Quote von Patienten, bei denen sich eine signifikante Verbesserung gezeigt habe und die im Allgemeinen gute Verträglichkeit des Wirkstoffs auch bei höherer Dosierung stützten die optimistische Einschätzung der Verfasser und deren Vorschlag, weitere Versuche mit wiederholter und höherer Dosierung zu unternehmen. Es hat darüber hinaus berücksichtigt, dass diese Einschätzung in der sieben Jahre später entstandenen, aus demselben Autorenkreis stammenden Veröffentlichung D2 im Wesentlichen bestätigt wurde. Angesichts all dessen durfte das Patentgericht der Entgegenhaltung D3 ohne Rechtsfehler den vom ihm zugrunde gelegten Offenbarungsgehalt entnehmen.

(2) Die Rechtsbeschwerde verweist auf Vortrag der Anmelderin, wonach in D3 an verschiedenen Stellen von Überempfindlichkeitsreaktionen berichtet worden sei, die nicht auf den Hilfsstoff beta-Aminopropionil zurückzuführen seien, und rügt, das Patentgericht habe die daraus resultierenden Risiken verharmlost.

Dies vermag die tatsächlichen Feststellungen des Patentgerichts ebenfalls nicht in Frage zu stellen.

Das Patentgericht hat sich mit den in D3 dokumentierten Überempfindlichkeitsreaktionen befasst und ist in tatrichterlicher Würdigung zu dem Ergebnis gelangt, diese Beobachtung deute nicht darauf hin, dass die Verabreichung von Kollagenase mit schweren Nebenwirkungen einhergehe. Als entscheidend hierfür hat es den Umstand angesehen, dass die berichtete Reaktion entgegen dem Vorbringen der Anmelderin nicht jenen Patienten betroffen habe, dem die höchste Dosis verabreicht worden sei, und dass diese Reaktion auch auf einer Kombination von Kollagenase und beta-Aminoproprinitril-Fumarat beruhen könne. Diese Würdigung ist möglich und wird durch die von der Rechtsbeschwerde erhobene Rüge nicht in Frage gestellt.

(3) Auf dieser tatsächlichen Grundlage ist das Patentgericht ohne Rechtsfehler zu der Beurteilung gelangt, dass die Entgegenhaltung D3 dem Fachmann am Prioritätstag eine hinreichende Erfolgsaussicht für die Behandlung der Peyronie-Krankheit vermittelte und dass der Fachmann Anlass hatte, den in D3 formulierten Vorschlag aufzugreifen und weitere Versuche auch mit höheren Dosierungen durchzuführen. Dass zwischen dem Datum der Veröffentlichung und dem Prioritätstag ein verhältnismäßig langer Zeitraum liegt, führt schon deshalb nicht zu einer abweichenden Beurteilung, weil die in D3 geäußerte Einschätzung rund sieben Jahre später in D2 bestätigt wurde.

bb) Nach den Feststellungen des Patentgerichts vermittelte die ebenfalls von Gelbard et al. stammende Veröffentlichung aus dem Jahr 1993 (Collagenase versus placebo in the treatment of Peyronie's disease: a double-blind study, J. Urol. 149 (1993), 56-58, D2) dem Fachmann die Lehre, dass Kollagenase in einer Gesamtmenge von 14.000 Einheiten gut verträglich ist, diese Dosis für die Therapie schwerer Fälle aber noch zu gering sein könnte.

Diese Würdigung hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde ebenfalls stand.

(1) Die Rechtsbeschwerde macht geltend, der in D2 berichtete Umstand, dass bei Patienten mit besonders schweren Symptomen auch die höchste in der Studie eingesetzte Dosierung von 14.000 Einheiten nicht zu signifikanten Behandlungserfolgen geführt habe, und die dort geäußerte Einschätzung, bei massiven Kontraktionen schienen selbst beträchtliche Mengen enzymatischer Kollagenolyse nicht in der Lage, eine deutliche klinische Verbesserung zu bewirken, vermittle dem Fachmann eindeutig, dass in schweren Fällen auch von einer höheren Dosis keine Besserung zu erwarten sei.

Damit zeigt die Rechtsbeschwerde keinen Rechtsfehler auf.

Das Patentgericht hat die in Rede stehenden Passagen aus der Entgegenhaltung D2 in seine Würdigung einbezogen. Es hat ihnen jedoch nicht die von der Rechtsbeschwerde postulierte Bedeutung beigemessen. Vielmehr ist es zu dem Ergebnis gelangt, der ebenfalls in D2 enthaltene Hinweis, der beobachtete Misserfolg könne darauf zurückzuführen sein, dass zu viel Kollagen-Substrat vorhanden gewesen sei, habe darauf hingedeutet, dass eine weitere Erhöhung der Dosis zum Erfolg führen könne. Diese auf tatsächlichem Gebiet liegende Würdigung ist möglich und wird durch die von der Rechtsbeschwerde erhobenen Einwände nicht in Frage gestellt.

(2) Vor diesem Hintergrund ist das Patentgericht rechtsfehlerfrei zu der Einschätzung gelangt, dass der Fachmann aufgrund der Veröffentlichungen D3 und D2 Anlass hatte, zur Behandlung von besonders schweren Fällen der Peyronie-Krankheit Kollagenase in einer höheren Dosierung zu verabreichen.

Dem steht nicht entgegen, dass die in D3 geäußerten Erwartungen in D2 für besonders schwere Fälle der Krankheit nicht bestätigt worden sind. Die in D2 geäußerte Einschätzung, das Ausbleiben der erhofften Wirkung könne darauf beruhen, dass zu viel Kollagen-Substrat vorhanden gewesen sei, ließ vielmehr die Möglichkeit offen, dieses mit einer noch höheren Menge an Kollagenase auflösen zu können. Anlass zu weiteren Versuchen in dieser Richtung hatte der Fachmann jedenfalls deshalb, weil sich die in D2 dokumentierten Versuche bei den übrigen Patientengruppen als erfolgreich erwiesen hatten und weil auch in D2 keine gravierenden Nebenwirkungen zutage getreten waren.

b) Rechtsfehlerfrei ist das Patentgericht ferner zu dem Ergebnis gelangt, dass die in Merkmal 4 beanspruchte Konzentration von 20.000 bis 40.000 ABC-Einheiten pro Milliliter Trägersubstanz ebenfalls durch den Stand der Technik nahegelegt war.

Die Rechtsbeschwerde macht geltend, für diese Konzentration gebe es kein Vorbild im Stand der Technik.

Dies vermag die vom Patentgericht vorgenommene Beurteilung nicht in Frage zu stellen

Das Patentgericht hat hierzu festgestellt, die genannte Konzentration ergebe sich als zwingende Folge der durch den Stand der Technik nahegelegten Erhöhung der Dosis und des als praktikabel erachteten zu injizierenden Volumens. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund bedurfte es keines konkreten Vorbildes der beanspruchten Konzentration im Stand der Technik. Der vom Patentgericht festgestellte Zusammenhang zwischen Dosis und Konzentration gab dem Fachmann auch ohne konkretes Vorbild Anlass, mit der durch D3 und D2 nahegelegten Erhöhung der Dosis auch eine Erhöhung der Konzentration vorzunehmen.

c) Rechtsfehlerhaft ist das Patentgericht hingegen zu der Beurteilung gelangt, die in Merkmal 5 vorgesehene Immobilisierung des Penis für mehrere Stunden unmittelbar nach der Injektion sei dem Fachmann ebenfalls durch den Stand der Technik nahegelegt gewesen.

aa) Das Patentgericht hat angenommen, der in D3 erwähnte Umstand, dass es bei einem Patienten zu unerwünschten Nebenreaktionen gekommen sei, die durch Bandagieren des Penis zur Ruhigstellung behandelt worden seien (D3 S. 282 Abs. 3), belege, dass diese Maßnahme bereits im Blickfeld des Fachmanns gelegen habe. Angesichts dessen und des ebenfalls in D3 (Tabelle S. 281) dokumentierten Umstands, dass Einblutungen auch bei einer Anzahl weiterer Patienten unabhängig von der verabreichten Kollagenase-Dosis aufgetreten seien, habe die Ruhigstellung des Penis bei Verabreichung erheblich höherer Wirkstoffmengen als reine Vorsichtsmaßnahme nahegelegen.

Diese Schlussfolgerung ist rechtlich nicht zutreffend.

Die in D3 dokumentierten Nebenreaktionen bei einem einzelnen Patienten sind zwei Wochen nach der Behandlung aufgetreten. Vor diesem Hintergrund kann aus dem Umstand, dass der Patient durch Ruhigstellung des Penis behandelt wurde, allenfalls die Schlussfolgerung gezogen werden, dass es sich um eine allgemein gebräuchliche Maßnahme zur Behandlung oder Linderung nicht näher spezifizierbarer Symptome handelt. Hinweise darauf, dass diese Maßnahme auch Einfluss auf die Wirkungsweise der Kollagenase haben und deshalb nicht nur zur Nachbehandlung im Abstand von zwei Wochen nach der Injektion, sondern auch als die erwünschte Wirkung unterstützende oder Nebenwirkungen verhindernde Maßnahme unmittelbar nach der Anwendung nahegelegt sein könnte, lassen sich daraus nicht ableiten.

Vor diesem Hintergrund vermag der aus D3 ersichtliche Umstand, dass bei anderen Patienten ebenfalls Einblutungen aufgetreten sind, die vom Patentgericht gezogene Schlussfolgerung ebenfalls nicht zu stützen. In D3 ist die Ruhigstellung des Penis nur in einem Einzelfall zur Behandlung einer bereits eingetretenen Einblutung aufgetreten. Daraus ergeben sich keine Hinweise darauf, dass die bei anderen Patienten aufgetretenen Blutungen durch vorsorgliche Ruhigstellung des Penis hätten verhindert werden können. Auch in D3 wird weder ein entsprechender Zusammenhang hergestellt noch die Vermutung geäußert, dass sich eine Ruhigstellung des Penis auch bei den anderen von Einblutungen betroffenen Patienten hätte anbieten können. Sonstige Umstände, die eine entsprechende Schlussfolgerung nahelegen könnten, hat das Patentgericht nicht festgestellt.

bb) Dass das Ruhigstellen eines Körperteils nach lokaler Injektion eines Medikaments dem Fachmann als allgemeine Maßnahme geläufig war, um die lokale Begrenzung der Wirksamkeit durch gängige Zusatzmaßnahmen sicherzustellen, hat das Patentgericht - anders als in dem Verfahren X ZB 5/13 - nicht festgestellt. Die Anmelderin wird in der wiedereröffneten Beschwerdeinstanz Gelegenheit haben, auch zu diesem Aspekt näher vorzutragen. Hierbei könnte sich auch die Frage stellen, ob das Ruhigstellen eines Körperteils nach der Injektion von Kollagenase in hoher Dosierung durch die dem Verfahren X ZB 5/13 zugrunde liegende Patentanmeldung nahegelegt gewesen sein könnte. Diese Anmeldung ist vor dem Prioritätstag der hier zu beurteilenden Anmeldung offengelegt worden.

IV. Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 109 Abs. 1 Satz 1 PatG nicht angezeigt. Die Anmelderin ist die einzige Verfahrensbeteiligte.

V. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten (§ 107 Abs. 1 Halbsatz 2 PatG ).

Vorinstanz: BPatG, vom 08.02.2013 - Vorinstanzaktenzeichen (pat) 13/09
Fundstellen
GRUR 2014, 464