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BGH - Entscheidung vom 23.01.2014

3 StR 365/13

Normen:
StPO § 349 Abs. 2

Fundstellen:
wistra 2014, 313

BGH, Beschluss vom 23.01.2014 - Aktenzeichen 3 StR 365/13

DRsp Nr. 2014/8014

Anforderungen an die Feststellung eines Vermögensschadens beim Betrug nach Rechtsprechung des BGH

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 27. Mai 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

a)

in den Fällen II.1.a.aa. nebst 2.a.aa., II.3.a.aa. nebst 6.a.aa., II.4.a.aa., II.5.a.aa., II.7.a.aa. nebst 10.a.aa., II.9.a.aa. und II.12.a.aa. der Urteilsgründe,

b)

im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

StPO § 349 Abs. 2 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 36 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts und drei Verfahrensrügen gestützte Revision des Angeklagten, mit der er außerdem das Vorliegen eines Verfahrenshindernisses geltend macht, hat mit der Sachrüge in dem sich aus der Beschlussformel ergebenden Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO .

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts übte der Angeklagte den Beruf des Versicherungsmaklers aus. Im Rahmen dieser Tätigkeit hatte er mit mehreren Versicherungsunternehmen sogenannte Courtageverträge abgeschlossen, aufgrund derer er bei Einreichen vermittelter Versicherungsverträge einen Anspruch auf Auszahlung der Provision erwarb, die zu Beginn des Versicherungsvertragsverhältnisses fällig und unter Abzug einer Stornoreserve ausgezahlt wurde. Ab dem Jahr 2005 gewann er mit dem Versprechen, die Versicherungsprämien für eine gewisse Zeit zu übernehmen und ihnen zusätzlich eine Geldzahlung zu leisten, eine Vielzahl von Kunden dafür, Anträge auf Abschluss langfristiger Versicherungsverträge - wie Renten- und Lebensversicherungen - zu unterschreiben. Tatsächlich hatten die Kunden nicht den Willen und in den meisten Fällen auch nicht die finanziellen Mittel, den Vertrag durchzuführen. Vielmehr wollten sie, wie ihnen vom Angeklagten vorgeschlagen worden war, innerhalb eines Jahres den Vertragsschluss mit der Behauptung, eine bestimmte Verbraucherinformation nicht erhalten zu haben, widerrufen. Obwohl der Angeklagte dies wusste, reichte er bei den jeweiligen Versicherungen die Anträge der Kunden ein, um so in den Genuss der Provision zu gelangen und sich um den Differenzbetrag zwischen den ausgezahlten Versicherungsprovisionen und den von ihm übernommenen Versicherungsprämien zu bereichern. Der Angeklagte konnte so im Tatzeitraum zwischen dem 18. November 2005 und 8. April 2006 nach Abzug der von ihm geleisteten Prämien Provisionen in einer Höhe von insgesamt rund 160.800 € einnehmen. Sämtliche Verträge wurden in der Folge storniert. Provisionsrückzahlungen leistete der Angeklagte nicht.

2. Der Schuldspruch hält in den in der Beschlussformel genannten Fällen rechtlicher Überprüfung nicht stand, in denen die "S. Versicherung" dem Angeklagten Provisionszahlungen aufgrund von ihm - teilweise gleichzeitig - eingereichter Versicherungsanträge leistete; denn insoweit bleibt nach den Urteilsgründen offen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Versicherung jeweils ein Schaden entstanden ist.

a) Der Vermögensschaden beim Betrug ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch einen umfassenden Vergleich der Vermögenslage des Getäuschten vor und nach dessen Vermögensverfügung festzustellen (BGH, Beschluss vom 5. März 2009 - 3 StR 559/08, NStZ-RR 2009, 206 ; Beschluss vom 18. Februar 1999 - 5 StR 193/98, BGHSt 45, 1 , 4; Urteil vom 4. März 1999 - 5 StR 355/98, NStZ 1999, 353 , 354; Beschluss vom 4. Juni 2013 - 2 StR 59/13, NStZ-RR 2014, 13). An einem Vermögensschaden fehlt es etwa dann, wenn der Verfügende seinerseits eine Forderung - insbesondere auf Rückzahlung - geltend machen kann, soweit er über werthaltige Sicherheiten verfügt, die sein diesbezügliches Ausfallrisiko abdecken und die er ohne finanziellen und zeitlichen Aufwand, namentlich ohne Mitwirkung des Schuldners und ohne Gefährdung durch ihn sofort nach Fälligkeit realisieren kann, wobei hinsichtlich der Bonität der Sicherheiten auf den Zeitpunkt der Vermögensverfügung abzustellen ist (BGH, Urteil vom 4. März 1999 - 5 StR 355/98, NStZ 1999, 353 , 354; Beschlüsse vom 1. September 1994 - 1 StR 468/94, StV 1995, 254 , 255; vom 5. März 2009 - 3 StR 559/08, NStZ-RR 2009, 206 und vom 4. Juni 2013 - 2 StR 59/13, NStZ-RR 2014, 13).

b) Danach ist in den genannten Fällen der Eintritt eines Schadens bzw. dessen Höhe nicht hinreichend belegt. Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung ausgeführt, der Angeklagte habe etwaige Provisionsrückforderungsansprüche der "S. Versicherung", die in den oben genannten sieben Fällen Provisionszahlungen von mehr als 21.700 € leistete, durch die Verpfändung eines Wertpapierdepots mit einem Bestand von rund 55.000 € abgesichert, so dass diese Versicherung ihren Schaden durch die Verwertung der Sicherheit habe "begrenzen" können. Damit besteht aber die Möglichkeit, dass die "S. Versicherung" über werthaltige Sicherheiten verfügte, die die Vermögensminderung bereits zum Zeitpunkt der jeweiligen Provisionszahlung ausglichen oder jedenfalls verringerten. Ob diese Sicherheit vorliegend ohne finanziellen und zeitlichen Aufwand, namentlich ohne Mitwirkung des Angeklagten und ohne Gefährdung durch ihn sofort nach Fälligkeit realisiert werden konnte, so dass ein Schaden nicht oder nur in "begrenzter" Höhe entstanden ist, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen.

Das Urteil kann daher hinsichtlich der sieben Taten zum Nachteil der "S. Versicherung" keinen Bestand haben. Die Aufhebung der Verurteilungen in diesen Fällen führt zum Wegfall der hierfür verhängten Einzelstrafen. Damit hat auch die Gesamtstrafe keinen Bestand.

Vorinstanz: LG Oldenburg, vom 27.05.2013
Fundstellen
wistra 2014, 313