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BGH - Entscheidung vom 18.07.2011

AnwZ (B) 28/10

Normen:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7
BRAO § 215 Abs. 3
InsO § 201
InsO § 270 Abs. 1
InsO § 275 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 18.07.2011 - Aktenzeichen AnwZ (B) 28/10

DRsp Nr. 2011/14520

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft bei Vermögensverfall durch Eröffnung eines Insolvenzverfahrens

1. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Rechtsanwalts führt allein nicht zu einer Ordnung der Vermögensverhältnisse. Geordnete Vermögensverhältnisse können in einem solchen Fall erst dann wieder angenommen werden, wenn dem Schuldner durch Beschluss des Insolvenzgerichts die Restschuldbefreiung angekündigt worden ist oder ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan oder ein angenommener Schuldenbereinigungsplan vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen Verbindlichkeiten befreit wird.2. Die Anordnung der Eigenverwaltung ändert nichts am Vermögensverfall eines Rechtsanwaltes.3. Der Widerruf der Zulassung scheidet aus, wenn der Widerrufsgrund im Verlauf des Verfahrens entfallen ist. Hierfür trägt der Rechtsanwalt die Darlegungs- und Beweislast.

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20. November 2009 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7 ; BRAO § 215 Abs. 3 ; InsO § 201 ; InsO § 270 Abs. 1 ; InsO § 275 Abs. 2 ;

Gründe

I.

Der Antragsteller ist seit 1988 im Bezirk der Antragsgegnerin zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Auf Antrag des Antragstellers vom 7. Januar 2008 ist am 17. Juli 2008 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und Eigenverwaltung angeordnet worden. Der Antragsteller hat Restschuldbefreiung beantragt.

Mit Bescheid vom 27. Februar 2009 hat die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls widerrufen. Den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Mit seiner sofortigen Beschwerde will der Antragsteller weiterhin die Aufhebung des Widerrufsbescheids erreichen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 215 Abs. 3 BRAO ; § 42 Abs. 1 Nr. 2 , Abs. 4 BRAO a.F.), hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

1.

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, die Interessen der Rechtsuchenden sind hierdurch nicht gefährdet. Vermögensverfall ist eingetreten, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind das Erwirken von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (BGH, Beschluss vom 31. Mai 2010 - AnwZ (B) 27/09, ZInsO 2010, 1380 Rn. 4 m.w.N.). Der Vermögensverfall wird gesetzlich vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet wird (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO ).

2.

Im Zeitpunkt des Widerrufsbescheids waren diese Voraussetzungen erfüllt.

a)

Der Antragsteller befand sich in Vermögensverfall. Über sein Vermögen war das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Dadurch war der Vermögensverfall indiziert. Umstände, die geeignet gewesen wären, die gesetzliche Vermutung zu widerlegen, sind weder dargetan noch ersichtlich.

aa)

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Rechtsanwalts führt, wie sich schon aus der gesetzlichen Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO ergibt, allein nicht zu einer Ordnung der Vermögensverhältnisse (BGH, Beschluss vom 13. März 2000 - AnwZ (B) 28/99, ZIP 2000, 1018 ; vom 7. Dezember 2004 - AnwZ (B) 40/04, ZVI 2005, 324 , 325; vom 16. April 2007 - AnwZ (B) 6/06, ZVI 2007, 619 Rn. 9; vom 31. Mai 2010 - AnwZ (B) 27/09, ZInsO 2010, 1380 Rn. 12). Geordnete Vermögensverhältnisse können in einem solchen Fall vielmehr erst dann wieder angenommen werden, wenn dem Schuldner durch Beschluss des Insolvenzgerichts die Restschuldbefreiung angekündigt worden ist (§ 291 InsO ) oder ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan (§ 248 InsO ) oder ein angenommener Schuldenbereinigungsplan (§ 308 InsO ) vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen Verbindlichkeiten befreit wird. Nur dann besteht die hinreichend konkrete Erwartung, dass nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht auf unabsehbare Zeit Forderungen offen bleiben.

bb)

Die Anordnung der Eigenverwaltung ändert im Ergebnis nichts. Wird Eigenverwaltung angeordnet, bleibt der Schuldner berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen (§ 270 Abs. 1 InsO ). Auf die Verbindlichkeiten des Schuldners hat die Eigenverwaltung jedoch keinen Einfluss. Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens können die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen unbeschränkt geltend machen (§ 201 InsO ).

b)

Entgegen der Ansicht des Antragstellers war auch eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht auszuschließen. Wie der Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber grundsätzlich von einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden aus, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet. Diese Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt (BGH, Beschluss vom 25. Juni 2007 - AnwZ (B) 101/05, ZVI 2007, 618 Rn. 8 m.w.N.). Das gilt auch im vorliegenden Fall. Die Gefahr des unberechtigten Zugriffs auf Mandantengelder blieb trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehen, nachdem Eigenverwaltung angeordnet und von der Möglichkeit des § 275 Abs. 2 InsO kein Gebrauch gemacht worden war. Dass der Antragsteller, wie er vorgetragen hat, keine Fremdgelder eingenommen, sondern die Schuldner seiner Mandanten (Drittschuldner) angehalten hat, unmittelbar an die Mandanten zu zahlen, schloss nicht aus, dass gleichwohl Fremdgeld auf sein Konto gelangte.

3.

Die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung sind auch nicht nachträglich entfallen.

a)

Nach der zum alten, hier noch maßgeblichen (vgl. § 215 Abs. 3 BRAO ) Verfahrensrecht entwickelten Rechtsprechung des Senats scheidet ein Widerruf der Zulassung aus, wenn der Widerrufsgrund im Verlauf des Verfahrens entfallen ist (BGH, Beschluss vom 12. November 1979 - AnwZ (B) 16/79, BGHZ 75, 356, 357; vom 17. Mai 1982 - AnwZ (B) 5/82, BGHZ 84, 149, 150; vgl. jetzt aber BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, z.V.b.). Dies setzt jedoch voraus, dass der Fortfall des Widerrufsgrunds, hier des Vermögensverfalls, von dem Rechtsanwalt zweifelsfrei nachgewiesen wird (BGH, Beschluss vom 31. Mai 2010, aaO Rn. 10 m.w.N.). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es ihm gelungen ist, seine Vermögensverhältnisse wieder zu ordnen, trifft den Rechtsanwalt, dem eine entsprechende Mitwirkungspflicht nach § 215 Abs. 3 BRAO i.V.m. § 36a BRAO a.F. obliegt (heute § 32 BRAO i.V.m. § 26 Abs. 2 VwVfG ).

b)

Eine Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse hat der Antragsteller weder dargelegt noch nachgewiesen.

aa)

Das Insolvenzverfahren über sein Vermögen ist noch nicht aufgehoben worden, so dass der Vermögensverfall nach wie vor vermutet wird (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO ). Am 18. März 2011 hat der Antragsteller zwar einen Insolvenzplan vorgelegt (§ 284 Abs. 1 , §§ 217 ff. InsO ). Dieser ist bisher weder von den Gläubigern angenommen noch vom Insolvenzgericht bestätigt worden.

bb)

Der Antragsteller hat angeregt, im Hinblick auf den nunmehr vorgelegten Insolvenzplan sowie wegen der seiner Ansicht nach erzielten Fortschritte bei der Konsolidierung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse das Ruhen des Verfahrens anzuordnen. Dieser Anregung kann der Senat nach dem Ergebnis der Verhandlung nicht nachkommen. Der Antragsteller hat erläutert, dass er mit mehreren Gläubigern in Verhandlungen stehe. Die Steuerverwaltung sei grundsätzlich einverstanden, wenn die angemeldete Forderung festgestellt und mit der für die betreffende Gruppe vorgesehenen Quote erfüllt werde; an die Stadtsparkasse D. sei zwischenzeitlich zur Bereinigung einer streitigen Forderung aus Avalkrediten von dritter Seite ein Betrag von 83.000 € gezahlt worden. Damit steht fest, dass der Insolvenzplan so, wie er jetzt vorliegt, nicht beschlossen werden kann. Ob die Darlehenszusage der A. Gesellschaft mbH, deren Geschäftsführerin die Lebensgefährtin des Antragstellers ist, überhaupt eine ausreichende Grundlage für die Durchführung eines Insolvenzplans darstellt, mag offenbleiben. Gelingt es dem Antragsteller, seine wirtschaftlichen Verhältnisse mit Hilfe eines gerichtlich bestätigten Insolvenzplans wieder zu ordnen, kann er erneut die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft beantragen.

Vorinstanz: AGH Nordrhein-Westfalen, vom 20.11.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 1 AGH 27/09