Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 14.04.2010

StB 5/10

Normen:
StGB § 129 Abs. 1, § 129 a Abs. 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 und 2
StGB § 129 Abs. 1
StGB § 129a
StGB § 129b

Fundstellen:
NJW 2010, 3042
StV 2010, 524

BGH, Beschluss vom 14.04.2010 - Aktenzeichen StB 5/10

DRsp Nr. 2010/8037

Voraussetzungen einer tateinheitlichen Strafbarkeit wegen einer Mitgliedschaft in einer inländischen kriminellen Vereinigung bei bereits bestehender Mitgliedschaft in einer ausländischen kriminiellen oder terroristischen Vereinigung im Inland

Haben sich Mitglieder einer ausländischen kriminellen oder terroristischen Vereinigung im Inland zu einer organisatorischen Struktur zusammengeschlossen, deren Zwecke oder Tätigkeit der Zielsetzung der ausländischen Vereinigung entsprechen, so können sie sich nur dann tateinheitlich auch wegen Mitgliedschaft in einer inländischen kriminellen Vereinigung strafbar machen, wenn ihre inländische Organisation einen eigenständigen, von der ausländischen Vereinigung unabhängigen Gesamtwillen bildet.

Tenor

1.

Auf die Beschwerde des Beschuldigten wird der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 16. Dezember 2009 aufgehoben und durch den nachfolgenden Haftbefehl ersetzt:

Der Beschuldigte ist in Untersuchungshaft zu nehmen.

Er ist dringend verdächtig, sich jedenfalls in der Zeit zwischen Juli 2008 und Januar 2009 den srilankischen "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) angeschlossen und deren auf die Begehung von Mord oder Totschlag gerichtete Tätigkeit durch seine Mitarbeit im Büro des von ihnen eingerichteten "Tamil Coordination Committee" (TCC) in O. gefördert zu haben, indem er in deren Angelegenheiten Telefonanrufe entgegengenommen, ihm mitgeteilte Informationen an die zuständigen Personen weitergeleitet und begehrte Auskünfte erteilt hat;

strafbar als mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union durch eine in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübte Tätigkeit (§ 129 b Abs. 1 Satz 2, § 129 a Abs. 1 Nr. 1 StGB ).

2.

Dieser Haftbefehl wird aufgehoben werden, wenn das Bundesministerium der Justiz nicht binnen einer Woche nach Zugang dieses Beschlusses gegenüber dem Bundesgerichtshof -3. Strafsenat - die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt (§ 130 StPO , § 129 b Abs. 1 Satz 3, § 77 e StGB ).

3.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

4.

Der Antrag des Beschuldigten, die Vollziehung des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 16. Dezember 2009 auszusetzen, ist damit gegenstandslos.

Normenkette:

StGB § 129 Abs. 1 ; StGB § 129a; StGB § 129b;

Gründe

I.

Auf Antrag des Generalbundesanwalts hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs am 16. Dezember 2009 angeordnet, den Beschuldigten in Untersuchungshaft zu nehmen. Er hat den Beschuldigten für dringend verdächtig gehalten, sich jedenfalls ab Sommer 2008 als "Führungskader" des "Tamil Coordination Committee" (TCC) in O. mit mindestens sechs weiteren Personen zu dem Zweck zusammengeschlossen zu haben, von Deutschland aus den "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) in Sri Lanka Vermögensund Sachwerte zur Verfügung zu stellen und die entsprechenden Gelder von tamilischen Immigranten in Deutschland mit teilweise erpresserischen Mitteln einfordern zu lassen (Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 Abs. 1 StGB ).

Nach der Festnahme des Beschuldigten am 3. März 2010 hat der Ermittlungsrichter mit Beschluss vom selben Tage den Haftbefehl aufrechterhalten und in Vollzug gesetzt. Seitdem befindet sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft. Mit seiner gegen die Entscheidungen des Ermittlungsrichters gerichteten Beschwerde begehrt er die Aufhebung des Haftbefehls. Der Ermittlungsrichter hat der Beschwerde nicht abgeholfen; der Generalbundesanwalt tritt ihr entgegen.

II.

Auf die zulässige Beschwerde des Beschuldigten ist der Haftbefehl des Ermittlungsrichters aufzuheben und durch den aus der Beschlussformel ersichtlichen Haftbefehl zu ersetzen.

1.

Die gegenwärtigen Erkenntnisse ergeben nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit, dass sich der Beschuldigte als Mitglied einer inländischen kriminellen Vereinigung nach § 129 Abs. 1 StGB angeschlossen hat. Der Beschuldigte ist indes dringend verdächtig, sich durch seine Mitarbeit im "Tamil Coordination Committee" (TCC) in O. an einer terroristischen Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union - den srilankischen "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) - durch eine in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübte Tätigkeit als Mitglied beteiligt zu haben (§ 129 b Abs. 1 Satz 2, § 129 a Abs. 1 Nr. 1 StGB ).

a)

Nach den vorliegenden Erkenntnissen ergibt sich im Sinne eines dringenden Tatverdachts folgender Sachverhalt:

aa)

Allgemeinkundig entstanden die LTTE im Jahre 1976 durch den Zusammenschluss verschiedener tamilischer Bewegungen in Sri Lanka, deren gemeinsames Ziel die Loslösung des mehrheitlich von Tamilen besiedelten Nord- und Ostteils der Insel vom singhalesisch geprägten Reststaat war. Hierarchisch auf die Person ihres Führers Vellupillai Prabhakaran und dessen Ideologie ausgerichtet, verfolgten sie ihr Ziel eines selbständigen "Tamil Eelam" in erster Linie durch bewaffneten Kampf, der sich nicht nur gegen die srilankischen Regierungstruppen, sondern auch gegen rivalisierende Gruppierungen richtete. Bis 1986 gelang es ihnen, neben der Halbinsel Jaffna weite Teile der Nord- und der Ostprovinzen des Landes unter ihre Kontrolle zu bringen, wo sie nach und nach eigene staatsähnliche Strukturen schufen. Ab 2002 wurden dort ein zentrales "politisches Büro" mit Sitz in Kilinochchi sowie "Ministerien" für Justiz, Polizei, Finanzen und Verteidigung errichtet. Der zudem erhobene Alleinvertretungsanspruch für alle Tamilen weltweit führte in der Zuständigkeit eines "Außenministeriums" zur Entwicklung von Organisationsstrukturen auch über Sri Lanka hinaus. Der Finanzierung der LTTE dienten die in den besetzten Gebieten erhobenen "Steuern" und die "Spendengeldsammlungen" unter den Auslandstamilen.

Militärisch verfügten die LTTE über Infanterieeinheiten ("Tigers") sowie über eine Anzahl zu Kampfzwecken umgerüsteter Schnellboote ("Sea Tigers") und Flugzeuge ("Air Tigers"). Daneben unterhielten sie eine Spezialeinheit ("Black Tigers"), deren Aufgabe neben militärischen Kommandoaktionen auch Anschläge auf zivile Ziele waren. Ihren auf insgesamt mehr als 200 geschätzten Selbstmordattentaten fielen unter anderem am 21. Mai 1991 bei Madras der indische Premierminister Rajiv Ghandi und am 1. Mai 1993 in Colombo der srilankische Staatspräsident Ranasinghe Premadasa zum Opfer.

Im Guerillakampf mit ihrem abtrünnigen Kommandeur Muralitharan ("Karuna") verloren die LTTE ab 2004 zunächst die Ostprovinzen. Verstärkte Offensiven der Armee ab 2007 drängten sie weiter zurück, bis es im Frühjahr 2009 zu ihrer militärischen Zerschlagung kam. Ihr Führer Vellupillai Prabhakaran wurde am 18. Mai 2009 von srilankischen Regierungstruppen getötet.

bb)

Die Strukturen des TCC erhellen sich in erster Linie aus den Angaben ihm unterstellter Gebietsverantwortlicher in mehreren Gesprächen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg zwischen März 2006 und Januar 2007. Danach galt das TCC als die "LTTE in Deutschland" und dessen Leiter Sr. alias V. als der "Chef der LTTE für Deutschland". Zuständig war das TCC insbesondere für die politische Öffentlichkeitsarbeit und für die Geldsammlungen unter den in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Tamilen. Seine Vorgaben und Befehle erhielt es unmittelbar aus der Zentrale der LTTE in Kilinochchi. Bei seiner Arbeit stützte sich das TCC auf ein bundesweites, hierarchisch aufgebautes Netz aus Gebiets-, Stadt- und Raumverantwortlichen. Diese waren - wie die mindestens sechs weiteren im Büro des TCC in O. tätigen Personen - an die Weisungen des V. gebunden und ihm gegenüber rechenschaftspflichtig. Gleichermaßen hat der im O. er Büro für Pressearbeit und Behördenkontakte zuständige W. das TCC in einer Zeugenaussage beim Polizeipräsidium D. am 8. Mai 2007 als "politische Abteilung der LTTE für Deutschland" bezeichnet.

Bestätigt werden diese Angaben durch Erkenntnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz aus der Überwachung des Post- und Telefonverkehrs des TCC im Rahmen von G 10 - Maßnahmen. Ein Telefongespräch belegt, dass die Funktionäre der LTTE in Sri Lanka Immigranten in Deutschland bei Fragen an das TCC verweisen (Sachakte Bd. II Reiter Erkenntnisse BfV Bl. 97). Tamilen in Deutschland, die sich schriftlich an das TCC wandten, bezeichneten dieses regelmäßig als "LTTE Deutschland" und dessen Leiter V. als "Verwalter" oder "Verantwortlichen" der "LTTE Deutschland" (Bl. 177, 183, 191, 198, 205, 209, 217, 235, 262). Andere Telefongespräche bestätigen die umfassenden Direktionsbefugnisse V. s innerhalb des TCC (Bl. 124, 126, 214 ff., 217).

cc)

Der Beschuldigte hat sich, wie seine eigenen Äußerungen gegenüber Dritten belegen, gegenüber den LTTE zur Mitarbeit bereiterklärt, um die Freilassung seiner in Sri Lanka zwangsrekrutierten Schwester zu erreichen. Er wurde von den LTTE deshalb - ohne nennenswerte Bezahlung - dem Büro der TCC in O. zugewiesen, um dort zu "lernen"; danach sollte er nach Sri Lanka zurückkehren und sich dort anstelle der Schwester einer kämpfenden Einheit anschließen (Sachakte Bd. II Reiter Erkenntnisse BfV Bl. 113 - 116). Unter der Aliaspersonalie M. diente er als telefonischer Ansprechpartner nach außen, nahm Informationen für das Büro entgegen und erteilte Auskünfte allgemeiner Art, etwa zu Besprechungsterminen oder zum Undiyal-Banking, dem vom TCC organisierten privaten Geldtransfer hier wohnhafter Tamilen in die Heimat (Bl. 97, 132, 140, 147, 148).

Die Identität des M. mit dem Beschuldigten ergibt sich aus zwei Telefongesprächen, die vom Festnetzanschluss der TCC aus geführt wurden. Am 30. Juli 2008 rief ein R. seinen Vater an; der Angerufene führt den Namen S. (Bl. 108). Am 20. August 2008 sprach M. mit einer Verwandten, die ihn R. nannte; sie gab das Gespräch an eine andere Person weiter, die ihn als R. begrüßte (Bl. 115).

b)

Danach ist das dem Beschuldigten vorgeworfene Tatgeschehen rechtlich wie folgt zu bewerten:

aa)

Die LTTE waren - jedenfalls bis zu ihrer mutmaßlichen Zerschlagung durch die srilankischen Regierungstruppen im Frühjahr 2009 - eine Vereinigung, deren Zwecke und deren Tätigkeit (auch) darauf gerichtet waren, Mord oder Totschlag zu begehen (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1 StGB ). Sie bestand im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (§ 129 b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB ), denn der Schwerpunkt ihrer organisatorischen Strukturen und ihr eigentliches Aktionsfeld befanden sich in Sri Lanka. Allein der Umstand, dass die Strukturen und Aktivitäten einer Vereinigung teilweise in die Bundesrepublik Deutschland hereinreichen - hier: Einrichtung eines "Büros" als Kontaktstelle für Unterstützer und zur Vermittlung der Ziele in der Öffentlichkeit; Aufbau eines Netzes zur Erschließung von Finanzierungsquellen - macht sie noch nicht zu einer Vereinigung (auch) im Inland.

bb)

Das TCC war keine selbständige Teilorganisation der LTTE in Deutschland; entgegen der Auffassung des Ermittlungsrichters und des Generalbundesanwalts bildeten dessen Mitglieder deshalb keine - neben die LTTE tretende - Vereinigung gemäß § 129 StGB .

(1)

Eine Vereinigung im Sinne der Vorschriften der §§ 129 ff. StGB ist ein auf eine gewisse Dauer angelegter freiwilliger organisatorischer Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen (st. Rspr.; zuletzt BGHSt 54, 69 = NJW 2009, 3448 Rdn. 116 m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich des TCC nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit belegt. Denn die bisherigen Erkenntnisse ergeben nicht, dass sich innerhalb der TCC eine eigenständige, von der ausländischen Vereinigung abgrenzbare Willensbildung vollzog.

Die Beziehungen der im TCC tätigen Personen untereinander erschöpften sich vielmehr in der gemeinsamen Mitgliedschaft in der LTTE. Das TCC war nicht nur eingegliedert in deren Hierarchie, sondern nach den Angaben des Beschuldigten oblag es allein der Entscheidung der LTTE, ob Personen in einer Einrichtung wie dem TCC oder in einer kämpfenden Einheit eingesetzt wurden. Auch nach außen hin trat das TCC auf als Repräsentanz der LTTE in Deutschland. Sein Leiter V. war zwar weisungsberechtigt gegenüber den anderen Mitarbeitern im TCC sowie den nachgeordneten Gebiets-, Stadt- und Raumverantwortlichen, unterstand aber selbst unmittelbar dem politischen Büro in Kilinochchi und war abhängig von dessen Weisungen. Gerade im Hinblick auf die Spendensammlungen verfügte das TCC nicht über Freiräume, aus denen sich die Gesamtorganisation zurückgezogen hätte. Die LTTE hatte die Beitreibung von Spenden in Deutschland nicht etwa aus ihrem Organisationsbereich ausgegliedert. Vielmehr gab es in Sri Lanka Zuständige für die "Auslandsfinanzen" (Sachakte Bd. II Reiter Erkenntnisse BfV Bl. 22). Die eigene Nähe der LTTE zu den "Spendensammlungen" wird aber vor allem dadurch belegt, dass sie angebliche Zahlungspflichten in Deutschland lebender Tamilen ausschließlich mittels Verschleppung oder Zwangsrekrutierung von Familienangehörigen in Sri Lanka durchzusetzen trachtete (Bl. 11, 25, 93). Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand kam dem TCC damit lediglich die Funktion zu, die Entscheidungsprozesse der ausländischen Kernorganisation bei gleichzeitiger Unterordnung unter deren Willensbildung im Inland umzusetzen und zu vollstrecken. Angesichts dieser Umstände sind dringende Anhaltspunkte für einen eigenständigen, von der ausländischen Vereinigung unabhängigen Willensbildungsprozess der TCC nicht ersichtlich.

(2)

Eine eigene Willensbildung ist jedoch für eine Strafbarkeit nach § 129 StGB auch dann nicht entbehrlich, wenn sich im Inland organisatorische Strukturen zur Unterstützung der Ziele einer ausländischen Vereinigung gebildet haben. Zwar ist der Bundesgerichtshof in früheren Entscheidungen von einer Anwendbarkeit der §§ 129 , 129 a StGB ausgegangen, wenn die ausländische Vereinigung zumindest in Form einer Teilorganisation auch auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland existierte und diese ihrerseits die Voraussetzungen der §§ 129 , 129 a StGB erfüllte, wobei in diesen Fallkonstellationen nicht verlangt wurde, dass sich die organisierte Willensbildung innerhalb der inländischen Teilorganisation vollzog. Es genügte vielmehr, dass deren Mitglieder in die Willensbildung der ausländischen oder internationalen Organisation integriert waren und sich den auf dieser Ebene getroffenen Entschlüssen gegebenenfalls unter Zurückstellung ihrer individuellen Meinungen unterwarfen (vgl. BGH NJW 1966, 310, 312; BGH, Beschl. vom 12. Oktober 2001 - AK 14/01; Krauß in LK 12. Aufl. § 129 Rdn. 36; Schmidt NStZ-RR 2002, 161).

An dieser Auffassung kann aber mit Blick auf die Einführung des § 129 b StGB durch das 34. StrÄndG vom 22. August 2002 nicht mehr festgehalten werden. Die hierdurch veränderte Rechtslage lässt vielmehr die Verfolgung eines Mitglieds oder Unterstützers einer ausländischen Vereinigung (auch) unter dem Gesichtspunkt der Mitgliedschaft in oder Unterstützung einer inländischen Teilorganisation nach §§ 129 , 129 a StGB nur noch dann zu, wenn die inländische Teilorganisation unabhängig von der ausländischen Gesamtorganisation auch einen eigenen Willensbildungsprozess vollzieht, dem sich ihre Mitglieder unterwerfen. Dies ergibt sich aus Folgendem:

§ 129 b StGB erfasst - soweit hier von Belang - nunmehr jede Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung durch eine im Inland ausgeübte Tätigkeit. Auf das Vorhandensein von Organisationsstrukturen der Vereinigung im Inland kommt es dabei nicht an. Es ist gerade die für § 129 b Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB typische Fallgestaltung, dass das Handeln des Täters im Inland bestimmt wird durch seine Einbindung in die ausländische Organisation und seine Unterwerfung unter die auf deren Ebene getroffenen Entscheidungen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es bei isoliertem Handeln eines Einzelnen verbleibt oder ob die Vorgaben der Gesamtorganisation ein Zusammenwirken des Täters mit anderen Beteiligten im Inland bedingen, denn allein aus einer gemeinschaftlichen Beteiligungshandlung im Inland lässt sich das Bestehen einer gesonderten Vereinigung im Sinne der §§ 129 , 129 a StGB nicht ableiten.

Bilden die im Inland handelnden Mitglieder einer ausländischen Vereinigung keinen eigenständigen Gesamtwillen, so weist die Tat auch keinen Unrechtsgehalt auf, der über den bereits von § 129 b Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB erfassten hinausginge. Strafgrund der §§ 129 ff. StGB ist die erhöhte kriminelle Intensität, die in der Gründung oder Fortführung einer festgefügten Organisation ihren Ausdruck findet, die kraft der ihr innewohnenden Eigendynamik eine erhöhte Gefährlichkeit für wichtige Rechtsgüter der Gemeinschaft mit sich bringt (BGHSt 31, 202 , 207). Diese für größere Personenzusammenschlüsse typische Eigendynamik hat ihre spezifische Gefährlichkeit darin, dass sie geeignet ist, dem einzelnen Beteiligten die Begehung von Straftaten zu erleichtern und bei ihm das Gefühl persönlicher Verantwortung zurückzudrängen (BGH NJW 1992, 1518 ). Ohne eine organisierte und auf Dauer angelegte Bildung eines Gesamtwillens, dem sich die einzelnen Mitglieder unter Zurückstellung ihrer individuellen Meinungen unterwerfen, kann sich eine solche Eigendynamik indes nicht entfalten (vgl. Miebach/Schäfer in MünchKomm- StGB § 129 Rdn. 4). Mangelt es der inländischen Gruppierung also an einer eigenständigen organisierten Willensbildung, so kann sie die bereits von der Gesamtorganisation ausgehende (abstrakte) Gefährdung der Allgemeinheit nicht noch weiter intensivieren.

Des weiteren knüpft § 129 b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB die Verfolgung der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch dann an eine Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und damit an eine besondere Prozessvoraussetzung (Krauß aaO Rdn. 31), wenn die Tat durch eine im Inland ausgeübte Tätigkeit begangen wird. Das Ermächtigungserfordernis dient der Wahrung der außenpolitischen Belange der Bundesrepublik Deutschland; so können gegen eine "undifferenzierte" Strafverfolgung dann durchgreifende Bedenken bestehen, wenn ein Prozess der Verständigung zwischen den Beteiligten an einem bewaffneten Konflikt im Ausland eingeleitet wurde (BTDrucks. 14/8893 S. 8). Es entspricht damit einer gesetzgeberischen Grundentscheidung, die Verfolgung einer Tat im Sinne des § 129 b Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB von der Prüfung abhängig zu machen, ob solche Belange im Einzelfall berührt sein können. Diese würde umgangen, nähme man unter Verzicht auf das Merkmal der eigenständigen Willensbildung gleichzeitig eine inländische Vereinigung an.

cc)

Der Beschuldigte ist dringend verdächtig, sich den LTTE als Mitglied angeschlossen zu haben.

(1)

Der Beteiligung an einer ausländischen Vereinigung als Mitglied steht - anders als der Generalbundesanwalt nunmehr in der Erwiderung auf die Beschwerde meint - nicht entgegen, dass sich der Täter ausschließlich im Inland und damit außerhalb des unmittelbaren Betätigungsgebiets der Kernorganisation aufgehalten hat; in einem solchen Falle bedürfen nur die tatbestandlichen Voraussetzungen der Mitgliedschaft besonderer Prüfung (BGHSt 54, 69 = NJW 2009, 3448 Rdn. 128). Die mitgliedschaftliche Beteiligung setzt allgemein voraus, dass der Täter sich, getragen von beiderseitigem übereinstimmendem Willen und angelegt auf eine gewisse Dauer, in die Organisation eingliedert, sich ihrem Willen unterordnet und eine aktive Tätigkeit zur Förderung ihrer Ziele entfaltet (BGH aaO Rdn. 123). Nach den oben dargelegten Erkenntnissen sind diese Voraussetzungen gegeben, denn der Beschuldigte hat sich willentlich in die nach Deutschland hineinreichende Hierarchie der LTTE eingegliedert und dort die ihm von der Organisation zugedachten Funktionen übernommen.

(2)

Zwar hat sich der Beschuldigte zur Mitarbeit bei den LTTE nur deshalb bereiterklärt, weil er die Entlassung seiner in Sri Lanka zwangsrekrutierten Schwester erreichen wollte. Es spricht aber nichts für eine solche Zwangslage des Beschuldigten, dass er sich ohne willentliche Übereinstimmung mit der Organisation lediglich dem autoritären Verlangen ihrer Verantwortlichen unterworfen hätte. Der Mitgliedschaft steht auch nicht entgegen, dass die Tätigkeit des Beschuldigten von untergeordneter Art blieb, denn er hat dennoch den Zusammenhalt der Organisation gestärkt und zur Verwirklichung ihrer Ziele beigetragen. Gleichwohl ist festzuhalten, dass beide Umstände die Tat in milderem Licht erscheinen lassen und die Straferwartung deutlich einschränken.

2.

Es besteht der Haftgrund des § 112 Abs. 3 StPO . Nach den Umständen ist zu besorgen, dass ohne die Festnahme des Beschuldigten die Verfolgung der Tat gefährdet wäre. Trotz der eingeschränkten Straferwartung bleibt eine nicht unerhebliche Wahrscheinlichkeit, dass sich der Beschuldigte, auf freien Fuß gesetzt, dem weiteren Strafverfahren durch Ausreise entziehen wird.

Er ist srilankischer Staatsangehöriger, hat in Sri Lanka familiäre Bindungen und ist nur für einen von vornherein begrenzten Zeitraum in der Bundesrepublik Deutschland eingereist. Weniger einschneidende Maßnahmen können den Zweck der Untersuchungshaft nicht erreichen (§ 116 Abs. 1 StPO ). Der Beschuldigte ist nach den vorliegenden Erkenntnissen eingebunden in die nach Deutschland hereinreichenden Strukturen der LTTE und verfügt so über ein Netzwerk von Unterstützern, das ihm auch entgegen möglichen Auflagen und Weisungen ein Untertauchen wesentlich erleichtert.

3.

Die Fortdauer der Untersuchungshaft ist noch verhältnismäßig. Erteilt das Bundesministerium der Justiz die erforderliche Ermächtigung zur Strafverfolgung (nachfolgend 4.), wird das Verfahren indes, auch wegen der eingeschränkten Straferwartung, alsbald zum Abschluss zu bringen sein. Weitere Ermittlungsansätze, die zur Vertiefung des Tatvorwurfs gegen den Beschuldigten führen könnten, sind gegenwärtig nicht ersichtlich. Der Senat geht deshalb davon aus, dass die Anklage noch vor der Haftprüfung nach § 121 Abs. 1 StPO erhoben werden kann.

4.

Der Anordnung der Untersuchungshaft steht nicht entgegen, dass das Bundesministerium der Justiz am 28. Oktober 2009 erklärt hat, die nach § 129 b Abs. 1 Satz 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur Strafverfolgung nicht zu erteilen. Ein endgültiges Verfahrenshindernis ist damit nicht eingetreten, denn nach dem Wortlaut der Erklärung hat das Bundesministerium der Justiz auf eine Ermächtigung nicht verzichtet. Es ist lediglich davon ausgegangen, eine Strafverfolgung werde auch ohne Ermächtigung möglich sein.

Indes ist dem Bundesministerium der Justiz nunmehr gemäß § 130 StPO eine Erklärungsfrist zu setzen, denn der Haftbefehl lässt sich nach den bisherigen Ermittlungen ausschließlich auf den dringenden Verdacht der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung stützen. Insbesondere haben sich über das Organisationsdelikt hinaus keine Hinweise auf konkrete dem Beschuldigten zuzurechnende Ausführungstaten ergeben.

Fundstellen
NJW 2010, 3042
StV 2010, 524