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BGH - Entscheidung vom 16.06.2011

III ZR 200/09

Normen:
BGB a.F. § 282
BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2

BGH, Urteil vom 16.06.2011 - Aktenzeichen III ZR 200/09

DRsp Nr. 2011/12164

Schadensersatzanspruch wegen unzutreffender Beratung im Zusammenhang mit der Zeichnung von Kapitalanlagen aufgrund nachweislicher Verletzung der Aufklärungspflichten; Auswirkungen der Verletzung von Aufklärungspflichten durch einen Anlagevermittlung auf die Haftung daraus entstehender Schäden; Verpflichtung des Anlagevermittlers zur Prüfung des Anlagekonzepts auf Plausibilität und wirtschaftliche Tragfähigkeit; Überprüfung des Anlageprospekts auf das Enthalten eines schlüssigen Gesamtbildes über das Beteiligungsobjekt

1. Allein der Umstand, dass sich ein Kapitalanleger im Rahmen des Anlageberatung gegenüber den Anlageberatern mit der Hinzuziehung eines externen Spezialisten einverstanden erklärt und dieser in dem maßgeblichen Beratungsgespräch das Wort führte, lässt nicht den Schluss zu, der Kapitalanleger habe zugestimmt, den bereits geschlossenen Beratungsvertrag zu einem bloßen Anlagevermittlungsvertrag herabzustufen.2. Der Anlagevermittler muss das Anlagekonzept, bezüglich dessen er Auskunft erteilt, wenigstens auf Plausibilität überprüfen. Vertreibt er die Anlage anhand eines Prospekts, muss er, um seiner Auskunftspflicht nachzukommen, im Rahmen der geschuldeten Plausibilitätsprüfung den Prospekt jedenfalls darauf überprüfen, ob er ein in sich schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt gibt und ob die darin enthaltenen Informationen sachlich vollständig und richtig sind. Unterlässt er diese Prüfungen, muss der Anlagevermittler den Interessenten hierauf hinweisen.3. Es besteht ein Vermutungstatbestand dahingehend, dass ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Beratungsfehler des Anlagevermittlers und der Anlageentscheidung besteht.4. Die Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverstößen von Anlageberatern und -vermittlern beginnt für jeden einzelnen Beratungsfehler ab Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis des Anlegers gesondert zu laufen. Für die tatsächlichen Voraussetzungen trägt der Schuldner die Darlegungs- und Beweislast.5. Eine grob fahrlässige Unkenntnis i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt regelmäßig nicht schon dann vor, wenn sich die für die Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände einer Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung notwendigen Informationen aus dem Anlageprospekt ergeben, der Anleger aber dessen Lektüre unterlassen hat.

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 15. Juni 2009 aufgehoben, soweit nicht die Klägerin zu 1 ihr Rechtsmittel in Richtung auf die Beklagte zu 3 zurückgenommen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Normenkette:

BGB a.F. § 282 ; BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2 ;

Tatbestand

Die Kläger erheben gegen die Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz wegen unzutreffender Beratung im Zusammenhang mit der Zeichnung von Kapitalanlagen.

Die Beklagten zu 1 und 2 betrieben als Gesellschafter bürgerlichen Rechts ein Unternehmen, das die Beratung von Anlegern zum Gegenstand hatte. Im Oktober/November 2000 riet der Beklagte zu 1 dem Ehemann der Klägerin zu 1, der später seine Ansprüche an den Kläger zu 2 abtrat, zu einer Kommanditbeteiligung an einem Medienfonds. Zu einem weiteren Beratungstermin am 23. November 2000 zog der Beklagte zu 1 den seinerzeitigen Geschäftsführer der Beklagten zu 3 als "Spezialisten" für die betreffende Anlage hinzu. Aufgrund der in diesem Gespräch ausgesprochenen Empfehlungen entschloss sich der Ehemann der Klägerin zu 1, eine Beteiligung in Höhe von 500.000 DM (= 255.645,94 €) einzugehen, die er am 27. November 2000 zeichnete. Die Klägerin zu 1, die bei den Beratungsgesprächen nicht zugegen war, beteiligte sich aufgrund der von ihrem Ehemann weiter gegebenen Informationen über das Anlageprodukt am 15. Dezember 2000 mit zusätzlichen 300.000 DM (= 153.387,56 €). Die Eheleute erbrachten ihre Einlagen zu 48 %. Der Fonds wurde notleidend. Über das Vermögen der Initiatorin und Platzierungsgarantin, der I. AG, wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.

Die Kläger machen geltend, die Beratung des Ehemanns der Klägerin zu 1 durch den Beklagten zu 1 und den Geschäftsführer der Beklagten zu 3 sei unzutreffend gewesen. So habe er klargestellt, dass er zum Zwecke der Steueroptimierung und der Altersvorsorge eine sichere Kapitalanlage wünsche. Diese Anforderungen habe die empfohlene Beteiligung nicht erfüllen können, was sich bei Berücksichtigung negativer Berichte in der Fachpresse sowie bei einer - von den Beklagten unterlassenen - Plausibilitätsprüfung des Anlagekonzepts und des Anlageprospekts, der zudem erkennbar erhebliche Mängel aufgewiesen habe, herausgestellt hätte. Die Beteiligung sei unzutreffend als risikofrei dargestellt worden. Insbesondere hätten die Beklagten die Möglichkeit eines Totalverlusts unrichtig in Abrede gestellt und nicht darauf hingewiesen, dass der wirtschaftliche Erfolg des Fonds im Wesentlichen von der Bonität der I. AG abhängig sei. Der Anlageprospekt sei dem Ehemann der Klägerin zu 1 lediglich kurz, nicht aber zur eingehenden Durchsicht vorgelegt worden.

2008 haben die Kläger Klage erhoben auf Zahlung von Schadensersatz, Freistellung von den Ansprüchen auf die restlichen Pflichteinlagen und Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz von aus der nachträglichen Aberkennung von Verlustzuweisungen entstehenden Steuerschäden Zug um Zug gegen Abtretung der Beteiligungen beziehungsweise der aus ihnen folgenden Ansprüche. Die Klage hat vor dem Landgericht gegenüber den Beklagten zu 1 und 2 Erfolg gehabt, während sie hinsichtlich der Beklagten zu 3 abgewiesen worden ist. Auf die Berufung der Beklagten zu 1 und 2 hat das Oberlandesgericht auch die gegen sie gerichtete Klage abgewiesen; die Berufung der Kläger hat es zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Klägerin zu 1 ihr Klagebegehren gegenüber den Beklagten zu 1 und 2 und der Kläger zu 2 gegenüber allen drei Beklagten weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts haben die Kläger gegen die Beklagten zu 1 und 2 keinen Anspruch aus positiver Vertragsverletzung. Diese hätten zum einen keine Beratungs- oder Aufklärungspflichten verletzt. Zum anderen seien etwaige Ansprüche verjährt.

Hinsichtlich des empfohlenen Medienfonds hätten die Beklagten zu 1 und 2 mit dem Ehemann der Klägerin lediglich einen Anlagevermittlungsvertrag abgeschlossen. Zwar sei der Vertrag zunächst als Anlageberatungsvertrag anzusehen. Durch die Hinzuziehung des damaligen Geschäftsführers der Beklagten zu 3 als "Spezialisten" habe der Beklagte zu 1 gegenüber dem Zedenten aber deutlich zu erkennen gegeben, dass er hinsichtlich des streitgegenständlichen Fonds keine ausreichenden Kenntnisse habe und deshalb die erforderliche Beratung nicht allein und selbstständig ausführen könne. Die Beklagten zu 1 und 2 hätten damit mit konkludenter Zustimmung des Ehemanns der Klägerin ihre Beratungspflichten eingeschränkt und die Geldanlage im Folgenden nur noch vermittelt. Durch Offenlegung ihrer nicht ausreichenden Kenntnisse und Hinzuziehung des "Spezialisten" der Beklagten zu 3 seien sie ihren aus dem Anlagevermittlungsvertrag ergebenden Pflichten ausreichend nachgekommen.

Selbst wenn man gleichwohl von einer Aufklärungspflichtverletzung durch die Beklagten zu 1 und 2 ausginge, seien etwaige Schadensersatz- oder Freistellungsansprüche der Kläger gemäß Art. 229 , § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB , § 195 , § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB verjährt, da der Zedent, auf dessen Person es hier ankomme, dadurch, dass er den bei der Beratung vorliegenden Prospekt nicht an sich genommen und zumindest kurz durchgelesen habe, es in grob fahrlässiger Weise unterlassen habe, Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners zu erlangen. Selbst bei oberflächlicher Durchsicht des Prospekts hätte der Ehemann der Klägerin erkennen können, dass die Schilderung des Geschäftsführers der Beklagten zu 3 hinsichtlich der Risikobewertung des Fonds nicht einmal den Angaben im Prospekt entsprochen habe, so dass er die Falschberatung ohne weitere Nachforschungen erkannt hätte. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme und der durch das Landgericht vorgenommenen Beweiswürdigung sei davon auszugehen, dass der Geschäftsführer der Beklagten zu 3 die streitgegenständliche Anlage als risikofrei dargestellt habe. Weder sei ein Hinweis auf die Möglichkeit einer Nachhaftung nach § 171 Abs. 1 HGB in Höhe des nicht eingezahlten Teils der Kommanditeinlage erfolgt noch sei dargelegt worden, dass der wirtschaftliche Erfolg ausschließlich von der Bonität der I. AG abhängig gewesen sei. Im Prospekt seien diese Risiken aufgeführt worden, insbesondere auch der Hinweis auf den unternehmerischen Charakter der Beteiligung, auf die Möglichkeiten des Totalverlusts und einer Nachhaftung sowie auf das Bonitätsrisiko der Platzierungsgarantin. Das Versäumnis, sich den Prospekt geben zu lassen und durchzulesen, sei als grob fahrlässig einzustufen.

Die Kläger hätten auch gegenüber der Beklagten zu 3 keine Ansprüche auf Schadensersatz beziehungsweise Freistellung, da diese ebenfalls verjährt seien. Zwar sei davon auszugehen, dass zwischen dem Zedenten und der Beklagten zu 3 ein konkludenter Anlageberatungsvertrag geschlossen worden sei. Die hieraus folgenden Pflichten habe die Beklagte zu 3 auch nicht ordnungsgemäß erfüllt. Jedoch seien die hieraus folgenden Schadensersatzansprüche aus den vorstehenden Gründen verjährt.

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1.

Auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstands und der hierzu getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist ein Schadensersatzanspruch der Kläger gegen die Beklagten zu 1 und 2 nicht auszuschließen.

a)

Der revisionsrechtlichen Nachprüfung ist die vom Berufungsgericht nicht korrigierte Beurteilung des Landgerichts zugrunde zu legen, ein Vertragsverhältnis betreffend die Anlageempfehlung sei nicht nur zwischen den Beklagten zu 1 und 2 und dem Zedenten zustande gekommen, sondern ebenfalls mit der Klägerin zu 1. Das Berufungsgericht wird im neuen Verfahren Gelegenheit haben, sich mit den insoweit erhobenen Gegenrügen der Beklagten zu 1 und 2 auseinander zu setzen.

b)

Hinsichtlich des Inhalts der zwischen den Beklagten zu 1 und 2 einerseits und der Klägerin zu 1 und ihrem Ehemann andererseits geschlossenen Verträge begegnet bereits die Annahme des Berufungsgerichts, der ursprünglich zwischen dem Zedenten und den Beklagten zu 1 und 2 zu Stande gekommene Anlageberatungsvertrag sei einvernehmlich in einen Anlagevermittlungsvertrag umgewandelt worden, erheblichen Bedenken. Allein der Umstand, dass der Zedent mit der Hinzuziehung des "Spezialisten" W. einverstanden war und dieser in dem maßgeblichen Beratungsgespräch "das Wort führte", lässt sowohl vom objektiven Erklärungswert als auch von der Interessenlage her nicht den Schluss zu, der Zedent habe zugestimmt, den bereits geschlossenen Beratungsvertrag zu einem bloßen Anlagevermittlungsvertrag "herabzustufen". Überdies hat die Vorinstanz nicht in Erwägung gezogen, dass sich die Einschaltung der Beklagten zu 3 auch als Hinzuziehung eines Verhandlungs- oder Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB ) dargestellt haben kann, mit der keine Änderung des Charakters des Anlageberatungsvertrags verbunden gewesen war. Ob diese Bedenken gegenüber der rechtlichen Würdigung des Berufungsgerichts letztlich durchgreifen, kann allerdings im vorliegenden Verfahrensstadium auf sich beruhen. Selbst wenn das zwischen dem Zedenten und den Beklagten zu 1 und 2 bestehende Rechtsverhältnis nur als Anlagevermittlungsvertrag zu qualifizieren sein sollte, kommt eine Haftung aus positiver Forderungsverletzung in Betracht.

aa)

Der Anlagevermittler schuldet dem Interessenten eine richtige und vollständige Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für dessen Anlageentschluss von besonderer Bedeutung sind (st. Rspr. z.B. Senatsurteile vom 5. März 2009 - III ZR 17/08, WM 2009, 739 Rn. 11 mwN und vom 12. Februar 2004 - III ZR 359/02, BGHZ 158, 110 , 116). Der Anlagevermittler muss das Anlagekonzept, bezüglich dessen er Auskunft erteilt, wenigstens auf Plausibilität, insbesondere wirtschaftliche Tragfähigkeit hin überprüfen. Ansonsten kann er keine sachgerechten Auskünfte erteilen (Senatsurteil vom 5. März 2009 aaO mwN). Vertreibt er die Anlage anhand eines Prospekts, muss er, um seiner Auskunftspflicht nachzukommen, im Rahmen der geschuldeten Plausibilitätsprüfung den Prospekt jedenfalls darauf überprüfen, ob er ein in sich schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt gibt und ob die darin enthaltenen Informationen, soweit er das mit zumutbarem Aufwand festzustellen in der Lage ist, sachlich vollständig und richtig sind (Senat aaO Rn. 12). Unterlässt er diese Prüfungen, muss der Anlagevermittler den Interessenten hierauf hinweisen (Senat aaO Rn. 11 f).

bb)

Hiernach hat das Berufungsgericht zwar im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass der Anlagevermittler seine Auskunftspflichten gegenüber dem Anlageinteressenten nicht verletzt, wenn er auf seine fehlende Sachkunde und somit auf eine unterlassene Prüfung hinweist. Die Befreiung des Anlagevermittlers von seinen Untersuchungs- und Auskunftspflichten aufgrund einer derartigen Information des Anlageinteressenten kann jedoch nur in dem Umfang eingreifen, in dem der Vermittler die unterbliebene Prüfung auch tatsächlich offen legt.

(1)

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, der Beklagte zu 1 habe im Zusammenhang mit der Hinzuziehung der Beklagten zu 3 darauf hingewiesen, keinerlei Überprüfungen der hier maßgeblichen Anlage vorgenommen zu haben. Dies beruht auf einer unvollständigen Berücksichtigung des Sachvortrags. Die Kläger haben im Anschluss an die Zeugenaussage des Zedenten geltend gemacht, die Initiative zum Abschluss der Beteiligung sei vom Beklagten zu 1 ausgegangen, welcher den Zedenten angerufen und ihm erklärt habe, er werde jetzt auch Filmfonds vertreiben. Der Zedent möge sich das betreffende Produkt wegen der überragenden Rendite ansehen. Weiterhin habe der Beklagte zu 1 ausgesagt, sich aktiv über den Fonds informiert, hierzu mehrere Meinungen, insbesondere die des Steuerberaters der Beklagten zu 1 und 2, eingeholt und sich bei der Steuerkanzlei des Fondsauflegers erkundigt zu haben. Weiterhin habe der Beklagte zu 1 zusammen mit dem Zeugen W. mehrere ähnliche Termine wahrgenommen und sei vor dem in Rede stehenden Gespräch bereits im Besitz des Prospekts gewesen.

(2)

War der Beklagte zu 1 in einer solchen Weise im Zusammenhang mit dem maßgeblichen Beratungsgespräch aktiv, ist für eine konkludente umfassende "Freizeichnung" der Beklagten zu 1 und 2 durch die Hinzuziehung des Zeugen W. kein Raum, da er eigenständige Aussagen zur Eignung des empfohlenen Medienfonds für die Anlageziele des Ehemanns der Klägerin zu 1 traf. Der Zedent konnte danach davon ausgehen, dass die Beklagten zu 1 und 2 wenigstens die Plausibilität des Anlagekonzepts und -prospekts geprüft hatten. In diesem Fall wären ihnen nach dem Vortrag der Kläger bei gebührender Sorgfalt Mängel und Ungereimtheiten aufgefallen. Zudem hätte der Beklagte zu 1 bei erfolgter Plausibilitätsprüfung des Konzepts bemerken müssen, dass die - vom Berufungsgericht festgestellten - Angaben des Zeugen W. in dem Beratungsgespräch am 23. November 2000 unrichtig waren und im Widerspruch selbst zu dem - nach dem Vortrag der Kläger - ohnehin schon mangelhaften Prospekt standen. Er hätte dementsprechend korrigierend eingreifen müssen.

Das Verschulden des Beklagten zu 1 wird vermutet (§ 282 BGB a.F.). Für den Ursachenzusammenhang zwischen dem Beratungsfehler des Anlagevermittlers und der Anlageentscheidung spricht eine durch die Lebenserfahrung begründete tatsächliche Vermutung (st. Senatsrechtsprechung, siehe etwa Urteile vom 14. April 2011 - III ZR 27/10, [...] Rn. 13; vom 8. Juli 2010 - III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 20 und vom 9. Februar 2006 - III ZR 20/05, NJW RR 2006, 685 Rn. 22 jew. mwN).

(3)

Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass der Sachvortrag der Kläger zum Hergang und Inhalt der Beratungsgespräche unrichtig war. Es hat lediglich ausgeführt, der Zeuge W. habe "bei dem Beratungsgespräch das Wort geführt". Dies schließt nicht aus, dass auch der Beklagte zu 1 wesentlich an der Beratung beteiligt war. Das Berufungsgericht hat, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, auch keine Feststellungen zu den Behauptungen der Kläger getroffen, bei einer Plausibilitätsprüfung des Anlagekonzepts und -prospekts wären Mängel aufgefallen, so dass dies im Revisionsverfahren als richtig zu unterstellen ist.

c)

Der Senat vermag auch nicht der Ansicht des Berufungsgerichts beizutreten, die etwaigen Schadensersatzansprüche der Kläger gegen die Beklagten zu 1 und 2 seien verjährt. Sie widerspricht der - allerdings nach Erlass der angefochtenen Entscheidung ergangenen - Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 22. Juli 2010 - III ZR 203/09, WM 2010, 1690 Rn. 15 und III ZR 99/09, NZG 2011, 68 Rn. 18 ff sowie vom 8. Juli 2010 - III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 32 ff).

aa)

Die hier in Rede stehenden Ansprüche wegen positiver Forderungsverletzung sind im Jahre 2000, nämlich mit dem Erwerb der Beteiligung an dem Medienfonds, entstanden (§ 198 Satz 1 BGB a.F.) und unterlagen zunächst der dreißigjährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB a.F. Gemäß Art. 229 , § 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 EGBGB gilt seit dem 1. Januar 2002 für bis dahin nicht verjährte Schadensersatzansprüche die dreijährige Regelverjährung nach § 195 BGB n.F. Hierbei setzt der Beginn der Frist allerdings das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB voraus. Das heißt, der Gläubiger muss von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt haben, oder seine diesbezügliche Unkenntnis muss auf grober Fahrlässigkeit beruhen (vgl. nur Senatsurteile vom 8. Juli 2010, aaO Rn. 25; vom 19. November 2009 - III ZR 169/08 - BKR 2010, 118 Rn. 13; sowie BGH, Urteile vom 20. Januar 2009 - XI ZR 504/07, BGHZ 179, 260 Rn. 46 und vom 23. Januar 2007 - XI ZR 44/06, BGHZ 171, 1 Rn. 19 ff). Die Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverstößen von Anlageberatern und -vermittlern beginnt dabei für jeden einzelnen Beratungsfehler ab Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis des Anlegers gesondert zu laufen (z.B. Senatsurteile vom 24. März 2011 - III ZR 81/10, WM 2011, 874 Rn. 11 und vom 22. Juli 2010 - III ZR 203/09, WM 2010, 1690 Rn. 13 jew. mwN). Für die tatsächlichen Voraussetzungen trägt der Schuldner - hier also die Beklagten - die Darlegungs- und Beweislast (vgl. nur Senatsurteil vom 8. Juli 2010, aaO; und BGH, Urteil vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06 - ZIP 2008, 1714 Rn. 25).

bb)

Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt demnach nur vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt und nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung ("Verschulden gegen sich selbst") vorgeworfen werden können, weil sich ihm die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben, er davor aber letztlich die Augen verschlossen hat (vgl. z.B. Senatsurteil vom 8. Juli 2010 aaO Rn. 28 mwN; BGH, Urteile vom 10. November 2009 - VI ZR 247/08 - VersR 2010, 214 Rn. 13 und vom 23. September 2008 - XI ZR 262/07 - ZIP 2008, 2164 Rn. 16). Hierbei trifft den Gläubiger aber generell keine Obliegenheit, im Interesse des Schuldners an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Nachforschungen zu betreiben; vielmehr muss das Unterlassen von Ermittlungen nach Lage des Falls als geradezu unverständlich erscheinen, um ein grob fahrlässiges Verschulden des Gläubigers bejahen zu können (z.B. Senatsurteil vom 8. Juli 2010 aaO; BGH, Urteil vom 10. November 2009 aaO, Rn. 15 f mwN).

cc)

Mit diesen Grundsätzen ist die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht vereinbar.

(1)

Wie der Senat in seinen Urteilen vom 8. und 22. Juli 2010 (III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 32 ff; III ZR 203/09, WM 2010, 1690 Rn. 15 und III ZR 99/09, NZG 2011, 68 Rn. 18 ff) ausgeführt hat, liegt eine grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB im Allgemeinen nicht schon dann vor, wenn sich die für die Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände einer Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung notwendigen Informationen aus dem Anlageprospekt ergeben, der Anleger aber dessen Lektüre unterlassen hat. Zwar kommt dem Prospekt in aller Regel eine große Bedeutung für die Information des Anlageinteressenten über die ihm empfohlene Kapitalanlage zu. Sofern der Prospekt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln, und er dem Anleger - wie hier allerdings umstritten ist - rechtzeitig vor Vertragsschluss überlassen worden ist, kann die Aushändigung eines Prospekts im Einzelfall ausreichen, um den Beratungsund Auskunftspflichten Genüge zu tun (Senatsurteile vom 8. Juli 2010 aaO Rn. 32 und vom 22. Juli 2010 - III ZR 99/09 aaO, Rn. 18 jew. mit umfangreichen wN). Es liegt daher zweifellos im besonderen Interesse des Anlegers, diesen Prospekt eingehend durchzulesen. Andererseits misst der Anleger, der bei seiner Entscheidung die besonderen Erfahrungen und Kenntnisse eines Anlageberaters oder -vermittlers in Anspruch nimmt, den Ratschlägen, Auskünften und Mitteilungen des Beraters oder Vermittlers, die dieser ihm in einem persönlichen Gespräch unterbreitet, besonderes Gewicht bei. Die Prospektangaben, die notwendig allgemein gehalten sind und deren Detailfülle, angereichert mit volks-, betriebswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Fachausdrücken, viele Anleger von einer näheren Lektüre abhält, treten demgegenüber regelmäßig in den Hintergrund. Vertraut daher der Anleger auf den Rat und die Angaben "seines" Beraters oder Vermittlers und sieht er deshalb davon ab, den ihm übergebenen Anlageprospekt durchzusehen und auszuwerten, so ist darin im Allgemeinen kein in subjektiver und objektiver Hinsicht "grobes Verschulden gegen sich selbst" zu sehen. Unterlässt der Anleger eine "Kontrolle" des Beraters oder Vermittlers durch Lektüre des Anlageprospekts, so weist dies auf das bestehende Vertrauensverhältnis hin und ist daher für sich allein genommen nicht schlechthin "unverständlich" oder "unentschuldbar" (Senatsurteile vom 22. Juli 2010 - III ZR 203/09, aaO Rn. 15 sowie III ZR 99/09, aaO Rn. 19 und vom 8. Juli 2010, aaO Rn. 33).

(2)

Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts sind auch keine sonstigen Umstände ersichtlich, die ungeachtet der vorstehenden Ausführungen die Wertung rechtfertigen würden, die fehlende Kenntnis des Zedenten und seiner Ehefrau von der Unrichtigkeit der Auskünfte des Beklagten zu 1 beruhe auf grober Fahrlässigkeit. Weder die Erfahrungen des Ehemanns der Klägerin zu 1 noch die beträchtlichen Anlagesummen lassen es als unverständlich oder unentschuldbar erscheinen, wenn der Zedent und die Klägerin zu 1 den Angaben des Beklagten zu 1 ohne Überprüfung anhand des Prospekts vertrauten, zumal der Beklagte zu 1 durch die Hinzuziehung eines "Spezialisten" für die vorgesehene Anlage den Eindruck erweckte, die Empfehlungen erfolgten von besonders qualifizierter und kompetenter Seite.

dd)

Da die Kläger, ohne dass das Berufungsgericht abweichende Feststellungen getroffen hat, vorgetragen haben, die Klägerin zu 1 und ihr Ehemann hätten erst im Jahr 2006 von den die Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu 1 und 2 begründenden tatsächlichen Umständen erfahren, ist die 2008 rechtshängig gewordene Klage nach dem bisherigen Sach- und Streitstand rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist erhoben worden.

2.

Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts kommen Schadensersatzforderungen des Klägers zu 2 gegen die Beklagte zu 3 ebenfalls in Betracht.

a)

Entgegen der mit der Revisionserwiderung vorgetragenen Auffassung der Beklagten zu 3 sind solche Ansprüche im vorliegenden Verfahrensstadium nicht bereits deshalb auszuschließen, weil zwischen ihr und dem Ehemann der Klägerin zu 1 kein Anlageberatungs- oder -vermittlungsvertrag zustande gekommen ist. Ob die Beklagte zu 3 durch Einschaltung ihres seinerzeitigen Geschäftsführers als "Spezialisten" für die empfohlene Anlage - beziehungsweise mangels Offenlegung eines Vertretungsverhältnisses der Zeuge W. persönlich - in ein eigenes Vertragsverhältnis mit dem Zedenten getreten ist und daher eigenständige Ansprüche gegen sie möglich sind oder ob sie lediglich Verhandlungs- beziehungsweise Erfüllungsgehilfe der Beklagten zu 1 und 2 war, hängt wesentlich von den konkreten tatsächlichen Umständen des Einzelfalls ab. Da weitere Feststellungen hierzu möglich erscheinen, ist dem Senat insoweit eine eigene Würdigung versagt. Das Berufungsgericht wird sich in dem neuen Verfahren mit den Gegenrügen der Revisionserwiderung auseinander zu setzen haben.

b)

Von einer wenigstens fahrlässigen Verletzung etwaiger vertraglicher Pflichten der Beklagten zu 3 gegenüber dem Zedenten ist aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts im Revisionsverfahren auszugehen.

c)

Die Verjährung möglicher Ansprüche des Klägers zu 2 gegen die Beklagte zu 3 ist aus den oben zu Nummer 1 Buchst. c ausgeführten Gründen nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nicht anzunehmen.

3.

Da noch weitere Feststellungen erforderlich sind, ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif und gemäß § 563 Abs. 1 , 3 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 16. Juni 2011

Vorinstanz: LG Ingolstadt, vom 12.12.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 51 O 50/08
Vorinstanz: OLG München, vom 15.06.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 21 U 1626/09