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BGH - Entscheidung vom 18.03.2014

X ZR 77/12

Normen:
PatG § 81
EPÜ Art. 54
PatG § 3
ZPO § 148
PatG §§ 81 ff.

Fundstellen:
GRUR 2014, 758

BGH, Urteil vom 18.03.2014 - Aktenzeichen X ZR 77/12

DRsp Nr. 2014/8083

Patentnichtigkeitsklage bzgl. eines Patents betreffend die chromatographische Trennung von Proteinen

Eine Patentnichtigkeitsklage ist nicht schon deshalb als rechtsmissbräuchlich anzusehen, weil sich der Nichtigkeitskläger einer früheren, von einer zusammen mit ihm wegen Verletzung des Streitpatents in Anspruch genommenen Partei erhobenen Klage nicht als Streitgenosse oder Streithelfer angeschlossen, sondern zunächst den Ausgang dieses Verfahrens abgewartet hat. a) Durch eine Vorveröffentlichung offenbart kann auch dasjenige sein, was im Patentanspruch und in der Beschreibung nicht ausdrücklich erwähnt, aus der Sicht des Fachmanns jedoch für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich ist und deshalb keiner besonderen Offenbarung bedarf, sondern "mitgelesen" wird. Die Einbeziehung von Selbstverständlichem erlaubt jedoch keine Ergänzung der Offenbarung durch das Fachwissen, sondern dient lediglich der vollständigen Ermittlung des Sinngehalts, d.h. derjenigen technischen Information, die der fachkundige Leser der Quelle vor dem Hintergrund seines Fachwissens entnimmt (Bestätigung von BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 = GRUR 2009, 382 - Olanzapin).b) Ergibt sich für den Fachmann aus der Beschreibung eines Verfahrens zur Herstellung eines zum therapeutischen Einsatz geeigneten Proteinkonzentrats, dass es weiterer Verfahrensschritte bedarf, um die therapeutische Einsetzbarkeit herbeizuführen, so ist eine Maßnahme, die im Prioritätszeitpunkt das in der Praxis allgemein übliche Mittel war, um dieses Ziel zu erreichen, vom Offenbarungsgehalt der Veröffentlichung umfasst.

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das am 27. März 2012 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert.

Das europäische Patent 359 593 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Normenkette:

ZPO § 148 ; PatG §§ 81 ff.;

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 359 593 (Streitpatents), das am 8. Februar 1989 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 7. Juni 1988 in der Verfahrenssprache Französisch angemeldet worden ist und die chromatographische Trennung von Plasmaproteinen, insbesondere Faktor VIII, von-Willebrand-Faktor, Fibronectin und Fibrinogen betrifft. Patentanspruch 1, auf den sich elf weitere Patentansprüche zurückbeziehen, hat in einem vorangegangenen Nichtigkeitsverfahren durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. Juli 2010 ( Xa ZR 10/07, [...], nachfolgend: Berufungsurteil) folgende Fassung erhalten (Änderungen gegenüber der Fassung, die das Patent im Einspruchsverfahren erhalten hatte, sind hervorgehoben):

"1. Verfahren zur Trennung der Proteine Faktor VIII, Fibrinogen, Fibronectin und von-Willebrand-Faktor aus menschlichem oder tierischem Plasma und zur Herstellung von Konzentraten dieser Proteine zum therapeutischen Gebrauch, dadurch gekennzeichnet, dass es folgende Schritte umfasst:

- Man verwendet als Ausgangsmaterial die Kryopräzipitatfraktion des Plasmas, die im Wesentlichen aus Fibrinogen, Fibronectin, von-Willebrand-Faktor und Faktor VIII besteht;

- man unterzieht das wieder in wässrige Lösung gebrachte Kryopräzipitat einer einzigen Trennung durch Chromatographie auf einem Anionenaustauscherharz von vergleichsweise gemäßigtem ionischem Charakter, dessen Matrix ein Gel vom Typ eines makroretikulären Vinylpolymers ist, das aufgrund seiner Porosität und Hydrophobieeigenschaften in der Lage ist, den Komplex aus Faktor VIII und von-Willebrand-Faktor zurückzuhalten;

- man gewinnt die verschiedenen Proteine selektiv durch sukzessive Erhörung der Ionenstärke des Elutionspuffers

- und eine erhaltene Faktor-VIII-Lösung wird gefriergetrocknet."

Die Klägerinnen zu 1 und 2, die wegen Verletzung des Streitpatents rechtskräftig verurteilt worden sind, und der Kläger zu 3, der als Geschäftsführer der Klägerin zu 1 und als Mitglied des Verwaltungsrats der Klägerin des ersten Nichtigkeitsverfahrens gerichtlich in Anspruch genommen wird und erstinstanzlich verurteilt worden ist, haben geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus und sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in erster Linie in der geltenden Fassung und hilfsweise in elf geänderten Fassungen verteidigt.

Das Patentgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger, die weiterhin die Nichtigerklärung des Streitpatents anstreben, ihr Begehren aber nur noch auf den Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit stützen. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen und verteidigt das Streitpatent hilfsweise mit ihren bereits in erster Instanz gestellten sowie sieben weiteren Hilfsanträgen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents.

I. Zu Recht hat das Patentgericht die Klage als zulässig angesehen.

1. Das Patentgericht hat seine Entscheidung insoweit im Wesentlichen wie folgt begründet:

Entgegen der Auffassung der Beklagten seien die Kläger nicht verpflichtet gewesen, sich der Klage im ersten Nichtigkeitsverfahren als Streitgenossen oder Streithelfer anzuschließen. Die Zulässigkeit der Klage werde auch nicht durch die gesellschaftsrechtlichen Verbindungen der Kläger zur Klägerin des ersten Verfahrens in Frage gestellt. Eine bloße Konzernverbundenheit bewirke keine Rechtskrafterstreckung. Anhaltspunkte dafür, dass die jetzigen Kläger im Auftrag und im ausschließlichen Interesse der früheren Klägerin handelten, seien nicht ersichtlich.

2. Dies hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.

a) Wie das Patentgericht zutreffend dargelegt hat und auch die Beklagte nicht verkennt, erstreckt sich die Rechtskraft des Urteils aus dem ersten Nichtigkeitsverfahren nicht auf die Kläger des vorliegenden Rechtsstreits. Diese sind mit der Klägerin des ersten Verfahrens weder identisch noch deren Rechtsnachfolger.

b) Zutreffend ist das Patentgericht ferner zu dem Ergebnis gelangt, dass jeder der an den beiden Nichtigkeitsverfahren beteiligten Kläger ein eigenes wirtschaftliches und rechtliches Interesse an der Nichtigerklärung des Streitpatents hat und deshalb nicht als Strohmann der früheren Klägerin angesehen werden kann.

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten fehlt es dem Kläger zu 3 auch dann nicht an dem nach Erlöschen des Streitpatents erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, wenn sich ein anderer Beklagter des Verletzungsrechtsstreits ihm gegenüber verpflichtet hat, ihn im Innenverhältnis von der Verantwortung für die Verletzung des Streitpatents freizustellen.

Selbst wenn es eine solche Vereinbarung gibt, hat sie keine Auswirkung auf die Verantwortlichkeit des Klägers zu 3 im Verhältnis zur Beklagten. Die daraus resultierende Möglichkeit einer rechtlichen Inanspruchnahme des Klägers zu 3 für Verletzungshandlungen, an denen er mitgewirkt hat, begründet auch dann ein hinreichendes rechtliches Interesse an einer Nichtigkeitsklage, wenn der Kläger die wirtschaftlichen Folgen einer Verurteilung im Verletzungsrechtsstreit nicht zu tragen hat.

d) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die im vorliegenden Rechtsstreit erhobene Klage nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen es als Rechtsmissbrauch angesehen werden kann, wenn mehrere Personen, die wegen Verletzung eines Patents gerichtlich in Anspruch genommen werden, das Schutzrecht mit getrennten und zeitlich gestaffelten Nichtigkeitsklagen angreifen. Der Umstand, dass einer der Betroffenen zunächst die Entscheidung über die von einem anderen erhobene Nichtigkeitsklage abwartet und erst nach rechtskräftiger (Teil-)Abweisung dieser Klage seinerseits die Nichtigerklärung des Patents beantragt, reicht jedenfalls nicht aus, um einen solchen Vorwurf zu begründen.

aa) Der Beklagte eines Patentverletzungsrechtsstreits ist nicht gezwungen, das Patent, auf das die Verletzungsklage gestützt ist, mit einer Nichtigkeitsklage anzugreifen. Ihm steht es grundsätzlich frei, ob und zu welchem Zeitpunkt er eine solche Klage erhebt.

Entschließt er sich erst relativ spät für eine Nichtigkeitsklage, so kann dies dazu führen, dass eine Aussetzung des Verletzungsrechtsstreits gemäß § 148 ZPO nur noch unter engen Voraussetzungen angeordnet wird (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2011 - X ZR 68/10, GRUR 2012, 93 Rn. 5 f. - Klimaschrank; Beschluss vom 17. Juli 2012 - X ZR 77/11, GRUR 2012, 1072 Rn. 2 - Verdichtungsvorrichtung). Damit steigt das Risiko einer rechtskräftigen Verurteilung, die bei späterer Nichtigerklärung des Patents nur noch mit der Restitutionsklage entsprechend § 580 Nr. 6 ZPO anfechtbar ist.

Auf die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage hat ein solches Vorgehen aber keinen Einfluss. Für die Einreichung einer solchen Klage ist in §§ 81 ff. PatG keine Frist vorgesehen. Eine Fristsetzung durch den Patentinhaber sieht das Gesetz ebenfalls nicht vor. Angesichts dessen würde es der gesetzlichen Konzeption zuwiderlaufen, eine Nichtigkeitsklage schon deshalb als missbräuchlich anzusehen, weil der Nichtigkeitskläger auf eine gegen ihn erhobene Verletzungsklage nicht zeitnah reagiert hat.

bb) Für den Fall, dass mehrere Personen gemeinsam wegen Verletzung des Patents in Anspruch genommen werden, kann grundsätzlich nichts anderes gelten.

Auch für diese Konstellation sieht das Gesetz keine Möglichkeit vor, anderen Personen eine Frist zu setzen, innerhalb der eine Nichtigkeitsklage spätestens zu erheben ist. Angesichts dessen darf der Umstand, dass einer der Beklagten des Verletzungsrechtsstreits die Nichtigerklärung des Patents beantragt, ebenfalls nicht ohne weiteres dazu führen, dass die übrigen Beklagten ihre Klagemöglichkeit verlieren, wenn sie sich diesem Schritt nicht zeitnah anschließen.

Der Umstand, dass der Verletzungsrechtsstreit gegen mehrere Beklagte gemeinsam geführt wird, kann grundsätzlich nicht zu einer abweichenden Beurteilung führen. Gemäß § 61 ZPO gereicht die Handlung eines Streitgenossen den anderen weder zum Vorteil oder zum Nachteil. Auch aus diesem Grund darf die Entscheidung eines Beklagten, das Patent mit einer Nichtigkeitsklage anzugreifen, grundsätzlich nicht dazu führen, dass die in § 81 PatG eröffnete Klagemöglichkeit für die anderen Streitgenossen beschränkt wird.

cc) Dass der Patentinhaber damit einem hohen Kostenrisiko ausgesetzt sein kann, weil er damit rechnen muss, nach einem für ihn erfolgreichen Ausgang des ersten Nichtigkeitsverfahrens erneut mit einer Nichtigkeitsklage überzogen zu werden, vermag für sich gesehen ebenfalls nicht zur Bejahung eines Rechtsmissbrauchs führen.

Das in Rede stehende Kostenrisiko ist der gesetzlichen Regelung in §§ 81 ff. PatG immanent. Während der Laufzeit des Patents ist grundsätzlich jedermann befugt, eine Nichtigkeitsklage zu erheben. Der Umstand, dass eine erfolgreiche Nichtigkeitsklage zugunsten der Allgemeinheit wirkt, eine Abweisung der Klage aber nur gegenüber dem jeweiligen Kläger Rechtskraftwirkung entfaltet, ist eine Folge dieser gesetzlichen Regelung und deshalb vom Patentinhaber, dem mit der Erteilung des Schutzrechts rechtliche Befugnisse gegenüber der Allgemeinheit eingeräumt wurden, grundsätzlich hinzunehmen.

dd) Ob im Einzelfall ein Rechtsmissbrauch anzunehmen sein kann, wenn mehrere potentielle Nichtigkeitskläger ihre Angriffe gegen das Patent so koordinieren, dass die rechtliche Auseinandersetzung möglichst in die Länge gezogen und der Patentinhaber mit unzumutbaren finanziellen Risiken belastet wird, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.

Im Streitfall sind die finanziellen Risiken, die der Beklagten aus dem zweiten Nichtigkeitsverfahren drohen, schon deshalb zumutbar, weil jedenfalls dem Kläger zu 3 nicht zuzumuten war, sich dem ersten Nichtigkeitsverfahren anzuschließen. Die Verletzungsklage gegen ihn ist mehr als vier Jahre nach der ersten Verletzungsklage erhoben worden. Zu diesem Zeitpunkt war das erste Nichtigkeitsverfahren bereits in der Berufungsinstanz anhängig. In dieser Situation konnte ihm nicht angesonnen werden, einem Verfahren beizutreten, auf das er nur noch in relativ geringem Maße Einfluss nehmen konnte.

Die Mehrkosten, die daraus entstehen, dass die zweite Nichtigkeitsklage auch von den Klägerinnen zu 1 und 2 erhoben wurde, sind im Vergleich zu den Gesamtkosten des Verfahrens nicht so hoch, dass deren Beteiligung am neuen Rechtsstreit als rechtsmissbräuchlich angesehen werden könnte, zumal ein Beitritt zum ersten Verfahren ebenfalls zu Mehrkosten geführt hätte.

II. Das Streitpatent betrifft die chromatographische Trennung von vier Proteinen, nämlich Faktor VIII, von-Willebrand-Faktor (vWF), Fibronectin und Fibrinogen, aus menschlichem oder tierischem Blutplasma.

1. Die genannten Proteine sind von Bedeutung für die Blutgerinnung. Bei Hämophilie A steht der Faktor VIII nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung. Zur Behandlung der Krankheit muss dieses Protein verabreicht werden. Hierzu muss es in hoch gereinigter Form vorliegen, d.h. frei von vielen anderen Blutbestandteilen sein, die unerwünschte Nebenwirkungen auslösen würden. Die Anwesenheit des von-Willebrand-Faktors ist demgegenüber vorteilhaft. Er bildet mit dem Faktor VIII ein schützendes Aggregat (Assoziat), das verhindert, dass der Faktor VIII im Organismus schnell abgebaut und damit unwirksam wird.

2. Im Stand der Technik waren verschiedene Verfahren zur Herstellung von Faktor-VIII-Konzentraten bekannt. Als am weitesten verbreitet wird in der Streitpatentschrift die Ausfällung bei niedriger Temperatur genannt, die mit der Zugabe von Fällungsmitteln kombiniert werden kann. Die Reinheit solcher Konzentrate liegt nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift oft in der Größenordnung von 1 IE/mg (d.h. auf ein Milligramm aller im Konzentrat enthaltenen Proteine entfällt diejenige Menge des gewünschten Proteins, die in einem Milliliter normalen Blutplasmas enthalten ist) und überschreitet im Allgemeinen nicht die Grenze von 10 bis 20 IE/mg. Als weitere Möglichkeiten werden sterische Ausschlusschromatographie und molekulare Filtration genannt, die mit niedriger Ausbeute ein Produkt lieferten, dessen spezifische Aktivität 30 IE/mg nicht überschreite und das einen Zusatz von Albumin als Stabilisator erfordere, wodurch die spezifische Aktivität auf ungefähr 3 bis 5 IE/mg abgesenkt werde. Bei einem neueren Verfahren werde der Faktor VIII mit Hilfe von auf einem chromatographischen Träger immobilisierten Antikörpern gereinigt. Diese Technik sei leistungsfähig, erfordere aber den Gebrauch von drastischen Lösungen. Deshalb sei eine Ultrafiltration erforderlich, die der biologischen Aktivität des Faktors VIII schade. Außerdem sei die Zugabe eines Stabilisators erforderlich, wodurch die spezifische Aktivität des Faktors VIII von 1000 bis 3000 IE/mg auf 3 bis 5 IE/mg verringert werde. Ferner werde auch die Ionenaustauschchromatographie eingesetzt. Diese Techniken eigneten sich wegen der Kompliziertheit der Arbeitsvorgänge und der niedrigen Ausbeuten jedoch nur für die Anwendung im Labormaßstab.

Erwähnt wird ferner das Verfahren nach der unter der Nummer 343 275 nachveröffentlichten europäischen Patentanmeldung (K6a), bei dem das durch Fällung bei niedriger Temperatur erhaltene Ausgangsmaterial mit Heparin und Aluminiumhydroxid behandelt und einer Gelpermeationschromatographie auf einem Ionenaustauscherharz des hydrophilen Typs wie Typ Fraktogel-DEAE unterzogen werde. Dieses Verfahren ist nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift durch eine spezielle Vorstufe gekennzeichnet, die insbesondere auf die Ethanolbehandlung verzichtet.

Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, eine Methode zur Gewinnung von Konzentraten der eingangs genannten Proteine zu entwickeln, die im industriellen Maßstab anwendbar ist und hochreine, insbesondere von Antikörpern tierischen Ursprungs freie Produkte mit hoher Aktivität liefert.

3. Zur Lösung dieses Problems wird in Patentanspruch 1 des Streitpatents in der geltenden Fassung ein Verfahren vorgeschlagen, dessen Merkmale der Bundesgerichtshof bereits im ersten Nichtigkeitsverfahren wie folgt gegliedert hat:

1.

Das Verfahren dient

a)

der Trennung der Proteine Faktor VIII, Fibrinogen, Fibronectin und von-Willebrand-Faktor aus menschlichem oder tierischem Plasma und

b)

zur Herstellung von Konzentraten dieser Proteine zum therapeutischen Gebrauch.

2.

Als Ausgangsmaterial wird eine Plasmafraktion verwendet, die

a)

bei niedriger Temperatur gefällt worden ist (Kryopräzipitat),

b)

im Wesentlichen aus Fibrinogen, Fibronectin, von-Willebrand-Faktor und Faktor VIII besteht

c)

und wieder in wässrige Lösung gebracht worden ist.

3.

Das Ausgangsmaterial wird einer einzigen (unique) Trennung durch Chromatographie auf einem Anionenaustauscherharz von vergleichsweise gemäßigtem ionischen Charakter unterzogen,

a)

dessen Matrix ein Gel von der Art eines makroretikulären Vinylpolymers ist,

b)

das aufgrund seiner Porosität und Hydrophobieeigenschaften in der Lage ist, den Komplex aus Faktor VIII und von-Willebrand-Faktor zurückzuhalten.

4.

Die verschiedenen Proteine werden selektiv gewonnen, indem die Ionenstärke des Elutionspuffers sukzessiv erhöht wird.

5.

Eine erhaltene Faktor-VIII-Lösung wird gefriergetrocknet.

III. Das Patentgericht hat zur Begründetheit der Klage im Wesentlichen folgendes ausgeführt:

Die Anmeldung des Streitpatents und die Inanspruchnahme der Priorität einer früheren französischen Anmeldung seien wirksam. Die Beklagte habe mit den von ihr vorgelegten Dokumenten (HL12 bis HL15) belegt, dass sie mit der Anmelderin beider Verfahren identisch sei.

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei neu. Der Vortrag der Kläger gebe keinen Anlass, von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs im ersten Nichtigkeitsverfahren abzurücken, nach dessen Auffassung das Merkmal 5 in der nach dem Prioritätstag veröffentlichten europäischen Patentanmeldung K6a nicht eindeutig und unmittelbar offenbart sei. Den Klägern sei zwar einzuräumen, dass sich der Fachmann an den Anforderungen des Deutschen Arzneibuchs orientiere. Dieses ermögliche aber ein Abweichen von den darin aufgezeigten Herstellungswegen.

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit. Das darin geschützte Verfahren sei dem Fachmann, einem promovierten Chemiker oder Biochemiker mit mehrjähriger beruflicher Erfahrung auf dem Gebiet der Isolierung von Plasmaproteinen, auch nicht durch die erstmals im vorliegenden Nichtigkeitsverfahren eingereichten Entgegenhaltungen K20 (Hynes et al., Blood 34 (1969), 601-609) und K32 (US-Patentschrift 4 508 709) nahegelegt gewesen.

IV. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der geltenden Fassung ist nicht neu.

a) Die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich getroffen ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung. Maßgeblich ist, welche technische Information dem Fachmann offenbart wird. Der Offenbarungsbegriff ist dabei kein anderer, als er auch sonst im Patentrecht zu Grunde gelegt wird. Zu ermitteln ist deshalb nicht, in welcher Form der Fachmann etwa mit Hilfe seines Fachwissens eine gegebene allgemeine Lehre ausführen kann oder wie er diese Lehre gegebenenfalls abwandeln kann, sondern ausschließlich, was der Schrift aus fachmännischer Sicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 = GRUR 2009, 382 Rn. 25 - Olanzapin).

Zu dem danach Offenbarten gehört allerdings nicht nur dasjenige, was im Wortlaut der Veröffentlichung ausdrücklich erwähnt wird. Nicht anders als bei der Ermittlung des Wortsinns eines Patentanspruchs ist vielmehr der Sinngehalt der Veröffentlichung maßgeblich, also diejenige technische Information, die der fachkundige Leser der jeweiligen Quelle vor dem Hintergrund seines Fachwissens entnimmt (BGHZ 179, 168 = GRUR 2009, 382 Rn. 26 - Olanzapin). Hierzu gehören auch Abwandlungen und Ergänzungen, die nach dem Gesamtzusammenhang der Schrift für den Fachmann derart naheliegen, dass sie sich ihm bei aufmerksamer, weniger auf die Worte als ihren erkennbaren Sinn achtenden Lektüre ohne Weiteres erschließen, so dass er sie gleichsam mitliest, auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist (BGH, Beschluss vom 17. Januar 1995 - X ZB 15/93, BGHZ 128, 270 , 276 f. = GRUR 1995, 330 , 332 - Elektrische Steckverbindung). Die Berücksichtigung solcher Umstände zielt nicht auf eine Ergänzung der Offenbarung durch das Fachwissen, sondern auf die Erfassung der technischen Information, die der Fachmann durch eine Schrift erhält, in ihrer Gesamtheit. Abwandlungen und Weiterentwicklungen dieser Information gehören ebenso wenig zum Offenbarten wie diejenigen Schlussfolgerungen, die der Fachmann kraft seines Fachwissens aus der erhaltenen technischen Information ziehen mag (BGHZ 179, 168 = GRUR 2009, 382 Rn. 26 - Olanzapin).

b) Wie der Bundesgerichtshof bereits im ersten Nichtigkeitsverfahren dargelegt hat, erschloss sich dem Fachmann bei der Lektüre von K6a, dass es weiterer Verfahrensschritte bedarf, damit ein nach dem dort beschriebenen Verfahren hergestelltes Faktor-VIII-Konzentrat für den therapeutischen Einsatz geeignet ist (Berufungsurteil Rn. 62). Die hiergegen von der Beklagten erhobenen Einwände führen nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

Entgegen der Auffassung der Beklagten wurde in K6a nicht offengelassen, ob das nach dem dort offenbarten Verfahren hergestellte Faktor-VIII-Präparat zu therapeutischen Zwecken oder ausschließlich zur Verwendung im Labor eingesetzt werden soll. Im Zusammenhang mit der Darstellung bekannter Verfahren wird vielmehr auf Probleme hingewiesen, die bei der Verabreichung von auf diese Weise hergestellten Präparaten an Patienten auftreten können (K6a Sp. 1 Z. 19 bis 22). Daraus ergibt sich hinreichend deutlich, dass das nach dem in K6a offenbarten Verfahren hergestellte Präparat jedenfalls auch für therapeutische Zwecke einsetzbar sein soll. Damit erschloss sich dem Fachmann zugleich, dass es weiterer Verfahrensschritte bedarf.

Aus den von der Beklagten zitierten Darlegungen in K6a zu dem dort geschilderten Ausführungsbeispiel 4, wonach die gesammelten Fraktionen mit einem aus Natriumcitrat, Glycin, Lysin und Calciumchlorid bestehenden Puffer verdünnt, auf einen pH-Wert von 6,9 bis 7,1 eingestellt, filtriert und abschließend einer Sterilfiltration unterzogen werden (K6a Sp. 4 Z. 43 bis 52), ergibt sich nichts Abweichendes. Dem in diesem Zusammenhang verwendeten Ausdruck "abschließend" ist zwar zu entnehmen, dass das in K6a beschriebene Konzentrat nach den genannten Schritten in seiner stofflichen Zusammensetzung nicht mehr verändert wird. Daraus kann aber nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, zwischen der Fertigstellung des Konzentrats und dessen Verabreichung an den Patienten dürfe kein weiterer Verfahrensschritt liegen, der die inhaltliche Zusammensetzung des Konzentrats unberührt lässt, aber dessen therapeutische Anwendung ermöglicht.

c) Der Bundesgerichtshof hat den Verfahrensschritt der Gefriertrocknung im ersten Nichtigkeitsverfahren nicht als in K6a unmittelbar und eindeutig offenbart angesehen, weil es aus technischer Sicht mehrere Möglichkeiten gab, um das Präparat für therapeutische Zwecke einsatzfähig zu machen (Berufungsurteil Rn. 62). Er hat hierzu insbesondere auf die in K6a mehrfach zitierte europäische Anmeldung 238 701 (K10 Sp. 2 Z. 27 bis 39) Bezug genommen, in der ausgeführt wird, das flüssige Präparat könne nach Absolvierung weiterer Zwischenschritte in üblicher Weise in Ampullen gefüllt und therapeutisch eingesetzt werden (Berufungsurteil Rn. 61).

Diese Beurteilung wird durch die Ausführungen der Kläger zur rechtlichen Bedeutung des Arzneimittelbuchs nicht in Frage gestellt.

Nach dem Vorbringen der Kläger führt der Umstand, dass im deutschen und im österreichischen Arzneimittelbuch Faktor-VIII-Präparate nur in gefriergetrockneter Form aufgeführt sind, zwar dazu, dass ein Arzneimittel in anderer Form nur dann zulassungsfähig ist, wenn der Nachweis geführt wird, dass die abweichende Herstellungsmethode zu den gleichen Ergebnissen führt. Für die Frage, welcher Offenbarungsgehalt der Veröffentlichung K6a aus Sicht des Fachmanns zukommt, wäre dies indes nur dann von Bedeutung, wenn im Stand der Technik keine Verfahren als geeignete Alternative in Betracht gekommen wären, der Fachmann, dem die Notwendigkeit eines weiteren Verfahrensschritts bekannt war, diesen also zwangsläufig mit der Maßnahme des Gefriertrocknens gleichgesetzt hätte. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn in anderen Veröffentlichungen Alternativmaßnahmen aufgezeigt werden, deren Zulassungsfähigkeit jedenfalls nicht ohne weiteres verneint werden kann.

d) Die der Entscheidung im ersten Nichtigkeitsverfahren zugrunde liegende Einschätzung, dass K10 eine solche Veröffentlichung darstellt, beruht jedoch auf der Prämisse, die Abfüllung als Flüssigkeit in Ampullen stelle eine Alternative zu der im Arzneimittelbuch als einzige Maßnahme aufgeführten Gefriertrocknung dar.

Diese Prämisse erweist sich auf der Grundlage des Parteivortrags im vorliegenden Rechtsstreit als unzutreffend.

aa) Nach dem Vortrag der Kläger wird ein Faktor-VIII-Präparat bei dem im Stand der Technik üblichen Verfahren erst gefriergetrocknet, nachdem es bereits in Ampullen abgefüllt worden ist. Die Beklagte hat dies nicht in Zweifel gezogen. Sie hat lediglich geltend gemacht, eine solche Vorgehensweise sei weder in K6a noch in K10 offenbart. Daraus ergibt sich nicht, dass es am Prioritätstag gängige Verfahren gab, bei denen das Konzentrat schon vor dem Abfüllen in Ampullen gefriergetrocknet wurde. Sonstige Umstände, die für das Bestehen einer solchen Alternative sprechen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

bb) Bei Berücksichtigung dieses zusätzlichen Umstandes ist die Gefriertrocknung durch K6a offenbart.

(1) Wenn sich das in K10 beschriebene Abfüllen in Ampullen und eine Gefriertrocknung nicht gegenseitig ausschließen und eine Gefriertrocknung im Prioritätszeitpunkt das in der Praxis allgemein übliche Mittel war, um die nicht nur kurzfristige therapeutische Einsetzbarkeit zu gewährleisten, gehört dieser Schritt zu den Maßnahmen, deren Notwendigkeit sich dem Fachmann bei der Lektüre von K6a ohne Weiteres erschloss.

(2) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist in diesem Zusammenhang irrelevant, dass nach den Erkenntnissen am Prioritätstag ein zeitnaher therapeutischer Einsatz auch ohne Gefriertrocknung möglich war.

K6a hebt als Vorteil des dort offenbarten Verfahrens hervor, es ermögliche die Herstellung eines hochreinen Antihämophiliefaktors in hohen Ausbeuten und mit einer bisher nicht erreichten spezifischen Aktivität (K6a Sp. 2 Z. 12 bis 16). Daraus geht hervor, dass das mit dem offenbarten Verfahren hergestellte Präparat nicht nur für besondere Anwendungsfälle, sondern auch für einen therapeutischen Einsatz in größerem Umfang geeignet sein soll. Dies setzt voraus, dass das Präparat über einen Zeitraum hinweg lagerfähig gehalten werden kann, der für therapeutische Zwecke allgemein als erforderlich angesehen wird. Zur Gewährleistung dieses Einsatzzwecks wurde am Prioritätstag nach dem insoweit von der Beklagten nicht in Zweifel gezogenen Vortrag der Kläger bei als Arzneimittel zugelassenen Präparaten ausschließlich auf Gefriertrocknung zurückgegriffen.

Soweit die Beklagte andere Maßnahmen aufgezeigt hat, sind diese bei am Markt verfügbaren Präparaten nicht zur Anwendung gekommen. Dies gilt auch für das flüssige Präparat Octaliquid, das die Klägerin zu 1 nach ihrem nicht in Zweifel gezogenen Vortrag erst in den 1990er Jahren zu entwickeln versuchte und das sich als nicht marktfähig erwiesen hat. Ob Octaliquid in den 1990er Jahren zum Markt zugelassen wurde, ist unerheblich, weil diese Zulassung jedenfalls nach dem Prioritätstag erfolgt wäre.

Soweit die Beklagte darüber hinaus das Vorbringen der Kläger pauschal bestreitet, ist ihr Vortrag nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit des Klägervortrags zu begründen. Die Kläger haben im Einzelnen dargelegt, welche Präparate am Prioritätstag zur allgemeinen therapeutischen Anwendung zur Verfügung standen. Angesichts dessen lag es an der Beklagten, Anhaltspunkte dafür aufzuzeigen, dass aus Sicht des Fachmanns andere Verfahren für die praktische Anwendung in Betracht kamen. Die von ihr aufgezeigten Alternativen werden dieser Anforderung nicht gerecht. Dass es darüber hinaus andere verfügbare Präparate am Markt gegeben hat, ist weder konkret vorgetragen noch sonst ersichtlich.

(3) Vor diesem Hintergrund ist unerheblich, dass am Prioritätstag andere Verfahren - insbesondere ein dauerhaftes Einfrieren ohne Trocknung - bekannt waren, die theoretisch ebenfalls hätten genutzt werden können.

Wie bereits dargelegt war K6a zu entnehmen, dass das dort offenbarte Präparat auch in größerem Maßstab therapeutisch einsetzbar sein soll. Wenn sich daraus für den Fachmann ohne weiteres ergab, dass es weiterer Verfahrensschritte bedurfte und dass diese Schritte - unabhängig von Vorhandensein und Anzahl möglicher Zwischenschritte - in der Praxis stets auch das Gefriertrocknen umfassten, gehörte diese Erkenntnis ebenfalls zu dem Informationsgehalt, der sich dem Fachmann aus dem Sinngehalt von K6a erschloss.

(4) Die weiteren von der Beklagten angeführten Veröffentlichungen führen nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

Den Ausführungen in K10, das flüssige Präparat könne in üblicher Weise in Ampullen gefüllt und therapeutisch eingesetzt werden, ist nicht zu entnehmen, dass ein Gefriertrocknen auch für den therapeutischen Einsatz in größerem Umfang entbehrlich ist. Dem Hinweis auf übliche Verfahrensweisen ist vielmehr zu entnehmen, dass die für den jeweiligen Einsatzzweck gebräuchlichen Maßnahmen ergriffen werden sollen. Zu diesen gehörte für den Fachmann am Prioritätstag das Gefriertrocknen, sofern das Präparat für den nicht nur zeitnahen therapeutischen Einsatz verwendet werden soll.

Aus Veröffentlichungen, in denen der Schritt des Gefriertrocknens nur als fakultativ erwähnt wird, ergibt sich nichts Abweichendes. Diesen Ausführungen kann nur entnommen werden, dass das Gefriertrocknen nicht für jeden Einsatzzweck erforderlich ist. In keiner dieser Entgegenhaltungen finden sich aber Hinweise darauf, dass das Gefriertrocknen auch für den therapeutischen Einsatz als am Markt verfügbares Arzneimittel entbehrlich sein könnte.

cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten ergab sich für den Fachmann aus K6a nicht deshalb ein anderes Verständnis, weil ein Gefriertrocknen nach dem Kenntnisstand am Prioritätstag zwingend die Zugabe von Albumin oder einem vergleichbaren Protein als Stabilisator erfordert hätte.

Den Ausführungen in K6a ist nicht zu entnehmen, dass dem dort offenbarten Konzentrat vor seiner therapeutischen Anwendung weitere Stoffe zugesetzt werden müssen. In K6a wird detailliert beschrieben, welche Stoffe den eingesetzten Lösungen und Puffern im Einzelnen zuzusetzen sind und welchen Verarbeitungsschritten das Ausgangsmaterial zur Gewinnung des angestrebten Konzentrats zu unterziehen ist. Zudem wird der in Ausführungsbeispiel 4 geschilderte Verfahrensschritt der Sterilfiltration (K6a Sp. 4 Z. 43 bis 52) wie bereits erwähnt ausdrücklich als abschließend bezeichnet. Hieraus ergab sich aus fachmännischer Sicht die Schlussfolgerung, dass das in K6a beschriebene Konzentrat in seiner stofflichen Zusammensetzung auch dann nicht abzuändern ist, wenn es zum Zwecke des therapeutischen Einsatzes gefriergetrocknet wird.

Der Umstand, dass bei dem in der deutschen Offenlegungsschrift 34 32 083 (K15) offenbarten Verfahren vor dem Gefriertrocknen Albumin zugesetzt wird, führt vor diesem Hintergrund nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Für den Fachmann ergab sich weder aus K15 noch aus sonstigen Entgegenhaltungen, dass die Zugabe von Albumin oder vergleichbaren Proteinen vor dem Gefriertrocknen schlechthin unerlässlich war. So wird in der Veröffentlichung von Hynes et al. (Citrate Stabilization of Chromatographically Purified Factor VIII, Blood 34 (1969), 601 bis 609, K20) mit Citrat eine Stofffamilie als geeigneter Stabilisator benannt (K20 S. 607 unten), die auch in K6a eingesetzt wird. Der Fachmann hatte angesichts dessen keinen Anlass zu der Annahme, das in K6a offenbarte Konzentrat sei ohne Zugabe von Albumin für einen therapeutischen Einsatz in Form eines gefriergetrockneten Präparats nicht geeignet.

2. Hinsichtlich der mit den Hilfsanträgen verteidigten Fassungen des Streitpatents ergibt sich keine abweichende Beurteilung.

a) Nach Hilfsantrag 1 soll Merkmalsgruppe 3 um ein zusätzliches Merkmal 3 c ergänzt werden, wonach das Harz Gruppen vom DEAE-Typ an dem Vinylpolymer aufweist.

Dieses Merkmal ist, wie auch die Beklagte nicht in Zweifel zieht, in K6a ebenfalls offenbart. Das dort als Fractogel-DEAE bezeichnete Austauscherharz weist, wie der Bundesgerichtshof im ersten Nichtigkeitsverfahren näher dargelegt hat, alle Merkmale der Merkmalsgruppe 3 auf (Berufungsurteil Rn. 48 bis 51). Für das mit Hilfsantrag 1 zusätzlich vorgesehene Merkmal gilt nichts anderes. Fractogel-DEAE besteht aus einem Vinylpolymer, auf dem funktionelle Gruppen aus dem Material DEAE (Diethylaminoethyl) aufgebracht sind.

b) Nach Hilfsantrag 2 soll Merkmal 2 b dahin ergänzt werden, dass als Ursprungsmaterial ein nicht nach der Blutgruppe ausgewähltes Plasma verwendet wird.

Dieses zusätzliche Teilmerkmal ist in K6a ebenfalls offenbart. Zwar wird es dort nicht ausdrücklich erwähnt. Aus dem in K6a enthaltenen Hinweis, es werde handelsübliches Kryopräzipitat eingesetzt, ergibt sich für den Fachmann jedoch unmittelbar und eindeutig, dass das dort offenbarte Verfahren jedenfalls auch mit Plasma ausgeführt werden kann, das nicht nach der Blutgruppe ausgewählt worden ist. Dabei kann offenbleiben, ob, wie die Klägerin unwidersprochen dargelegt hat, am Prioritätstag aus fachmännischer Sicht ausschließlich diese Art von Plasma als "handelsüblich" angesehen wurde. Selbst wenn beide Arten am Markt verfügbar waren, ergab sich aus dem in K6a enthaltenen Hinweis auf die Handelsüblichkeit, dass das dort offenbarte Verfahren insoweit keinen Beschränkungen unterliegt.

c) Nach Hilfsantrag 3 sollen in Merkmal 1 a die Worte "oder tierischem" entfallen.

Auch mit der daraus resultierenden Beschränkung auf Verfahren zur Bearbeitung menschlichen Plasmas ist der Gegenstand von Patentanspruch 1 durch K6a vollständig offenbart. In K6a wird zwar nicht ausdrücklich erwähnt, ob das eingesetzte Plasma menschlichen oder tierischen Ursprungs ist. Auch insoweit ist mit dem Hinweis, es könne handelsübliches Kryopräzipitat eingesetzt werden, jedoch eindeutig und unmittelbar offenbart, dass jedes am Markt gängige Produkt als Ausgangsmaterial herangezogen werden kann. Dazu gehörte am Prioritätstag auch menschliches Plasma.

d) Nach den Hilfsanträgen 4 und 4a soll Merkmal 4 dahin ergänzt werden, dass die Ionenstärke ein erstes Mal erhöht wird, wodurch ein großer - nach Hilfsantrag 4a der größte - Teil des von-Willebrand-Faktors desorbiert wird, und dann ein zweites Mal erhöht wird.

Diese Ergänzung führt ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das zusätzliche Merkmal in den ursprünglich eingereichten Unterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart ist. Es ist jedenfalls durch K6a vorweggenommen.

Bei einem der in der Beschreibung des Streitpatents geschilderten Ausführungsbeispiele wird die erste Erhöhung der Ionenstärke dadurch erreicht, dass die Konzentration von Natriumchlorid von 0,11 M auf 0,15 M erhöht wird. Dies führt dazu, dass der größte Teil des von-Willebrand-Faktors und des Fibronectins eluiert wird (Abs. 43); im nachfolgenden Schritt wird die Konzentration bis auf den Endwert von 0,25 M erhöht (Abs. 44). In einem anderen Beispiel, das die Gewinnung eines Konzentrats des von-Willebrand-Faktors betrifft, wird die Natriumchlorid-Konzentration ebenfalls von 0,11 M auf 0,15 M erhöht, um die den von-Willebrand-Faktor enthaltende Fraktion zu eluieren (Abs. 65).

Diese Vorgehensweise ist auch in K6a offenbart. In dem dort geschilderten Ausführungsbeispiel beträgt die Natriumchlorid-Konzentration bei dem der Elution vorausgehenden Waschschritt 110 mM (Sp. 3 Z. 57), also 0,11 M. Danach werden zwei Elutionsschritte mit einer Konzentration von 160 mM und 250 mM durchgeführt (Sp. 4 Z. 20 und 27). Dies entspricht im Wesentlichen der Vorgehensweise nach dem Streitpatent.

Dass in K6a nicht ausdrücklich erwähnt wird, welche Bestandteile beim ersten Elutionsschritt gewonnen werden, ist unerheblich. Nach den Ausführungen in der Beschreibung des Streitpatents führt die Erhöhung der Natriumchlorid-Konzentration von 0,11 M auf 0,15 M dazu, dass der größte Teil des von-Willebrand-Faktors ausgewaschen wird. Für die in K6a offenbarte Erhöhung von 0,11 M auf 0,16 M kann danach nichts anderes gelten.

e) Nach den Hilfsanträgen 5 und 5a soll Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 4 zusätzlich dadurch ergänzt werden, dass bei der ersten Erhöhung der Ionenstärke das Fibronectin und ein großer bzw. der größte Teil des von-Willebrand-Faktors desorbiert wird.

Dies führt ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

Wie bereits im Zusammenhang mit Hilfsantrag 4 dargelegt wurde, führt die Erhöhung der Natriumchlorid-Konzentration von 0,11 M auf 0,15 M dazu, dass neben dem größten Teil des von-Willebrand-Faktors auch Fibronection eluiert wird. Entsprechendes muss dann für die in K6a offenbarte Erhöhung von 0,11 M auf 0,16 M gelten.

f) Nach den Hilfsanträgen 6 und 6a soll Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 4 bzw. 4a dahin ergänzt werden, dass vor der ersten Erhöhung der Ionenstärke die Säule bei einer Ionenstärke gewaschen wird, bei der Fibrinogen ausgewaschen wird.

Diese Änderung führt ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

Bei einem der in der Beschreibung des Streitpatents geschilderten Ausführungsbeispiele wird die Säule vor dem ersten Elutionsschritt mit einer Lösung gewaschen, deren Natriumchlorid-Konzentration 0,1 M beträgt. Danach wird mit einem Puffer mit einer Natriumchlorid-Konzentration von 0,11 M äquilibriert (Abs. 39). Hierdurch wird im Wesentlichen Fibrinogen ausgewaschen (Abs. 42).

Diese Vorgehensweise ist auch in K6a offenbart. Bei dem dort geschilderten Ausführungsbeispiel wird die Säule zunächst mit einer Lösung mit einer Natriumchlorid-Konzentration von 100 mM und anschließend mit einem Puffer mit einer Natriumchlorid-Konzentration von 110 mM gewaschen (K6a Sp. 3 Z. 52 bis 57). Dass dabei nicht offenbart wird, welche Bestandteile hierdurch ausgewaschen werden, ist aus den bereits im Zusammenhang mit Hilfsantrag 4 dargelegten Gründen unerheblich.

g) Nach den Hilfsanträgen 7 und 7a sollen die in den Hilfsanträgen 5 und 6 bzw. 5a und 6a vorgesehenen Merkmale miteinander kombiniert werden.

Dies führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung, weil alle diese Merkmale in K6a auch in ihrer Kombination offenbart sind.

h) Nach Hilfsantrag 8 soll Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 7 in Merkmal 4 dahin ergänzt werden, dass das erhaltene Konzentrat von Faktor VIII eine spezifische Aktivität von mehr als 100 IE/mg aufweist.

Dies vermag ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung zu führen.

Nach der Beschreibung des Streitpatents wird die in Rede stehende Eigenschaft des Faktor-VIII-Konzentrats durch Ausführung eines Verfahrens mit den in der geltenden Fassung von Patentanspruch 1 aufgeführten Merkmalen erreicht. Ein solches Verfahren ist auch in K6a offenbart. Dass dort nicht mitgeteilt wird, welche spezifische Aktivität das gewonnene Faktor-VIII-Konzentrat aufweist, ist unerheblich.

i) Nach den Hilfsanträgen 9 und 9a soll Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 4 bzw. 4a dahin ergänzt werden, dass mit der zweiten Erhöhung der Ionenstärke der Faktor VIII eluiert wird.

Dies führt ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

Wie bereits dargelegt wird die Natriumchlorid-Konzentration sowohl bei dem im Streitpatent geschilderten als auch bei dem in K6a offenbarten Ausführungsbeispiel im zweiten Schritt auf 0,25 M erhöht. Damit führt das Verfahren nach K6a ebenso wie dasjenige nach dem Streitpatent dazu, dass im zweiten Erhöhungsschritt Faktor VIII eluiert wird.

j) Nach Hilfsantrag 10 soll Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 7 dahin ergänzt werden, dass das erhaltene Konzentrat von Faktor VIII frei ist von menschlichen Blutgruppenantikörpern oder nur geringste Mengen davon enthält.

Auch damit wird lediglich ein Ergebnis beansprucht, das durch ein Verfahren mit den Merkmalen der geltenden Fassung von Patentanspruch 1 erzielt wird und in K6a zwar nicht offenbart ist, wegen der Übereinstimmung der Verfahrensschritte aber dennoch eintritt.

k) Nach Hilfsantrag 11 soll zwischen den Merkmalsgruppen 2 und 3 ein zusätzliches Merkmal eingefügt werden, wonach das Ausgangsmaterial einer Virusinaktivierungsbehandlung durch Solvens-Detergens in Gegenwart von Tween® TNBP unterzogen wird.

Dieser Verfahrensschritt ist, wie die Beklagte nicht verkennt, in K6a ebenfalls offenbart (Sp. 2 Z. 44 bis 47).

l) Nach Hilfsantrag 12 soll Merkmal 5 dahin ergänzt werden, dass das Gefriertrocknen ohne Zugabe eines Stabilisators mit Proteincharakter erfolgt.

Auch mit dieser Ergänzung ist der Gegenstand des Streitpatents durch K6a offenbart.

Wie bereits oben (1 d cc) ausgeführt wurde, finden sich in K6a keine Hinweise darauf, dass dem dort offenbarten Faktor-VIII-Konzentrat vor dem Gefriertrocknen Albumin oder sonstige Proteine als Stabilisator zugesetzt werden.

Angesichts dessen kann dahingestellt bleiben, ob der erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellte Hilfsantrag 12 prozessual zulässig ist und ob die mit ihm verteidigte Fassung von Patentanspruch 1 dem in Art. 84 EPÜ niedergelegten Gebot der Klarheit entspricht.

m) Nach Hilfsantrag 13 soll Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 12 dahin geändert werden, dass die Worte "mit Proteincharakter" entfallen.

Diese Änderung führt ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Gegenstand des Streitpatents durch diese Änderung im Vergleich zu der mit Hilfsantrag 12 verteidigten Fassung zusätzlich eingeschränkt wird. Selbst wenn es nach der mit Hilfsantrag 13 verteidigten Fassung ausgeschlossen wäre, der im Streitpatent offenbarten Faktor-VIII-Lösung vor dem Gefriertrocknen irgendeinen weiteren Stoff hinzuzufügen, wäre der Gegenstand des Streitpatents in K6a vollständig offenbart.

Wie bereits oben ausgeführt wurde, ist den Ausführungen in K6a zu entnehmen, dass das dort offenbarte Faktor-VIII-Konzentrat ohne Änderung der stofflichen Zusammensetzung gefriergetrocknet werden kann. Damit ist die mit Hilfsantrag 13 verteidigte Lehre vollständig vorweggenommen.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 91 Abs. 1 ZPO .

Von Rechts wegen

Verkündet am: 18. März 2014

Vorinstanz: BPatG, vom 27.03.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 3 Ni 32/10 (EP)
Fundstellen
GRUR 2014, 758