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BGH - Entscheidung vom 15.03.2011

X ZR 58/08

Normen:
PatG § 111 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2

BGH, Urteil vom 15.03.2011 - Aktenzeichen X ZR 58/08

DRsp Nr. 2011/8149

Entstehung von monklinem Metazachlor bei der Herstellung und Lagerung wässriger Suspensionen nach dem Stand der Technik im Prioritätszeitpunkt als lediglich theoretische Ableitung; Vom Streitpatent Agglomerate genannten Verklumpungen als lediglich theoretische Ableitung

Die Berufung gegen das am 29. März 2008 an Verkündungs Statt zugestellte Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Normenkette:

PatG § 111 Abs. 2 Nr. 2 ; ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2 ;

Tatbestand:

Die Beklagte ist Inhaberin des am 20. Juli 1990 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 29. Juli 1989 angemeldeten, mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten und im Verlaufe des Berufungsverfahrens durch Zeitablauf erloschenen europäischen Patents 411 408 (Streitpatents). Das Streitpatent trägt die Bezeichnung "Monoklines Metazachlor und Verfahren zu seiner Herstellung" und umfasst sieben Patentansprüche. Diese lauten in der Verfahrenssprache Deutsch:

"1. Monoklines, bei 76° C schmelzendes 2-Chlor-(2',6'-dimethyl-N-pyrazol-1-yl-methyl)-acetanilid der Formel I

2. Verfahren zur Herstellung kristalliner Massen der Verbindung I nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass man die Verbindung I aus einem polaren inerten organischen Lösungsmittel umkristallisiert und nach vollständiger Kristallisation den Festkörper in üblicher Weise isoliert.

3. Verfahren zur Herstellung kristalliner Massen der Verbindung I nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass man 2-Chlor-(2',6'-dimethyl-N-pyrazol-1-yl-methyl)-acetanilid aus wässriger schwefelsaurer Lösung bei Temperaturen von 0 bis 50° C in Gegenwart eines polaren mit Wasser mischbaren inerten organischen Lösungsmittels kristallisiert.

4. Verfahren zur Herstellung kristalliner Massen der Verbindung I nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass man eine wässrige Suspension der Verbindung I in der bei 79° C schmelzenden triklinen Kristallmodifikation von I mit einem polaren mit Wasser mischbaren inerten organischen Lösungsmittel in Gegenwart von Kristallen der Verbindung I in der bei 76° C schmelzenden monoklinen Kristallmodifikation bei 0° C bis 45° C vermahlt.

5. Herbizides Mittel, enthaltend übliche inerte Zusatzstoffe und die Kristallmodifikation von I gemäß Anspruch 1.

6. Herbizides Mittel nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass es 0,1 bis 95 Gew.-% der bei 76° C schmelzenden monoklinen Kristallmodifikation von I enthält.

7. Verfahren zur Bekämpfung unerwünschten Pflanzenwachstums, dadurch gekennzeichnet, dass man die Samen, die Pflanzen und/oder deren Lebensraum mit einer herbizid wirksamen Menge der Kristallmodifikation von I gemäß Anspruch 1 behandelt."

Die Klägerin, die von der Beklagten aus dem Streitpatent in Anspruch genommen worden ist, hat mit der Klage geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig, insbesondere sei Metazachlor der Formel I mit einem Schmelzpunkt von 76° C bereits aus der K2 bekannt und durch diese Schmelztemperatur die monokline Modifikation festgelegt, die ein Fachmann mit einfachen üblichen analytischen Methoden abklären könne; darüber hinaus bilde sich bei den Verfahren nach den Druckschriften K3 bis K7 Gemische, in denen neben der monoklinen Form auch die trikline Form von Metazachlor vorliege.

Das Patentgericht hat die Klage abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der diese ihr Klageziel weiterverfolgt. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr. J. T., Institut für Organische Chemie der Universität H., ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:

A. Die Berufung ist nur teilweise zulässig.

I. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung, die § 111 Abs. 2 Nr. 2 PatG in der im Streitfall noch anwendbaren, bis zum 30. September 2009 geltenden Fassung entspricht, muss die Berufungsbegründung die bestimmte Bezeichnung der im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) sowie der neuen Tatsachen, Beweismittel und Beweiseinreden enthalten, die die Partei zur Rechtfertigung ihrer Berufung anzuführen hat. Danach hat der Berufungskläger eine Begründung zu liefern, die auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten ist. Die Begründung muss deshalb zum einen erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist, und zum anderen im einzelnen angeben, aus welchen Gründen sie die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Vordergerichtes für unrichtig hält (st. Rspr., s. nur BGH, Urteil v. 24. Januar 2000 - II ZR 172/98, NJW 2000, 1576 ; Senatsurteil vom 18. März 2003 - X ZR 229/00). Eine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung kann zwar nicht verlangt werden, doch muss die Berufungsbegründung sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn es diese bekämpfen will (BAG, NJOZ 2003, 1300, 1302).

Der Berufungsbegründung der Klägerin kann noch entnommen werden, dass sie - obwohl die Begründung des angefochtenen Urteils nicht erwähnt wird - die Annahme des Patentgerichts, bei den Verfahren nach der europäischen Patentschrift 12 215 (K3) und nach der deutschen Offenlegungsschrift 26 48 008 (K4) entstehe kein monoklines Metazachlor, mit der Begründung bekämpfen will, aus der im Berufungsverfahren neu eingeführten (nachveröffentlichten) europäischen Patentschrift 1 342 412 (K16) ergebe sich das Gegenteil. Dies genügt für die Zulässigkeit der Berufung, was die Patentansprüche 1 und 5 bis 7 anbelangt.

Allerdings trägt die Berufungsbegründung nicht den Angriff gegen die Patentfähigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 2, den die Klägerin ausweislich ihrer Ausführungen zu IV im Schriftsatz vom 25. Februar 2009 - wie bereits in erster Instanz - führen möchte, und Gleiches gilt für den Angriff gegen die Patentfähigkeit des Gegenstands der Patentansprüche 3 und 4, die auch im Schriftsatz vom 25. Februar 2009 nicht erwähnt werden. Denn das Patentgericht hat den Rechtsbestand dieser Patentansprüche damit begründet, dass die nach diesen zum Einsatz gelangenden Arbeitsweisen nicht aus dem vorveröffentlichten Stand der Technik hervorgingen und sich daraus auch nicht unter Berücksichtigung des Wissens und Könnens eines Fachmanns herleiten ließen. Diese Begründung wird in der Berufungsbegründung nicht angegriffen. Insoweit ist die Berufung daher unzulässig (vgl. Senatsurteil vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 4/07, GRUR 2010, 660 = BlPMZ 2010, 265 - Glasflaschenanalysesystem).

II. Soweit die Berufungsbegründung den Gegenstand des Patentanspruchs 2 als nicht ausführbar offenbart angreift, liegt eine Klageänderung vor, mit der ein zusätzlicher Nichtigkeitsgrund geltend gemacht wird. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass die Klägerin nach Erlöschen des Streitpatents ein Rechtsschutzbedürfnis für die Nichtigerklärung darlegen muss. Dies ist nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 19. Mai 2005 - X ZR 188/01, GRUR 2005, 749 - Aufzeichnungsträger) für jeden unabhängigen Patentanspruch gesondert zu prüfen. Die Klägerin hat hierzu keine Erklärungen abgegeben, insbesondere nicht vorgetragen, dass sie auch aus Patentanspruch 2 in Anspruch genommen worden ist. Die Klageerweiterung ist daher nicht zulässig.

B. Soweit sie zulässig ist, hat die Berufung in der Sache keinen Erfolg.

I. Das Streitpatent betrifft die monokline, bei 76° C schmelzende Kristallform der Verbindung 2-Chlor-(2',6'-dimethyl-N-pyrazol-1-yl-methyl)-acetanilid (Metazachlor) sowie Verfahren zur Herstellung dieser Modifikation, deren Verwendung als Herbizid sowie herbizide Mittel, die diesen Wirkstoff enthalten.

Die Streitpatentschrift schildert eingangs, dass der wichtige herbizide Wirkstoff Metazachlor, soweit bisher bekannt, in einem Bereich von 78° bis 83° C schmelze und in einer triklinen Form kristallisiere. Diese Kristallform erhalte man nach den in der deutschen Offenlegungsschrift 26 48 008 (K4) und der europäischen Patentschrift 12 216 (K3) beschriebenen Methoden durch Kristallisation aus einem unpolaren oder wenig polaren Lösungsmittel wie Zyklohexan oder Toluol. Diese bekannte Modifikation von Metazachlor, das in Form konzentrierter wässriger Suspensionen in den Handel gebracht werde, habe den Nachteil, dass sie häufig Agglomerate bilde. Die Mittel könnten dann nicht mehr gleichmäßig oder sogar überhaupt nicht mehr versprüht werden. Demgegenüber soll nach der Lehre des Streitpatents eine Modifikation des Wirkstoffs Metazachlor zur Verfügung gestellt werden, die nicht zur Agglomeratbildung neigt und sich auch nach längerer Lagerung einwandfrei ausbringen lässt.

Dies soll erreicht werden durch die monokline Kristallform des Metazachlors, die bei 76° C schmilzt und die man u.a. dadurch erhält, dass eine wässrige Schwefelsäure-Metazachlor-Lösung in Gegenwart eines mit Wasser mischbaren polaren inerten organischen Lösungsmittels bei Temperaturen von 0° bis 50° C mit Wasser versetzt und der dabei gebildete Festkörper nach vollständiger Kristallisation in üblicher Weise isoliert wird (Patentanspruch 3). Weitere Herstellungswege sind in den Patentansprüche 2 und 4 angegeben. Gemäß Patentansprüchen 5 und 6 soll das herbizide Mittel übliche inerte Zusatzstoffe und die Kristallmodifikation des Metazachlors gemäß Patentanspruch 1 enthalten. Patentanspruch 7 betrifft ein Verfahren zur Bekämpfung unerwünschten Pflanzenwachstums mit einer herbizidwirksamen Menge der Kristallmodifikation gemäß Patentanspruch 1.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die den Gegenstand des Patentanspruchs 1 bildende monokline Kristallform des Metazachlors sei neu. Aus keiner der vorveröffentlichten Druckschriften sei die chemische Verbindung Metazachlor in einer monoklinen Kristallform zu entnehmen. Zwar sei Metazachlor bereits in den europäischen Patentschriften 7 080 (K2) und 12 216 (K3) sowie in den deutschen Offenlegungsschriften 26 48 008 (K4), 27 42 583 (K5) und 27 04 281 (K7) sowohl in seiner chemischen Konstitution und seiner Herstellung als auch in seiner Anwendung als herbizider Wirkstoff vorbeschrieben. Angaben hinsichtlich einer bestimmten Kristallstruktur und damit einer besonderen Erscheinungsform des Metazachlors fänden sich jedoch weder in diesen noch in den übrigen vorveröffentlichten Druckschriften. Aus diesen Druckschriften ergebe sich auch nicht, dass Metazachlor bereits als monoklines Produkt isoliert und/oder als solches formuliert worden sei oder sich beim Nacharbeiten der Lehren dieser Druckschriften ohne Weiteres ergeben habe und damit für den fachkundigen Leser ohne Weiteres zugänglich gewesen sei. Die K2 gebe in den Ausführungsbeispielen 6 und 7 an, dass die Umsetzung zum Metazachlor in einem Zwei-Phasen-System in Gegenwart unterschiedlicher Phasen-Transfer-Katalysatoren und die Isolierung des gebildeten Metazachlors aus dem Lösungsmittel Toluol und damit aus der organischen Phase nach mehrmaligem Waschen durch Abziehung des Lösungsmittels Toluol im Vakuum erfolge. Die in den Beispielen 6 und 7 je nach Versuchsführung erzielten Reinheitsgrade bewegten sich zwischen 90 und 98 %, wobei die gemessenen Schmelzpunkte in etwa entsprechend dem Reinheitsgrad zunähmen. Dass das in zwei Versuchen des Beispiels 6 isolierte Metazachlor bei einem Reinheitsgrad von 95 bis 96 % bei 76° C schmelze, gebe keinen Anlass zu der Annahme, dass ein monoklines Produkt vorgelegen habe. Die gemäß der Lehre der K3 für die Reinigung und Kristallisation angegebenen Bedingungen entsprächen nicht den gemäß Streitpatent zur Bildung und Gewinnung monoklinen Metazachlors erforderlichen Bedingungen, wonach wässrige schwefelsaure Lösungen in Gegenwart eines polaren, mit Wasser mischbaren organischen Lösungsmittels zur Ausbildung der monoklinen Kristallform führten. Das nach der K3 hergestellte Metazachlor weise in reinem Zustand einen Schmelzpunkt von etwa 83° C auf. Es könne sich deshalb nicht um Metazachlor in monokliner Form handeln, da dieses in Reinform einen Schmelzpunkt von 76° C besitze. Die in den Druckschriften K2 bis K5 sowie K7 für Metazachlor angegebenen Schmelzpunkte variierten zwischen 70° C und 83° C und damit über einen relativ weiten Temperaturbereich. Was die Schmelzpunkte der Produkte aus den einzelnen Versuchen des Beispiels 6 der Druckschrift K2 anbelange, so lägen diese zwischen 70° C und 78° C und stimmten zwar in den beiden mit 76° C angegebenen Produkten mit dem Zahlenwert des Patentanspruchs 1 des Streitpatents überein. Die Produkte dieser Versuche würden allerdings durch bloßes Einengen und Abziehen der organischen Toluol-Phase im Vakuum erhalten, woraus der fachkundige Leser noch nicht zwingend auf das Vorliegen eines Feststoffs, erst recht nicht eines gut kristallinen Feststoffs schließen werde. Denn häufig bildeten sich bei einer solchen Vorgehensweise lediglich ölige Rückstände, aus denen der Feststoff in kristalliner Form erst durch nachfolgendes Umkristallisieren anfalle. In den Schmelzpunkten der aus der Toluol-Phase auf diese Weise isolierten Feststoffe, die mit dem steigenden Gehalt an Metazachlor zunähmen, komme eindeutig die unterschiedliche Reinheit des isolierten Metazachlors zum Ausdruck. Im Hinblick darauf, dass die Produkte des Beispiels 6 der K2 lediglich einen Gehalt an Metazachlor zwischen 90 und 98 % aufwiesen, müsste sich für reines Metazachlor in der dortigen Erscheinungsform ein deutlich höherer Schmelzpunkt als 76° C ergeben. Die angegebenen Schmelzpunkte von 76° C seien deshalb kein Beleg dafür, dass nach diesem Beispiel Metazachlor in monokliner Kristallform erhalten werde.

Der Neuheit des monoklinen Metazachlors stehe auch nicht die Behauptung der Klägerin und ihrer Streithelferin entgegen, dass sich monoklines Metazachlor bei der Nacharbeitung von Herstellungsbeispielen der Entgegenhaltungen K2 bis K5 sowie K7 oder bei der Lagerung entsprechender wässriger Suspensionen von selbst gebildet habe. Der hierzu von der Streithelferin vorgelegte Versuchsbericht nebst Privatgutachten (N7) beruhe auf Versuchsbedingungen, die mit den experimentellen Bedingungen der die Verbindung Metazachlor betreffenden Ausführungsbeispiele der Druckschriften K2 bis K5 sowie K7 nicht übereinstimmten. Vielmehr seien, wie das Patentgericht im Einzelnen ausführt, in Kenntnis der Lehre und des Ziels des Streitpatents Veränderungen vorgenommen worden.

Die Bereitstellung von monoklinem Metazachlor beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit. Der Fachmann, ein Diplomchemiker, der mit der Synthese und Analytik organisch-chemischer Wirkstoffe sowie deren Anwendung im Bereich des Pflanzenschutzes befasst und vertraut gewesen sei, habe zwar Kenntnisse über die Möglichkeit des Auftretens polymorpher Formen bei chemischen Verbindungen gehabt. In den vorveröffentlichten Druckschriften seien jedoch nicht einmal Hinweise auf das Problem der Agglomeratbildung und der damit verbundenen Schwierigkeiten bei der Ausbringung des Wirkstoffs zu entnehmen. Es habe deshalb für den Fachmann keinen Grund gegeben, nach Erscheinungsformen zu suchen, die ein vereinfachtes Ausbringen ermöglichten. Es hätten sich aus dem Stand der Technik keinerlei Anhaltspunkte ergeben, die den Fachmann hätten veranlassen können, andere Erscheinungsformen von Metazachlor für die Anwendung in herbiziden Zusammensetzungen in Betracht zu ziehen als jene, die sich zwangsläufig aus der Nacharbeitung der vorveröffentlichten Druckschriften ergeben hätten.

III. Dies hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren stand.

1. Die - vom gerichtlichen Sachverständigen bestätigten - Ausführungen des Patentgerichts, dass die im erstinstanzlichen Verfahren geprüften Entgegenhaltungen den Gegenstand der Erfindung nach Patentanspruch 1 nicht offenbaren, lassen keinen Fehler erkennen und werden von der Berufung auch nicht angegriffen.

2. Mit der Berufung macht die Klägerin ausschließlich geltend, monoklines Metazachlor sei bei der Herstellung wässriger Suspensionen nach dem vorveröffentlichten Stand der Technik bzw. bei deren Lagerung von selbst entstanden und habe folglich zum Stand der Technik gehört.

a) Die Behauptung der Klägerin hat, wie auch der gerichtliche Sachverständige ausgeführt hat, eine gewisse Plausibilität für sich. In dem Parteigutachten Prof. Dr. B. wird ausgeführt, Polymorphe (wie Metazachlor) strebten die unter gegebenen Bedingungen, wie Temperatur und Druck, thermodynamisch stabilste Modifikation an. Die trikline Modifikation des Metazachlors sei gegenüber der monoklinen bei Raumtemperatur nur metastabil. Somit sei eine zwingende Phasenumwandlung in die stabilere Form vorgegeben, die allerdings sehr lange Zeit in Anspruch nehme, wenn sich die Substanz in trockenem kristallinen Zustand befinde. In einer Suspension sei die Umwandlung jedoch beschleunigt, insbesondere wenn Bewegung, poröse Gefäßwandungen und Kristallkeime der monoklinen Modifikation bereits vorlägen. Ähnliche Ausführungen finden sich bereits im erstinstanzlich vorgelegten Parteigutachten Prof. Dr. S. (N7).

b) Bei diesen Erwägungen handelt es sich allerdings um eine theoretische Ableitung, aus der nicht ohne weiteres geschlossen werden kann, dass bei der Herstellung und Lagerung wässriger Suspensionen nach dem Stand der Technik im Prioritätszeitpunkt stets monoklines Metazachlor entstanden ist. Der gerichtliche Sachverständige hat diesen Schluß zwar als möglich und plausibel, aber nicht als sicher angesehen und darauf hingewiesen, dass im Prioritätszeitpunkt nur die trikline Form des Metazachlors bekannt und beschrieben war. Es gebe auch in den entgegengehaltenen Schriften keine Hinweise dafür, dass monoklines Metazachlor ohne Zutun angefallen sei. Dafür, dass dies nicht der Fall gewesen sei, spreche, dass in dem Rückstellmuster der Beklagten auch nach mehrjähriger Lagerung kein monoklines Metazachlor festzustellen gewesen sei. Der Sachverständige hat es als eine in Betracht zu ziehende Möglichkeit bezeichnet, dass sich erst, nachdem die Beklagte Metazachlor in monokliner Form in den Verkehr gebracht hat, durch Animpfen mit Kristallen dieser Modifikation ohne weiteres Zutun allein durch Lagerung der wässrigen Suspensionen triklines Metazachlor in monoklines umgewandelt haben könnte und sich regelmäßig Mischformen gebildet hätten. Es sei denkbar, aber nicht sicher, dass dies auch schon zuvor der Fall gewesen sei; eine Klärung im Nachhinein sei nicht möglich.

c) Soweit der Privatgutachter Prof. Dr. B. eingewandt hat, dass die vom Streitpatent Agglomerate genannten Verklumpungen auf die unterschiedliche Morphologie von triklinem und monoklinem Metazachlor zurückzuführen seien und dies dafür spreche, dass stets Gemische vorgelegen hätten, mag auch dies eine plausible Erklärung für das Auftreten des von der Streitpatentschrift aufgezeigten Problems des Verklumpens sein. Auch hierbei handelt es sich jedoch um eine theoretische Ableitung, die nicht ausreicht für die Feststellung, dass Metazachlor in monokliner Form im Prioritätszeitpunkt zum Stand der Technik gehört hat.

d) Soweit sich die Klägerin weiterhin auf das als Anlage N7 vorgelegte Parteigutachten Prof. S. beruft, ist sie der ausführlichen Darstellung des Patentgerichts (PGU 19 ff.) nicht entgegengetreten, wonach die vom Parteigutachter gewählten Versuchsbedingungen nicht mit den Bedingungen der Ausführungsbeispiele der Druckschriften K2 bis K5 und K7 übereinstimmen. Außerdem hat die Beklagte Versuchsergebnisse vorgelegt, die den gegenteiligen Befund ausweisen (Anl. B9 bis B12).

e) Soweit sich schließlich die Berufung für ihre Behauptung, es entstünden bei Herstellung von Metazachlor nach der K3 wie auch nach der K4 Mischformen, die sowohl monokline als auch trikline Modifikationen enthielten, auf das am 24. Januar 2003 angemeldete europäische Patent 1 342 412 (K16) beruft, das rein triklines Metazachlor und Verfahren zu seiner Herstellung betrifft, führt auch dies nicht weiter. In der Patentschrift wird ausgeführt (Rn. 6), es habe sich überraschend herausgestellt, dass entgegen der Aussage der Streitpatentschrift nach dem dort erwähnten bekannten Verfahren nach K3 oder K4 kein rein triklines Metazachlor erhalten werde. Es entstünden vielmehr Gemische verschiedener Metazachlor-Modifikationen, die in Abhängigkeit von den Kristallisationsbedingungen, insbesondere der Verweildauer bei Raumtemperatur, einen Anteil von 1 bis 99 % an monoklinem Metazachlor aufwiesen. Der K16 lässt sich jedoch nicht entnehmen, worauf diese Aussage beruht und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen die dort dargestellten Erkenntnisse gewonnen worden sind. Außerdem beruft sich diese Schrift auf Erkenntnisse, die weit nach dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatents gefunden worden sind. Sie enthält somit nicht mehr als eine Wiederholung der von der Klägerin aufgestellten Behauptungen und ist ohne Beweiswert.

3. Die Berufung führt auch nichts an, was die Würdigung des Patentgerichts in Zweifel ziehen könnte, monoklines Metazachlor sei dem Fachmann nicht nahegelegt gewesen. Das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen hat diese Würdigung unterstrichen. Die unterschiedlichen Kristallmodifikationen des Metazachlors waren zum Prioritätszeitpunkt nicht beschrieben. Hat der Fachmann aber der Kristallform keine Aufmerksamkeit gewidmet - und dafür spricht, dass sie in keiner der Entgegenhaltungen erwähnt wird -, fehlt es schon an einer Grundlage für die Annahme, auftretende Probleme bei der Verwendung der Verbindung als Herbizid könnten auf der triklinen Form beruhen und ihnen sei (möglicherweise) durch eine andere Kristallform abzuhelfen.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs.2 PatG in Verbindung mit §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 ZPO .

Von Rechts wegen

Verkündet am: 15. März 2011

Vorinstanz: BPatG, vom 23.09.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 3 Ni 57/05