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BGH - Entscheidung vom 13.04.2011

3 StR 53/11

Normen:
StPO § 349 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 13.04.2011 - Aktenzeichen 3 StR 53/11

DRsp Nr. 2011/9213

Schuldspruchänderungen haben Auwirkungen auf die Verhängung von Einzelstrafen und Gesamtstrafen

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 4. November 2010 in den Schuldsprüchen geändert,

a) soweit es die Angeklagte G. L. betrifft dahin, dass sie der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, der Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen (Fälle II. 4. und 6. der Urteilsgründe) und der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen schuldig ist,

b) soweit es die Angeklagte A. L. betrifft dahin, dass sie der Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen (Fälle II. 4. und 6. der Urteilsgründe) und der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen schuldig ist,

c) soweit es die Angeklagte P. betrifft dahin, dass sie der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II. 5. der Urteilsgründe) und der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen schuldig ist.

2. Das vorbezeichnete Urteil wird - bei Aufrechterhaltung der zughörigen Feststellungen - aufgehoben,

a) soweit es die Angeklagten G. L. und A. L. betrifft, in den jeweiligen Einzelstrafaussprüchen zu den Fällen II. 4. und 6. der Urteilsgründe,

b) soweit es die Angeklagte P. betrifft, in dem Einzelstrafausspruch zu Fall II. 5. der Urteilsgründe sowie

c) in allen Gesamtstrafenaussprüchen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Normenkette:

StPO § 349 Abs. 2 ;

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagte G. L. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Gegen die Angeklagte A. L. hat es wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen die Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verhängt. Die Angeklagte P. hat das Landgericht wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten, die jeweils die Verletzung sachlichen Rechts rügen, haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO .

1. Soweit die Angeklagten G. und A. L. in den Fällen II. 4. und 6. der Urteilsgründe jeweils wegen (mittäterschaftlichen) bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden sind, hält der Schuldspruch der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt:

"... Die Angeklagte G. L. warb für den Hintermann 'T. ', ihren Schwiegersohn, in beiden Fällen jeweils eine Kurierin aus ihrem Bekanntenkreis für den Flug nach Südamerika an und übernahm deren 'seelische Betreuung'. Die Angeklagte A. L. unterstützte ihre Mutter dabei und hielt fernmündlich den Kontakt zu dem in Spanien lebenden 'T. ', mit dem sie verheiratet war. Beide Angeklagten erhielten in den Fällen II. 4 und 6 der Urteilsgründe jeweils 'einige hundert' Euro für ihre Tatbeiträge ...

... Die Angeklagte A. L. erhielt darüber hinaus - in der Höhe nicht feststellbare - Unterhaltszahlungen von ihrem Ehemann, der über keine andere Einnahmequelle als Rauschgiftgeschäfte verfügte. Dies trägt die Annahme eines täterschaftlichen Handeltreibens nicht.

Die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme erfolgt nach ständiger Rechtsprechung aufgrund einer wertenden Betrachtung aller von der Vorstellung der Beteiligten umfassten Umstände, wobei dem eigenen Interesse am Taterfolg, dem Umfang der Tatbeteiligung sowie der Tatherrschaft und dem Willen hierzu besondere Bedeutung zukommt (vgl. die Nachweise bei Fischer StGB 58. Aufl. § 25 Rn. 4). Beim Delikt des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln kommt es vor allem auf das Gewicht des Tatbeitrags im Rahmen des auf Umsatz gerichteten Gesamtgeschäftes an (vgl. nur BGHSt 51, 219 , 222f.; ... ; BGHR BtMG § 29 Beihilfe 6).

Mit den Umsatzgeschäften des 'T. ' kamen die Angeklagten vorliegend nicht in Berührung. Anders als die Kuriere, deren Tathandlungen die Kammer - zutreffend - als Beihilfe bewertet hat, waren die Angeklagten noch nicht einmal in Kontakt mit den Betäubungsmitteln. Ist aber schon die Tätigkeit der Kuriere hier als untergeordnet anzusehen, gilt dies erst Recht für die Tätigkeit der Auswahl der Kuriere und deren Betreuung (vgl. BGH NStZ 2007, 531 ; BGHR BtMG § 29 Beihilfe 6). Hinzu kommt, dass die Bezahlung der Angeklagten mit einigen Hundert Euro pro Transport noch deutlich geringer ausfiel als diejenige der Kuriere, die zwischen 7- und 10.000,00 Euro erhielten. Dies spricht entscheidend gegen ein eigenes Interesse am Taterfolg. Die Auffassung der Kammer, die Angeklagten hätten 'die genauen Tatzeiträume' festgesetzt (UA S. 39) ist mit den Feststellungen nicht vereinbar, wonach sie an 'T. ' lediglich weitergaben, welche Zeiträume den Kurieren passten, während die Vorbereitung der Flüge (Buchungen etc.) allein durch 'T. ' oder seinen Komplizen 'M. ' erfolgte (UA S. 14). Auch die Annahme, die Angeklagten hätten bei der Höhe des Kurierlohns 'mit entschieden' (UA S. 39), wird von den Feststellungen nicht getragen. G. L. versuchte zwar, für ihre ehemalige Lebensgefährtin Z. einen höheren Kurierlohn (12.000,00 Euro statt 10.000,00 Euro) bei 'T. ' zu erwirken. Dieser entschied jedoch allein und gegen den Wunsch der Angeklagten, dass es beim 'üblichen Kurierlohn' von 10.000,00 Euro bleibe (UA S. 17). Hinsichtlich der weiteren Zahlungen, die die Angeklagte A. L. von ihrem Ehemann erhielt (UA S. 39 f.) ist nicht festgestellt, dass diese unmittelbar aus den Profiten der Geschäfte Fall II. 4 und 6 der Urteilsgründe stammten, zudem begegnet es grundsätzlichen Bedenken, das allgemeine Interesse an Unterhaltszahlungen mit dem Interesse an einer konkreten Straftat als eigener gleichzusetzen. ..."

2. Auch soweit die Angeklagte P. im Fall II. 5. der Urteilsgründe - neben der tateinheitlich begangenen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - wegen (mittäterschaftlichen) Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist, hat der Schuldspruch keinen Bestand. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ebenfalls zutreffend ausgeführt:

"... Nach den Feststellungen transportierten die Angeklagte sowie die gemeinsam mit ihr reisende Mitangeklagte G. L. im Fall II. 5 der Urteilsgründe jeweils zwei Kilogramm Kokain von Brasilien nach Deutschland. Beide erhielten ein Entgelt von jeweils 10.000,00 Euro (UA S. 15 f.).

Während die Kammer die Mitangeklagte G. L. insoweit - neben der tateinheitlich von beiden Angeklagten begangenen Einfuhr - wegen Beihilfe zum Handeltreiben verurteilt hat, nahm sie bei der Angeklagten täterschaftliches Handeltreiben an (UA S. 40 f.). Der Unterschied im Tatbeitrag beider Angeklagter bestand darin, dass der Hintermann 'R. ' seinen Auftrag über die Angeklagte an die Mitangeklagte gerichtet hatte und dass die Angeklagte von 'R. ' vorab Geld übermittelt bekommen hatte, um die Flugtickets in einem Klever Reisebüro zu erwerben, was sie auch tat. Zudem hatte die Angeklagte mit dem 'R. ' vereinbart, eine 'eigene Rauschgiftschmuggeltruppe' aufzubauen (UA S. 16). Dies trägt die Annahme eines täterschaftlichen Handeltreibens nicht. ...

... Die Angeklagte hatte - wie auch die Mitangeklagte L. - mit dem Umsatzgeschäft nichts zu tun. Dass sie im Auftrag des Hintermanns 'R. ' mit dessen Geld die Flugkarten selbst besorgte und auch dessen Kurierauftrag an die Mitangeklagte L. weitergeleitet hatte, ändert an ihrer unselbständigen Position im Gesamtgefüge der Tat nichts. Gegen ein Interesse an der Tat als eigene spricht zudem, dass sie - wie die Mitangeklagte L. und die als Gehilfen angesehenen Kuriere in den sonstigen Fällen der Urteilsgründe lediglich den 'üblichen Kurierlohn' erhielt und nicht am Gewinn aus dem Geschäft beteiligt wurde."

3. Der Senat hat daher - insoweit übereinstimmend mit den Anträgen des Generalbundesanwalts - in den betroffenen Einzelfällen die Schuldsprüche wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich geändert. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich die - weitgehend geständigen - Angeklagten gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht anders als geschehen hätten verteidigen können.

4. Die Schuldspruchänderungen ziehen die Aufhebung der betroffenen Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafenaussprüche gegen alle Angeklagte nach sich. Der Senat kann vorliegend nicht ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung der von den Schuldspruchänderungen betroffenen Taten insoweit niedrigere Einzelstrafen und in Folge dessen mildere Gesamtfreiheitsstrafen verhängt hätte. Dies gilt - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - auch für die gegen die Angeklagte P. im Fall II. 5. der Urteilsgründe festgesetzte Strafe. Zwar ist es zutreffend, dass das Landgericht diese Einzelstrafe dem - schwereren - Strafrahmen des tateinheitlich begangenen Einfuhrdelikts entnommen hat (§ 30 Abs. 1 BtMG , § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB ). Indes hat das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne insoweit ausdrücklich strafschärfend berücksichtigt, dass die Angeklagte bei dieser Tat neben der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge "einen weiteren Verbrechenstatbestand, nämlich Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge" verwirklicht hat. Im Hinblick darauf kann der Senat nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen, dass die - nicht milde - Strafe von sieben Jahren maßgeblich (auch) auf der rechtlichen Bewertung dieser Tat als täterschaftliches Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zurückzuführen ist. Infolge der Aufhebung dieser Einzelstrafe kann auch die gegen die Angeklagte P. verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren nicht bestehen bleiben.

Vorinstanz: LG Kleve, vom 04.11.2010