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BGH - Entscheidung vom 05.02.2014

1 StR 706/13

Normen:
StPO § 257c Abs. 5

Fundstellen:
AO-StB 2015, 14
NStZ 2014, 6
NStZ-RR 2014, 185
NStZ-RR 2014, 211
NStZ-RR 2014, 5
wistra 2014, 283

BGH, Beschluss vom 05.02.2014 - Aktenzeichen 1 StR 706/13

DRsp Nr. 2014/6685

Pflicht zur Belehrung des Angeklagten über die Risiken einer Verfahrensabsprache

Tenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 27. August 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Normenkette:

StPO § 257c Abs. 5 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten P. E. wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in 42 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten J. E. hat es wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in 22 Fällen zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Daneben hat es Feststellungen gemäß § 111i Abs. 2 StPO getroffen. Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Beide Rechtsmittel haben bereits mit der Rüge, der jeweilige Angeklagte sei nicht gemäß § 257c Abs. 5 StPO über die Risiken einer Absprache belehrt worden, Erfolg (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10 und 2 BvR 2155/11 Rn. 99, NJW 2013, 1058, 1067; Senat, Beschluss vom 11. April 2013 - 1 StR 563/12, StV 2013, 611 und vom 17. September 2013 - 1 StR 443/10). Die Angeklagten haben die ihnen zur Last gelegten Taten auf der Grundlage einer Verständigung eingeräumt. Sie hätten sich möglicherweise bei ordnungsgemäßer Belehrung gegen die Tatvorwürfe verteidigt. Anhaltspunkte dafür, dass ihnen die Voraussetzungen für den Wegfall der Bindungswirkung bekannt waren, bestehen nicht. Eine Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers kann deshalb hier nicht ausgeschlossen werden (vgl. dazu BVerfG aaO Rn. 99, 127).

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass Urkunden und sonstige Schriftstücke nur dann im Wege des Selbstleseverfahrens ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind, wenn nach dessen Durchführung zu Protokoll festgestellt ist, dass die Mitglieder des Gerichts vom Wortlaut der Urkunden und/oder sonstigen Schriftstücke Kenntnis genommen haben und die übrigen Verfahrensbeteiligten hierzu Gelegenheit hatten (§ 249 Abs. 2 Satz 1 und 3 StPO ; vgl. dazu BGH, Beschluss vom 10. Januar 2012 - 1 StR 587/11, NStZ 2012, 346 ). Die Durchführung des Selbstleseverfahrens kann als wesentliche Verfahrensförmlichkeit nur durch das Hauptverhandlungsprotokoll bewiesen werden (§§ 273 , 274 StPO ). Die hier im Protokoll verwendete Formulierung "Die Schöffen haben ... von den genannten Urkunden Kenntnis genommen. Die übrigen Verfahrensbeteiligten hatten ... Gelegenheit zur Kenntnisnahme" reicht hierfür nicht aus. Die Gelegenheit zur Kenntnisnahme genügt nur für weitere Verfahrensbeteiligte, für Berufsrichter und Schöffen muss unterschiedslos die erfolgte Kenntnisnahme festgestellt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2011 - 1 StR 33/11, NStZ-RR 2011, 253 ).

Vorinstanz: LG Leipzig, vom 27.08.2013
Fundstellen
AO-StB 2015, 14
NStZ 2014, 6
NStZ-RR 2014, 185
NStZ-RR 2014, 211
NStZ-RR 2014, 5
wistra 2014, 283