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BGH - Entscheidung vom 27.02.2014

1 StR 200/13

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 27.02.2014 - Aktenzeichen 1 StR 200/13

DRsp Nr. 2014/4705

Pflicht des Gerichts zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung vor einer Entscheidung

Art. 103 Abs. 1 GG verbietet zwar Überraschungsentscheidungen, verpflichtet jedoch das Gericht grundsätzlich weder vor der Entscheidung zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung, noch begründet er dessen allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht.

Tenor

Die Anhörungsrüge des Verurteilten gegen den Senatsbeschluss vom 29. November 2013 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe

Der Senat hat die Revision des Angeklagten durch Beschluss gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Auf den Inhalt des Beschlusses nimmt der Senat Bezug.

Die form- und fristgerechte Anhörungsrüge behauptet nicht, der Entscheidung lägen Tatsachen oder Beweisergebnisse zu Grunde, zu denen zuvor kein rechtliches Gehör gewährt worden wäre - was auch nicht zuträfe -, sondern sie macht geltend, es habe keine Gelegenheit bestanden, zu einer unerwarteten rechtlichen Erwägung des Senats Stellung zu nehmen. Außerdem habe der Senat eine unerwartete Schlussfolgerung aus dem Revisionsvortrag gezogen. Auch insoweit habe er nicht zuvor die Gelegenheit geboten, dieser Schlussfolgerung entgegen zu treten.

Das Vorbringen versagt.

1. Die Revision hat Verfahrensgeschehen im Zusammenhang mit dem Maß der in der Hauptverhandlung erfolgten Angaben zu gescheiterten Verständigungsbemühungen geschildert und geltend gemacht, dadurch seien von § 338 Nr. 6 StPO umfasste Regelungen verletzt worden. Dementsprechend beruhe das Urteil ohne weiteres nach unwiderleglicher gesetzlicher Vermutung auf diesem Fehler.

Der Generalbundesanwalt hat in seinem Antrag gemäß § 349 Abs. 2 StPO erwidert, § 338 Nr. 6 StPO sei hier nicht einschlägig. Darüber hinaus hat er eingehend geprüft, ob das vorgetragene Geschehen unter dem Blickwinkel der Verletzung von Mitteilungspflichten, etwa gegenüber dem Angeklagten, den Bestand des Urteils gefährden könne.

Hierauf hat die Revision erwidert (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO ), die Erwägungen des Generalbundesanwalts gingen fehl, die verletzten Mitteilungspflichten dienten "weniger der Information des Angeklagten, sondern ... vor allem der Öffentlichkeit".

Der Senat hat eine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes i.S.d. § 338 Nr. 6 StPO verneint und sodann die vom Generalbundesanwalt aufgeworfene Frage nach einer möglichen Verletzung von Mitteilungspflichten gegenüber dem Angeklagten und deren Auswirkungen erörtert. Dabei hat er angesichts des Vorbringens, die verletzten Regeln dienten "weniger" der Information des Angeklagten, Zweifel daran geäußert, ob gleichwohl neben der Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes auch eine Verletzung von Informationsrechten des Angeklagten gerügt sein soll (sog. Klarheit der Angriffsrichtung einer Verfahrensrüge).

Dies, so trägt die Anhörungsrüge vor, verletze rechtliches Gehör. Es sei nie auf den genannten "Kritikpunkt an der Revisionsbegründung ... aufmerksam gemacht worden".

Dabei ist verkannt, dass Art. 103 Abs. 1 GG zwar Überraschungsentscheidungen verbietet, jedoch das Gericht grundsätzlich weder vor der Entscheidung zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet, noch dessen allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht begründet (BVerfG, Beschluss vom 27. November 2008 - 2 BvR 1012/08 mwN).

Darüber hinaus hat der Senat im Einzelnen dargelegt, dass "unabhängig von alledem" - also von den sich aus dem Revisionsvorbringen ergebenden Zweifeln an der in Rede stehenden Angriffsrichtung - die Rüge auch in der Sache keinen Erfolg haben kann. Schon deshalb wäre selbst dann, wenn rechtliches Gehör verletzt wäre - was nicht der Fall ist -, dies nicht in i.S.d. § 356a StPO entscheidungserheblicher Weise geschehen.

Möglicherweise verkennt dies auch die Anhörungsrüge nicht, da sie einleitend darlegt, dass "dieser Gesichtspunkt <unklare Angriffsrichtung der Rüge> für die Entscheidung des Senats wohl nicht tragend gewesen ist". Ob ihr Vorbringen zur Angriffsrichtung dennoch dahin verstanden werden will, dass es die angebrachte Anhörungsrüge begründen soll, mag unter den gegebenen Umständen auf sich beruhen bleiben. Gleiches gilt für ihre Darlegungen dazu, was im Falle der für geboten erachteten Aufklärung zur Angriffsrichtung vorgetragen worden wäre.

2. Das weitere Vorbringen der Anhörungsrüge wendet sich gegen Schlussfolgerungen aus dem Revisionsvortrag. Auch dieser Gesichtspunkt sei "im Revisionsverfahren zu keinem Zeitpunkt problematisiert" worden.

Unbeschadet der bereits dargelegten rechtlichen Bewertung der Annahme einer Aufklärungspflicht gegenüber dem Revisionsführer über das Verständnis des Inhalts seines Vortrags, teilt der Senat diese Auffassung der Anhörungsrüge schon in tatsächlicher Hinsicht nicht:

Wie dargelegt hatte sich der Generalbundesanwalt in seinem Antrag damit befasst, ob das Urteil auf einer Verletzung von Mitteilungspflichten beruhen könne. Seine Annahme, dies sei ausgeschlossen, hat er u.a. wie folgt begründet: "Nach den anwaltlichen Erklärungen ... (sei) der Angeklagte ... nach Erörterung mit beiden Verteidigern jedoch zur Abgabe eines Geständnisses nicht bereit gewesen (RB S. 11). Zu weiteren Gesprächen, in denen die Möglichkeit einer Verständigung im Raum stand, kam es danach nicht".

Bei "RB S. 11" handelt es sich um eine von der Revision mitgeteilte Erklärung des Instanzverteidigers Rechtsanwalt G. . Danach hat der Angeklagte nach den beiden Gesprächen jeweils ein - als Voraussetzung für eine Verständigung genanntes - Geständnis abgelehnt.

Die Erwiderung auf den Antrag des Generalbundesanwalts führt näher aus, dass und warum die "Begründung, mit der der Generalbundesanwalt den Beruhenszusammenhang zu verneinen versucht, verfehlt" sei.

Der Senat ist der Auffassung des Generalbundesanwalts zum Beruhen gefolgt und hat dabei auf die von der Revision ebenfalls vorgetragene Erklärung des (mit Rechtsanwalt G. in einer gemeinsamen Kanzlei tätigen) weiteren Instanzverteidigers Rechtsanwalt K. verwiesen. Nach dieser Erklärung sei es nach dem letzten Gespräch auf einen bestimmten Punkt im Zusammenhang mit einer etwaigen Haftverschonung nicht angekommen, "weil der Angeklagte ohnehin nicht zur Abgabe eines Geständnisses bereit war".

Daher hat das Vorbringen der Anhörungsrüge, wonach "man mit alledem" - also mit Schlussfolgerungen aus den von der Revision vorgetragenen Erklärungen der Instanzverteidiger auf die Auswirkungen des Maßes der gerichtlichen Erklärungen zu den gescheiterten Verständigungsgesprächen auf das Prozessverhalten des Angeklagten - "auch nicht nach der Stellungnahme des Generalbundesanwalts hat rechnen müssen", schon in tatsächlicher Hinsicht keine tragfähige Grundlage.

3. Der Senat sieht keine Veranlassung, sich zu der im Rahmen der Anhörungsrüge gestellten Frage nach seinen internen Arbeitsabläufen zu äußern (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2013 - 3 StR 149/13).

Vorinstanz: BGH, vom 29.11.2013