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BGH - Entscheidung vom 31.05.2011

XI ZR 190/08

Normen:
ZPO § 290

BGH, Urteil vom 31.05.2011 - Aktenzeichen XI ZR 190/08

DRsp Nr. 2011/14705

Anspruch von Wohnungseigentümern gegen einen Darlehensgeber wegen arglistiger Täuschung über die Höhe der Vermittlungsprovisionen i.R.e. Finanzierungsvermittlungsauftrages; Vorliegen eines aufklärungspflichtigen Wissensvorsprungs einer Finanzierungsbank bei Kenntnis einer arglistigen Täuschung des Kreditnehmers durch seinen Geschäftspartner über das finanzierte Geschäft

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 3. Juni 2008 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

ZPO § 290 ;

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche im Zusammenhang mit dem von der Beklagtenseite finanzierten Erwerb einer Eigentumswohnung durch die Klägerseite.

Die Klägerseite erwarb im März 1998 zu Steuersparzwecken eine Eigentumswohnung in dem Objekt B. in D. . Der Kaufpreis betrug 116.690 DM. Zur Finanzierung des Kaufs schloss die Klägerseite mit der Beklagten zu 2), die hierbei von der Beklagten zu 1) vertreten wurde, einen Darlehensvertrag über ein tilgungsfreies Vorausdarlehen in Höhe von 137.000 DM sowie zwei Bausparverträge. Die Vermittlung der Eigentumswohnung und der Finanzierung erfolgte durch die I. GmbH (im Folgenden: I. ) und die B. mbH (im Folgenden: B. ), zwei Unternehmen der H. Gruppe (im Folgenden: H. Gruppe), die seit 1990 in großem Umfang Anlageobjekte vertrieb, die die Beklagte zu 1) in Zusammenarbeit mit verschiedenen Banken finanzierte. Insoweit unterzeichnete die Klägerseite unstreitig unter anderem einen Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag, in welchem es nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt heißt: "Ich erteile hiermit den Auftrag mir das o. g. Objekt und die Finanzierung zu vermitteln. Der Auftrag soll durch die in Punkt 4 und 5 der nachfolgenden Aufstellung benannte Firma zu den dort genannten Gebührensätzen ausgeführt werden." Nach ebenfalls unbestrittenem Vortrag der Klägerseite sollte ausweislich Punkt 4 des Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrags die B. eine Finanzierungsvermittlungsgebühr in Höhe von 2% und ausweislich Punkt 5 die I. eine Courtage von 3,45% des Kaufpreises erhalten. Die Darlehensvaluta wurde in der Folge ausgezahlt.

Mit der Klage verlangt die Klägerseite - gestützt auf einen Schadensersatzanspruch wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung - die Rückabwicklung des kreditfinanzierten Kaufs der Eigentumswohnung. Sie begehrt insbesondere die Rückzahlung geleisteter Zinsen und die Feststellung, dass aus dem Darlehensvertrag ihr gegenüber keine Zahlungsansprüche bestehen, Zug um Zug gegen Auflassung des Miteigentumsanteils, sowie die Feststellung, dass die Beklagtenseite ihr sämtlichen Schaden zu ersetzen hat, der im Zusammenhang mit dem finanzierten Erwerb der Eigentumswohnung steht. Ihre Ansprüche stützt die Klägerseite unter anderem darauf, dass sie durch den Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag arglistig über die Höhe der Vermittlungsprovisionen getäuscht worden sei. Die Beklagtenseite ist dem entgegen getreten und hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerseite ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt: Ein vorvertragliches Aufklärungsverschulden der Beklagtenseite in Bezug auf das finanzierte Objekt liege nicht vor. Weder komme eine Aufklärungspflichtverletzung wegen Überschreitens der Kreditgeberrolle in Betracht, noch wegen Schaffung eines besonderen Gefährdungstatbestands, noch wegen eines zur Aufklärung verpflichtenden Interessenkonflikts. Auch eine Aufklärungspflicht wegen eines aufklärungspflichtigen Wissensvorsprungs der Beklagtenseite sei nicht festzustellen. Das finanzierte Objekt sei zwar -wie die Beweisaufnahme ergeben habe -sittenwidrig überteuert gewesen; die Klägerseite habe aber nicht bewiesen, dass das der Beklagtenseite bekannt gewesen sei oder die Klägerseite hierüber arglistig getäuscht worden sei.

II.

Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hätte mit der gegebenen Begründung einen Schadensersatzanspruch der Klägerseite wegen eines Aufklärungsverschuldens der Beklagtenseite nicht ablehnen dürfen. Zu Recht rügt die Revision, dass sich das Berufungsgericht nicht mit der Frage eines möglichen Aufklärungsverschuldens im Zusammenhang mit den im Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag ausgewiesenen Vertriebsprovisionen befasst hat.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt ein aufklärungspflichtiger Wissensvorsprung der Finanzierungsbank vor, wenn die Bank Kenntnis davon hat, dass der Kreditnehmer von seinem Geschäftspartner oder durch den Fondsprospekt über das finanzierte Geschäft arglistig getäuscht wurde (Senatsurteil vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 Rn. 20 mwN). Wie der erkennende Senat bereits mehrfach zu ebenfalls die Beklagtenseite betreffenden vergleichbaren Fällen institutionalisierten Zusammenwirkens entschieden hat (vgl. Senatsurteile vom 20. März 2007 - XI ZR 414/04, WM 2007, 876 Rn. 56 und vom 27. Mai 2008 - XI ZR 132/07, WM 2008, 1260 Rn. 26 mwN), wird die Kenntnis der Beklagten von einer solchen arglistigen Täuschung der Anleger durch den Vertrieb widerleglich vermutet, wenn die Unrichtigkeit der Angaben zum Anlageobjekt objektiv evident ist.

Ein solcher Fall ist nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt im Hinblick auf die Vertriebsprovisionen gegeben. Die Klägerseite hat sich zur Begründung eines Aufklärungsverschuldens der Beklagtenseite nämlich unter Beweisantritt auch darauf berufen, durch den Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag sei bei ihr gezielt der unrichtige Eindruck erweckt worden, dass für die Vermittlung von Erwerb und Finanzierung der Eigentumswohnung lediglich die dort ausdrücklich ausgewiesenen und keine weiteren Vertriebsprovisionen zu zahlen seien, obwohl tatsächlich im Einvernehmen zwischen Vertrieb und Beklagtenseite wesentlich höhere Vertriebsprovisionen an die Vermittler geflossen seien.

1.

Danach ist eine arglistige Täuschung der Klägerseite über die Höhe der Vertriebsprovisionen dargetan, über die die Beklagtenseite sie hätte aufklären müssen. Wie der erkennende Senat in seinem nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Urteil vom 29. Juni 2010 ( XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 ff.) entschieden und im Einzelnen begründet hat, ist der formularmäßige Objektund Finanzierungsvermittlungsauftrag, der gemäß den nachstehenden Ausführungen unter 2. nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt auch im Streitfall zum Einsatz gekommen ist, angesichts des darin enthaltenen formularmäßigen Hinweises, der Auftrag solle durch die in Punkt 4 und 5 der nachfolgenden Aufstellung benannten Vermittlungsgesellschaften zu den dort im Einzelnen genannten Gebührensätzen ausgeführt werden, unter Berücksichtigung der Unklarheitenregel des § 5 AGBG (jetzt § 305c Abs. 2 BGB ) dahin auszulegen, dass es sich bei den als Finanzierungsvermittlungsgebühr und Courtage bezeichneten Provisionen um die Gesamtprovisionen handelt, zu denen die beiden Vermittlungsgesellschaften den Auftrag insgesamt ausführen sollten (Senatsurteil vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 Rn. 28 ff.). Dies war aber nach dem unter Beweis gestellten Vorbringen der Klägerseite eine bewusste Fehlinformation, da tatsächlich wesentlich höhere Provisionen an die Vermittler gezahlt werden sollten und wurden.

Das Berufungsgericht, das die nach dem Senatsurteil vom 29. Juni 2010 gebotene Auslegung des formularmäßigen Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrages und das sich daraus möglicherweise ergebende Aufklärungsverschulden der Beklagtenseite bei Abfassung seines Urteils noch nicht berücksichtigen konnte, hat den Sachverhalt unter diesem Gesichtspunkt noch nicht geprüft und die für einen entsprechenden Schadensersatzanspruch erforderlichen weiteren Feststellungen noch nicht getroffen.

2.

Zu Recht macht die Revision geltend, ein Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag, wie er Gegenstand des Senatsurteils vom 29. Juni 2010 gewesen ist, liege im Streitfall vor.

Nach dem vom Berufungsgericht gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Bezug genommenen Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils unterzeichnete die Klägerseite nach ihrem Vortrag unter anderem einen Antrag zur Objekt- und Finanzierungsvermittlung. In den von der Klägerseite vorgelegten Mustern des Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrags gemäß Anlagen B10/1 bis B10/3 heißt es mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts wie in dem Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag, der Gegenstand des Senatsurteils vom 29. Juni 2010 gewesen ist: "Ich erteile hiermit den Auftrag, mir das o.g. Objekt und die Finanzierung zu vermitteln. Der Auftrag soll durch die in Punkt 4 und 5 der nachfolgenden Aufstellung benannte Firma zu den dort genannten Gebührensätzen ausgeführt werden." Nach Punkt 4 der Aufstellung sollte die jeweilige Finanzierungsvermittlerin eine Finanzierungsvermittlungsgebühr, nach Punkt 5 die jeweilige Immobilienvermittlerin eine Courtage erhalten. Dass die Klägerseite einen "Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag" erteilt hat, hat die Beklagtenseite - wie die Revision zu Recht geltend macht - bereits in der Klageerwiderung zugestanden (§ 288 ZPO ). Die Voraussetzungen des § 290 ZPO für einen Widerruf dieses Geständnisses sind nicht dargetan.

III.

Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO ). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ).

Dieses wird, nachdem die Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag erhalten haben, nach Maßgabe des Senatsurteils vom 29. Juni 2010 ( XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 ff.) die erforderlichen Feststellungen zum Bestehen eines etwaigen Schadensersatzanspruchs wegen Aufklärungsverschuldens im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung der Klägerseite durch den Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag zu treffen haben.

Die Aufhebung und Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht auch Gelegenheit, Feststellungen zu der von der Klägerseite behaupteten - und bislang vom Berufungsgericht noch nicht näher erörterten - arglistigen Täuschung der Kläger durch die Vermittler über die Höhe der erzielbaren Miete zu treffen sowie im Hinblick auf die Ausführungen in der Revision den Antrag auf Anordnung der Vorlage der Einwertungsunterlagen gemäß § 142 Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung der vom Bundesgerichtshof zur Anwendung dieser Vorschrift entwickelten Grundsätze (Senatsurteil vom 26. Juni 2007 - XI ZR 277/05, BGHZ 173, 23 Rn. 18 ff.; Senatsbeschluss vom 15. Juni 2010 - XI ZR 318/09, WM 2010, 1448 Rn. 25) zu prüfen. Zudem wird das Berufungsgericht Gelegenheit haben, das Bestehen eines Schadensersatzanspruches wegen einer Aufklärungspflichtverletzung im Zusammenhang mit einem schwerwiegenden Interessenkonflikt der Beklagtenseite unter Berücksichtigung der Ausführungen der Parteien in der Revisionsinstanz sowie unter Berücksichtigung des Senatsbeschlusses vom 5. April 2011 - XI ZR 365/09 (WM 2011, 876) erneut zu prüfen (vgl. dazu auch Senatsurteile vom 20. März 2007 - XI ZR 414/04, WM 2007, 876 Rn. 50 mwN, vom 25. September 2007 - XI ZR 274/05, [...] Rn. 30, vom 18. März 2008 - XI ZR 241/06, BKR 2008, 249 Rn. 37 und XI ZR 246/06, WM 2008, 971 Rn. 41 sowie vom 11. Januar 2011 - XI ZR 46/09, WM 2011, 449 Rn. 20).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 31. Mai 2011

Vorinstanz: LG Gera, vom 12.09.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 2 O 2122/04
Vorinstanz: OLG Jena, vom 03.06.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 5 U 946/05