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BGH - Entscheidung vom 02.02.2010

VI ZR 254/08

Normen:
StGB § 264a
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 826

BGH, Beschluss vom 02.02.2010 - Aktenzeichen VI ZR 254/08

DRsp Nr. 2010/5451

Haftung aufgrund unzutreffenden Prospektangaben hinsichtlich von Weichkosten im Zusammenhang mit einer Geldanlage; Notwendigkeit des Vorliegens von Vorsatz des Täters hinsichltich der Erheblichkeit eines anlagerelevanten Umstands

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 8. September 2008 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gegenstandswert: 29.527,10 €

Normenkette:

StGB § 264a; BGB § 823 Abs. 2 ; BGB § 826 ;

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

1.

Kein Rechtsfehler liegt allerdings vor, soweit das Berufungsgericht eine Haftung des Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 264a StGB und aus § 826 BGB deshalb verneint, weil dem Beklagten kein vorsätzliches Handeln betreffend die unzutreffenden Prospektangaben zu den Weichkosten zur Last gelegt werden könne. Die Erheblichkeit eines anlagerelevanten Umstands ist ein normatives Tatbestandsmerkmal, was bedeutet, dass der Täter nicht nur die tatsächlichen Umstände kennen, sondern zugleich die rechtliche Wertung der Erheblichkeit nachvollziehen muss; ob diese Voraussetzung im Einzelfall gegeben ist, unterliegt tatrichterlicher Würdigung, die das Revisionsgericht bis zur Grenze der Vertretbarkeit hinzunehmen hat (BGH, Urteil vom 12. Mai 2005 - 5 StR 283/04 - NJW 2005, 2242 ; vgl. auch BVerfG, NJW 2008, 1726 ). Auch wenn der vom Bundesverfassungsgericht entschiedene Fall, wie die Nichtzulassungsbeschwerde mit Recht geltend macht, anders lag als der Streitfall, gilt doch der Grundsatz, dass der Vorsatz sich zwingend auf die einzelnen Elemente der Begehungsweise beziehen muss, allgemein. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe nicht vorsätzlich gehandelt, weil er seinerzeit auch aufgrund rechtlicher Beratung habe glauben dürfen, die Prospekte seien hinsichtlich der Darstellung der Weichkosten unbedenklich, ist danach eine rechtlich nicht zu beanstandende tatrichterliche Würdigung.

2.

Unter entscheidungserheblichem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG hat das Berufungsgericht jedoch weiteren Vortrag des Klägers übergangen, aus dem sich die Haftung des Beklagten nach den genannten Vorschriften ergeben kann.

Die Nichtzulassungsbeschwerde macht unter konkretem Hinweis auf den Sachvortrag in den Vorinstanzen geltend: Nach dem vom Berufungsgericht als zutreffend unterstellten und beweisbewehrten Vortrag des Klägers seien zwischen der C. GmbH und dem Beklagten von den Prospektangaben abweichende Sondervereinbarungen über die Honorierung der I. GmbH getroffen worden. Unstreitig sei, dass der Beklagte gleichzeitig Mehrheitsgesellschafter der C. GmbH, der Initiatorin, Prospektherausgeberin und Komplementärin der Fondsgesellschaft, und Gesellschafter-Geschäftsführer der I. GmbH gewesen sei. Es entspreche aber der seit Jahrzehnten gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass ein Prospekt wesentliche kapitalmäßige und personelle Verflechtungen zwischen einerseits der Komplementär-GmbH, ihren Geschäftsführern und beherrschenden Gesellschaftern und andererseits den Unternehmen sowie deren Geschäftsführern und beherrschenden Gesellschaftern offenzulegen habe, in deren Hand die Beteiligungsgesellschaft die nach dem Emissionsprospekt durchzuführenden Vorhaben ganz oder wesentlich gelegt habe. Nicht nur auf die Sonderabsprachen und auf die in Rede stehende Verflechtung, sondern auch auf den daraus resultierenden Prospektfehler habe der Kläger in aller Deutlichkeit hingewiesen. Er habe dabei auch dargelegt, dass die Verflechtung einen anlageentscheidenden, also im Sinne des § 264a Abs. 1 StGB erheblichen Umstand darstelle und dass sie vom Beklagten bewusst verschwiegen worden sei.

Mit diesen Gesichtspunkten, deren Vortrag sich aus den Akten ergibt, hat sich das Berufungsgericht in dem angefochtenen Urteil nicht befasst. Zwar ist der Nichtzulassungsbeschwerdeerwiderung darin zuzustimmen, dass in den Entscheidungsgründen eines Urteils nicht zu jedem Punkt des Parteivortrags Stellung genommen werden muss. Den von der Nichtzulassungsbeschwerde dargestellten Sachvortrag durfte das Berufungsgericht indes nicht unerörtert lassen, da sich daraus in Anbetracht der dargestellten Rechtsprechung eine Haftung des Beklagten ergeben kann. Das Berufungsgericht hat den Vorsatz des Beklagten lediglich mit der Erwägung verneint, er habe seinerzeit die Rechtsprechung des III. Zivilsenats zu den Weichkosten noch nicht kennen können. Die Rechtsprechung zur Notwendigkeit der Offenlegung kapitalmäßiger und personeller Verflechtungen war indes zum Zeitpunkt der hier in Frage stehenden Beteiligungen längst gefestigt (vgl. BGHZ 79, 337, 345; Urteile vom 14. Januar 1985 - II ZR 41/84 - WM 1985, 533, 534; vom 4. März 1987 - IVa ZR 122/85 - WM 1987, 495, 497; vom 10. Oktober 1994 - II ZR 95/93 - NJW 1995, 130 ; vom 7. April 2003 - II ZR 160/02 - NJW-RR 2003, 1054, 1055; zu diesem Gesichtspunkt im Zusammenhang mit den vorliegend in Frage stehenden Anlagen vgl. auch BGH, Urteile vom 29. Mai 2008 - III ZR 59/07 - NJW-RR 2008, 1129 Rn. 25; vom 6. November 2008 - III ZR 231/07 - NJW-RR 2009, 329 Rn. 13).

Da der vorgenannte Sachvortrag des Klägers im Berufungsurteil auch nicht ansatzweise gewürdigt wird, lässt sich nicht ausschließen, dass das Berufungsgericht ihn nicht zur Kenntnis genommen und erwogen hat. Dem hält die Nichtzulassungsbeschwerdeerwiderung ohne Erfolg entgegen, es sei offensichtlich, dass das Berufungsgericht den Vortrag als verspätet nicht hätte zulassen dürfen. Dabei kann dahinstehen, inwieweit das Revisionsgericht überhaupt auf die Verspätungsvorschriften zurückgreifen kann, wenn der Tatrichter sie nicht angewendet hat. Denn jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass die gesellschaftliche Verflechtung streitig gewesen wäre, und der Vortrag einer Rechtsansicht kann nicht als verspätet behandelt werden.

Die Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des in Frage stehenden Sachvortrags zu einer abweichenden Beurteilung der Haftungsfrage gelangt wäre. Die Bemerkung in dem Berufungsurteil, der Beklagte sei nicht prospektverantwortlich gewesen, steht dem nicht entgegen. Der Kapitalanlagebetrug gemäß § 264a StGB ist kein Sonderdelikt. Täter kann nicht nur der Herausgeber des Prospektes sein, sondern jedermann, der im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Kapitalanlagen falsche Angaben macht. Neben den eigentlichen Emittenten kommen als Täter auch andere Personen in Betracht, wenn und soweit diese tatsächlich Einfluss auf den Inhalt haben (vgl. Münch-Komm-StGB/Wohlers, § 264a Rn. 62 ff.). Dies war nach dem Vortrag des Klägers bei dem Beklagten der Fall.

Vorinstanz: OLG München, vom 08.09.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 17 U 2358/08
Vorinstanz: LG München I, vom 23.01.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 23 O 8747/07