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BGH - Entscheidung vom 12.07.2010

AnwZ (B) 113/09

Normen:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7

BGH, Beschluss vom 12.07.2010 - Aktenzeichen AnwZ (B) 113/09

DRsp Nr. 2010/16982

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls

Ein nachträglicher Wegfall des Vermögensverfalls eines Rechtsanwalts ist nicht gegeben, wenn Zweifel verbleiben, ob er auf Dauer in der Lage ist, mit eigenen Mitteln das Auflaufen neuer Schulden zu vermeiden.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom 26. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7 ;

Gründe

I.

Der Antragsteller ist im Bezirk der Antragsgegnerin als Rechtsanwalt zugelassen. Seit 2004 kam es zu zahlreichen Zwangsvollstreckungsverfahren gegen den Antragsteller. Im August 2007 wurden gegen den Antragsteller etwa 20 Zwangsvollstreckungsverfahren wegen Forderungen von insgesamt rund 197.000 EUR betrieben. Mit Bescheid vom 8. August 2007 widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls. Seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen diesen Bescheid hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde.

II.

Das nach § 215 Abs. 3 BRAO i.V.m. § 42 Abs. 1 Nr. 2 , Abs. 4 BRAO a.F. zulässige Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

1.

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschl. v. 25. März 1991, AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschl. v. 21. November 1994, AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126; Beschl. v. 26. November 2002, AnwZ (B) 18/01, NJW 2003, 577 ).

2.

Diese Voraussetzungen lagen bei Erlass des Widerrufsbescheids vor.

a)

Zu diesem Zeitpunkt wurden gegen den Antragsteller schon seit mehreren Jahren immer wieder Klage- und Zwangvollstreckungsverfahren betrieben. Bei Erlass des Widerrufsbescheids waren folgende Verfahren bekannt geworden:

1.  A. und L. R. wegen  20.766,88 EUR, 
2.  Bankhaus N. wegen  2.000,00 EUR, 
3.  Bank AG wegen  60.000,00 EUR, 
4.  K. GmbH & Co. KG wegen  6.000,00 EUR, 
5.  E. und I. M. wegen  1.761,00 EUR, 
6.  Justizkasse C. wegen  5.027,60 EUR, 
7.  S. Ko. wegen  1.091,74 EUR, 
8.  Ka. GmbH wegen  252,62 EUR, 
9.  H. W. wegen  3.220,90 EUR, 
10.  N. Landesbesoldungsamt wegen  50,00 EUR, 
11.  RA P. Sch. wegen  2.559,46 EUR, 
12.  St. wegen  1.175,00 EUR, 
13.  Sparkasse B. wegen  25.564,60 EUR, 
14.  An. H. wegen  1.469,81 EUR, 
15.  F. Sche. wegen  1.132,80 EUR, 
16.  Kreissparkasse We. wegen  3.384,91 EUR, 
17.  Landesjustizkasse C. wegen  582,80 EUR, 
18.  An. Me. wegen  317,71 EUR, 
19.  Landesjustizkasse C. wegen  739,82 EUR. 

Diese Verfahren zeigen, dass die Vermögensverhältnisse des Antragstellers ein geordnetes Wirtschaften nicht ermöglichten. Sie waren so beengt, dass er selbst geringe Forderungen nicht begleichen konnte. Der Antragsteller hatte sich zwar auf Vermögenswerte berufen, war aber nicht imstande, diese zur Tilgung seiner Schulden einzusetzen.

b)

Wie der Bestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet sind, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet (Senat, Beschl. v. 31. März 2008, AnwZ (B) 33/07, [...] Rdn. 8). Das ist in der Regel auch der Fall, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2004, AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511 unter 2 a). Anhaltspunkte dafür, dass das hier bei Erlass des Widerrufsbescheids ausnahmsweise nicht der Fall war, sind nicht ersichtlich. Diese Gefahr hatte sich im Gegenteil im Fall des Gläubigers W. verwirklicht. Dessen Forderung resultiert nämlich daraus, dass der Antragsteller diesem Gläubiger Gelder vorenthalten hat, die er für ihn entgegengenommen hatte. Außerdem hatte sich der Antragsteller mehrfach wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung und Beihilfe zur Insolvenzverschleppung strafbar gemacht.

3.

Die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung sind auch nicht nachträglich entfallen.

a)

Im gerichtlichen Verfahren gegen Entscheidungen über den Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats zu berücksichtigen, ob der Grund für den Widerruf nachträglich entfallen ist (Senat, BGHZ 75, 356, 357; 84, 149, 150). Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass der Rechtsanwalt andernfalls nach Bestätigung des Widerrufs sogleich wieder zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden müsste. Erfolgt der Widerruf wegen Vermögensverfalls, besteht ein Anspruch auf Wiederzulassung aber nur, wenn geordnete Verhältnisse zweifelsfrei wiederhergestellt sind. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es ihm gelungen ist, den Vermögensverfall zu beseitigen, trifft den Rechtsanwalt (Senat, Beschl. v. 10. Dezember 2007, AnwZ (B) 1/07, BRAK-Mitt. 2008, 73 [Ls], [...] Rdn. 8; Feuerich/Weyland, BRAO , 7. Aufl., § 14 Rdn. 60). Deshalb kann ein nachträglicher Wegfall des Vermögensverfalls auch bei der gerichtlichen Überprüfung des Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nur berücksichtigt werden, wenn er zweifelsfrei nachgewiesen wird.

b)

Hierfür ist erforderlich, dass der betroffene Rechtsanwalt seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darlegt. Insbesondere muss er eine Aufstellung sämtlicher gegen ihn erhobener Forderungen vorlegen und im Einzelnen darlegen, ob diese Forderungen inzwischen erfüllt sind, oder in welcher Weise er sie zu erfüllen gedenkt (Senat, Beschl. v. 25. März 1991, AnwZ (B) 80/90, NJW 1991, 2083 ). Das allein genügt aber nicht. Eine nachträgliche Konsolidierung der Vermögensverhältnisse setzt vielmehr voraus, dass der Rechtsanwalt über die Begleichung der aufgelaufenen Schulden oder ihre geordnete Rückführung hinaus erreicht, dass dauerhaft keine neuen Schulden auflaufen, deren ordnungsgemäße Begleichung nicht durch entsprechende Geldmittel oder eingehaltene Vereinbarungen mit dem Gläubiger sichergestellt ist. Das muss ihm auch von sich aus und nachhaltig gelingen. Es genügt nicht, wenn der Rechtsanwalt eine Ordnung seiner Vermögensverhältnisse nur unter dem Druck immer wieder neuer Widerrufe seiner Zulassung aufrechterhalten oder erreichen (Senat, Beschl. v. 31. März 2008, AnwZ (B) 27/07, [...] Rdn. 15; Beschl. v. 4. März 2009, AnwZ (B) 78/08, BRAK-Mitt. 2009, 129 [Ls.] = [...] Rdn. 9) oder wenn er nur wirtschaften kann, indem er neue Schulden auflaufen lässt (Senat, Beschl. v. 14. November 2005, AnwZ (B) 93/04, [...] Rdn. 6; Beschl. v. 10. August 2009, AnwZ (B) 40/08, [...] Rdn. 10). Deshalb muss der Rechtsanwalt seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darstellen und belegen.

c)

Nach diesen Maßstäben hat der Antragsteller einen nachträglichen Wegfall des Vermögensverfalls nicht zweifelsfrei nachgewiesen.

aa)

Im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens sind einerseits noch folgende Forderungen bekannt geworden:

20.  GbR Ste. GmbH wegen  160,00 EUR 
21.  Landesjustizkasse Br. wegen Forderung in nicht bekannter Höhe. 

Der Antragsteller hat andererseits aber auch die Erledigung des überwiegenden Teils der gegen ihn betriebenen Zwangsvollstreckungsverfahren nachgewiesen. Offen sind noch die Forderungen zu Nr. 1 und 5. Wegen der nicht besonders hohen Forderung zu 5 führt der Antragsteller einen Rechtsstreit. Seine Darlegungen zu dem Schicksal der namhaften Forderung zu 1 sind unsubstantiiert. Zunächst hatte der Antragsteller vorgetragen, die Forderung beruhe auf einem Prozessbetrug, gegen den er sich wehre. Später hatte er dargelegt, die Titulierung beruhe auf einem Irrtum des Gerichts; es schwebten Vergleichsverhandlungen zur Bereinigung dieses Fehlers. Welches Ergebnis diese Verhandlungen hatten, hat der Antragsteller nicht mitgeteilt. Er verweist nur noch darauf, dass nicht vollstreckt werde. Damit kann diese Forderung nicht als erledigt angesehen werden.

bb)

Unabhängig hiervon ist zweifelhaft, ob der Antragsteller über die Rückführung der Schulden hinaus seine Vermögensverhältnisse dauerhaft konsolidiert hat. Er hat zwar eine Einnahme-Überschussrechnung vorgelegt, die einen Überschuss von rund 68.000 EUR ausweist. Außerdem hat er auf Außenstände in Höhe von rund 95.000 EUR verwiesen. Das genügt aber als Nachweis der Konsolidierung nicht. Den vorgelegten Unterlagen ist nicht zu entnehmen, wie werthaltig die abgerechneten Honorarforderungen sind. Zumindest einige der Mandanten sind entweder nicht bereit oder nicht in der Lage, mehr als kleine Raten zu entrichten. Damit verbleiben aber Zweifel, ob der Antragsteller auf Dauer in der Lage ist, mit eigenen Mitteln das Auflaufen neuer Schulden zu vermeiden. Diese Zweifel, die der Antragsteller auch in der mündlichen Verhandlung nicht ausräumen konnte, gehen zu seinen Lasten.

Vorinstanz: AGH Berlin, vom 26.10.2009 - Vorinstanzaktenzeichen II AGH 17/07