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BGH - Entscheidung vom 03.02.2011

V ZB 128/10

Normen:
FamFG § 70 Abs. 4
FamFG § 70 Abs. 4

Fundstellen:
FGPrax 2011, 148

BGH, Beschluss vom 03.02.2011 - Aktenzeichen V ZB 128/10

DRsp Nr. 2011/3887

Rechtsbeschwerde gegen einen zurückweisenden Beschluss des Beschwerdegerichts bzgl. eines Antrags auf Ergänzung der Entscheidung über die Aufhebung einer einstweiligen Haftanordnung um die Feststellung der Rechtswidrigkeit der aufgehobenen Haftanordnung

Die Rechtsbeschwerde findet nach § 70 Abs. 4 FamFG auch gegen einen Beschluss nicht statt, durch den das Beschwerdegericht einen Antrag auf Ergänzung seiner Entscheidung über die Aufhebung einer einstweiligen Haftanordnung um die Feststellung der Rechtswidrigkeit der aufgehobenen Haftanordnung zurückweist.

Dem Betroffenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin Dr. Ackermann beigeordnet.

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 18. März 2010 wird auf Kosten des Betroffenen als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 1.500 €.

Normenkette:

FamFG § 70 Abs. 4;

Gründe

I.

Auf Antrag der Beteiligten zu 2 ordnete das Amtsgericht gegen den Betroffenen im Wege der einstweiligen Anordnung Haft zur Sicherung der Abschiebung für vier Wochen und die sofortige Vollziehbarkeit seiner Anordnung an. Diese Entscheidung hob das Landgericht auf die Beschwerde des Betroffenen auf. Dieser hat bei dem Landgericht eine Ergänzung der Beschwerdeentscheidung um die Feststellung beantragt, dass seine Inhaftierung auf Grund des aufgehobenen Beschlusses rechtwidrig war, und um eine Kostenentscheidung, die der Behörde seine Auslagen auferlegt. Dem zweiten Antrag hat das Landgericht entsprochen. Den ersten hat es als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die - nicht zugelassene - Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit welcher er weiterhin die Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Inhaftierung erreichen möchte.

II.

Das Beschwerdegericht ist der Ansicht, die Feststellung, dass die angefochtene Entscheidung ihn in seinen Rechten verletzt hat, könne der Betroffene nach § 62 FamFG nur erreichen, solange die Hauptsache noch nicht abgeschlossen sei. Hier sei der Antrag aber nach Aufhebung der angefochtenen Entscheidung gestellt worden. Für den Antrag bestehe auch unter dem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt des effektiven Rechtsschutzes kein Rechtsschutzbedürfnis. Das Beschwerdegericht habe die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben und dabei die Rechtmäßigkeit inzident überprüft. Ein Bedürfnis für eine nochmalige Prüfung der Rechtmäßigkeit der aufgehobenen Entscheidung bestehe nicht.

III.

1.

Das Rechtsmittel ist nicht statthaft.

a)

Zwar ist die Rechtsbeschwerde des Betroffenen auch nach Erledigung der Hauptsache mit dem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG ohne Zulassung nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG statthaft (vgl. Senat, Beschlüsse vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150, 151 Rn. 9 und vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210 , 211 Rn. 9). Hiervon ausgenommen sind nach § 70 Abs. 4 FamFG jedoch Entscheidungen in Verfahren, in denen über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung befunden worden ist.

b)

Dazu gehören auch Entscheidungen über einstweilige Anordnungen in Freiheitsentziehungssachen (Senat, Beschluss vom 11. November 2010 - V ZB 123/10 [...]; übersehen von Jennißen in Jennißen/Helms, FamFG, § 427 Rn. 13). Diese Regelung ist entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde weder einschränkend auszulegen noch verfassungsrechtlich zu beanstanden.

Der Gesetzgeber hat im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens den Zugang zur Rechtsbeschwerde in Freiheitsentziehungssachen durch Einfügung des heutigen § 70 Abs. 3 FamFG erleichtert, um der Schwere des mit der Inhaftierung verbundenen Eingriffs in das Freiheitsrecht der Betroffenen Rechnung zu tragen (Beschlussempfehlung zum FamFG in BT-Drs. 16/9733 S. 290). Er hat diese Erleichterung aber nur für das Hauptsacheverfahren (und dort auch nicht für alle Entscheidungen, § 70 Abs. 3 Satz 2 FamFG) vorgesehen und den Ausschluss der Rechtsbeschwerde im Verfahren über eine einstweilige Anordnung nicht eingeschränkt.

Dieser Ausschluss führt nicht dazu, dass dem Betroffenen im Verfahren der einstweiligen Anordnung kein effektiver Rechtsschutz zur Verfügung stünde. Der Betroffene kann die einstweilige Anordnung mit der Beschwerde angreifen und nach § 62 Abs. 1 FamFG bei Erledigung der Hauptsache die Feststellung beantragen, dass die angeordnete Haft ihn in seinen Rechten verletzt hat. Diesen Antrag kann er, allerdings nur gleichzeitig mit dem Aufhebungsantrag und damit innerhalb der Beschwerdefrist, auch dann stellen, wenn die Haftanordnung durch das Beschwerdegericht aufgehoben wird (Senat, Beschlüsse vom 14. Oktober 2010 - V ZB 78/10, AuAS 2011, 8 Rn. 12 f. und vom 20. Januar 2011 - V ZB 116/10 Rn. 6, z. Veröff. best.). Ihm die zusätzliche Möglichkeit einer Überprüfung solcher Entscheidungen durch das Rechtsbeschwerdegericht zu eröffnen, ist von Verfassungs wegen nicht geboten.

c)

Um eine solche Entscheidung handelt es sich hier. Die Haftanordnung, deren Rechtswidrigkeit der Betroffene festgestellt wissen will, ist im Wege der einstweiligen Anordnung ergangen. Seinen Feststellungsantrag verfolgt der Antragsteller nicht in einem eigenständigen Hauptsacheverfahren, was auch nicht zulässig wäre (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 116/10 Rn. 5, 8, z. Veröff. best.). Er will die Feststellung der Rechtswidrigkeit vielmehr noch im Verfahren über die Beschwerde gegen die einstweilige Anordnung erreichen, was, wie ausgeführt, bei rechtzeitiger Antragstellung möglich gewesen wäre. Denn er hat bei dem Beschwerdegericht beantragt, diese Feststellung im Wege der Änderung der Beschwerdeentscheidung nachzuholen. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts über diesen Antrag ist damit Teil des Verfahrens über die einstweilige Anordnung und unterliegt nach § 70 Abs. 4 FamFG nicht der Rechtsbeschwerde.

d)

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Betroffenen auch nicht daraus, dass die Entscheidung über die Ergänzung eines Gerichtsbeschlusses nach § 43 Abs. 1 FamFG selbständig anfechtbar ist (BGH, Beschluss vom 20. Juni 2000 - VI ZB 2/00, NJW 2000, 3008 ; Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 16., Aufl., § 43 Rn. 16 f.). Das gilt nämlich nur, wenn gegen die ergänzte oder - wie hier - nicht ergänzte Entscheidung ein Rechtsmittel überhaupt gegeben ist (BGH, Urteil vom 27. Juni 2007 - XII ZR 54/05, NJW 2007, 3421 ; Keidel/Meyer-Holz, aaO, § 43 Rn. 17). Ist diese Entscheidung unanfechtbar, kann auch die Entscheidung über ihre Ergänzung oder Nichtergänzung nicht angefochten werden (Senat, Beschluss vom 28. Oktober 2009 - V ZB 109/08, NJW-RR 2009, 209 ). Dieser zweite Fall liegt hier vor.

2.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.

Vorinstanz: AG Landau, vom 15.02.2010 - Vorinstanzaktenzeichen XIV 15/10
Vorinstanz: LG Landau, vom 18.03.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 3 T 22/10
Fundstellen
FGPrax 2011, 148