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BGH - Entscheidung vom 25.01.2011

II ZR 122/09

Normen:
BGB §§ 705, 735, 739
BGB § 705
BGB § 735
BGB § 739

Fundstellen:
DB 2011, 929
DZWIR 2011, 249
GmbHR 2011, 529
JuS 2011, 646
NotBZ 2011, 88
WM 2011, 885
ZIP 2011, 768

BGH, Urteil vom 25.01.2011 - Aktenzeichen II ZR 122/09

DRsp Nr. 2011/6708

Regelungen eines Gesellschaftsvertrags einer Publikumspersonengesellschaft über eine einstimmige Beschlussfähigkeit im Krisenfall; Berechtigung zur Erhöhung von Einlagen durch zustimmende Gesellschafter bei nicht erreichtem einstimmigen Gesellschafterbeschluss; Zustimmungsverpflichtung zahlungswilliger Gesellschafter bzgl. eines Ausschluss eines nicht sanierungswilligen Gesellschafters aus einer Gesellschaft aufgrund einer gesellschaftlichen Treuepflicht

Regelt der Gesellschaftsvertrag einer Publikumspersonengesellschaft, dass eine Kapitalerhöhung auch im Krisenfall nur einstimmig beschlossen werden kann und das Nichterreichen der Einstimmigkeit zur Folge hat, dass die zustimmenden Gesellschafter berechtigt sind, ihre Einlagen zu erhöhen, während die nicht zustimmenden Gesellschafter eine Verringerung ihres Beteiligungsverhältnisses hinzunehmen haben, so sind die zahlungsunwilligen Gesellschafter nicht aus gesellschaftlicher Treuepflicht verpflichtet, einem Beschluss zuzustimmen, dass ein nicht sanierungswilliger Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 19. Oktober 2009 - II ZR 240/08, BGHZ 183, 1 - Sanieren oder Ausscheiden).

Die Revision gegen das Urteil des 19. Zivilsenats des Kammergerichts vom 7. April 2009 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Normenkette:

BGB § 705 ; BGB § 735 ; BGB § 739 ;

Tatbestand

Die Beklagte ist ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Gesellschaftszweck ist die Errichtung und Vermietung eines Wohn- und Geschäftshauses sowie zweier weiterer Wohnhäuser auf gesellschaftseigenem Grundstück. Der Kläger und seine Ehefrau erklärten ihren Beitritt zu der Beklagten durch eine gemeinsam abgegebene Beitrittserklärung vom 16. Dezember 1998, mit der sie eine gemeinsame Einlage von 121.956,00 DM übernahmen. Nachdem die Beklagte in eine finanzielle Schieflage geraten war, beauftragte sie die T. AG mit der Erarbeitung eines Sanierungskonzepts. In dem im März 2005 vorgelegten vorläufigen Bestandssicherungskonzept stellte die T. AG die Sanierungsbedürftigkeit der Beklagten fest, weil sie eine wachsende strukturelle Unterdeckung erwirtschafte und ihr ohne Umsetzung geeigneter Sanierungsmaßnahmen spätestens 2009 die Zahlungsunfähigkeit drohe. Als Sanierungsmaßnahme schlug die Treucon AG vor, das Fremdkapital auf einen geringeren, leichter bedienbaren Valutenstand zu reduzieren. Das finanzierende Kreditinstitut stimmte der Sanierung unter der Voraussetzung einer Kapitalerhöhung um insgesamt 2.700.000,00 € zu. Daraufhin fasste die Gesellschafterversammlung am 18. Januar 2006 mit der im Gesellschaftsvertrag für Satzungsänderungen vorgesehenen Stimmenmehrheit, jedoch ohne die Stimmen des Klägers und seiner Ehefrau, u.a. folgende Beschlüsse:

§ 4 Abs. 1 [des Gesellschaftsvertrages] wird wie folgt neu gefasst:

(1) Das Gesellschaftskapital wird auf 12.925.837,62 € erhöht. Es setzt sich zusammen aus dem Altkapital in Höhe von

10.225.837,62 € und Neukapital in Höhe von 2.700.000 €.

§ 18 Abs. 7 wird wie folgt neu gefasst:

(7) Ein Gesellschafter, der nicht spätestens bis zum 28. Februar 2006 einen seiner bisherigen Beteiligungshöhe entsprechenden Anteil am Neukapital von 2.700.000 € gezeichnet hat, scheidet rückwirkend zum 1. Januar 2006 aus der Gesellschaft aus, ohne dass es einer weiteren Erklärung seitens der Gesellschaft bedarf.

Der Gesellschaftsvertrag enthält darüber hinaus folgende Bestimmungen:

§ 1 Abs. 2:

Halten mehrere Personen einen Anteil gemeinschaftlich, so gelten sie als ein Gesellschafter im Sinne dieses Vertrages. Sie können ihre Rechte nur einheitlich ausüben und haften gesamtschuldnerisch. Jeder von ihnen ist zur Abgabe und zum Empfang von Willenserklärungen für den anderen bevollmächtigt. § 4 Abs. 5:

Die Erhöhung des Gesellschaftskapitals ist nur mit Zustimmung aller Gesellschafterstimmen zulässig, sofern bei Überschreitung der Gesamtkosten für das gesellschaftseigene Bauvorhaben Eigengelder soweit zu erhöhen sind, wie es die Beendigung des Bauvorhabens erforderlich macht. Kommt ein einstimmiger Beschluss nicht zustande, so sind die zustimmenden Gesellschafter berechtigt, ihre Einlagen - soweit erforderlich - zu erhöhen. Die nicht zustimmenden Gesellschafter haben in diesem Fall eine Verringerung ihres Beteiligungsverhältnisses hinzunehmen.

§ 12:

(1) Die Gesellschafterversammlung beschließt über

...

e) die Änderung des Gesellschaftsvertrages;

f) die Auflösung der Gesellschaft,

g) die Festsetzung eventuell notwendiger Nachschusszahlungen sowie

...

(2) Beschlüsse gemäß Abs. 1 e) und f) bedürfen einer qualifizierten Mehrheit. Die qualifizierte Mehrheit beträgt 75 % aller in der Gesellschaft vorhandenen Stimmen. Für Beschlüsse gem. Abs. 1 g) gilt die Regelung des § 4 Abs. 5 entsprechend.

...

Der Kläger und seine - inzwischen getrennt lebende - Ehefrau zeichneten die Kapitalerhöhung nicht wie ihnen angeboten. Die Ehefrau des Klägers unterzeichnete die Kapitalerhöhungsvereinbarung mit dem Hinweis, dass sie die Erklärung allein für sich und auch nur für den hälftigen Geschäftsanteil abgebe. Der Kläger gab keine Zeichnungserklärung ab. Mit Ablauf der auf den 28. Februar 2006 datierten Zeichnungsfrist betrachtete die Beklagte den Kläger und seine Ehefrau als ausgeschieden, da die Kapitalerhöhung nicht für den gesamten von ihnen gehaltenen Gesellschaftsanteil gezeichnet worden sei. Mit der Ehefrau des Klägers traf die Beklagte am 22. Juni/29. September 2006 eine "Wiederaufnahmevereinbarung" im Umfang der Hälfte der ursprünglich gemeinsam mit ihrem Ehemann gehaltenen Beteiligung, wobei die Ehefrau insoweit auch an der beschlossenen Kapitalerhöhung teilnahm. Dem Kläger hat die Beklagte auf den Stichtag seines beschlussmäßigen Ausscheidens (1. Januar 2006) eine Auseinandersetzungsrechnung erteilt, einen Auseinandersetzungsfehlbetrag in Höhe von insgesamt 10.971.973,78 € errechnet und den Kläger hieran entsprechend der Hälfte seiner ursprünglich gemeinsam mit seiner Ehefrau eingegangenen prozentualen Beteiligung am Gesellschaftskapital in Höhe von 35.306,01 € beteiligt.

Das Landgericht hat auf Antrag des Klägers festgestellt, dass der am 18. Januar 2006 gefasste Gesellschafterbeschluss zur Änderung des § 18 Abs. 7 des Gesellschaftsvertrages unwirksam sei und das Gesellschaftsverhältnis der Beklagten zu dem Kläger und seiner Ehefrau unverändert fortbestehe. Die von der Beklagten erhobene Widerklage, mit der sie vom Kläger die Zahlung des zu seinen Lasten errechneten negativen Auseinandersetzungsguthabens verlangt, hat das Landgericht abgewiesen. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der -vom erkennenden Senat zugelassenen -Revision verfolgt die Beklagte ihre erstinstanzlichen Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klage sei unbegründet, da der Kläger und seine Ehefrau nicht aus der Beklagten ausgeschieden, sondern weiterhin deren Gesellschafter seien. Die von der Gesellschafterversammlung für alle Gesellschafter verbindlich beschlossene Einlagenerhöhung sei unwirksam, weil ihr nicht alle Gesellschafter zugestimmt hätten. Die in § 4 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages enthaltene Regelung erlaube nur eine Kapitalerhöhung auf freiwilliger Basis. Auch aus gesellschafterlicher Treuepflicht habe keine Zustimmungspflicht zu einer verbindlichen Einlagenerhöhung bestanden, da aufgrund der in § 12 Abs. 1, 2 sowie § 4 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages getroffenen Regelungen jeder Gesellschafter davon ausgehen durfte, dass er nur die ihm zum Zeitpunkt des Beitritts bekannten Zahlungen zu leisten hatte. Nachdem die Kapitalerhöhung nicht wirksam beschlossen sei, fehle es auch für den Ausschluss des nicht an ihr teilnehmenden Gesellschafters an einer Grundlage.

II.

Das Berufungsgericht hat im Ergebnis richtig entschieden. Der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten über den Ausschluss derjenigen Gesellschafter, die die Kapitalerhöhung nicht gezeichnet haben (§ 18 Abs. 7 des Gesellschaftsvertrages), ist gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau unwirksam. Daher sind der Kläger und seine Ehefrau nicht mit Wirkung vom 1. Januar 2006 aus der Gesellschaft ausgeschieden und der Kläger nicht zur Erstattung eines Auseinandersetzungsfehlbetrages verpflichtet.

1.

Die Klage ist zulässig erhoben; insbesondere ist der Kläger zur Prozessführung befugt. Bei der Prozessführungsbefugnis handelt es sich um eine Prozessvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens, auch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen ist (BGH, Urteil vom 19. März 1987 - III ZR 2/86, BGHZ 100, 217 , 219; Urteil vom 11. August 2010 - XII ZR 181/08, NJW 2010, 3033 ). Grundsätzlich ist (nur) der Inhaber eines Rechts befugt, es in eigenem Namen einzuklagen (Zöller/Vollkommer, ZPO , 28. Aufl., Vor § 50 Rn. 18). Wer ein Recht einklagt, das nicht ihm selbst zusteht (Prozessstandschaft), muss seine Befugnis zur Führung des Prozesses dartun und notfalls beweisen. Andernfalls ist seine Klage als unzulässig abzuweisen (Zöller/ Vollkommer, ZPO , 28. Aufl., Vor § 50 Rn. 19). Dasselbe gilt bei der Einzelprozessführung durch einen nur Teilberechtigten (MünchKommZPO/Lindacher, 3. Aufl., Vorbem. § 50 Rn. 42).

Mit seinem Feststellungsbegehren gemäß § 256 Abs. 1 ZPO verfolgt der Kläger Rechte aus der Mitgliedschaft in der beklagten Gesellschaft. Nach seinem eigenen Vorbringen steht ihm dieses Mitgliedschaftsrecht gemeinsam mit seiner Ehefrau zu, so dass der Kläger in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis nur die Rolle eines Teilberechtigten einnimmt und er somit die Feststellung (auch) eines Drittrechtsverhältnisses verfolgt.

Nach feststehender Rechtsprechung können jedoch auch Drittrechtsverhältnisse Gegenstand einer Feststellungsklage sein, wenn diese für die Rechtsbeziehungen der Parteien untereinander zumindest mittelbar von Bedeutung sind und ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Klärung besteht (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 1960 - V ZR 131/58, MDR 1960, 485; Urteil vom 16. Juni 1993 - VIII ZR 222/92, NJW 1993, 2539 , 2540 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn aus der streitigen Mitgliedschaft erwachsen besondere Rechtsbeziehungen auch zwischen der Beklagten und den einzelnen Ehegatten gesondert. Aufgrund der in § 1 Abs. 2 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages getroffenen Regelung haften die Ehegatten gegenüber der Beklagten gesamtschuldnerisch und können daher von der Beklagten einzeln in Anspruch genommen werden. Ob und mit welchem Inhalt Rechtspflichten der einzelnen Ehegatten bestehen, hängt vom Fortbestand der gemeinsamen Mitgliedschaft der Ehegatten und von der Wirksamkeit des hier streitigen Beschlusses ab. Daraus folgt das rechtliche Interesse des einzelnen Ehegatten, im eigenen Namen die Unwirksamkeit des am 18. Januar 2006 gefassten Gesellschafterbeschlusses zur Änderung des § 18 Abs. 7 des Gesellschaftsvertrages sowie den Fortbestand des Gesellschaftsverhältnisses der Beklagten zu beiden Ehegatten feststellen zu lassen.

Dem steht nicht entgegen, dass die Ehefrau des Klägers gemäß den von der Gesellschafterversammlung am 18. Januar 2006 gefassten Beschlüssen die Kapitalerhöhung für "ihren" Anteil zunächst zeichnete und später eine "Wiederaufnahmevereinbarung" mit der Beklagten traf. Ein dem Vorgehen des Klägers entgegenstehender Wille seiner Ehefrau ist in entsprechender Anwendung von § 744 Abs. 2 BGB (vgl. dazu BGH, Urteil vom 4. Mai 1955 - IV ZR 185/54, BGHZ 17, 181, 183; Staudinger/Habermeier, BGB , Neubearb. 2003, § 709 Rn. 43; Palandt/Sprau, BGB , 70. Aufl., § 714 Rn. 8) unbeachtlich. Auch Verfahrenshandlungen wie die Klage eines einzelnen von mehreren Mitberechtigten können als Erhaltungsmaßnahmen im Sinne von § 744 Abs. 2 BGB für den gemeinsam gehaltenen Gegenstand notwendig sein (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 2008 - III ZR 46/06, ZIP 2008, 1582 Rn. 36; MünchKommBGB/ K. Schmidt, 5. Aufl., §§ 744 , 745 Rn. 43; Staudinger/Langhein, BGB , Neubearb. 2008, § 744 Rn. 43). Die vom Kläger erhobene Feststellungsklage ist zur Erhaltung der gemeinsam begründeten Mitgliedschaft an der Beklagten auch und gerade im Hinblick auf die Rechtshandlungen der Ehefrau notwendig, die sie für "ihren" Anteil vorgenommen hat und die den gemeinsamen Anteil in Frage stellen.

2.

Die Klage ist auch begründet. Der Kläger und seine Ehefrau sind weiterhin Gesellschafter der Beklagten, da der Gesellschafterbeschluss über die Einfügung von § 18 Abs. 7 des Gesellschaftsvertrages ihnen gegenüber unwirksam ist.

a)

Anders als das Berufungsgericht meint, ist der Mehrheitsbeschluss über die Kapitalerhöhung durch Änderung von § 4 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages allerdings nicht unwirksam. Dies folgt aus den Regelungen in § 4 Abs. 5 i.V.m. § 12 Abs. 1 Buchstabe g, Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages.

Nach § 4 Abs. 5 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages sind die zustimmenden Gesellschafter in dem hier vorliegenden Fall, dass ein - nach § 4 Abs. 5 Satz 1 an sich notwendig - einstimmiger Beschluss über eine Kapitalerhöhung nicht zustande kommt, berechtigt, ihre Einlagen - soweit erforderlich - zu erhöhen, während die nicht zustimmenden Gesellschafter eine Verringerung ihres Beteiligungsverhältnisses hinzunehmen haben. Der Kapitalerhöhungsbeschluss ist daher auch dann wirksam, wenn Einstimmigkeit nicht erreicht wird. Allerdings ist in dem Fall jedem einzelnen Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag die Erhöhung seiner Einlage freigestellt. Ein Gesellschafter, der seine Einlage nicht erhöht, setzt seine Beteiligung unter Verwässerung seines Gesellschaftsanteils fort (§ 4 Abs. 5 Satz 3 des Gesellschaftsvertrages).

Die in § 4 Abs. 5 getroffenen Regelungen gelten gemäß § 12 Abs. 1 Buchstabe g, Abs. 2 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages für Beschlüsse über die Festsetzung eventuell notwendiger Nachschusszahlungen entsprechend. Der Begriff der notwendigen Nachschusszahlungen umfasst auch die am 18. Januar 2006 beschlossene Kapitalerhöhung. Denn mit der Regelung in § 12 Abs. 1 Buchstabe g, Abs. 2 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages ist gerade eine einheitliche Behandlung sowohl späterer "Nachschüsse" als auch der in § 4 Abs. 5 geregelten "Kapitalerhöhung" bezweckt: Beide Arten zusätzlicher Beitragsleistungen sollen entweder einstimmig beschlossen werden und dann sämtliche Gesellschafter verpflichten oder es soll, wenn ein einstimmiger Beschluss nicht gefasst wird, dadurch eine Verschiebung der Kapitalanteile erfolgen, dass die nicht zustimmenden Gesellschafter eine Verringerung ihres Beteiligungsverhältnisses hinzunehmen haben. Diese Auslegung des Gesellschaftsvertrages kann der Senat selbst vornehmen, weil der Gesellschaftsvertrag der Beklagten als Publikumsgesellschaft objektiv auszulegen ist (BGH, Urteil vom 7. Juni 1999 - II ZR 278/98, ZIP 1999, 1391 , 1393; Urteil vom 19. März 2007 - II ZR 73/06, ZIP 2007, 812 Rn. 18 jeweils m.w.N.).

b)

Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, dass die in der Gesellschafterversammlung weiter beschlossene Neufassung des § 18 Abs. 7 des Gesellschaftsvertrages, nach der der nicht an der Kapitalerhöhung teilnehmende Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet, zumindest gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau, die diesem Beschluss im Hinblick auf den gemeinschaftlich gehaltenen Gesellschaftsanteil nicht - wie nach § 1 Abs. 2 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages geboten - einheitlich zugestimmt haben, unwirksam ist.

aa)

Der Entzug der Gesellschafterstellung durch zwangsweises Ausscheiden ist nur mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters möglich, sei es durch antizipierte Zustimmung in Form der eindeutigen Regelung im Gesellschaftsvertrag, sei es durch Zustimmung zu einem Beschluss, durch den nachträglich eine Ausschlussregelung in den Gesellschaftsvertrag eingefügt wird (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2009 - II ZR 240/08, BGHZ 183, 1 Rn. 16 - Sanieren oder Ausscheiden, m.w.N.). Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Weder enthielt der ursprüngliche Gesellschaftsvertrag eine Regelung über das Ausscheiden bei Nichtteilnahme an einer Kapitalerhöhung noch haben der Kläger oder seine Ehefrau einer solchen Regelung nachträglich zugestimmt.

bb)

Anders als die Revision meint, verhält sich der Kläger auch nicht treupflichtwidrig, wenn er zwar an den Sanierungsbemühungen nicht teilnehmen, aber in der Gesellschaft verbleiben will.

(1)

Ein Gesellschafter ist im Allgemeinen nicht verpflichtet, einer solchen, seine Gesellschafterstellung aufhebenden Änderung des Gesellschaftsvertrages zuzustimmen. Zwar geht der Senat in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sich in besonders gelagerten Ausnahmefällen für jeden einzelnen Gesellschafter aus der gesellschafterlichen Treuepflicht etwas Abweichendes ergeben kann. Danach kommt eine Zustimmungspflicht dann in Betracht, wenn sie mit Rücksicht auf das bestehende Gesellschaftsverhältnis oder auf die bestehenden Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander dringend erforderlich ist und die Änderung des Gesellschaftsvertrages dem Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner eigenen Belange zumutbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2009 - II ZR 240/08, BGHZ 183, 1 Rn. 23 - Sanieren oder Ausscheiden, m.w.N.).

(2)

Grundlage solcher Treuepflichten eines Gesellschafters kann jedoch stets nur die auf dem konkreten Gesellschaftsverhältnis beruhende berechtigte Erwartungshaltung der übrigen Gesellschafter sein. Der Gesellschaftsvertrag bildet die Grundlage der gesellschafterlichen Treuepflicht und bestimmt damit auch deren Inhalt und Umfang; der einzelne Gesellschafter ist nur insoweit verpflichtet, wie er es im Gesellschaftsvertrag versprochen hat (vgl. Hueck/ Windbichler, Gesellschaftsrecht, 21. Aufl., § 7 Rn. 4; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 20 IV 2 d, S. 592; MünchKommBGB/Ulmer, 5. Aufl., § 705 Rn. 222). Erlaubt das eingegangene Gesellschaftsverhältnis keine berechtigte Erwartungshaltung gegenüber einzelnen Gesellschaftern, besteht auch keine Treuepflicht, diese zu erfüllen. Der Gesichtspunkt der gesellschafterlichen Treuepflicht rechtfertigt es nicht, in eine sachlich nicht unvertretbare gesellschaftsvertragliche Regelung ändernd einzugreifen, nur weil dies für angemessener erachtet wird (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 1965 - II ZR 6/63, BGHZ 44, 40, 42).

(3)

Im vorliegenden Fall ist eine Erwartungshaltung, dass jeder Gesellschafter in der Schieflage der Gesellschaft weiteres Risiko auf sich nimmt und sich an einer Kapitalerhöhung beteiligt, durch das eingegangene Gesellschaftsverhältnis nicht begründet worden. Im Gegenteil war den Bestimmungen der § 4 Abs. 5 und § 12 Abs. 1, 2 des Gesellschaftsvertrages zu entnehmen, dass eine eventuell zur Aufrechterhaltung der Gesellschaft notwendig werdende Kapitalerhöhung oder Nachschusszahlung einstimmig beschlossen werden musste, wenn sie alle Gesellschafter verpflichten sollte; andernfalls sollten die zustimmenden Gesellschafter berechtigt sein, ihre Einlagen zu erhöhen, während die nicht zustimmenden Gesellschafter unter Verringerung ihres Beteiligungsverhältnisses in der Gesellschaft verbleiben können sollten.

Aufgrund dieser ausdrücklichen gesellschaftsvertraglichen Regelung, mit der sich jeder Gesellschafter bei seinem Eintritt in die Gesellschaft einverstanden erklärt hatte, durfte er nicht darauf vertrauen, einen Mitgesellschafter, der im Falle einer Schieflage der Gesellschaft zu weiteren Einlagen nicht bereit war, unter dem Gesichtspunkt der gesellschafterlichen Treuepflicht mit einer anderen als der vertraglich vorgezeichneten Rechtsfolge in Anspruch nehmen zu können. Vielmehr musste jeder Gesellschafter damit rechnen, dass zusätzlicher Kapitalbedarf der Gesellschaft nur von einem Teil der Gesellschafter aufgebracht würde, sich andere Gesellschafter dagegen nicht an der Kapitalerhöhung beteiligten und sich für den Verbleib in der Gesellschaft unter Verwässerung ihrer Gesellschaftsanteile entschieden.

(4)

Eine über diese vertraglichen Regelungen hinausgehende Treuepflicht des einzelnen Gesellschafters wird hier auch nicht durch den Umstand begründet, dass die Gesellschaft in eine wirtschaftliche Schieflage mit drohender Zahlungsunfähigkeit geraten war, welche die Aufbringung neuen Kapitals für den Erhalt der Gesellschaft notwendig machte. Denn die Bestimmungen der § 4 Abs. 5 und § 12 Abs. 1 Buchstabe g, Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages regeln auch diesen Krisenfall.

§ 4 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages regelt ausdrücklich den Fall, dass das gesellschaftseigene Bauvorhaben wegen Überschreitung der vorgesehenen Gesamtkosten nicht ohne Zuführung von Eigenkapital beendet werden kann. In dieser Lage, in der in der Regel Fremdkapital nicht zu erlangen ist, wäre die Gesellschaft ohne eine Kapitalerhöhung liquidationsreif. Denn ohne die Möglichkeit, das unvollendete Bauvorhaben mit zusätzlichem Eigenkapital fertig zu stellen, hätte die Gesellschaft keine Vermietungsmöglichkeit und somit dauerhaft keine Ertragserwartung und keine positive Fortführungsprognose. Im Falle einer danach notwendigen Liquidation wäre zu erwarten, dass der Veräußerungserlös des Grundstücks mit dem angefangenen Bauwerk die bis dahin getätigten Aufwendungen nicht annähernd deckt. Die Gesellschafter verlören zumindest einen erheblichen Teil ihrer Einlagen, wenn sie nicht sogar zu einem Fehlbetragsausgleich herangezogen werden müssten.

In der so beschriebenen, für die Gesellschaft existenzbedrohenden Ausgangslage wird der einzelne Gesellschafter gleichwohl durch die ausdrückliche Regelung in § 4 Abs. 5 Satz 2, 3 des Gesellschaftsvertrages nicht dazu verpflichtet, an einer mehrheitlich beschlossenen Kapitalerhöhung zur Rettung der Gesellschaft teilzunehmen. Die - rechtlich unbedenkliche (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 1975 - II ZR 89/74, BGHZ 66, 82, 85 f.) - gesellschaftsvertragliche Regelung sieht vielmehr vor, den zur Rettung erforderlichen Kapitalmehrbedarf durch zusätzliche Einlagen nur der sanierungswilligen Gesellschafter zu erbringen, während die nicht daran teilnehmenden Gesellschafter eine Verwässerung ihrer Anteile hinzunehmen haben.

Stellt sich die wirtschaftliche Schieflage der Gesellschaft nicht - wie in dem in § 4 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages geregelten Fall - durch eine unvorhergesehene Erhöhung der Gesamtkosten, sondern - wie hier revisionsrechtlich zu unterstellen - durch Wegfall geplanter Einnahmen ein, besteht eine sowohl für die Gesellschaft als auch für ihre Gesellschafter vergleichbare Interessenlage. Ohne Zuführung neuen Kapitals müsste die Gesellschaft unter Inkaufnahme wesentlicher wirtschaftlicher Nachteile liquidiert werden. Für diesen Sanierungsfall sind diejenigen Bestimmungen, die § 4 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages für den Fall einer unerwarteten Kostenerhöhung trifft, gemäß § 12 Abs. 1 Buchstabe g, Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages entsprechend anzuwenden.

(5)

Zwar kann diese Regelung unter Umständen zu einer Besserstellung derjenigen Gesellschafter führen, die nicht an der Kapitalerhöhung teilnehmen, indem sie durch den Beitrag der übrigen Gesellschafter zumindest teilweise von den auf sie entfallenden Gesellschaftsschulden frei werden und sogar - wenn auch in geringerer Höhe - an dem Gewinn beteiligt sind, falls die Gesellschaft in die Gewinnzone gelangen sollte (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2009 - II ZR 240/08, BGHZ 183, 1 Rn. 31 - Sanieren oder Ausscheiden). Eine solche Besserstellung ist hier jedoch in den Regelungen des Gesellschaftsvertrages selbst angelegt (§ 4 Abs. 5, § 12 Abs. 1, 2) und daher von allen Gesellschaftern mit ihrer Beitrittsentscheidung in Kauf genommen worden.

(6)

Überdies könnte eine Verpflichtung, einer notwendig gewordenen Änderung des Gesellschaftsvertrages zuzustimmen, nur dann angenommen werden, wenn dem schützenswerte Belange des einzelnen Gesellschafters nicht entgegenstehen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2009 - II ZR 240/08, BGHZ 183, 1 Rn. 23 m.w.N. - Sanieren oder Ausscheiden). Diese Voraussetzung ist hier ebenfalls nicht erfüllt. Nach § 707 BGB sowie aufgrund der Regelungen in § 4 Abs. 5 Satz 1 und § 12 Abs. 1 Buchstabe g, Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages durfte jeder beitrittswillige Anleger davon ausgehen, dass seine Beitragsverpflichtung auf die im Zeitpunkt des Beitritts gezeichnete Einlage beschränkt blieb und er zu einer Vermehrung seiner Beitragspflichten nicht gegen seinen Willen veranlasst werden konnte (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2009 - II ZR 259/07, ZIP 2009, 1373 Rn. 18 m.w.N.). Ebenso durfte er aufgrund der Regelungen in § 4 Abs. 5 Satz 2 und 3 annehmen, dass er seinen Gesellschaftsanteil, wenngleich verwässert, behalten könne, auch wenn er an einer notwendigen Kapitalerhöhung nicht teilnähme. Durch diese ausdrücklichen Regelungen in dem dem Beitritt zugrunde liegenden Gesellschaftsvertrag wurde ein schutzwürdiges Vertrauen des einzelnen Gesellschafters begründet, das einem späteren Entzug seiner Mitgliedschaft, auch als Folge der hier zur Überprüfung stehenden Änderung des Gesellschaftsvertrages, sowie der Annahme entgegensteht, der Gesellschafter sei aufgrund seiner gesellschafterlichen Treuepflicht verpflichtet, einer diesem Vertrauen gerade widersprechende Regelung zuzustimmen.

cc)

Der damit (jedenfalls) gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau bestehenden Unwirksamkeit der Änderung des Gesellschaftsvertrages steht nicht entgegen, dass diese zur Folge haben könnte, dass der Gesellschaftsvertrag gegenüber verschiedenen Gesellschaftern einen unterschiedlichen Inhalt hat. Diese Rechtsfolge ist zwingend, wenn alle Gesellschafter - wie hier antizipiert im Gesellschaftsvertrag - auch für Änderungen des Gesellschaftsvertrages auf das sonst geltende Einstimmigkeitsprinzip verzichtet haben, die Wirksamkeit des konkreten, den Gesellschaftsvertrag ändernden Beschlusses gegenüber dem jeweiligen Gesellschafter aber von dessen Zustimmung abhängig ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die tatsächliche Umsetzung des Beschlusses auch dann möglich und sinnvoll ist, wenn sie nicht gegenüber allen, sondern nur gegenüber den zustimmenden Gesellschaftern erfolgen kann (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2009 - II ZR 240/08, BGHZ 183, 1 Rn. 20 - Sanieren oder Ausscheiden).

3.

Da der Kläger und seine Ehefrau weiterhin gemeinsam der Beklagten als Gesellschafter angehören, haben die Vorinstanzen zu Recht auch die Widerklage der Beklagten abgewiesen. Der mit der Widerklage begehrte Anspruch auf anteiligen Ausgleich eines Fehlbetrags entsteht erst mit dem Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Gesellschaft (§ 739 BGB ).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 25. Januar 2011

Anmerkung Schmidt

Vorinstanz: LG Berlin, vom 12.08.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 5 O 411/06
Vorinstanz: KG Berlin, vom 07.04.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 19 U 34/08
Fundstellen
DB 2011, 929
DZWIR 2011, 249
GmbHR 2011, 529
JuS 2011, 646
NotBZ 2011, 88
WM 2011, 885
ZIP 2011, 768