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BGH - Entscheidung vom 05.04.2011

II ZR 279/08

Normen:
BGB § 426 Abs. 1

Fundstellen:
DB 2011, 1518
DR 2011, 992
DStR 2011, 1187
GmbHR 2011, 763
NZG 2011, 745
WM 2011, 1232

BGH, Urteil vom 05.04.2011 - Aktenzeichen II ZR 279/08

DRsp Nr. 2011/9721

Zwangsvollstreckung durch den Rechtsnachfolger der Bank gegen die Gesellschafter aus den von diesen erklärten, als Schuldbeitritte zu wertenden Haftungsübernahmen; Gesamtschuld der Gesellschafter im Verhältnis zu der Gesellschaft

Lässt sich ein GmbH-Gesellschafter von der Bank einen Darlehensrückzahlungsanspruch gegen die Gesellschaft abtreten, für den die Gesellschafter in einem begrenzten, insgesamt die Höhe der Forderung nicht erreichenden Umfang die persönliche Haftung übernommen haben, kann er seine Mitgesellschafter in voller Höhe ihrer jeweiligen Mithaft auf Zahlung in Anspruch nehmen.

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 1. Juli 2008 aufgehoben, soweit zum Nachteil des Beklagten entschieden worden ist.

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 13. November 2007 wird insgesamt zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Normenkette:

BGB § 426 Abs. 1 ;

Tatbestand

Die Klägerin zu 1, ihr während des Revisionsverfahrens verstorbener Ehemann, für den nun der Kläger zu 2 als Nachlassinsolvenzverwalter auftritt (im Folgenden einheitlich: Kläger zu 2), und der Beklagte sind bzw. waren neben der von dem Beklagten beherrschten T. Holding GmbH Gesellschafter der T. Immobilien und Vermietungs GmbH (im Folgenden: T. GmbH). Die Anteile der Kläger betrugen anfangs je 10 %. Der Anteil des Klägers zu 2 erhöhte sich in der Folgezeit auf 16,6 %. Die Gesellschaft errichtete und betreibt ein Wohn-, Geschäfts-, Freizeit- und Einkaufszentrum in B. Sie erhielt Kredite der Hypothekenbank in H. AG in Höhe von zusammen 39 Mio. DM. Zur Besicherung übernahmen die Kläger u.a. gemäß notarieller Urkunde vom 17. März 1998 mit Ergänzung vom 20. März 1998 die persönliche Haftung in Höhe von 1.520.000 DM und die übrigen Gesellschafter eine solche in Höhe von 4.390.500 DM. Die Gesellschafter unterwarfen sich jeweils der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.

Am 18./19. Juli 2001 verkaufte die Bank ihre offene Darlehensforderung in Höhe von 37.408.082,89 DM für 22,2 Mio. DM an den Beklagten. Am 21. August 2006 trat sie an ihn ihre Rechte aus der Schuldübernahme ab.

Am 20. Februar 2003 beschlossen die Gesellschafter, das Stammkapital von 50.000 DM auf 11.472.940 € zu erhöhen. Dies geschah durch Einbringung von Darlehensforderungen des Beklagten und der T. Holding GmbH gegen die Gesellschaft als Sacheinlagen. Dadurch verminderte sich der Anteil der Kläger am Stammkapital auf insgesamt 0,06 %. Zugleich wurde vereinbart, dass die etwaigen Abfindungsansprüche der Kläger nach wie vor nach einem Anteil in Höhe von 26,6 % berechnet werden sollen.

Der Beklagte betreibt mittlerweile die Zwangsvollstreckung gegen die Kläger aus deren Haftungsübernahmeerklärungen bezüglich der noch offenen Ansprüche aus dem übernommenen Darlehen. Die Kläger haben dagegen Vollstreckungsabwehrklage erhoben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr im Wesentlichen stattgegeben. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet und führt unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

I.

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Die T. GmbH sei verpflichtet, die Kläger von ihrer Haftung aus den Schuldbeitritten freizustellen. Das ergebe sich aus § 775 BGB . Diese Vorschrift sei nicht nur auf Bürgschaften, sondern auch auf andere Sicherheiten -analog -anwendbar. Das gelte jedenfalls dann, wenn ein Gesellschafter - wie hier die Kläger - zwar nicht vollständig, aber doch bis auf eine Splitterbeteiligung aus der Gesellschaft ausgeschieden sei. Denn dann seien seine Interessen nicht mehr mit denen der Gesellschaft identisch. Dem verbleibenden Zwerganteil sei dadurch Rechnung zu tragen, dass der Gesellschafter in dieser Höhe aus der Sicherheit verpflichtet bleibe; das seien bei den Klägern 466,30 €, hinsichtlich derer die Klage abzuweisen sei.

Aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles müsse sich der Beklagte nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als könnten die Kläger von ihm persönlich die Freistellung verlangen, so dass die Vollstreckung treuwidrig sei. Der Beklagte habe sich durch den Erwerb der besicherten Forderung zum Hauptgläubiger der Gesellschaft und durch die Kapitalerhöhung praktisch zu ihrem Alleingesellschafter gemacht. Deshalb dienten die von den Klägern begebenen Sicherheiten nur noch formal den Interessen der Gesellschaft, tatsächlich jedoch den persönlichen Interessen des Beklagten.

II.

Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern.

1.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verhält sich der Beklagte nicht treuwidrig, indem er die Zwangsvollstreckung gegen die Kläger aus den von diesen erklärten, als Schuldbeitritte zu wertenden Haftungsübernahmen betreibt. Insbesondere kann ihm kein widersprüchliches Verhalten vorgeworfen werden. Er ist nämlich nicht verpflichtet, die Kläger von ihrer Haftung freizustellen.

a)

Dabei kann offen bleiben, ob die Kläger einen Freistellungsanspruch gegen die Gesellschaft haben, etwa in entsprechender Anwendung des § 738 Abs. 1 Satz 2, 3 HGB oder des § 775 BGB . Denn dieser etwaige Freistellungsanspruch würde sich jedenfalls nur gegen die Gesellschaft richten und nicht auch eine Einwendung gegen die Inanspruchnahme durch den Beklagten begründen.

Der Beklagte tritt den Klägern im Rahmen der Zwangsvollstreckung nicht als Mitgesellschafter, sondern als Rechtsnachfolger der Bank und damit als Gläubiger der Gesellschaft gegenüber. An ihn hat die Bank ihre restliche Darlehensforderung abgetreten, und er macht diese Forderung nun gegen die Gesellschaft geltend. Dabei stehen ihm dieselben Sicherungsrechte wie der Bank zu, nachdem sie diese Rechte - soweit nicht schon ein Übergang kraft Gesetzes stattgefunden hat - an den Beklagten abgetreten hat. Damit kann der Beklagte die Kläger aus den von ihnen erklärten Haftungsübernahmen in voller Höhe in Anspruch nehmen.

b)

Allerdings haften Gesellschafter, die gemeinsam die persönliche Mithaft für die Gesellschaftsschulden übernommen haben und insoweit als Gesamtschuldner zu behandeln sind, im Innenverhältnis gemäß § 426 Abs. 1 BGB im Zweifel nur anteilig in Höhe ihrer jeweiligen Anteile am Gesellschaftsvermögen (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1988 - II ZR 101/88, GmbHR 1989, 249; Urteil vom 24. September 1991 - IX ZR 195/91, ZIP 1992, 1536 , 1537). Daraus ergibt sich hier aber keine Beschränkung der Haftung der Kläger gegenüber dem Beklagten. Denn angesichts der Besonderheiten der Schuldbeitritte besteht hier zwar jeweils eine Gesamtschuld im Verhältnis zu der Gesellschaft, nicht aber auch im Verhältnis der Gesellschafter zueinander. Die Gesellschafter haben nämlich nicht jeweils die Mithaft für die gesamten Bankkredite übernommen. Ihre Schuldbeitritte belaufen sich vielmehr nur auf insgesamt 5,9105 Mio. DM bei einer zu sichernden Valuta in Höhe von ursprünglich 39 Mio. DM. Die Rechtsfolge einer Gesamtschuld nach § 421 BGB , dass bei Zahlung eines Gesamtschuldners auch die Schuld der anderen Gesamtschuldner erlischt, würde bei dieser Sachlage nicht passen. Vielmehr haften die Gesellschafter ohne Rückgriffsmöglichkeit nach § 426 BGB der Bank und damit jetzt dem Beklagten gegenüber jeweils in voller Höhe der von ihnen erklärten Schuldbeitritte.

2.

Auch im Übrigen bestehen keine Einwendungen gegen die Haftung der Kläger.

a)

Ob die T. GmbH mit der Zahlung der Annuitäten in Verzug gekommen ist und ob ein solcher Verzug Voraussetzung für die Haftung aus den Schuldbeitritten sein sollte, kann offen bleiben. Angesichts des abstrakten Charakters des Schuldbeitritts haben die Kläger gegebenenfalls das Fehlen eines Verzugs darzulegen und zu beweisen, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Diesen Beweis haben sie nicht angetreten.

b)

Ebenfalls ohne Bedeutung ist, ob bei der Abtretung der Bankforderungen an den Beklagten oder danach die Voraussetzungen einer Kapitalbindung nach den Grundsätzen über eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen erfüllt waren. Nach der Rechtslage vor Geltung des MoMiG erfasste die daraus für eine Darlehensforderung folgende Durchsetzungssperre (s. etwa BGH, Urteil vom 19. September 2005 - II ZR 229/03, ZIP 2005, 2016 ) grundsätzlich nicht den zur Sicherung erklärten Schuldbeitritt eines Gesellschafters. Dazu bedarf es hier keiner Auslegung der den Schuldbeitritten zugrunde liegenden Sicherungsabreden (vgl. dazu BGH, Urteil vom 27. April 2004 - XI ZR 49/03, ZIP 2004, 1303 , 1305 f.; Urteil vom 10. Juni 2008 - XI ZR 331/07, ZIP 2008, 1376 , 1378). Denn als die Kläger die Haftungsübernahmeerklärungen abgegeben haben, waren die Darlehensforderungen noch nicht an den Beklagten abgetreten. Es handelte sich vielmehr um normale Drittforderungen, für deren Durchsetzbarkeit unerheblich war, ob die Gesellschaft kreditunwürdig oder insolvenzreif war. Durch die Abtretung an den Beklagten hat sich an dieser Rechtslage jedenfalls hinsichtlich der Haftung der Kläger aus den Schuldbeitritten nichts geändert.

c)

Auch die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe den nicht mehr werthaltigen Teil der Forderungen aus den Gesellschafterdarlehen für die Kapitalerhöhung verwendet und sich so praktisch zum Alleingesellschafter gemacht, und deshalb dienten die von den Klägern gegebenen Sicherheiten nur noch formal den Interessen der Gesellschaft, in Wahrheit jedoch den Eigeninteressen des Beklagten, ist unzutreffend. Zum einen haben die Kläger, die im Zeitpunkt der Beschlussfassung über Kapitalanteile in Höhe von 26,6 % verfügten, der Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen zugestimmt. Zum anderen hat die Gesellschaft gegen den Beklagten und die T. Holding GmbH Ausgleichsansprüche nach §§ 9 , 56 Abs. 2 GmbHG , wenn und soweit die als Sacheinlagen eingebrachten Darlehensforderungen nicht werthaltig waren. Jedenfalls unter Berücksichtigung dieser zusätzlichen Vermögensgegenstände, auf die die Kläger gegebenenfalls im Wege der Zwangsvollstreckung zugreifen können, ist davon auszugehen, dass der nach einer Zahlung an den Beklagten aus § 670 BGB folgende Regressanspruch gegen die Gesellschaft durchsetzbar sein wird, zumal die Kläger selbst vorgetragen haben, die Gesellschaft sei in wirtschaftlich guter Verfassung.

d)

Schon aus diesem Grund kann die Revision auch nichts aus den von den Klägern behaupteten mehrfachen Äußerungen des Beklagten herleiten, sie kämen "ohne Verluste aus dem Engagement heraus". Daraus ergibt sich weder ein Vollstreckungsverzicht noch eine Stundung.

III.

Da keine weiteren Feststellungen erforderlich sind, entscheidet der Senat in der Sache, § 563 Abs. 3 ZPO .

Von Rechts wegen

Verkündet am: 5. April 2011

Vorinstanz: LG Düsseldorf, vom 13.11.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 10 O 532/06
Vorinstanz: OLG Düsseldorf, vom 01.07.2008 - Vorinstanzaktenzeichen I-3 U 15/08
Fundstellen
DB 2011, 1518
DR 2011, 992
DStR 2011, 1187
GmbHR 2011, 763
NZG 2011, 745
WM 2011, 1232