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BGH - Entscheidung vom 20.04.2010

KVR 1/09

Normen:
GWB § 71 Abs. 2
GWB § 19 Abs. 3 S. 2 Nr. 1
GWB § 40 Abs. 1 S. 1
GWB § 40 Abs. 2 Nr. 1
GWB § 71 Abs. 2 S. 2
GWB § 76 Abs. 4

Fundstellen:
WM 2010, 1091

BGH, Beschluss vom 20.04.2010 - Aktenzeichen KVR 1/09

DRsp Nr. 2010/8007

Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde in einer Fusionskontrollsache nach Aufgabe des Zusammenschlussvorhabens; Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer erledigten kartellrechtlichen Untersagungsverfügung; Ähnlich große Marktanteile als Indiz für einen Binnenwettbewerb ausschließende enge Reaktionsverbundenheit marktstarker Unternehmen; Rücknahme der Anmeldung eines Zusammenschlussvorhabens bis zum Erlass einer verfahrensabschließenden Verfügung; Berücksichtigung (über längere Zeit) unverändert gebliebener Marktanteile als für ein marktbeherrschendes Oligopol sprechender Umstand i.R.d. erforderlichen Gesamtwürdigung; Wettbewerb unter den als Mitglieder eines Oligopols in Betracht kommenden Unternehmen trotz ungünstiger Strukturmerkmale; Auswirkungen einer wesentlichen Veränderung der Marktverhältnisse auf das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse i.R.e. Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde in Fusionskontrollsachen; Entfallen der prägenden Bedeutung der Begründung einer erledigten kartellrechtlichen Untersagungsverfügung für die Prüfung eines künftigen Zusammenschlussvorhabens

GWB § 71 Abs. 2 Zur Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde in Fusionskontrollsachen nach Aufgabe des Zusammenschlussvorhabens - a) Unter dem Gesichtspunkt der Präjudizierung kann sich das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht mehr ergeben, wenn sich die Marktverhältnisse bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Rechtsbeschwerdeinstanz so wesentlich geändert haben, dass die Begründung der erledigten Untersagungsverfügung keine prägende Bedeutung für die Prüfung eines künftigen Zusammenschlussvorhabens mehr haben kann (Fortführung von BGHZ 174, 179 - Springer/ProSieben).- b) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der erledigten Untersagungsverfügung ist der Zeitpunkt der Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache. GWB § 40 Abs. 1 Satz 1 Die Anmeldung eines Zusammenschlussvorhabens kann bis zum Erlass einer verfahrensabschließenden Verfügung grundsätzlich jederzeit zurückgenommen werden. GWB § 19 Abs. 3 Satz 2 - a) Ähnlich große Marktanteile sind nicht schon als solche ein Indiz für eine Binnenwettbewerb ausschließende enge Reaktionsverbundenheit marktstarker Unternehmen; über längere Zeit unveränderte Marktanteile können jedoch im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung als für ein marktbeherrschendes Oligopol sprechender Umstand berücksichtigt werden.- b) Besteht trotz ungünstiger Strukturmerkmale tatsächlich Wettbewerb unter den als Mitglieder eines Oligopols in Betracht kommenden Unternehmen, so kann dieser nicht allein deshalb als unwesentlich angesehen werden, weil eine hohe Markttransparenz jedem Unternehmen eine kurzfristige Reaktion auf Wettbewerbsvorstöße der anderen ermöglicht.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen zu 5 wird der Beschluss des 1. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. November 2008 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Bundeskartellamts vom 11. April 2007 (B 3 - 33101 - Fa - 578/06) rechtswidrig gewesen ist.

Das Bundeskartellamt trägt die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendigen Kosten der Betroffenen zu 1 und 5. Sonstige außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 30 Mio. EUR festgesetzt.

Normenkette:

GWB § 19 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 ; GWB § 40 Abs. 1 S. 1; GWB § 40 Abs. 2 Nr. 1 ; GWB § 71 Abs. 2 S. 2; GWB § 76 Abs. 4 ;

Gründe

A.

Die Phonak Holding AG (Betroffene zu 1, nunmehr Sonova Holding AG, im Folgenden: Phonak), ein in der Schweiz ansässiges Unternehmen, beabsichtigte, von der GN Store Nord A/S, Ballerup, Dänemark (Betroffene zu 5, im Folgenden: GN Store) sämtliche Geschäftsanteile an den Betroffenen zu 2 bis 4 zu erwerben und dadurch die GN ReSound-Gruppe (im Folgenden: GN ReSound) zu übernehmen. Sowohl Phonak wie auch GN ReSound produzieren Hörgeräte, die sie weltweit vertreiben.

Phonak meldete das Zusammenschlussvorhaben mit Schreiben vom 8. November 2006 beim Bundeskartellamt an. Am 4. Dezember 2006 unterrichtete die Berichterstatterin der Beschlussabteilung den für Phonak als Bevollmächtigten tätigen Rechtsanwalt darüber, dass die kartellrechtliche Beurteilung nicht innerhalb der Monatsfrist des § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB abgeschlossen werden könne, weil weitere Ermittlungen zu den Wettbewerbsverhältnissen erforderlich seien. Daraufhin nahm Phonak am 5. Dezember 2006 die Anmeldung zurück und meldete das Vorhaben am 13. Dezember 2006 unter vollständiger Bezugnahme auf die ursprüngliche Anmeldung erneut an. Mit am 13. Januar 2007 zugestelltem Schreiben unterrichtete die Beschlussabteilung Phonak über den Eintritt in das Hauptprüfverfahren (§ 40 Abs. 1 GWB ).

Das Bundeskartellamt hat den Zusammenschluss durch Verfügung vom 11. April 2007 untersagt (WuW/E DE-V 1365).

Gegen diese Verfügung haben Phonak und GN Store Beschwerde eingelegt. Nachdem das Beschwerdegericht es abgelehnt hatte, den Beschwerdeführern im Wege der einstweiligen Anordnung zu gestatten, den untersagten Zusammenschluss zu vollziehen, teilte Phonak am 15. August 2007 die Aufgabe des Zusammenschlussvorhabens mit. Phonak und GN Store haben ihre Beschwerde daraufhin als Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde fortgeführt und beantragt,

festzustellen, dass der Beschluss des Bundeskartellamts vom 11. April 2007 unbegründet gewesen ist,

hilfsweise

festzustellen, dass der Beschluss des Bundeskartellamts vom 11. April 2007 insoweit unbegründet gewesen ist, als dieser auch den Erwerb der GN ReSound A/S (Ballerup, Dänemark), der GN US-Holding Inc. (Bloomington, USA) und der GN ReSound A/B (Gothenborg, Schweden) untersagt und nicht die unter der American Hearing Systems Inc. geführten Aktivitäten der Marke Interton betrifft.

Die Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben (OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 2477). Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt GN Store ihr Fortsetzungsfeststellungsbegehren weiter.

B.

Das Beschwerdegericht hat die Untersagungsverfügung für formell und materiell rechtmäßig gehalten. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die Verfügung sei nicht wegen Ablaufs der Monatsfrist des § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB formell rechtswidrig. Für den Beginn dieser Frist seien die Rücknahme der Anmeldung am 5. Dezember 2006 und die erneute Anmeldung desselben Vorhabens am 13. Dezember 2006 rechtlich ohne Bedeutung. Die Monatsfrist stehe nicht zur Disposition der anmeldenden Unternehmen und des Bundeskartellamts. Sie könne insbesondere auch nicht dadurch verlängert werden, dass die anmeldenden Unternehmen ihre Anmeldung allein deshalb zurücknähmen, um sie in unveränderter Form später erneut einzureichen. Die Mitteilung über die Einleitung des Hauptprüfverfahrens sei gleichwohl rechtzeitig, nämlich bereits in dem Telefongespräch erfolgt, das die Berichterstatterin im Auftrag der Beschlussabteilung mit dem anwaltlichen Bevollmächtigten der Phonak geführt habe. Die Information an die Anmelder, dass das Vorhaben nicht binnen Monatsfrist freigegeben werden könne, sondern näher untersucht werden müsse, sei inhaltlich die Mitteilung über die Einleitung des Hauptprüfverfahrens nach § 40 Abs. 2 Satz 1 GWB .

Die Untersagung sei auch innerhalb der Viermonatsfrist des § 40 Abs. 2 Satz 2 GWB erfolgt. Die anmeldenden Unternehmen hätten einer Verlängerung dieser Frist in dem Telefongespräch am 4. Dezember 2006 zugestimmt, indem sie sich mit dem Vorschlag des Bundeskartellamts einverstanden erklärt hätten, die kartellbehördliche Prüfungsfrist durch die Rücknahme und spätere Wiederholung ihrer Anmeldung zu verlängern.

Im Hinblick auf seine spürbaren Inlandswirkungen unterliege das Zusammenschlussvorhaben den Bestimmungen der deutschen Fusionskontrolle. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung sei der Zeitpunkt der Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache, der mit Aufgabe der Erwerbsabsicht von Phonak am 15. August 2007 eingetreten sei. Zu diesem Zeitpunkt seien die Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 GWB erfüllt gewesen, weil zu erwarten gewesen sei, dass auf dem relevanten inländischen Angebotsmarkt für den Absatz von Hörgeräten an Hörgeräte-Akustiker ein aus den Unternehmen Phonak, Siemens und Oticon bestehendes marktbeherrschendes Oligopol verstärkt werde.

In den sachlich relevanten Markt seien die Hörgeräte-Hersteller Auric Hörsysteme GmbH & Co. KG (im Folgenden: Auric) und Sonic nicht einzubeziehen, die ihre Geräte fast ausschließlich unter Mithilfe der Ohrenärzte unmittelbar an Endkunden verkauften (sogenannter verkürzter Versorgungsweg).

Eine Unterteilung des Marktes nach Preissegmenten komme nicht in Betracht. Räumlich sei der relevante Markt auf Deutschland zu beschränken.

Da die Marktanteile der drei Hersteller Siemens, Phonak und Oticon zusammen mehr als 50% betrügen, seien die Voraussetzungen der Oligopolvermutung des § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 GWB erfüllt. Die Zusammenschlussbeteiligten hätten die Oligopolvermutung nicht widerlegen können. Zwar habe zwischen Phonak, Siemens und Oticon vor dem beabsichtigten Zusammenschlussvorhaben Qualitäts- und Innovationswettbewerb bestanden. Dieser sei aber im Hinblick auf die zwischen Phonak und Siemens bzw. Oticon abgeschlossenen Lizenzabkommen, die einen wechselseitigen Zugriff auf das Patentportfolio der Vertragspartner ermöglichten bzw. ermöglicht hätten, nicht wesentlich.

Die gemeinsame marktbeherrschende Stellung von Siemens, Phonak und Oticon auf dem bundesweiten Absatzmarkt für Hörgeräte an Akustiker wäre durch die beabsichtigte Fusion verstärkt worden.

Die Zusagenvorschläge seien nicht geeignet gewesen, die durch das Zusammenschlussvorhaben zu erwartende Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung des Oligopols zu beseitigen.

C.

Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde haben Erfolg. Die Untersagungsverfügung ist zwar formell rechtmäßig. Die Beurteilung des Beschwerdegerichts, dass die Oligopolvermutung des § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 GWB für den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt vor dem Zusammenschluss nicht widerlegt sei, wird aber von seinen Feststellungen nicht getragen.

I.

Die Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde ist zulässig, wie auch das Beschwerdegericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat.

Das von Amts wegen zu prüfende Feststellungsinteresse nach § 71 Abs. 2 Satz 2 GWB muss als Zulässigkeitsvoraussetzung des Fortsetzungsfeststellungsantrags grundsätzlich im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der verfahrensabschließenden Instanz, gegebenenfalls also der mündlichen Verhandlung vor dem Rechtsbeschwerdegericht (vgl. BGHZ 18, 98, 106), bestehen. Es kann in der Gefahr der Wiederholung begründet sein, wenn die Beteiligten damit rechnen müssen, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Verfügung ergehen wird (vgl. BGH, Beschl. v. 5.5.1967 - KVR 1/65, WuW/E 852, 854 - Großgebinde IV; Beschl. v. 25.10.1983 - KVR 8/82, WuW/E 2058, 2059 - Internord; zu § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO vgl. BVerwG, Beschl. v. 26.4.1993 - 4B 31/93, NVwZ 1994, 282 m.w.N.). Im Verfahren der Zusammenschlusskontrolle kann sich das Fortsetzungsfeststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr aus der Präjudizierung eines entsprechenden, wenn auch derzeit noch nicht absehbaren Zusammenschlussvorhabens ergeben (vgl. BGHZ 174, 179 Tz. 20 - Springer/ProSieben). Grund dafür ist, dass die frühere Untersagungsverfügung mit ihren Antworten auf die aufgeworfenen Fragen die Chancen eines Verkaufs erheblich schmälert, weil bei der Anmeldung eines entsprechenden Zusammenschlusses mit einer erneuten Untersagung durch das Bundeskartellamt zu rechnen wäre (vgl. BGHZ 174, 179 Tz. 16, 20 - Springer/ProSieben). Diese Gefahr besteht aber nicht (mehr), wenn sich die aus der rechtlichen Sicht der Kartellbehörde für die Untersagung maßgeblichen Gesamtumstände, insbesondere die Marktverhältnisse, so wesentlich geändert haben, dass die frühere Beurteilung keine prägende Bedeutung für die spätere Prüfung eines erneuten, entsprechenden Zusammenschlussvorhabens haben kann. Ist eine solche Änderung eingetreten, genügt es für ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht, dass sich einzelne in der Untersagungsverfügung aufgeworfene Fragen auch bei künftigen Zusammenschlussvorhaben stellen können.

Daran gemessen ist das Feststellungsinteresse hier zu bejahen.

Die Rechtsbeschwerdeführerin hat dargelegt, dass GN ReSound jederzeit wieder Phonak oder einem der beiden anderen in Deutschland führenden Anbieter von Hörgeräten (Siemens oder Oticon) zum Kauf angeboten werden kann.

Von einer wesentlichen Änderung der Marktverhältnisse kann nicht ausgegangen werden. Allerdings ist nach dem Vortrag der Rechtsbeschwerde seit Erlass der Untersagungsverfügung eine Änderung dadurch eingetreten, dass das ZVEI-Meldesystem beendet worden ist, an dem alle an den deutschen Hörgeräte-Akustikerhandel liefernden Hörgerätehersteller beteiligt waren und monatlich Stückzahlen und Umsatzdaten sowie preissegmentbezogene durchschnittliche Herstellerabgabepreise gemeldet haben. Zudem haben sich nach diesem Vorbringen etwaige Nachwirkungen des Ende 2006 ausgelaufenen Kreuzlizenzierungsabkommens zwischen Phonak und Siemens weiter verringert. Siemens hat außerdem ausgeführt, sie habe in den Jahren 2006 bis 2008 Marktanteilsverluste in Höhe von mehr als 7% erlitten, Phonak kämpfe seit Ende 2008 aggressiv und erfolgreich mit Rabatten von bis zu 25% ohne Volumenzusage auf die Listenpreise um Marktanteile in Deutschland und diverse Neuerungen der letzten Monate belegten wesentlichen Innovations- und Qualitätswettbewerb aller Anbieter.

Diese von der Rechtsbeschwerde und Siemens vorgetragenen Veränderungen der Marktverhältnisse stellen sich aber angesichts der Begründung der angefochtenen Verfügung (Tz. 332 ff.) nicht als wesentlich dar. Danach haben das ZVEI-Meldesystem sowie Nachwirkungen des schon Ende 2006 beendeten Kreuzlizenzierungsabkommens zwischen Phonak und Siemens weder einzeln noch zusammen erhebliche Bedeutung für die Untersagungsentscheidung des Bundeskartellamts. Es kann auch dahinstehen, ob die Behauptungen von Siemens zu Marktentwicklungen zutreffen. Marktanteilsveränderungen in dem von Siemens vorgetragenen Umfang und Zeitraum beseitigen das schutzwürdige Interesse der Zusammenschlussbeteiligten an einer Feststellung der Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung nicht. Das Bundeskartellamt hat vergleichbare Marktanteilsveränderungen in den Jahren 2003 bis 2006 ebenso wenig als einem Oligopol entgegenstehenden Umstand gewertet wie Wettbewerbsvorstöße, mit denen sich Phonak in dieser Zeit stärkeres Gewicht in dem vom Bundeskartellamt angenommenen Oligopol verschafft hat. Es hat auch auf den Listenpreis gewährte Nachlässe nicht als Nachweis wirksamen Rabattwettbewerbs angesehen. Schließlich hat das Bundeskartellamt Wettbewerb um Innovationen und Produkteinführungen im vorliegenden Fall nicht als für wesentlichen Wettbewerb im Oligopol sprechenden Umstand bewertet.

Unter diesen Umständen ist das Fortsetzungsfeststellungsinteresse von GN Store nicht durch nach Erlass der Untersagungsverfügung eingetretene Marktveränderungen entfallen. GN Store muss weiterhin damit rechnen, dass ihre Chancen, GN ReSound an Phonak, Siemens oder Oticon zu verkaufen, durch die angefochtene Untersagungsverfügung erheblich geschmälert würden, weil erneut mit einer Untersagung des Zusammenschlusses durch das Bundeskartellamt zu rechnen wäre.

II.

Gegen die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung bestehen keine formellen Bedenken. Die Verfügung ist weder wegen Überschreitung der Monatsfrist des § 40 Abs. 1 GWB noch wegen Nichteinhaltung der Viermonatsfrist für das Hauptprüfverfahren (§ 40 Abs. 2 Satz 2 GWB ) rechtswidrig.

1.

Im Ergebnis zu Recht ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die Untersagungsverfügung nicht wegen Ablaufs der Monatsfrist des § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB rechtswidrig ist. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ergibt sich dies jedoch bereits daraus, dass die Rücknahme der Anmeldung am 5. Dezember wirksam war, so dass die (neue) Monatsfrist erst mit der Neuanmeldung am 13. Dezember 2006 begann und folglich die Mitteilung über die Eröffnung des Hauptprüfverfahrens rechtzeitig zugestellt worden ist.

Bis zum Erlass einer verfahrensabschließenden Verfügung können die anmeldenden Unternehmen die Anmeldung eines Zusammenschlussvorhabens grundsätzlich jederzeit wirksam zurücknehmen. Das Verfahren der Zusammenschlusskontrolle nach § 40 GWB ist ein Antragsverfahren, weil es die Anmeldung des Vorhabens voraussetzt. Für Antragsverfahren gilt die Dispositionsmaxime. Der Antragsteller hat es in der Hand, das Verfahren einzuleiten. Er kann es auch jederzeit vor Erlass einer verfahrensabschließenden Entscheidung durch Rücknahme seines Antrags beenden (vgl. für das allgemeine Verwaltungsrecht Kopp/Ramsauer, VwVfG , 10. Aufl., § 22 VwVfG Rdn. 65; Ritgen in Knack, VwVfG , 9. Aufl., § 9 VwVfG Rdn. 33; Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG , 7. Aufl., § 22 VwVfG Rdn. 67). Es gibt keinen Grund, hiervon für die Fusionskontrolle abzuweichen.

Aus dem Wortlaut des § 40 GWB ergibt sich dafür nichts. Zwar kann nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 GWB die viermonatige Hauptprüfungsfrist einvernehmlich verlängert werden, während Absatz 1 dieser Vorschrift eine Verlängerung der einmonatigen Vorprüfungsfrist nicht zulässt. Die Frage der Verlängerung laufender Fristen in einem Verwaltungsverfahren ist jedoch von der Frage zu trennen, ob ein Verwaltungsverfahren durch Rücknahme des Antrags beendet werden kann. Die Rücknahme des Antrags entzieht der im Verwaltungsverfahren laufenden Frist die Grundlage, weil sie das Verfahren beendet. Da das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen keine besonderen Voraussetzungen für die Rücknahme der Anmeldung eines Zusammenschlussvorhabens vorsieht, ist von der Geltung der allgemeinen Grundsätze auszugehen.

Die Systematik des Gesetzes spricht ebenfalls nicht gegen die Möglichkeit, eine Zusammenschlussanmeldung voraussetzungslos zurückzunehmen. Die Geltung der Fristen des § 40 GWB wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass sie nach einer Neuanmeldung des Vorhabens erneut zu laufen beginnen.

Auch Sinn und Zweck der Fusionskontrolle sprechen nicht gegen die Geltung der Dispositionsmaxime. Das Prinzip der präventiven Fusionskontrolle wird durch das Vollzugsverbot des § 41 Abs. 1 GWB gewährleistet. Die Fristen des § 40 GWB tragen dagegen dem Interesse der anmeldenden Unternehmen an einer zügigen Entscheidung über ihr Fusionsvorhaben Rechnung. Wenn die Anmelder auf den Schutz dieser Fristen durch Rücknahme der Anmeldung verzichten, beeinträchtigt dies nicht das öffentliche Interesse an der Zusammenschlusskontrolle. Die Rücknahmemöglichkeit erhöht bei Zusammenschlüssen, bei denen die Eröffnung des Hauptprüfverfahrens geboten ist, auch nicht die Gefahr einer Freigabefiktion durch Fristablauf.

Zudem besteht ein erhebliches praktisches Bedürfnis dafür, den anmeldenden Unternehmen die Rücknahme ihrer Anmeldung zu ermöglichen. Sie können Zeit benötigen, um ihr Vorhaben so abzuändern, dass es eine Freigabe bereits im Vorprüfverfahren gestattet. Sie können auch zusätzliche Informationen sammeln, die dem Bundeskartellamt nach erneuter Anmeldung eine Entscheidung innerhalb eines Monats erlauben. Diese Verfahrensweise liegt nicht nur im Interesse der anmeldenden Unternehmen, sondern erleichtert auch die Arbeit des Bundeskartellamts. Eine Umgehung des Gesetzes ist damit nicht verbunden. Schließlich wird der bei Rücknahme und Neuanmeldung gegebenenfalls entstehende zusätzliche Verwaltungsaufwand durch die Gebührenregelung des § 80 Abs. 5 GWB ausgeglichen.

2.

Auf die Auslegung des Telefongesprächs vom 4. Dezember 2006 durch das Beschwerdegericht kommt es hiernach nicht mehr an.

III.

Im Ergebnis mit Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen die Bejahung der materiellen Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung. Das Beschwerdegericht hat zwar seiner Entscheidung den richtigen Beurteilungszeitpunkt zugrundegelegt (nachfolgend 1.) sowie den sachlich und räumlich relevanten Markt rechtsfehlerfrei bestimmt (nachfolgend 2.). Seine Beurteilung, die Oligopolvermutung des § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 GWB sei nicht widerlegt, hält aber der Nachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht stand (nachfolgend 3.).

1.

Zu Recht hat das Beschwerdegericht bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung auf den Zeitpunkt der Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache, also den 15. August 2007, abgestellt und nicht auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung.

Nach § 71 Abs. 2 Satz 2 GWB spricht das Beschwerdegericht im Fall der Erledigung auf Antrag aus, dass die Verfügung der Kartellbehörde unzulässig oder unbegründet gewesen ist, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Schon dieser Wortlaut lässt es nicht zu, dass das Beschwerdegericht auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung feststellt, dass die Untersagungsverfügung rechtswidrig ist. Vielmehr muss sich die Feststellung der Rechtswidrigkeit auf einen vor der Entscheidung des Beschwerdegerichts in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt beziehen.

Nur dieses Verständnis steht im Einklang mit Sinn und Zweck eines Fortsetzungsfeststellungsantrags in Fällen, in denen sich die Zusammenschlussbeteiligten auf kein konkretes Vorhaben berufen können, hinsichtlich dessen die Klärung der durch die angefochtene Untersagungsverfügung aufgeworfenen Rechtsfragen unerlässlich erscheint. Wird das Fortsetzungsfeststellungsinteresse nach § 71 Abs. 2 Satz 2 GWB in einer solchen Gestaltung damit begründet, dass die erledigte Untersagungsverfügung die Chancen eines Beteiligten erheblich schmälert, später ein entsprechendes Zusammenschlussvorhaben zu verwirklichen (BGHZ 174, 179 Tz. 20 - Springer/ProSieben), kann es nicht auf nach der Erledigung eintretende tatsächliche Umstände ankommen. Denn diese Umstände haben der erledigten Verfügung gerade nicht zugrunde gelegen. Soweit sie erheblich werden können, wäre ein späteres Zusammenschlussvorhaben nicht mehr durch die erledigte Untersagungsverfügung präjudiziert. Veränderte tatsächliche Umstände können daher, wie ausgeführt, lediglich das Fortsetzungsfeststellungsinteresse entfallen lassen. Insofern wirkt sich entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde die Änderung des Rechtsschutzinteresses, die sich aus der Erledigung ergibt, auch auf den Gegenstand der Rechtmäßigkeitsprüfung aus.

Hieraus folgt allerdings nicht, dass die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt ihres Erlasses zu prüfen ist. Denn das wäre mit dem Charakter der fusionsrechtlichen Untersagungsverfügung als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl. BGHZ 155, 214 , 227 - HABET/Lekkerland) nicht vereinbar, bei dessen Überprüfung das Beschwerdegericht grundsätzlich tatsächliche Veränderungen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen hat. Die Dauerwirkung der Untersagungsverfügung endet jedoch, wenn das Zusammenschlussvorhaben aufgegeben wird und dadurch der Regelungsgegenstand der Verfügung entfällt. Die Beurteilung des Fortsetzungsfeststellungsantrags kann dann nur auf der Grundlage des Sachstands im Zeitpunkt der Erledigung erfolgen (im Ergebnis ebenso Birmanns in Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, Stand Juni 2006, § 71 Rdn. 20; K. Schmidt in Immenga/Mestmäcker, GWB , 4. Aufl., § 71 Rdn. 9, der allerdings ebenso wie Klose in Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, 2. Aufl., § 54 Rdn. 104, missverständlilch auf den Zeitpunkt abstellen will, der vor der Erledigung maßgeblich gewesen wäre).

Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit der Rechtslage im allgemeinen Verwaltungsrecht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Anfechtungsbeschwerde, die sich gegen einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung richtet, hinsichtlich des maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts (Schluss der mündlichen Verhandlung) der Verpflichtungsbeschwerde gleichgestellt ist (BGH, Beschl. v. 4.10.1983 - KVR 2/82, WuW/E BGH 2031, 2032 - Springer/Elbe-Wochenblatt II). Entsprechende Konstellationen im allgemeinen Verwaltungsrecht sind deshalb Fortsetzungsfeststellungsanträge, denen Anfechtungsklagen gegen einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung oder Verpflichtungsklagen vorhergingen. In diesen Fällen ist auch im allgemeinen Verwaltungsrecht für die Beurteilung der Zeitpunkt der Erledigung maßgeblich (für die Situation der Verpflichtungsklage vgl. BVerwGE 72, 38 ; OVG Münster NVwZ 1997, 598; für Verwaltungsakte mit Dauerwirkung vgl. VG München, Urt. v. 27.11.2008 - M 22 K 07.5936, [...]; allgemein Decker in Posser/Wolff, VwGO , § 113 Rdn. 88; Wolff in Sodann/Ziekow, VwGO , 2. Aufl., § 113 Rdn. 301).

2.

Das Beschwerdegericht hat den sachlich und räumlich relevanten Markt rechtsfehlerfrei bestimmt.

Die Abgrenzung des maßgebenden Markts ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, da sie wesentlich von den - tatrichterlich festzustellenden - tatsächlichen Gegebenheiten des Markts abhängt. Sie kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur begrenzt überprüft werden (BGHZ 92, 223 , 238 - Gruner+Jahr/Die Zeit I; 170, 299 Tz. 15 - National Geographic II; 178, 285 Tz. 14 - E.ON/Stadtwerke Eschwege). Diese Überprüfung lässt keine Rechtsfehler erkennen.

a)

Wie das Bundeskartellamt hat das Beschwerdegericht als sachlich relevant den Angebotsmarkt für den Absatz von Hörgeräten über Hörgeräteakustiker angesehen. In diesen Markt hat es die Hörgerätehersteller Auric und Sonic, die ihre Geräte über den verkürzten Versorgungsweg vertreiben, nicht einbezogen (nachfolgend aa). Es hat auch eine Unterteilung des sachlich relevanten Markts in Preissegmente abgelehnt (nachfolgend bb). Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

aa)

Vertrieb im verkürzten Versorgungsweg

(1)

Das Beschwerdegericht geht allerdings davon aus, dass die von Auric und Sonic hergestellten Geräte nach ihren Eigenschaften und ihrem Verwendungszweck ohne weiteres mit den von anderen Hörgeräteherstellern angebotenen Geräten austauschbar seien. Ferner sei es Auric und Sonic kurzfristig und mit zumutbarem finanziellem Aufwand möglich, ihre Geräte auch über den Akustikhandel zu vertreiben. Jedoch seien die Hörgeräteakustiker aus marktstrategischen Gründen nicht bereit, Hörgeräte von Herstellern einzukaufen, die ihre Geräte (auch) im verkürzten Versorgungsweg vertreiben, auf dem der Hersteller die Geräte unter Mithilfe der HNO-Ärzte unmittelbar an den Endkunden verkauft. Es sei eher unwahrscheinlich, dass die Hörgeräteakustiker bei Preiserhöhungen ihrer Lieferanten auf Auric und Sonic auswichen, da sie Preiserhöhungen relativ problemlos an den Endkunden weitergeben könnten, der den Endpreis erst nach Auswahl und Anpassung des Hörgeräts erfahre und zu diesem späten Zeitpunkt im Regelfall das Akustikergeschäft nicht mehr wechseln werde. Zudem sei es für die Hörgeräteakustiker kaufmännisch nicht sinnvoll, Geräte von Auric und Sonic zu führen, weil diese Geräte im verkürzten Versorgungsweg wesentlich preisgünstiger angeboten würden. Dementsprechend seien Auric und Sonic bisher - mit Ausnahme zu vernachlässigender Einzelfälle - auf dem Nachfragemarkt für Hörgeräteakustiker nicht tätig. Sie seien auch nicht nach den Grundsätzen der Produktions- und Angebotsumstellungsflexibilität in den relevanten Markt einzubeziehen.

(2)

Die hiergegen gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde haben keinen Erfolg. Da die Handelsstufe einen eigenständigen relevanten Markt darstellt, ist das Bedarfsmarktkonzept aus der Sicht der Nachfrager auf dieser Stufe, also der Hörgeräteakustiker, anzuwenden. Eine Austauschbarkeit aus der Sicht der nachgelagerten Marktstufe der Endkunden ist für die Handelsstufe bedeutungslos, wenn sie dort tatsächlich nicht besteht. Ein solcher Fall liegt hier hinsichtlich der Hörgeräte von Auric und Sonic nach den vom Beschwerdegericht in Bezug genommenen und in der Substanz von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Bundeskartellamts vor.

Produkte, die aufgrund ihrer Eigenschaften und ihres Verwendungszwecks aus der Sicht der Marktgegenseite austauschbar sind, sind zwar regelmäßig in den relevanten Markt einzubeziehen. Aufgrund besonderer Marktgegebenheiten kann dies jedoch im Einzelfall anders sein. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass bei der räumlichen Marktabgrenzung nicht unberücksichtigt bleiben kann, wenn unbeschadet an sich bestehender überregionaler Austauschmöglichkeiten in einem regionalen Bereich tatsächlich kein nennenswerter Wettbewerb stattfindet, weil die Nachfrager überregionale Angebote nicht oder praktisch nicht wahrnehmen (BGHZ 156, 379 , 384 f. - Strom und Telefon I). Für die Abgrenzung des sachlich relevanten Markts gilt dies entsprechend.

Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Beschwerdegerichts wurden die wettbewerblichen Handlungsspielräume der am Zusammenschluss beteiligten Hörgerätehersteller auf dem Angebotsmarkt für Hörgeräteakustiker - anders als auf dem Endkundenmarkt - nicht durch die Unternehmen Auric und Sonic eingeschränkt. Das Geschäftsmodell beider Unternehmen baut darauf auf, Hörgeräte unter Ausschaltung der Hörgeräteakustiker unmittelbar über die HNO-Ärzte zu vertreiben. Die Geräte von Auric und Sonic werden zudem nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts im verkürzten Versorgungsweg wesentlich preisgünstiger angeboten als von den Hörgeräteakustikern. Dieser Preisvorteil des in den HNO-Praxen angebotenen verkürzten Versorgungswegs bleibt den Patienten auch nicht verborgen, wie etwa in der Steigerung des Marktanteils der über diesen Vertriebsweg abgesetzten Hörgeräte am Endkundenmarkt von Null auf ca. 10% innerhalb weniger Jahre deutlich wird. Die Feststellungen des Beschwerdegerichts lassen daher ohne weiteres den Schluss zu, dass die Hörgeräteakustiker bei einer kleinen, bleibenden Erhöhung der relativen Preise für die Hörgeräte der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen nicht in nennenswertem Maß auf die Produkte von Auric und Sonic ausweichen würden (vgl. Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Markts im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl. EG 1997 C 372, S. 5 Tz. 17).

Dieses Nachfrageverhalten ist die Folge plausibler und naheliegender kaufmännischer Überlegungen der Hörgeräteakustiker, die für die wettbewerbliche Beurteilung erheblich sind. Zutreffend weist das Bundeskartellamt darauf hin, dass beispielsweise Strategien der Sanitär-, Heizungs- und Klimainstallateure bekannt geworden sind, nur die Produkte solcher Hersteller zu beziehen, die ausschließlich den traditionellen Absatzweg der Fachinstallateure unter Ausschluss der Baumärkte bedienten (vgl. BKartA, Beschl. v. 22.6.1984, WuW/E BKartA 21/87 - markt intern - Sanitär-Installation). Dies zeigt, dass es aus der Sicht eines Fachhändlers sinnvoll sein kann, lediglich die Produkte solcher Hersteller in das eigene Sortiment aufzunehmen, die ausschließlich den Fachhandel beliefern.

Unter dem Gesichtspunkt der Angebotsumstellungsflexibilität könnten die Unternehmen Auric und Sonic allenfalls dann in den relevanten Angebotsmarkt einzubeziehen sein, wenn ohne weiteres eine kurzfristige Änderung ihres Geschäftsmodells möglich erschiene, bei der sie entweder den Vertrieb über den verkürzten Versorgungsweg aufgäben oder ihre Preise auf diesem Vertriebsweg so weit anhöben, dass der Hörgeräteakustikhandel damit beim Absatz von Auric- und Sonic-Hörgeräten konkurrieren könnte. Dafür ergibt sich aus den Feststellungen des Beschwerdegerichts jedoch kein Anhaltspunkt. Ein solcher Strategiewechsel erscheint zudem fernliegend, weil Auric und Sonic in der Vergangenheit mit ihrem Geschäftsmodell erfolgreich waren.

bb)

Preissegmente

(1)

Das Beschwerdegericht hat eine weitere Unterteilung des Markts nach Preissegmenten abgelehnt:

Zwar bestünden zwischen Hörgeräten zum Teil wesentliche Preisunterschiede mit einer Spannbreite von unter 200 EUR bis weit über 900 EUR. Der Gesichtspunkt des Preises trete jedoch für die Feststellung der funktionellen Austauschbarkeit hinter den Verwendungszweck und die Eigenschaften der Hörgeräte zurück. Diese seien trotz der Preisunterschiede im Wesentlichen deckungsgleich. Auch wenn technische Neuerungen zuerst im oberen Preissegment eingeführt würden, könne auch ein sogenanntes Basisgerät das Bedürfnis des Endkunden, wieder besser hören zu können, auf gleichwertige Weise befriedigen. Bei Hörgeräten handele es sich nicht um Prestige- oder Luxusprodukte, bei denen Preisunterschiede trotz technischfunktioneller Austauschbarkeit auf getrennte Märkte hindeuten könnten. Auch im Hinblick auf die tatsächlichen Wettbewerbsverhältnisse sei keine weitere Unterteilung des Markts nach Listenpreissegmenten geboten. Im unteren Preissegment (Listenpreis bis 200 EUR) sei allerdings ein Preiswettbewerb allenfalls sehr eingeschränkt möglich, weil die gesetzlichen Krankenkassen nur diesen Betrag erstatteten. In den höheren Preissegmenten, insbesondere bei den Listenpreisen über 900 EUR, finde hingegen Wettbewerb vor allem durch die Einführung neuer Produkte statt. Die Segmente seien jedoch weder nach Preisen noch nach Produktmarken klar voneinander abgrenzbar. Jeder Hersteller biete für jedes der Preissegmente ein oder zwei Produktfamilien mit jeweils verschiedenen Hörgerätetypen an.

(2)

Mit ihren gegen diese Beurteilung gerichteten Einwänden hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg.

Zwar sind unterschiedliche Preise zwischen benachbarten Produkten ein Gesichtspunkt, der einer Austauschbarkeit aus Nachfragesicht entgegenstehen kann (vgl. zur europäischen Fusionskontrolle Wagemann in Wiedemann, aaO § 16 Rdn. 34; Immenga/Körber in Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, 4. Aufl., FKVO Art. 2 Rdn. 47). Jedoch lässt sich allein mit dem Hinweis auf Preisunterschiede das Vorliegen eines selbständigen Markts nicht ohne weiteres begründen. Sie können auch Ausdruck bestehenden Wettbewerbs sein. Eine allgemeine Regel, dass ein bestimmtes Maß an Preisunterschieden zur Annahme sachlich getrennter Märkte führt, besteht nicht. Maßgeblich sind stets die Marktverhältnisse im Einzelfall. Entscheidende Bedeutung hat dabei der Umstand, ob die in den einzelnen Preissegmenten tätigen Anbieter kurzfristig und ohne spürbare Zusatzkosten ihr jeweiliges Sortiment umstellen und zusätzliche Produkte in einem bestimmten Preissegment anbieten können (Gesichtspunkt der Angebotsumstellungsflexibilität, vgl. etwa BGHZ 170, 299 Tz. 19 - National Geographic II; Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Markts aaO Tz. 20 f.). Diese Möglichkeit führt zu einer disziplinierenden Wirkung gegenüber Preiserhöhungen in allen Segmenten. Insoweit gilt nichts anderes als bei aus Verbrauchersicht an sich nicht substituierbaren Produkten (etwa Schuhe der Größe 44 und solche der Größe 46). Auch sie sind bei gegebener Umstellungsflexibilität einem einheitlichen Markt zuzurechnen. Wie bei ihnen besteht auch bei Produkten aus verschiedenen Preissegmenten kein Grund, sie unterschiedlichen Märkten zuzuordnen, wenn die Hersteller ihre Produktionsmengen in den einzelnen Preissegmenten kurzfristig und ohne erhebliche Probleme anpassen können. Auch die unterschiedliche Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft bestimmter Verbrauchergruppen führt dann nicht zur Annahme getrennter Märkte (vgl. Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Markts aaO Tz. 21). Die Annahme, das Preisgefüge sei so unterschiedlich, dass die Angebote aus der Sicht der maßgeblichen Abnehmer auch unter Berücksichtigung einer etwa gegebenen Umstellungsflexibilität nicht mehr als austauschbar angesehen werden können und deshalb die Annahme eines selbständigen Markts gerechtfertigt sei, muss durch Tatsachen erhärtet werden (BGH, Beschl. v. 15.4.1986 - KVR 3/85, WuW/E 2231, 2236 - Metro-Kaufhof; vgl. MünchKomm.EUWettbR/Füller, Einl. Rdn. 1675).

Danach rechtfertigen die erheblichen Preisunterschiede bei Hörgeräten entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht die Annahme unterschiedlicher Märkte.

Das Beschwerdegericht hat festgestellt, dass jeder Hersteller für jedes der Preissegmente ein oder zwei Produktfamilien mit jeweils verschiedenen Hörgeräte-Typen anbietet. Die Rechtsbeschwerde zeigt demgegenüber keinen Vortrag auf, demzufolge den Herstellern eine kurzfristige Anpassung ihrer Produktion an veränderte Wettbewerbsbedingungen in den einzelnen Preissegmenten nicht möglich ist (vgl. Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Markts aaO Tz. 23).

b)

Das Beschwerdegericht hat den räumlich relevanten Markt auf Deutschland begrenzt. Dem tritt die Rechtsbeschwerde zu Recht nicht entgegen.

3.

Das Beschwerdegericht hat die Voraussetzungen der Oligopolvermutung des § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 GWB für Siemens, Phonak und Oticon als erfüllt angesehen, weil die Marktanteile dieser drei Hersteller zusammen deutlich mehr als 50% erreichen. Es kann dahinstehen, ob es - wie Phonak meint -rechtsfehlerhaft ist, dass das Beschwerdegericht seine Auswahl unter mehreren erfüllten Vermutungstatbeständen des § 19 Abs. 3 GWB (außer einem Oligopol aus Siemens, Phonak und Oticon kommt unter anderem auch eine Einzelmarktbeherrschung von Siemens oder ein Duopol von Siemens mit Phonak oder Oticon in Betracht) nicht begründet hat. Darauf kommt es nicht an, weil die Beurteilung des Beschwerdegerichts, die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen hätten die Vermutung eines Oligopols zwischen Siemens, Phonak und Oticon nicht widerlegen können, der Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht nicht standhält. Die Annahme des Beschwerdegerichts, die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen hätten nicht nachgewiesen, dass die Wettbewerbsbedingungen zwischen ihnen wesentlichen Wettbewerb erwarten ließen (§ 19 Abs. 3 Satz 2 GWB ), beruht auf rechtsfehlerhaften Erwägungen.

a)

Maßgebend für die Feststellung, ob die Wettbewerbsbedingungen einen wesentlichen Wettbewerb zwischen den Unternehmen i.S. von § 19 Abs. 3 Satz 2 GWB erwarten lassen, ist wie bei der Prüfung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 GWB eine Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände (vgl. BGHZ 178, 285 Tz. 39 - E.ON/Stadtwerke Eschwege, m.w.N.). Dabei kommt - im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle - den die Marktstruktur bestimmenden Merkmalen eine besondere Bedeutung zu. Es ist zu untersuchen, ob aufgrund der Marktstruktur mit einem dauerhaft einheitlichen Verhalten der Mitglieder des möglichen Oligopols zu rechnen ist. Das ist anzunehmen, wenn zwischen den beteiligten Unternehmen eine enge Reaktionsverbundenheit erwartet werden muss. Entscheidende Indizien dafür sind Markttransparenz und wirksame Abschreckungsmittel der übrigen für ein Oligopol in Betracht kommenden Unternehmen gegen Wettbewerbsvorstöße eines von ihnen. Jedes beteiligte Unternehmen muss wissen, dass es keinen Vorteil aus einem auf Vergrößerung seines Marktanteils gerichteten Wettbewerbsvorstoß ziehen könnte, weil ein solcher Vorstoß die gleiche Maßnahme seitens der anderen Unternehmen auslösen würde. So besteht kein Anreiz für Preiswettbewerb, wenn eine Preissenkung durch ein Unternehmen von den anderen sofort erkannt und mit einer ebensolchen Preissenkung beantwortet werden kann, ohne dass sich dadurch die Marktanteile der beteiligten Unternehmen verändern. In diesem Zusammenhang sind weitere Gesichtspunkte zu berücksichtigen, etwa die Symmetrie der beteiligten Unternehmen hinsichtlich der Produktpalette, der verwendeten Technologie und der Kostenstruktur, etwaige Marktzutrittsschranken, die Nachfragemacht der Marktgegenseite und die Preiselastizität der Nachfrage. Daneben kommt es auf das tatsächliche Wettbewerbsverhalten der beteiligten Unternehmen auf dem betreffenden Markt an (zum Ganzen BGHZ 178, 285 Tz. 39 - E.ON/Stadtwerke Eschwege, m.w.N.).

b)

Die hiernach maßgebliche Gesamtbetrachtung hat grundsätzlich der Tatrichter vorzunehmen (BGHZ 49, 367, 377 - Fensterglas II; 178, 285 Tz. 26 - E.ON/Stadtwerke Eschwege). Das Rechtsbeschwerdegericht kann nur überprüfen, ob Verfahrensregeln verletzt worden sind und ob das Beschwerdegericht unzutreffende rechtliche Erwägungen angestellt, insbesondere gegen die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. BGHZ 178, 285 Tz. 26 - E.ON/Stadtwerke Eschwege; zur Überprüfung auf Verstöße gegen ökonomische Erfahrungssätze durch das Rechtsbeschwerdegericht in Kartellverwaltungsverfahren vgl. Bornkamm, ZWeR 2010, 34, 39 ff.). Dieser Nachprüfung hält der angefochtene Beschluss nicht in allen Punkten stand. In ihm wird dem Kriterium der Symmetrie der beteiligten Unternehmen ein unzutreffender Inhalt gegeben und den vom Beschwerdegericht festgestellten Marktanteilsdaten nicht das ihnen im Rahmen der Abwägung der Gesamtumstände des vorliegend zu beurteilenden Zusammenschlussvorhabens aus Rechtsgründen zukommende Gewicht zugemessen.

aa)

Das Beschwerdegericht hat angenommen, das Kräfteverhältnis zwischen den beteiligten Unternehmen Siemens, Phonak und Oticon sei im Hinblick auf die Marktanteilsverteilung und die unternehmensbezogenen Eckdaten (Kostenstruktur, Ertragskennzahlen etc.) nicht derart asymmetrisch, dass kein dauerhaft einheitliches Verhalten zu erwarten sei. Hinsichtlich der Verteilung der Marktanteile hat es dabei maßgeblich darauf abgestellt, dass sich die Marktanteile der drei führenden Unternehmen seit 2003 angeglichen hätten und insbesondere in den Jahren 2005 und 2006 nahezu konstant geblieben seien. Das Beschwerdegericht hat damit zwar beachtet, dass die Verteilung der Marktanteile, insbesondere eine Angleichung, nicht schon als solche die Annahme rechtfertigt, es sei mit einem dauerhaft einheitlichen Verhalten zu rechnen, sondern diese lediglich im Rahmen der Gesamtwürdigung neben anderen Berücksichtigung finden kann. Es hat jedoch dem Umstand, dass eine Angleichung der Marktanteile der führenden Unternehmen eingetreten ist, gegenüber der diesem Zustand vorangegangenen Marktanteilsentwicklung eine aus Rechtsgründen zu große Bedeutung beigemessen.

(1)

Im Einzelnen hat das Beschwerdegericht auf der Basis der in der nachstehenden Tabelle wiedergegebenen Ergebnisse der Ermittlungen des Bundeskartellamts zunächst festgestellt, dass die Marktanteile der drei führenden Unternehmen im Jahr 2006 nicht symmetrisch verteilt gewesen seien, da Siemens mit einem Marktanteil von 32,5 bis 37,5% gegenüber Phonak und Oticon, die beide über einen Marktanteil von 20 bis 25% verfügten, einen Vorsprung von 10 bis 15% gehabt habe.

Deutschland  2003  2004  2005  2006 
Marktvolumina (in Mio.EUR)  209  197  201  205 
Marktanteile  in %  in %  in %  in % 
1 Siemens  35-40  35-40  32,5-37,5  32,5-37,5 
2 Phonak  12,5-17,5  12,5-17,5  20-25  20-25 
3 Oticon  15-20  20-25  20-25  20-25 
Summe 1-3  70,7%  72,7%  78,5%  81,1% 
4 GN ReSound  10-15  10-15  7,5-12,5  5-10 
5 Widex  7,5-12,5  7,5-12,5  5-10  5-10 
6 bruckhoff  <2,5  <2,5  <2,5  <2,5 
7 Starkey  <2,5  <2,5  <2,5  <2,5 
8 audifon  <1  <2,5  <1  <1 
9 Acousiticon  <1  <1  <1  <1 
Summe  100,0%  100,0%  100,0%  100,0% 

Jedoch zeige die Marktanteilsentwicklung seit 2003, dass sich die Marktanteile der drei führenden Unternehmen im Laufe der Zeit angeglichen hätten und insbesondere in den Jahren 2005 und 2006 nahezu konstant geblieben seien. Die Marktanteilsgewinne von Phonak und Oticon gingen allerdings auch zu Lasten von Siemens und nicht nur zu Lasten von GN ReSound und Widex, die beide in den Jahren 2005 und 2006 erhebliche Marktanteilsverluste hätten hinnehmen müssen.

Im Listenpreissegment 201 bis 600 EUR sei der Marktanteil von Siemens im Jahr 2003 (45 bis 55%) auf 50 bis 55% im Jahr 2004 gestiegen, in 2005 auf 40 bis 45% zurückgefallen und im Jahr 2006 wieder auf 45 bis 50% angestiegen (s. nachfolgende Tabelle).

Marktanteilsentwicklung im Kundensegment 201 - 600 EUR

2003  2004  2005  2006 
in %  in %  in %  in % 
Siemens  45-50  50-55  40-45  45-50 
Phonak  10-15  10-15  15-20  15-20 
Oticon  10-15  10-20  20-25  20-25 
GN ReSound  7,5-12,5  7,5-12,5  7,5-12,5  7,5-12,5 
Widex  15-20  10-15  7,5-12,5  <5% 

Die Marktanteile von Phonak hätten 2003 und 2004 in diesem Marktsegment konstant bei 10 bis 15% gelegen; 2005 sei der Marktanteil um 5% auf 15 bis 20% gestiegen; im Jahr 2006 sei er unverändert geblieben. Oticon habe seinen Marktanteil von 10 bis 15% im Jahr 2003 auf 20 bis 25% im Jahr 2005 gesteigert und im Jahr 2006 gehalten. Die Marktanteilsgewinne von Phonak und Oticon seien wesentlich zu Lasten von Siemens gegangen, zumal die Marktanteile der nächstfolgenden Wettbewerber GN ReSound und Widex nahezu konstant geblieben seien. Lediglich der Marktanteil von Widex sei von 15 bis 20% im Jahr 2003 bis 2006 kontinuierlich auf weniger als 5% gesunken.

Die Marktanteilsentwicklung im Listenpreissegment über 750 EUR zeige, dass es zwischen Siemens, Phonak und Oticon in den Jahren 2004/2005 zu Marktanteilsverschiebungen gekommen sei.

Marktanteilsentwicklung im Kundensegment über 750 EUR

2003  2004  2005  2006 
in %  in %  in %  in % 
Siemens  25-30  25-30  30-35  25-30 
Phonak  20-25  10-15  30-35  30-35 
Oticon  20-25  30-35  15-20  20-25 
GN ReSound  10-15  10-15  10-15  5-10 
Widex  15-20  15-20  5-10  5-10 

Von 25 bis 30% in den Jahren 2003 und 2004 habe sich der Marktanteil von Siemens im Jahr 2005 auf 30 bis 35% erhöht, um im Jahr 2006 auf das Ausgangsniveau von 25 bis 30% zurückzufallen. Der Marktanteil von Phonak 2003 (20 bis 25%) sei im Jahr 2004 auf 10 bis 15% gefallen, um in 2005 auf 30 bis 35% anzusteigen und dort im Jahr 2006 zu verbleiben. Die Marktanteilsentwicklung von Oticon sei im Vergleich zu derjenigen von Phonak gegenläufig. Oticon habe den Marktanteil von 20 bis 25% (2003) auf 30 bis 35% im Jahr 2004 steigern können, jedoch sei dieser 2005 um ca. 15% abgefallen, während Phonak seinen Marktanteil um ca. 20% habe erhöhen können. Im Jahr 2006 habe der Marktanteil von Oticon wiederum 20 bis 25% betragen.

(2)

Rechtsfehlerhaft hat das Beschwerdegericht bei seiner Würdigung dieses Marktgeschehens nicht beachtet, dass die von ihm festgestellte Entwicklung der Marktanteilsdaten erfahrungsgemäß gegen die Entstehung eines marktbeherrschenden Oligopols spricht.

Das Beschwerdegericht hat insbesondere den ökonomischen Grundsatz unbeachtet gelassen, dass eine Angleichung von Marktanteilen zunächst regelmäßig das Ergebnis eines Wettbewerbsprozesses ist, bei dem nachfolgende Wettbewerber zu nach Marktanteilen führenden Unternehmen aufschließen. Auch eine Angleichung der Kräfteverhältnisse durch eine gegen das führende Unternehmen gerichtete "Aufholfusion" kann wirksamen Wettbewerb fördern (vgl. Ruppelt in Langen/Bunte aaO § 19 Rdn. 81; Richter in Wiedemann aaO § 20 Rdn. 102). Soweit der Bundesgerichtshof dem erreichten Marktanteil eine hohe Bedeutung beigemessen hat, weil er grundsätzlich die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens ausweise und seine Verhaltensspielräume für die Zukunft erkennen lasse (BGH, Beschl. v. 7.3.1989 - KVR 3/88, WuW/E 2575, 2580 - Kampffmeyer-Plange; BGHZ 79, 62, 68 - Klöckner/Becorit), ging es um die Frage, ob ein Zusammenschluss die Entstehung einer einzelmarktbeherrschenden Stellung erwarten ließ. Dafür, ob die für die Annahme eines Oligopols erforderliche Reaktionsverbundenheit zwischen Unternehmen besteht, ergibt sich aus den Marktanteilen als solchen jedoch nichts. Auch wenn mehrere Unternehmen über einen vergleichbaren Marktanteil verfügen, bedeutet das nicht, dass damit verbundene Verhaltensspielräume im Wettbewerb ungenutzt bleiben. Als Indiz für Marktverhältnisse, bei denen die möglichen Oligopolmitglieder von Wettbewerbsvorstößen abgehalten werden, hat der Senat deshalb auch nicht die Symmetrie der Marktanteile für erheblich gehalten, sondern die Symmetrie der Unternehmen hinsichtlich der Produktpalette, der verwendeten Technologie und der Kostenstruktur. Dies sind Strukturmerkmale, die es grundsätzlich ermöglichen, auf Wettbewerbsvorstöße entsprechend zu reagieren.

Zwischen den drei hier markstärksten Unternehmen ist es nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts zu erheblichen Verschiebungen der Kräfteverhältnisse gekommen. Der Marktführer sieht sich nunmehr zwei wesentlich stärker gewordenen, im Verhältnis zueinander etwa gleich starken Wettbewerbern gegenüber. Dauerhafte Marktanteilszuwächse von Unternehmen belegen aber regelmäßig, dass für sie ein Anreiz besteht, von einem gemeinsamen Vorgehen abzuweichen.

So hat Phonak nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts seinen Marktanteil von 12,5 bis 17,5% im Jahr 2004 auf 20 bis 25% im Jahr 2005 gesteigert. Bezogen auf den ursprünglichen Marktanteil von Phonak im Jahr 2004 bedeutete dies einen Zuwachs um etwa 50%. Diesen erheblichen Marktanteilszuwachs hat Phonak nicht kurzfristig wieder verloren, wie es bei einem wirksamen Abschreckungs- und Sanktionssystem innerhalb eines Oligopols zu erwarten gewesen wäre, sondern im Jahr 2006 gehalten. Oticon hat seinen Marktanteil von 2003 auf 2004 um 5 Prozentpunkte, nämlich von 15 bis 20% auf 20 bis 25%, gesteigert. Das war bezogen auf seinen ursprünglichen Marktanteil ebenfalls ein erheblicher Zuwachs, der in den Jahren 2005 und 2006 gehalten werden konnte. Der Marktanteil von Siemens ist von 35 bis 40% im Jahr 2005 auf 32,5 bis 37,5% in den Jahren 2005 und 2006 dauerhaft gesunken. Das Ergebnis dieser Marktentwicklung ist auch kein gleichmäßiger Marktanteil der drei möglichen Oligopolisten. Vielmehr hat Siemens, deren Vorsprung im Jahr 2003 noch etwa 20 Prozentpunkte betrug, immer noch einen Marktanteilsvorsprung von circa 10 Prozentpunkten vor Phonak und Oticon.

Noch deutlicher wird die Dynamik des Markts, wenn die Marktanteilsentwicklung in den vom Beschwerdegericht im Anschluss an das Bundeskartellamt untersuchten Kundensegmenten betrachtet wird. Im Kundensegment 201 bis 600 EUR hat der Marktanteil von Siemens in den Jahren 2003 bis 2006 jährlich um mindestens 5 Prozentpunkte - von 2004 auf 2005 sogar um 10 Prozentpunkte -geschwankt, und zwar abwechselnd nach oben und unten. Der Marktanteil von Phonak ist von 2004 auf 2005 um 5 Prozentpunkte gestiegen. Diese Position konnte von Phonak 2006 gehalten werden. Oticon konnte seinen Marktanteil dauerhaft deutlich erhöhen und hat spätestens im Jahr 2005 in diesem Segment Phonak überholt. Diesen Vorsprung konnte Oticon seinerseits im Jahr 2006 halten.

Auch die Marktanteilsentwicklung im Kundensegment über 750 EUR zeigt Jahr für Jahr erhebliche Marktanteilsschwankungen. Während die drei Unternehmen im Jahr 2003 mit Marktanteilen von 35 bis 30% (Siemens) bzw. 20 bis 25% (Phonak und Oticon) sehr dicht beieinander lagen, spreizte sich im Jahr 2004 die Marktanteilsverteilung stark (Siemens 25 bis 30%, Phonak 10 bis 15%, Oticon 30 bis 35%), bevor sie 2005 einen deutlichen Rückgang von Oticon auf 15 bis 20% bei gleichzeitig starken Gewinnen von Phonak (von 10 bis 15% auf 30 bis 35%) und leichten Gewinnen von Siemens (von 25 bis 30% auf 30 bis 35%) zeigte. Im Jahr 2006 ist der Marktanteil von Siemens um 5 Prozentpunkte zurückgegangen, derjenige von Phonak konstant geblieben und der Anteil von Oticon wieder von 15 bis 20% auf 20 bis 25% gestiegen. Der Bedeutung dieser dynamischen Marktanteilsentwicklung für die Prognose, ob wesentlicher Wettbewerb zwischen den Mitgliedern des Oligopols zu erwarten ist, wird die Begründung des Beschwerdegerichts, die maßgeblich auf das Ergebnis der Angleichung der Marktanteile zum Zeitpunkt der Aufgabe des Zusammenschlussvorhabens abstellt, nicht gerecht.

bb)

Als nicht frei von Rechtsfehlern erweist sich ferner die Annahme des Beschwerdegerichts, zwischen Siemens, Phonak und Oticon herrsche tatsächlich kein wesentlicher Preis- und Innovationswettbewerb.

(1)

Das Beschwerdegericht ist zwar von einem Rabatt- und Konditionenwettbewerb der Hörgerätehersteller ausgegangen und hat dazu ausgeführt: Diese gewährten den Hörgeräteakustikern individuell ausgehandelte Rabatte auf die Listenpreise, wobei höhere Mengen nicht mehr oder weniger gleichmäßig zu höheren Gesamtvergünstigungen führten. Es hat aber diesen Rabattund Konditionenwettbewerb der Hersteller mit der Begründung für nicht wesentlich erachtet, Preisnachlässe könnten nur dann einen wesentlichen Preiswettbewerb begründen, wenn sie den Wettbewerbern erst derart verzögert bekannt würden, dass eine gewisse reaktionsfreie Zeit bleibe, um durch den Preisvorstoß einen für einen Marktanteilszuwachs erforderlichen Vorsprung zu erlangen.

(2)

Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts hängt die Bedeutung eines zwischen den beteiligten Unternehmen bestehenden Rabatt- und Konditionenwettbewerbs für die Prognose, ob die Wettbewerbsbedingungen wesentlichen Wettbewerb zwischen den Mitgliedern des Oligopols erwarten lassen (§ 19 Abs. 3 Satz 2 GWB ), nicht entscheidend davon ab, in welchem Ausmaß Markttransparenz besteht. Die Markttransparenz ist zwar im Zusammenwirken mit wirksamen Abschreckungs- und Sanktionsmitteln ein entscheidendes Indiz für eine enge Reaktionsverbundenheit und damit für ein dauerhaft einheitliches Verhalten der Mitglieder des möglichen Oligopols. Wesentlicher Binnenwettbewerb ist aber nicht schon dann ausgeschlossen, wenn Strukturmerkmale eine enge Reaktionsverbundenheit der Unternehmen erwarten lassen; erforderlich ist vielmehr, dass auch tatsächlich kein nennenswerter Wettbewerb zwischen ihnen stattfindet (BGHZ 178, 285 Tz. 39, 41, 44 - E.ON/Stadtwerke Eschwege). Ergibt die Prüfung der Marktverhältnisse, dass trotz ungünstiger Strukturmerkmale tatsächlich nennenswerter Wettbewerb besteht, so kann dieser Wettbewerb nicht mit der Begründung als unwesentlich unberücksichtigt bleiben, es herrsche Markttransparenz, die den Wettbewerbern eine kurzfristige Reaktion auf einen Wettbewerbsvorstoß ermögliche.

(3)

Zwar gibt es, wie das Bundeskartellamt zutreffend ausgeführt hat, keinen Erfahrungssatz, demzufolge das individuelle Aushandeln von Rabatten zwischen Herstellern und Händlern für funktionsfähigen Wettbewerb zwischen den Herstellern spricht. Das Beschwerdegericht hat aber bei seinen Feststellungen auf das von Phonak vorgelegte Schaubild Bezug genommen, nach dem dieses Unternehmen seinen 15 wichtigsten Kunden bei höherer Mengenabnahme keine gleichmäßig höheren Gesamtvergünstigungen gewährt. Es hat hieraus auf eine individuelle Bestimmung der Rabatte geschlossen. Diese uneinheitliche Konditionengestaltung und die von Phonak vorgelegten internen Marktanalysen, in denen starker Wettbewerb unter den marktstärksten Unternehmen beschrieben wird, sprechen nach wirtschaftlicher Erfahrung für einen lebhaften Rabattwettbewerb zwischen den Herstellern. Eine andere Ursache für die deutliche Konditionendifferenzierung lässt sich den Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht entnehmen. Vielmehr hat das Beschwerdegericht festgestellt, dass die Hörgeräteakustiker aufgrund der Zersplitterung der Nachfragerseite über keine auf hohen Abnahmemengen basierende Verhandlungsstärke verfügen. Wenn zwei der vom Bundeskartellamt befragten Hörgeräteakustiker gleichwohl angegeben haben, sie spielten die Hersteller im Rabattwettbewerb untereinander aus, bestätigt dies gleichfalls das Bestehen eines wirksamen Konditionenwettbewerbs.

Soweit das Bundeskartellamt meint, die subjektive Wahrnehmung der Preisaggressivität eines Herstellers durch die Handelsebene könne auch auf einer im Vergleich zu den Wettbewerbern größeren Differenz zwischen Listenpreis und tatsächlichem Herstellerabgabepreis beruhen, ist diese Erklärung im vorliegenden Fall mit den Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht vereinbar. Denn das Beschwerdegericht hat festgestellt, dass sich die Listenpreise der drei möglichen Mitglieder des Oligopols in einem sehr engen Band bewegen, und dies gerade als ein Indiz fehlenden Preiswettbewerbs gewertet. Dann können die Händler aber einen Hersteller, der ihnen höhere Rabatte als ein Wettbewerber gewährt, ohne weiteres und zutreffend als preisaggressiv erkennen. Wenn im Übrigen sechs von 13 Händlerantworten alle Hersteller als gleich preisaggressiv bewerten und in drei Antworten ein bestimmtes Mitglied des möglichen Oligopols (zweimal Oticon und einmal Phonak) preisaggressiver als die übrigen Hersteller eingeschätzt wird, ist dies jedenfalls, anders als das Beschwerdegericht meint, kein gegen die Annahme wesentlichen Rabattwettbewerbs sprechender Umstand.

(4)

Das Beschwerdegericht hat auch den Wettbewerbsvorstoß von Oticon im Jahr 2005 rechtsfehlerhaft gewürdigt. Es hat ausgeführt: Oticon habe 2005 zwar als erster Hersteller ein Hörgerät mit einigen High-End-Qualitäten in ein weit darunter liegendes Preissegment eingeführt; Siemens und Phonak hätten aber innerhalb von etwa sechs Monaten mit technisch vergleichbaren Geräten nachgezogen, so dass Oticon keinen für die Ausdehnung des Marktanteils erforderlichen Vorsprung habe erreichen können. Bei dieser Würdigung hat das Beschwerdegericht die Entwicklung des Marktanteils von Oticon in dem Preissegment 201 bis 600 EUR in den Jahren 2004 bis 2006 unberücksichtigt gelassen. Nach den hierzu getroffenen Feststellungen hat sich der Marktanteil von Oticon von 10 bis 20% im Jahr 2004 auf 20 bis 25% im Jahr 2005 erhöht und hat Oticon diesen deutlich vergrößerten Marktanteil im Jahr 2006 behaupten können. Die Tabelle zur Marktanteilsentwicklung in diesem Preissegment zeigt darüber hinaus, dass Oticon im Jahr 2005 zumindest von Siemens in erheblichem Umfang Marktanteile gewonnen hat. Die Folgerung des Beschwerdegerichts, dass Oticon durch seinen Wettbewerbsvorsprung keinen für die Ausdehnung des Marktanteils erforderlichen Vorsprung habe erreichen können, wird damit von seinen Feststellungen nicht getragen.

(5)

Das Beschwerdegericht hat zwischen Phonak, Siemens und Oticon Qualitäts- und Innovationswettbewerb festgestellt, den es bei Hörgeräten für wichtiger als Preiswettbewerb hält. Es hat diesen Qualitäts- und Innovationswettbewerb aber für nicht wesentlich erachtet, weil die Unternehmen in Form der Kreuzlizenzierungsabkommen, die Phonak sowohl mit Siemens als auch mit Oticon geschlossen habe, Vorkehrungen dafür getroffen hätten, dass zwischen ihnen künftig keine wettbewerbsrelevanten Informationsvorsprünge entstehen könnten. Auch mit diesen Erwägungen hat das Beschwerdegericht dem tatsächlichen Wettbewerbsverhalten aus Rechtsgründen ein zu geringes Gewicht bei der Prognose zugemessen, ob ein wesentlicher Wettbewerb zu erwarten ist.

Das Beschwerdegericht hat deutlich steigende Ausgaben für Forschung und Entwicklung, eine starke Zunahme der weltweiten Patenterteilungen und mehrere konkrete Beispiele für erfolgreiche Wettbewerbsvorstöße durch Produktneuheiten festgestellt. Unter diesen Umständen durfte es wesentlichen Innovationswettbewerb nicht allein im Hinblick auf die Kreuzlizenzierungsabkommen verneinen. Im Gegenteil zeigen die festgestellten Marktverhältnisse, dass trotz dieser Abkommen im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt erheblicher Innovationswettbewerb zwischen den möglichen Mitgliedern des Oligopols herrschte. Das Beschwerdegericht führt vier Beispiele für Marktanteilszuwächse infolge von Produktinnovationen an, von denen drei auf Phonak entfielen und während der Laufzeit des Kreuzlizenzierungsabkommens mit Siemens (2004 bis 2006) erreicht wurden.

Zudem rügt Phonak mit Erfolg die Annahme des Beschwerdegerichts als rechtsfehlerhaft, die beiden Kreuzlizenzierungsabkommen verschafften den drei marktführenden Unternehmen untereinander jeweils gebührenfreien Zugriff auf das Patentportfolio der anderen Unternehmen. Die Vereinbarung von Kreuzlizenzen zwischen Siemens und Oticon ist nicht festgestellt.

Das Beschwerdegericht hat auch die Beendigung des Kreuzlizenzierungsabkommens zwischen Phonak und Siemens zum 31. Dezember 2006 nicht hinreichend berücksichtigt. Zwar konnte zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt im August 2007 noch eine Nachwirkung dieses Vertrages in Betracht kommen, weil sich vertragsgemäß lizenzierte Patente noch auf laufende Produktentwicklungen auswirken konnten. Die davon etwa ausgehenden wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen wurden allerdings dadurch relativiert, dass das Beschwerdegericht den marktüblichen Innovationszyklus mit nur 18 bis 24 Monaten angegeben und eine hohe Dynamik bei den Patenterteilungen festgestellt hat.

c)

Damit erweist sich auch die Gesamtwürdigung des Beschwerdegerichts als rechtsfehlerhaft, im Zeitpunkt der Erledigung der Beschwerde Mitte August 2007 habe ein marktbeherrschendes Oligopol aus Siemens, Oticon und Phonak bestanden und die Oligopolvermutung des § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 GWB sei nicht widerlegt. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben.

D.

Der Senat kann selbst in der Sache entscheiden. Ob ein Zusammenschluss ein marktbeherrschendes Oligopol i.S. des § 19 Abs. 2 und 3 Nr. 1 GWB verstärkt oder begründet, hat zwar grundsätzlich der Tatrichter aufgrund einer Gesamtwürdigung der strukturellen Wettbewerbsbedingungen und der tatsächlichen Wettbewerbsverhältnisse zu beurteilen (vgl. BGHZ 178, 285 Tz. 26 - E.ON/Stadtwerke Eschwege; BGH, Beschl. v. 22.6.1981 - KVR 5/80, WuW/E 1824, 1828 - Tonolli - Blei- und Silberhütte Braubach). Erweist sich diese Gesamtwürdigung aber als fehlerhaft, so kann das Rechtsbeschwerdegericht, wenn eine weitere Sachaufklärung nicht geboten ist und eine fehlerfreie Gesamtwürdigung nur ein Ergebnis zulässt, eine abschließende Entscheidung in der Sache treffen (vgl. BGHZ 81, 322, 343 - Original-VW-Ersatzteile II). So liegt es hier. Entsprechend dem Hauptantrag der Rechtsbeschwerde ist auszusprechen, dass die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts vom 11. April 2007 rechtswidrig war.

I.

Das Beschwerdegericht hat sich auf die umfassenden Ermittlungen des Bundeskartellamts zu den Marktverhältnissen gestützt. Die dabei vom Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, an die das Rechtsbeschwerdegericht in den Grenzen des § 76 Abs. 4 GWB gebunden ist, lassen eine abschließende Entscheidung zu. Eine weitere Sachaufklärung ist nicht erforderlich.

II.

Nach diesen Feststellungen bestand im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt wesentlicher Binnenwettbewerb zwischen Siemens, Oticon und Phonak auf dem sachlich relevanten Absatzmarkt, der ein marktbeherrschendes Oligopol dieser Unternehmen ausschloss. Das angemeldete Zusammenschlussvorhaben konnte deshalb zu keiner Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung führen.

Für eine enge Reaktionsverbundenheit der Unternehmen, die auf ein dauerhaft einheitliches Verhalten schließen ließe, fehlt es jedenfalls an wirksamen Abschreckungsmitteln, die Wettbewerbsvorstöße eines Unternehmens entwerteten. In den Jahren 2003 bis 2006 ist es vielmehr zu erheblichen Veränderungen der Marktanteile von Siemens, Phonak und Oticon gekommen. Zwischen diesen Unternehmen herrschte sowohl Rabattwettbewerb beim Absatz der Hörgeräte an die Hörgeräteakustiker als auch Innovationswettbewerb. Die Bewertung dieses Binnenwettbewerbs als nicht wesentlich lassen die Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht zu.

III.

Die angefochtene Untersagung war auch nicht deshalb rechtmäßig, weil der beabsichtigte Zusammenschluss - wie vom Bundeskartellamt angenommen - die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung in Form eines Oligopols aus Siemens, Oticon und Phonak erwarten ließ. Es war nicht anzunehmen, dass der wesentliche Binnenwettbewerb zwischen diesen Unternehmen beseitigt worden wäre, wenn Phonak die Ressourcen von GN ReSound zugewachsen wären.

1.

Wie sich aus der angefochtenen Verfügung ergibt, beruhte die Erwartung des Bundeskartellamts, der Zusammenschluss führe zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung, maßgeblich auf Zweifeln daran, dass vor dem Zusammenschluss wesentlicher Wettbewerb zwischen den drei marktstärksten Unternehmen bestand. Diese Zweifel waren nach dem Vorstehenden unbegründet. Die Untersagung des Zusammenschlusses kann daher nicht mit der Annahme gerechtfertigt werden, ein ohnehin schon erhebliches oligopolistisches Parallelverhalten wäre durch den Erwerb von GN ReSound verstärkt worden.

2.

Die Feststellungen des Beschwerdegerichts lassen es auch nicht zu, auf die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung im Falle einer Addition der Marktanteile von Phonak und GN ReSound zu schließen. Phonak hätte dadurch zu Siemens aufgeschlossen und sich etwas von dem Wettbewerber Oticon abgesetzt, der in den Jahren 2005 und 2006 über einen etwa gleich großen Marktanteil verfügte. Im Ergebnis wären hiernach die Marktanteile zwischen Siemens, Phonak und Oticon ungleicher verteilt worden. Anhaltspunkte dafür, dass durch eine derartige Marktanteilsverschiebung der zuvor wirksame Binnenwettbewerb beeinträchtigt worden wäre, sind weder festgestellt noch ersichtlich.

3.

Entgegen der Auffassung des Bundeskartellamts kann die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung ebenso wenig damit begründet werden, mit GN ReSound wäre der einzige preisaktive Wettbewerber aus dem Markt ausgeschieden. Das Beschwerdegericht hat zur Preisstrategie von GN Re-Sound keine abschließenden Feststellungen getroffen; es hat allerdings ausgeführt, in vier von 13 Händlerantworten sei dieses Unternehmen als preisaggressivster Hersteller eingestuft worden. Einen der Annahme eines marktbeherrschenden Oligopols entgegenstehenden wirksamen Außenwettbewerb hat das Beschwerdegericht indessen nicht festgestellt. Es kann ohne weitere Anhaltspunkte nicht erwartet werden, dass die Schwächung eines vom Beschwerdegericht - von den Verfahrensbeteiligten unbeanstandet - als unwesentlich angesehenen Außenwettbewerbs durch Wegfall eines preisaktiven Wettbewerbers den bestehenden wesentlichen Binnenwettbewerb zwischen Siemens, Phonak und Oticon beseitigt hätte. Solche Anhaltspunkte sind hier weder festgestellt noch durch weitere Sachaufklärung zu erwarten. Vielmehr hat das Beschwerdegericht festgestellt, die unternehmerische Stärke von GN ReSound liege - neben der Marktposition in Deutschland - insbesondere in seinem Patentportfolio, seinem technologischen Potential im High-End-Bereich und seinen Produktionskapazitäten. Dann war nach wirtschaftlicher Erfahrung zu erwarten, dass Phonak versuchen würde, mit dem durch eine erhebliche Investition beim Zusammenschluss erkauften Entwicklungspotential einen Wettbewerbsvorsprung zu erzielen.

4.

Bei Vollzug des Zusammenschlusses im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt August 2007 wäre zudem jedenfalls aufgrund des zum 31. Dezember 2006 beendeten Kreuzlizenzierungsabkommens mit Siemens kein Transfer von GN ReSound-Technologie an Siemens erfolgt. Das Kreuzlizenzierungsabkommen zwischen Phonak und Oticon hatte vor dem Zusammenschluss wesentlichen Innovationswettbewerb zwischen den Unternehmen nicht verhindert und ließ dies auch nach einem Zusammenschluss von Phonak und GN ReSound nicht erwarten. Auf jeden Fall kann das Abkommen zwischen Phonak und Oticon aber deshalb keine Erwartung der Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung infolge des Zusammenschlusses begründen, weil Phonak als Zusage angeboten hatte, dieses Abkommen bei Freigabe des Zusammenschlusses zu beenden. Es konnte dann nicht mehr Grundlage für einen Technologie- und Know-How-Transfer von GN ReSound an Oticon sein.

Diese Zusage hätte das Bundeskartellamt annehmen müssen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts steht es nicht im pflichtgemäßen Ermessen des Bundeskartellamts, einen Zusammenschluss zu untersagen oder unter Beifügung von Bedingungen und Auflagen freizugeben. Die Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung i.S. des § 19 Abs. 2 und 3 GWB ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Daher unterliegt die Frage, ob eine angebotene Nebenbestimmung die Untersagungsvoraussetzungen entfallen lässt, grundsätzlich uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Allerdings ist bei dieser Prüfung zu beachten, dass sie eine in die Zukunft gerichtete Prognoseentscheidung erfordert. Eine Freigabe unter Nebenbestimmungen ist nur zulässig, aber auch geboten, wenn dadurch die nach § 36 Abs. 1 GWB kritische Verschlechterung der Marktstruktur wirksam verhindert werden kann (Ruppelt in Langen/Bunte, Kartellrecht, 10. Aufl., § 40 GWB Rdn. 28). Das war hier der Fall. Soweit die Verschlechterung in einem vertraglich vereinbarten Technologietransfer von GN ReSound an Oticon gesehen wurde, konnte sie wirksam verhindert werden, wenn dieses Abkommen zum Zeitpunkt des Zusammenschlusses von Phonak und GN ReSound beendet wurde. Einer Prognoseentscheidung bedarf es in diesem Zusammenhang nicht. Auf eventuelle Nachwirkungen des Lizenzabkommens nach seiner Beendigung kommt es hier nicht an, weil allein die Wettbewerbswirkungen eines Zusammenschlusses von Phonak und GN ReSound zu betrachten sind.

Soweit das Bundeskartellamt schon unabhängig von den Kreuzlizenzierungsabkommen einen stetigen gegenseitigen Austausch von Patenten zwischen den im relevanten Markt tätigen Unternehmen für geradezu zwingend hält, hat das Beschwerdegericht dazu keine Feststellungen getroffen. Vor dem Zusammenschluss stand dies aber jedenfalls wesentlichem Innovationswettbewerb nicht entgegen. Es spricht nichts dafür, dass sich die insoweit maßgeblichen strukturellen Bedingungen infolge des Zusammenschlusses verändert hätten.

5.

Die Erwartung der Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung kann ferner nicht damit begründet werden, dass an dem ZVEI-Meldesystem nach dem Zusammenschluss nur noch vier statt bisher fünf Unternehmen mit nennenswerten Marktanteilen im Inland beteiligt gewesen wären und sich die Aussagekraft des Meldesystems sowie die Preistransparenz auf dem relevanten Markt dadurch erhöht hätten. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts kam dem ZVEI-Meldesystem nur beschränkte Bedeutung zu, weil wesentliche Wettbewerbsparameter bei Hörgeräten Qualität und Innovationen sind und nicht der Preis. Sofern der Rückgang der Teilnehmerzahl, wie vom Bundeskartellamt angenommen, zur kartellrechtlichen Unzulässigkeit des ZVEI-Meldesystems geführt hätte, wäre es ohnehin sofort zu beenden gewesen und hätte die strukturellen Wettbewerbsbedingungen nach dem Zusammenschluss nicht mehr beeinflussen können. Phonak und GN ReSound hatten zudem angeboten, sich nicht mehr an dem Meldesystem zu beteiligen.

6.

Entgegen der Ansicht des Bundeskartellamts ist es für die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung schließlich ohne Bedeutung, dass sich infolge des Zusammenschlusses die Mehrheitsverhältnisse in den Gesellschafterversammlungen von HIMPP und HIMSA verändert hätten. Das Beschwerdegericht hat ohne Rechtsfehler festgestellt, dass von diesen Gemeinschaftsunternehmen keine wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen ausgehen.

E.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Satz 1 GWB .

Verkündet am: 20. April 2010

Vorinstanz: BKartA, vom 11.04.2007 - Vorinstanzaktenzeichen B 3 33101 Fa 578/06
Vorinstanz: OLG Düsseldorf, vom 26.11.2008 - Vorinstanzaktenzeichen VI-Kart 8/07 (V)
Fundstellen
WM 2010, 1091