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BGH - Entscheidung vom 12.02.2014

2 StR 308/13

Normen:
StPO § 200 Abs. 1 S. 1
StPO § 264

Fundstellen:
NStZ 2014, 599

BGH, Urteil vom 12.02.2014 - Aktenzeichen 2 StR 308/13

DRsp Nr. 2014/5688

Pflicht eines Gerichts zur vollen Ausschöpfng des Unrechtsgehalts einer Tat

1. Nach § 264 StPO muss das Gericht die in der Anklage bezeichnete Tat so, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt, unter allen rechtlichen Gesichtspunkten aburteilen. 2. Es ist verpflichtet, den Unrechtsgehalt der Tat voll auszuschöpfen, sofern keine rechtlichen Hindernisse im Wege stehen. 3. Dass es rechtsfehlerhaft dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, stellt einen sachlich-rechtlichen Mangel dar. 4. Der Tatrichter hat Art und Ausmaß einer rechtsstaatswidrigen Verfahrenverzögerung sowie ihre Ursachen zu ermitteln und im Urteil konkret festzustellen. 5. Der sachlich-rechtlich zu fordernde Erörterungsbedarf darf jedoch mit Rücksicht auf die vielen denkbaren Verfahrensvorgänge, die für die Entscheidung eine Rolle spielen können, nicht überspannt werden. 6. Es reicht deshalb aus, wenn das Revisionsgericht anhand der Ausführungen im Urteil im Sinne einer Schlüssigkeitsprüfung nachvollziehen kann, ob die festgestellten Umstände die Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verzögerung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK tragen und sich die Kompensationsentscheidung innerhalb des dem Tatrichter insoweit eingeräumten Bewertungsspielraums hält.

Tenor

1.

Mit Zustimmung des Generalbundesanwalts wird der Verfall von Wertersatz gemäß § 430 Abs. 1 i.V.m. § 442 Abs. 1 StPO von der Verfolgung ausgenommen; das Urteil des Landgerichts Kassel vom 12. Dezember 2012 wird im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass die Feststellungen gemäß § 111i Abs. 2 Satz 1 und 2 StPO entfallen. Im Umfang der Beschränkung fallen die entstandenen Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last.

2.

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit es den Angeklagten H. betrifft; jedoch bleiben die Feststellungen zur Gesamtmenge des entwendeten Materials sowie zu dessen Wert aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3.

Die bezüglich der Angeklagten S. , M. , G. und B. weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft und die Revisionen der Angeklagten S. und M. gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.

4.

Die Beschwerdeführer S. und M. haben jeweils die verbleibenden Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen. Die Staatskasse hat die weiteren Kosten der die Angeklagten S. , M. , G. und B. betreffenden Revisionen der Staatsanwaltschaft sowie die diesen Angeklagten insoweit entstandenen weiteren notwendigen Auslagen zu tragen.

Normenkette:

StPO § 200 Abs. 1 S. 1; StPO § 264 ;

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:

- den Angeklagten H. wegen schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde,

- den Angeklagten S. wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten,

- den Angeklagten M. wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten,

- den Angeklagten G. wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe aus einer Vorverurteilung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahren und sechs Monaten und

- den Angeklagten B. wegen Hehlerei zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Das Landgericht hat ferner ausgesprochen, dass bei allen fünf Angeklagten "vier Monate der erkannten Strafen als vollstreckt" gelten und zudem eine Feststellungsentscheidung gemäß § 111i Abs. 2 StPO getroffen.

Die Staatsanwaltschaft rügt die Verletzung materiellen Rechts; sie beanstandet den Schuldspruch gegen den Angeklagten H. , weil das Landgericht gegen seine Kognitionspflicht verstoßen habe. Weiterhin wendet sie sich gegen die gegenüber allen Angeklagten einheitlich vorgenommene Kompensation wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung und rügt die Feststellungsentscheidung. Der Angeklagte S. wendet sich mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gegen die Strafzumessung; der Angeklagte M. rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Der Senat hat mit Zustimmung des Generalbundesanwalts die Anordnung des Verfalls von Wertersatz gemäß § 430 Abs. 1 i.V.m. § 442 Abs. 1 StPO von der Verfolgung ausgenommen und den Rechtsfolgenausspruch entsprechend abgeändert. Im verbleibenden Umfang hat die Revision der Staatsanwaltschaft - soweit es den Angeklagten H. betrifft - den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen sind sämtliche Rechtsmittel unbegründet.

I.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte H. arbeitete seit Februar 2007 in einem der V. AG zugehörigen Unternehmen, in dem Katalysatoren recycelt werden. Als Abfallprodukt des Recyclingprozesses entsteht hochwertiger, edelmetallhaltiger Monolithenbruch bzw. -staub. Spätestens im Februar 2008 begann der Angeklagte auf der Grundlage eines zusammen mit weiteren Mitarbeitern des Unternehmens gefassten Tatplans, sich den in Behältern gesammelten Monolithenbruch und -staub anzueignen, um ihn später weiter zu verkaufen und sich somit eine Einkommensquelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen.

a) Zwischen März und September 2008 verkaufte der Angeklagte mit Hilfe der eingeweihten Angeklagten S. und M. in drei Fällen jeweils mindestens 700 kg des zuvor von ihm sukzessive entwendeten Monolithenbruchs, in einem weiteren Fall mindestens 2.000 kg, u.a. an einen niederländischen Abnehmer. Für jede Lieferung erhielten die Angeklagten insgesamt mindestens 60.000 €; die Angeklagten S. und M. bekamen davon jeweils 10.000 €, der Angeklagte H. erhielt einen Anteil von 40.000 €, von dem er seinerseits weitere Tatbeteiligte bezahlte.

b) Nach der vierten Lieferung im September 2008 und vor der fünften Lieferung am 18. November 2008 brachte der Angeklagte H. wiederum regelmäßig, "mindestens jedoch fünfmal", zusammen mit einem Mittäter den von ihm und seinen Arbeitskollegen gesammelten Monolithenstaub, "jeweils mindestens eine Menge von 140 kg" (UA S. 21), vom Werksgelände des Unternehmens in seine Garage, "in der Absicht, ihn von dort aus weiterzuverkaufen und einen Teil des Erlöses für sich zu behalten" (UA S. 21).

c) Anlässlich eines weiteren Verkaufs von Monolithenbruch am 18. November 2008 unter (vorheriger) Mitwirkung der Angeklagten H. , S. , G. und B. erfolgte die Festnahme der Angeklagten und die Sicherstellung von insgesamt 41 Fässer Monolithenstaubs mit einem Nettogewicht von nahezu 7.212 kg.

2. Das Landgericht hat den Angeklagten H. (lediglich) wegen der festgestellten fünf Diebstahlstaten "zwischen der vierten Lieferung im September 2008 und dem Tag der Festnahme der Angeklagten am 18. November 2008" (UA S. 21; s. o. zu 1. lit. b)) verurteilt. An einer weitergehenden Verurteilung sah sich die Strafkammer trotz entsprechender Feststellungen, und "obwohl der Angeklagte H. im Rahmen seiner geständigen Einlassung eine Vielzahl weiterer Diebstahlstaten zu Lasten der V. AG bereits im Ermittlungsverfahren" eingeräumt habe (UA S. 47), gehindert. Die Staatsanwaltschaft habe "ausdrücklich nur 5 Fälle ... zu Anklage" gebracht, so dass "unabhängig von der gewählten Formulierung diese Zahl als deren aburteilungsfähige Höchstzahl verstanden werden" müsse (UA S. 48).

II.

Revisionen der Staatsanwaltschaft

Die Revision der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des den Angeklagten H. betreffenden Schuldspruchs hat überwiegenden Erfolg. Nachdem die Anordnung des Verfalls von Wertersatz gemäß § 430 Abs. 1 i.V.m. § 442 Abs. 1 StPO von der Verfolgung ausgenommen worden ist, sind die übrigen Revisionen unbegründet.

1. Soweit es den Angeklagten H. betrifft, rügt die insoweit vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft zu Recht, dass die Strafkammer ihrer Kognitionspflicht (§ 264 StPO ) nicht genügt hat.

a) Die Anklage vom 10. August 2009 hat dem Angeklagten H. gewerbsmäßigen Bandendiebstahl im Zeitraum Februar bis November 2008 "in mindestens fünf Fällen" zur Last gelegt. Im konkreten Anklagesatz ist ausgeführt worden, dass der Angeklagte H. im Zusammenwirken mit weiteren Mittätern bzw. Gehilfen "in einer nicht genau bestimmbaren Zahl von Einzelakten - wenigstens aber fünf - insgesamt mindestens 11.301 kg Monolithenbruch im Verkehrswert von ca. 904.000 Euro aus der Produktion" abgezweigt habe. Weiterhin sind im Anklagesatz - korrespondierend zu der angeklagten Mindestanzahl von fünf Diebstahlstaten - fünf Lieferungen von Monolithenbruch an anderweitige Abnehmer, jeweils 1.000 kg in vier Fällen und 2.670 kg in einem fünften Fall, konkretisiert worden.

b) Die vom Landgericht unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklageschrift der Staatsanwaltschaft genügt den Anforderungen des § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO . Die allgemeine Schilderung der Vorgehensweise des Angeklagten H. bei Entwendung des Monolithenbruchs zum Nachteil seines Arbeitgebers, die Angabe der entwendeten Gesamtmindestmenge im Tatzeitraum, die Darstellung seiner Tatbeiträge und seiner Beteiligung an den Verkaufserlösen sowie die nach Objekt, Menge, Ort und Zeit der Handlung konkretisierten anschließenden Hehlereitaten reichen aus, um die dem Angeklagten vorgeworfenen Straftaten ausreichend zu bestimmen. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, dass die Anklage die serielle Begehungsweise des Angeklagten mit (zunächst nur) "mindestens 5 Fällen" bewertet hat (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 3. Mai 1994 - GSSt 2 und 3/93, BGHSt 40, 138 , 161), was sich ersichtlich an den fünf sich anschließenden Hehlereitaten orientierte. Soweit damit lediglich die Informationsfunktion der Anklageschrift mängelbehaftet wäre, entfiele nicht deren Wirksamkeit (vgl. Senat, Urteil vom 2. März 2011 - 2 StR 524/10, BGHSt 56, 183, 185 mwN).

c) Nach § 264 StPO muss das Gericht die in der Anklage bezeichnete Tat so, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt, unter allen rechtlichen Gesichtspunkten aburteilen. Es ist verpflichtet, den Unrechtsgehalt der Tat voll auszuschöpfen, sofern keine rechtlichen Hindernisse im Wege stehen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2013 - 3 StR 258/13, NStZ-RR 2014, 57; Beschluss vom 9. November 1972 - 4 StR 457/71, BGHSt 25, 72 , 75 f.).

aa) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.

Zwar hat das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend den Angeklagten wegen der (auch angeklagten) Diebstahlstaten im Zeitraum zwischen September 2008 und dem 18. November 2008 verurteilt. Durch die - lediglich für diesen Zeitraum vorgenommene - Verurteilung des Angeklagten H. wegen des Diebstahls von insgesamt 700 kg Monolithenstaub (fünf Fälle zu je 140 kg) in einem Gesamtwert von etwa 9.800 € wird indes nur ein Teil des durch die Staatsanwaltschaft zur Anklage gebrachten Tatgeschehens ausgeschöpft.

Die Strafkammer stellt einerseits fest, dass der Angeklagte H. Monolithenbruch in Einzelmengen von "mindestens 140 Kilogramm" (UA S. 21) in seiner Garage sammelte, um ihn bei Erreichen einer größeren Menge gewinnbringend abzusetzen; die vom Angeklagten insgesamt entwendete Menge entspricht nach den landgerichtlichen Feststellungen auch der der Anklage zugrundeliegenden Gesamtmenge. Den abgeurteilten Fällen liegt andererseits lediglich ein Bruchteil der vom Angeklagten entwendeten Menge zugrunde. Insoweit sind die Urteilsausführungen schon in sich widersprüchlich.

Das Landgericht bleibt zudem auch mit der vorgenommenen Beschränkung des Tatzeitraums rechtsfehlerhaft hinter dem angeklagten Verfahrensgegenstand zurück. Es hat sich wegen der in der Anklage angegebenen Mindestanzahl von fünf Diebstahlstaten den Blick auf den zur Aburteilung gestellten Lebenssachverhalt verstellt, der entscheidend durch die entwendete Gesamtmenge des Monolithenbruchs gegenüber einem einzigen Geschädigten und die Angabe des Tatzeitraums inhaltlich und zeitlich unverwechselbar gekennzeichnet ist. Insoweit unterscheidet sich die hier bestehende Konstellation von dem vom Landgericht in Bezug genommenen Sachverhalt im Beschluss des 1. Strafsenats vom 7. Oktober 1998 ( 1 StR 389/98, NStZ-RR 1999, 274).

bb) Das von der Anklage umfasste Tatgeschehen hatte das Gericht - ggf. unter Erfüllung seiner Hinweispflicht nach § 265 Abs. 1 StPO (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2003 - 3 StR 222/02, BGHSt 48, 221 , 223 ff.; Urteil vom 29. Juli 1998 - 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153 , 157) - bei seiner Urteilsfindung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend zu prüfen (vgl. auch Senatsurteil vom 20. September 1996 - 2 StR 289/96, NStZ 1997, 145 , 146). Dass die Strafkammer rechtsfehlerhaft dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, stellt hier einen sachlich-rechtlichen Mangel dar (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1982 - 4 StR 644/82, NStZ 1983, 174 , 175 mwN).

d) Der festgestellte Rechtsfehler führt daher auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des Urteils nicht nur, soweit eine Entscheidung über die Strafbarkeit des Angeklagten H. wegen der (weiteren) Entwendung von mindestens 10.601 kg Monolithenbruch bzw. -staub im Zeitraum Februar 2008 bis November 2008 unterblieben ist. Von der Aufhebung des Urteils betroffen ist ebenfalls der - für sich genommen rechtsfehlerfreie - Schuldspruch wegen schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen; der Senat hebt auch insoweit die Feststellungen auf, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu neuer Prüfung aufgrund widerspruchsfreier Feststellungen zu geben. Ausgenommen von der Aufhebung sind die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zur Gesamtmenge und zum Wert des entwendeten Materials.

2. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind im Übrigen unbegründet.

a) Trotz des umfassenden Aufhebungsantrags der Staatsanwaltschaft wendet sich die Staatsanwaltschaft in ihrer weiteren Revisionsbegründung der Sache nach nur gegen die Kompensationsentscheidung der Strafkammer, die grundsätzlich isoliert auf Rechtsfehler überprüfbar ist (vgl. Senat, Urteil vom 23. Oktober 2013 - 2 StR 392/13, NStZ-RR 2014, 21 mwN), und gegen die - nunmehr entfallene - Feststellungsentscheidung. Die Revisionen sind insoweit zwar wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt, hingegen nicht - weitergehend - lediglich auf die Kompensationsentscheidungen. Denn die Staatsanwaltschaft beanstandet auch die vom Landgericht festgestellten besonderen Belastungen der Angeklagten durch das Verfahren, die es bei der Strafzumessung berücksichtigt hat (UA S. 50, 53, 57).

b) Die Strafaussprüche und die Kompensationsentscheidungen weisen keine die Angeklagten begünstigende oder benachteiligende (vgl. § 301 StPO ) Rechtsfehler auf.

aa) Der Tatrichter hat Art und Ausmaß der Verzögerung sowie ihre Ursachen zu ermitteln und im Urteil konkret festzustellen (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124 , 146). Der sachlich-rechtlich zu fordernde Erörterungsbedarf darf jedoch mit Rücksicht auf die vielen denkbaren Verfahrensvorgänge, die für die Entscheidung eine Rolle spielen können, nicht überspannt werden (vgl. Senat, Urteil vom 23. Oktober 2013 - 2 StR 392/13, NStZ-RR 2014, 21 mwN). Es reicht deshalb aus, wenn das Revisionsgericht anhand der Ausführungen im Urteil im Sinne einer Schlüssigkeitsprüfung nachvollziehen kann, ob die festgestellten Umstände die Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verzögerung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK tragen und sich die Kompensationsentscheidung innerhalb des dem Tatrichter insoweit eingeräumten Bewertungsspielraums hält (vgl. Senat aaO).

bb) Diesen Anforderungen genügt das landgerichtliche Urteil noch. Die Strafkammer legt den Umfang der nach ihrer Auffassung von den Strafverfolgungsorganen zu verantwortenden Verzögerung mit nahezu zwei Jahren und elf Monaten für das Revisionsgericht nachvollziehbar dar und zeigt in noch ausreichendem Maße die besonderen Belastungen auf, denen die Angeklagten durch das Verfahren ausgesetzt waren. Auch der als vollstreckt zuerkannte Zeitraum von jeweils vier Monaten hält sich noch innerhalb des dem Landgericht zustehenden Beurteilungsspielraums.

Soweit demgegenüber die Staatsanwaltschaft - wie hier - zu Ungunsten der Angeklagten geltend macht, der Kompensationsausspruch halte sich nicht innerhalb des dem Tatgericht zustehenden Beurteilungsspielraums, weil (weitere) Tatsachen zu den verzögerungsbedingten Belastungen der Angeklagten nicht hinreichend dargelegt seien, hätte es der Erhebung einer Verfahrensrüge bedurft (vgl. Senat aaO mwN).

3. Da die Revisionen der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten S. , M. , G. und B. erfolglos geblieben sind, hat die Staatskasse die weiteren Kosten der sie betreffenden Revisionen und diesen Angeklagten insoweit entstandenen weiteren notwendigen Auslagen zu tragen (§ 473 Abs. 2 Satz 1 StPO ).

III.

Revisionen der Angeklagten S. und M.

Nachdem die Anordnung des Verfalls von Wertersatz gemäß § 430 Abs. 1 i.V.m. § 442 Abs. 1 StPO von der Verfolgung ausgenommen worden ist, sind die Revision des Angeklagten M. und die auf den Rechtsfolgenausspruch wirksam beschränkte Revision des Angeklagten S. aus den Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 9. Juli 2013 unbegründet. Eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung im Revisionsverfahren liegt nicht vor; eine (weitere) Kompensation kommt schon deswegen nicht in Betracht.

Von Rechts wegen

Vorinstanz: LG Kassel, vom 12.12.2012
Fundstellen
NStZ 2014, 599